DDR von A-Z, Band 1985

Bündnispolitik (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

[S. 249]Definiert als strategisches und taktisches Verhalten einer sozialen Klasse, die sich zur Durchsetzung ihrer Ziele mit anderen Klassen und Schichten auf der Basis dauernder oder zeitweiliger gemeinsamer Interessen verbündet (Klasse/Klassen, Klassenkampf). Die B. der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) soll darauf abzielen, die politische Macht zu erobern, um dann in einem langen geschichtlichen Prozeß die Spaltung der Gesellschaft in Klassen zu überwinden und die klassenlose Ordnung des Kommunismus zu entwickeln. Als natürliche Verbündete der Arbeiterklasse werden ebenfalls im Kapitalismus ausgebeutete Klassen und Schichten wie Bauern, Handwerker, Gewerbetreibende, Angehörige der Intelligenz und sogar kleinere Unternehmer sowie Großbauern angesehen. Ihnen soll durch das Zusammengehen mit der Arbeiterklasse im Sozialismus eine positive Perspektive geboten werden.

 

Die SED nimmt für sich in Anspruch, die bereits durch Marx und Lenin konzipierte B. der Arbeiterklasse bei der Schaffung der Antifaschistisch-demokratischen Ordnung durch Organisationsformen wie den demokratischen Block, die Volkskongreßbewegung (Deutscher Volkskongreß) und die Nationale Front der DDR angewandt und vertieft zu haben. Durch die Anwendung der B. sei es unter der Führung der SED zur Herausbildung der „politisch-moralischen Einheit des Volkes“ gekommen. Als Kern des Bündnisses aller Werktätigen wird das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern angesehen. Die B. soll die besonderen Interessen der mit der Arbeiterklasse Verbündeten berücksichtigen, die Bündnispartner durch schrittweises Heranführen an sozialistische Produktions- und Lebensverhältnisse in die sozialistische Gesellschaft integrieren und sie der Arbeiterklasse weiter annähern.

 

Dieses gesellschaftspolitische Konzept bedeutet allerdings, daß mit dem Zurücktreten spezifischer Interessen hinter der wachsenden Übereinstimmung grundlegender Interessen und zunehmender sozialer Homogenität tendenziell die Bedingungen der B. aufgehoben werden. Diese Annahme dokumentierte sich besonders in der von Ulbricht 1967 formulierten These von der „sozialistischen Menschengemeinschaft“, sie wurde jedoch nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) als „unwissenschaftlich“ verworfen, da sie bei der Einschätzung des erreichten Entwicklungsstandes in unrealistischer Weise „harmonistische“ Elemente der in der DDR noch keineswegs verwirklichten klassenlosen Gesellschaft antizipiert habe. Aus der gegenwärtig in der SED vorherrschenden Sicht von der DDR als einer noch relativ stark differenzierten — wenngleich „nichtantagonistischen“ — Klassengesellschaft resultiert die immanente Notwendigkeit, die B. für eine längere, nicht näher bestimmte Frist fortzusetzen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 249


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.