Bezirksparteiorganisationen der SED (1985)
Siehe auch die Jahre 1975 1979
B. bestehen in den 14 Bezirken der DDR und in Berlin (Ost). Einer B. gleichgestellt sind die SED-Gebietsorganisation Wismut (Uranbergbau) sowie die von der Politischen Hauptverwaltung der Nationalen Volksarmee (NVA) geleitete Parteiorganisation in den Streitkräften. An der Spitze der B. stehen die SED-Bezirksleitungen mit ihren Sekretariaten. Sie tragen für die politische Entwicklung in ihrem territorialen bzw. funktionalen Organisationsbereich die Verantwortung und leiten die dort jeweils vorhandenen SED-Kreisleitungen (1984 insges. 261 territoriale bzw. funktionale Kreisparteiorganisationen der SED) an.
1. Zur Organisationsgeschichte. B. gibt es seit Auflösung der Länder der SBZ/DDR im Zuge der Verwaltungsneugliederung von 1952. An die Stelle der SED-Landesleitungen traten seinerzeit die SED-Bezirksleitungen mit dem „Büro“ als eigentlichem hauptamtlichem Führungsorgan. Die Büros der SED-Bezirksleitungen hatten in der Regel 9–11 Vollmitgl. und 3–5 Kandidaten. Zwischen 1959 und 1962 wurde die Zahl der Büro-Mitgl. auf 15–20 vergrößert.
Im Zuge der dem Vorbild der KPdSU folgenden Organisationsreform der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) 1963 (Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 26. 2. 1963; 4. Statut der SED, verabschiedet auf dem VI. Parteitag 1963) wurde auch die Führungsstruktur der B. einschneidend verändert. Für die Bereiche a) Industrie, Bauwesen und Verkehr, b) Landwirtschaft und c) ideologische Fragen wurden Büros eingerichtet. Zugleich wurden die bis dahin bestehenden Büros der SED-Bezirksleitungen in Sekretariate umgewandelt. Die zahlenmäßig kleineren Sekretariate sollten die Aktivitäten der bereichsspezifisch arbeitenden Büros koordinieren und für ein einheitliches Handeln der Partei Sorge tragen. Den Sekretariaten gehörten von 1963 bis 1966 nur noch an: der 1. Sekretär, der 2. Sekretär bzw. Leiter der Abteilung Parteiorgane, der Leiter des Büros für Industrie- und Bauwesen, der Leiter des Büros für Landwirtschaft und der Leiter der Ideologischen Kommission. Mitte der 60er Jahre wurde diese Gliederung der Partei wieder aufgegeben, die Sekretariate wurden vergrößert. Die 1967 gefundene Struktur der SED-Bezirkssekretariate blieb bis heute im wesentlichen unverändert. Lediglich 1974 wurde als weiteres Mitgl. der Vors. der Parteikontrollkommission der SED des Bezirks ebenfalls in das Sekretariat aufgenommen.
2. Wahl und Struktur der SED-Bezirksleitungen. Die SED-Bezirksleitungen werden mindestens zweimal innerhalb von 5 Jahren auf Beschluß des Zentralkomitees (ZK) der SED von den Bezirksdelegiertenkonferenzen gewählt (Parteiwahlen). Die Bezirksdelegierten werden nach einem vom Zentralkomitee festgelegten Schlüssel ebenfalls alle 2½ Jahre von den Kreisdelegiertenkonferenzen gewählt. Die 1984 gewählten Bezirksleitungen bestehen entsprechend der Mitgliederstärke der Partei in dem jeweiligen Bezirk aus 75 bis 85 Mitgl. sowie 15 bis 20 Kandidaten. Die SED-Bezirksleitung Berlin (Ost) besteht aus 108 Mitgl. und 28 Kandidaten. Auf ihrer ersten (konstituierenden) Sitzung wählt die Bezirksleitung das Sekretariat und die Mitgl. der Bezirksparteikontrollkommission. Außerdem obliegt den Bezirksleitungen die Bestätigung der Leiter der Abteilungen des Parteiapparates auf der Bezirksebene sowie der Zusammensetzung der Redaktionskollegien bzw. der Redakteure der SED-Presseorgane im Bezirk. Da derartige hauptamtliche Funktionärspositionen Teil der Nomenklatur des ZK sind, werden sie faktisch vom ZK-Apparat (Sekretariat des ZK der SED, Politbüro bzw. Kaderkommission) ausgewählt, vorgeschlagen und — zumindest die Sekretariatsmitglieder nach ihrer Wahl — bestätigt (Kaderpolitik).
Die Sekretariate der Bezirksleitungen setzen sich heute in der Regel zusammen aus 6 hauptamtlichen Sekretären: 1. Sekretär, 2. Sekretär, Sekretär für Wirtschaft, Sekretär für Landwirtschaft, Sekretär für Agitation und Propaganda, Sekretär für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur; weiteren 2 leitenden SED-Funktionären: Vorsitzender der Bezirksparteikontrollkommission, 1. Sekretär der SED-Stadt- bzw. Kreisleitung der Bezirksstadt;
den Vorsitzenden der beiden wichtigsten Massenorganisationen: Vors. des FDGB-Bezirksvorstandes, 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung; 2 leitenden Funktionären des bezirklichen Staatsapparates: Vors. des Rates des Bezirks (in Berlin [Ost]: Oberbürgermeister) und Vors. der Bezirksplankommission.
Die Gebietsleitung Wismut weist einige Besonderheiten auf. Neben den 6 hauptamtlichen Sekretären gehören ihr der 1. Stellv. des Generaldirektors der SDAG Wismut, der Vors. des Zentralvorstandes der IG Wismut, der Vors. der Gebietsparteikontrollkommission und der 1. Sekretär der FDJ-Gebietsleitung an.
Die Sekretariate der Bezirksleitung tagen regelmäßig einmal in der Woche an einem festgesetzten Tag. Demgegenüber treten die Bezirksleitungen nur etwa alle 3 Monate zusammen, um einen Rechenschaftsbericht des Sekretariats entgegenzunehmen, die Durchführung und Auswirkungen der von der Parteiführung gefaßten Beschlüsse im Bezirk zu erörtern und gegebenenfalls über personelle Veränderungen zu beschließen. Daneben besteht ein „Bezirksparteiaktiv“ (Parteiaktiv). Ihm gehören besonders aktive Parteimitglieder, in der Regel zugleich wichtige Funktionsträger, aus den verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Bereichen des Bezirkes an. Die Bezirksparteiaktive werden in unregelmäßigen Abständen einberufen, um sie rasch über wichtige Parteibeschlüsse zu informieren und die Partei insgesamt auf diesem Wege für deren Durchführung zu mobilisieren.
Das Sekretariat stützt sich in seiner Arbeit auf den Apparat der Bezirksleitung. Er ist entsprechend der Aufgabenstellung des Bezirks in verschiedene Abteilun[S. 224]gen unterteilt; an ihrer Spitze stehen Abteilungsleiter. Die Abteilungen sind in Sektoren untergliedert. Außerdem gibt es ständige Kommissionen, von denen die Kommission für Jugend und Sport sowie die Frauenkommission bekannt sind. In mehreren Bezirken bestehen ferner Kommissionen zur Betreuung der Parteiveteranen. Für zeitlich begrenzte Aufgaben werden Ad-hoc-Kommissionen, Arbeitsgruppen usw. gebildet.
Eine Bezirksleitung hat im Durchschnitt 180–250 hauptamtliche Mitarbeiter. Ein Großteil der Arbeit in den Kommissionen, Arbeitsgruppen oder Ausschüssen wird jedoch ehrenamtlich geleistet.
3. Aufgaben und Stellung der Bezirksorganisationen.
a) Die Bezirksleitungen sind das organisatorische und politische Verbindungsstück zwischen dem zentralen und den territorialen Parteiapparaten. Entsprechend dem Demokratischen Zentralismus leiten und organisieren sie in ihrem Bereich die Durchführung der Beschlüsse und Direktiven des Parteitages, des Zentralkomitees und der von diesem gewählten Organe: Sekretariat des ZK und Politbüro.
b) Die Bezirksleitungen haben die einheitliche politische Entwicklung in ihren Bezirken zu sichern, ihnen obliegt die systematisch politisch-ideologische und organisatorische Arbeit zur Gewinnung aller Werktätigen für die bewußte Teilnahme an der Durchführung der jeweiligen Partei- und Staatsbeschlüsse.
c) Sie haben die staatlichen Organe anzuleiten und diese bei der Durchführung der Beschlüsse der übergeordneten Organe des Staatsapparates sowie der leitenden Parteiorgane zu unterstützen. In gleicher Weise haben sie auch die Massenorganisationen politisch anzuleiten und in ihrer Organisationstätigkeit zu fördern.
Die bedeutende Rolle, die die SED-Bezirksleitungen im Rahmen der Gesamtorganisation spielen, zeigt sich u.a. darin, daß alle ersten Sekretäre der Bezirksleitungen zugleich Mitgl. des Zentralkomitees (ZK) der SED sind. Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin (Ost), Konrad Naumann, ist darüber hinaus Mitglied des Politbüros des ZK der SED; der 1. Sekretär der Bezirksleitung Cottbus, Werner Walde, gehört dem Politbüro als Kandidat an.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 223–224
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