Energiewirtschaft (1985)
Siehe auch:
I. Die Energie- und Brennstoffindustrie
E. ist der Zweig der Industrie, der sich mit der Förderung, Erzeugung bzw. Umwandlung, Fortleitung und Verteilung von Energieträgern befaßt. Diese Aufgaben obliegen in der DDR der Energie- und Brennstoffindustrie (Ministerium für Kohle und Energie). In ihr sind die Zweige Braun- und Steinkohlenindustrie und Energiebetriebe zusammengeschlossen. 1982 arbeiteten in der Energie- und Brennstoffindustrie 6,8 v.H. (218.000) aller Industriebeschäftigten; der Anteil an der industriellen Bruttoproduktion lag bei knapp 10 v.H. Die E. gehört zu den kapitalintensiven Wirtschaftsbereichen. Der Grundmittelbestand je Arbeiter und Angestellten ist fast dreimal höher als im Industriedurchschnitt. Während die industrielle Bruttoproduktion zwischen 1970 und 1982 im Jahresdurchschnitt um 5,3 v.H. zunahm, verzeichnete die Energie- und Brennstoffindustrie lediglich einen Zuwachs von 3,6 v.H. (davon Energiebetriebe 4,9 v.H.).
II. Primärenergieaufkommen
Bezeichnung für das erstmalige Aufkommen eines Landes an Energieträgern. Hierzu zählen Gewinnung und Förderung von natürlichen Energierohstoffen, der Nettoimport (Import minus Export) von Energieträgern jeder Art, also auch von solchen, die bereits einer Verarbeitung bzw. Umwandlung unterworfen wurden (Sekundärenergieträger) sowie die Bestandsveränderungen. Angaben über den Primärenergieverbrauch der DDR wurden erstmals 1982 (Statistisches Taschenbuch der DDR, Berlin [Ost] 1982) veröffentlicht. Sie betreffen die Jahre 1975 bis 1981 und weisen den Verbrauch insgesamt und den fester Brennstoffe, darunter Braunkohle, aus. Die Angaben stimmen für die Jahre 1975 bis 1978 mit den hier verwendeten Schätzwerten überein (Abweichungen unter 1 v.H.).
A. Entwicklung und Struktur
1982 betrug das aus dem Inland stammende Primärenergieaufkommen 88 Mill. t Steinkohleneinheiten [S. 350](SKE) — 1960 waren es 68 Mill. t SKE. Viel schneller als die Inlandsproduktion (+ 30 v.H.) haben im selben Zeitraum die Nettoimporte (Importe minus Exporte) zugenommen (+ 409 v.H.). Betrugen sie 1960 erst 8,3 Mill. t SKE, so waren es 1982 bereits 42 Mill. t SKE. Damit ist die Auslandsabhängigkeit der Energieversorgung der DDR beträchtlich gestiegen: 1960 wurden 11 v.H. des Inlandsverbrauchs importiert (netto), 1982 waren es hingegen 32 v.H. Gemessen an der Bundesrepublik Deutschland, die rd. 60 v.H. ihres Primärenergiebedarfs aus dem Ausland deckt, ist das Ausmaß der Abhängigkeit allerdings geringer. Die Gründe für diese unterschiedliche Importabhängigkeit sind strukturbedingt. Während die Bundesrepublik Deutschland über 40 v.H. ihres Energiebedarfs durch Erdöl (-importe) deckt, nutzt die DDR stärker ihre inländischen Rohstoffe.
Das Primärenergieaufkommen der DDR wies in den Jahren 1960, 1970 und 1980 folgende Struktur auf (Angaben in v.H.):
Die drastische Verteuerung der Energieträger hat auch die DDR zu einer Änderung ihrer Energiepolitik bewogen. Nachdem bis 1980 die Energieimporte — vor allem aus der UdSSR — deutlich ausgeweitet wurden, hat jetzt die Energieeinsparung Priorität. Aber auch das Energieangebot muß umstrukturiert werden („Wo Heizöl noch als Brennstoff verwendet wird, gilt es Braunkohle einzusetzen“). Die Erdöl- und Erdgasimporte können vor allem aus Gründen der Handelsbilanz vorläufig nicht mehr erhöht werden; sie gehen z.T. sogar absolut zurück (Erdölimporte aus der UdSSR). Damit erlangen die im Inland verfügbaren Ressourcen wieder eine größere Bedeutung. Ausbaufähig ist hier allerdings nur die Braunkohlenförderung. Diese Strukturveränderungen sind mit beträchtlichen materiellen und energetischen Aufwendungen (geringer energetischer Wirkungsgrad der Braunkohle im Vergleich zu Erdöl und Erdgas) verbunden.
B. Braunkohle
Der mit Abstand bedeutendste Energieträger wird daher noch für lange Zeit die Braunkohle (Bergbau) bleiben. Die Gesamtvorräte der DDR werden auf etwa 45 Mrd. t geschätzt. Von der anstehenden Kohle sind jedoch beim gegenwärtigen Stand der Abbautechnik nur 18 Mrd. t wirtschaftlich gewinnbar; davon befinden sich 11 Mrd. t im Lausitzer und 7 Mrd. t im Leipziger Revier. Obwohl dies noch nicht einmal 2 v.H. der Weltvorräte sind, ist die DDR mit einem Anteil von 27 v.H. (1981) das bedeutendste Braunkohlenförderland der Welt. 1982 wurden 276 Mill. t gefördert (1960: 226 Mill. t). Da die Braunkohle im Tagebau gewonnen werden kann, sind die Förderkosten relativ niedrig (günstige Mechanisierungsmöglichkeiten). Angesichts der stagnierenden Importmöglichkeiten soll die Braunkohlenproduktion bis 1990 auf 300 Mill. t gesteigert werden, was den Neuaufschluß von 21 Tagebauen erforderlich macht (Ziel für 1985 gemäß Fünfjahrplan 290 Mill. t, später erhöht auf 295 Mill. t). Die Energieversorgung der DDR bleibt damit witterungsanfällig. Aufgrund ihres hohen Wassergehaltes (50 bis 60 v.H.) gefriert die im Tagebau geförderte Braunkohle leicht, was in den Wintermonaten häufig zu Versorgungsstörungen geführt hat. Verschlechtern dürften sich auch die Abbaubedingungen (Abraum je Tonne 1970: 3,8 m³; 1990: 5 m³) wie auch die Qualität der Braunkohle. Der Wasser- und Aschegehalt wird steigen und der Heizwert (derzeit etwa 2.100 kcal/kg, das sind 0,3 SKE) sinken. Im Bezirk Halle befinden sich z.B. erhebliche Lagerstätten an Salzkohle, die bisher aufgrund ihrer Eigenschaften weder verbrannt noch chemisch verarbeitet werden konnten. Für ihre Nutzung sollen spezielle Verfahren und Anlagen entwickelt werden.
Aufgrund des niedrigen Heizwertes ist es nicht wirtschaftlich, Braunkohle über große Entfernungen zu transportieren. Daher werden knapp 60 v.H. der Rohbraunkohle (1980: 147 Mill. t) in fördernahen Kraftwerken und 4 v.H. (9,3 Mill. t) in Heizwerken verfeuert. 37 v.H. der Rohbraunkohle (96 Mill. t) werden in Brikettfabriken verarbeitet. Bemerkenswert ist der Anstieg des Rohbraunkohleneinsatzes im Bereich Haushalts- und Kleinverbrauch: Er stieg von 1978 bis 1980 von 1 auf 3 Mill. t.
Seit 1960 hat die DDR die Braunkohlenexporte beträchtlich eingeschränkt (1960: 6,3 Mill. t — 1982: 3,9 Mill. t). Betroffen war davon vor allem der Innerdeutsche Handel (IDH). Gehörte nämlich die Braunkohle 1960 mit einem Lieferanteil von ca. 25 v.H. noch zu einem bedeutenden „Devisenbringer“, so ist ihr Anteilswert bis zum Jahre 1982 auf einen „Erinnerungsposten“ von knapp 2 v.H. zurückgegangen (1,4 Mill. t).
C. Steinkohle
Die Steinkohle spielt für die Energieversorgung der DDR nur eine relativ geringe Rolle. Die Inlandsförderung mußte mangels abbauwürdiger Vorkommen 1977 eingestellt werden. 1976 wurden etwa 0,5 Mill. t gefördert, das sind 2 Mill. t weniger als 1960. Um die Versorgung der Industriebetriebe zu [S. 351]sichern, die nicht oder nur teilweise auf Braunkohle ausweichen können (z.B. Eisen- und Stahlwerke, Werke der Baustoff- und chemischen Industrie sowie Gaswerke), wurden 1982 4,7 Mill. t Steinkohle und 3,1 Mill. t Steinkohlenkoks importiert. Hauptlieferländer sind die Sowjetunion, Polen und die ČSSR.
D. Erdöl
Da die DDR über keine nennenswerten Vorkommen verfügt, ist sie auf dem Erdölsektor fast zu 100 v.H. importabhängig. Das mit Abstand wichtigste Lieferland ist die Sowjetunion:
Rund ⅘ der sowjetischen Lieferungen werden durch die 1964 fertiggestellte Pipeline „Freundschaft“ nach Schwedt transportiert. 1973 wurde der zweite Strang dieser Leitung in Betrieb genommen. Durch das 5.330 km lange Rohrleitungssystem ist die DDR direkt mit den westsibirischen Erdölfeldern verbunden. Daneben gelangt Erdöl über Rostock in die DDR. Von dort besteht eine Pipelineverbindung zum Stammbetrieb des „VEB Petrochemisches Kombinat Schwedt“. 1983 erhielt die DDR gemäß einer Vereinbarung mit der UdSSR nur noch 17,1 Mill. t Erdöl. Einfuhren aus arabischen Ländern (u.a. Ägypten, Irak, Syrien) sind dagegen von untergeordneter Bedeutung. In einem Rahmenabkommen vereinbarten die DDR und die Bundesrepublik Deutschland (Innerdeutscher Handel [IDH]) für den Zeitraum 1980–1985 die Lieferung von jährlich rd. 1 Mill. t Rohöl in die DDR, die ihrerseits rd. 2 Mill. t (1983: 2,4 Mill. t) Mineralölprodukte liefert. Entsprechend einem dreiseitigen Regierungsabkommen von 1975 beteiligt sich die DDR mit Polen und der UdSSR an einer gemeinsamen Organisation für die Erdöl- und Erdgassuche in der Ostsee-„Petrobaltic“.
Aufgrund der im RGW-Intrablockhandel herrschenden Preisbildungsprinzipien (Außenwirtschaft und Außenhandel, VII.; Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe [RGW]; Währung/Währungspolitik, III. A.) hat die UdSSR ihre Rohölpreise erst ab 1975 — und seitdem nur schrittweise — an die gestiegenen Weltmarktpreise angepaßt. 1982 wurden der DDR für die Tonne sowjetischen Erdöls im Durchschnitt 136 Transfer-Rubel (1974: 19 TRbl.) berechnet. Der Weltmarktpreis war zu dieser Zeit etwa 20 v.H. höher. Die Bezahlung der Rohöllieferungen erfolgt allerdings auf Verrechnungsbasis durch Gegenlieferungen von Industrieprodukten aus der DDR. Da die Bewertung dieser Gegenlieferungen in Transfer-Rubel jährlich in bilateralen Verhandlungen neu festgesetzt wird, läßt sich der Nettoeffekt dieses Preisvorteils beim Rohölbezug nicht ermitteln, denn auch die Lieferungen aus der DDR an die Sowjetunion werden zu Preisen abgewickelt, die unter den Weltmarktpreisen liegen. Da in der Vergangenheit die Rohstoffpreise jedoch schneller stiegen als die für die übrigen Produkte, dürfte sich gegenüber den Bedingungen am Weltmarkt per Saldo ein relativer Vorteil für die DDR ergeben.
E. Erdgas
Infolge des 1967 mit Hilfe sowjetischer Spezialisten erfolgten Aufschlusses der Erdgaslagerstätte Salzwedel-Peckensen (Altmark) verfügt die DDR über eine nennenswerte Erdgasquelle. Die Vorräte dieser im Grenzgebiet zur Bundesrepublik befindlichen Lagerstätte werden auf 150 bis 200 Mrd. m³ geschätzt, wovon 10 v.H. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entfallen. Nachdem die Erdgasförderung zwischen 1969 und 1974 von 0,2 auf 8 Mrd. m³ gesteigert worden war, stagnierte sie für längere Zeit. Erst in den letzten Jahren wurde die Förderung wieder erhöht (1983: 11,8 Mrd. m³). Das in der Altmark geförderte Erdgas ist von minderer Qualität. Mit einem Heizwert von nur 3.000 kcal/m³ liegt es weit unter der nordwesteuropäischen Norm (Hu = 7.600 kcal/m³).
Über dieser Norm liegt das seit April 1973 importierte Erdgas aus der Sowjetunion. Dieses Gas (1982: 6,4 Mrd. m³) bezieht die DDR über die durch die ČSSR führende Pipeline, durch die auch die Bundesrepublik Deutschland beliefert wird. Das hochwertige Importgas wird vor allem in der chemischen Industrie, der Metallurgie, der Glas- und keramischen Industrie, der Leichtindustrie und in der E. eingesetzt. Wie alle europäischen RGW-Länder beteiligte sich die DDR am Bau einer mehr als 2.500 km langen Erdgasleitung von Orenburg zur sowjetischen Westgrenze. Die UdSSR zahlt diese Kreditleistung der DDR (in Form von Waren und Dienstleistungen) mit Erdgaslieferungen seit 1979 zurück. Eine ähnliche Beteiligung erfolgt auch im Planungszeitraum 1981/85.
[S. 352]
F. Sonstige
Die Bedeutung der ebenfalls zum Primärenergieaufkommen zählenden Kernenergie (Atomenergie) und Wasserkraft ist gering, ihr Anteil am Energieverbrauch lag 1982 bei etwa 4 v.H.; Wasserkraft wird vor allem in Form von Pumpspeicherwerken genutzt. Sie sind hinsichtlich des Ausgleichs von Belastungsspitzen von Bedeutung. 1981 wurde das größte Pumpspeicherwerk der DDR in Markersbach (Erzgebirge) fertiggestellt. Es hat eine Gesamtkapazität von 1050 MW (6 × 175 MW).
III. Sekundärenergie
A. Elektroenergie
1982 betrug die installierte Kraftwerksleistung im Bereich der Industrie 21.900 MW. Damit ist die Kapazität innerhalb von 17 Jahren mehr als verdoppelt worden (1965: 10.300 MW). Allerdings konnten in den vergangenen Jahren die geplanten und für die Befriedigung des steigenden Strombedarfs unbedingt erforderlichen Kapazitätszugänge nicht realisiert werden. Im Zeitraum 1971–1975 sollte die installierte Kraftwerksleistung um rd. 6.150 MW gesteigert werden; es wurde jedoch nur ein Zuwachs von 5.000 MW erreicht. Dieser Wert wurde auch als Ziel für den Fünfjahrplan 1976–1980 vorgegeben. Obwohl 1979 in Boxberg das größte Braunkohlenkraftwerk Europas fertiggestellt wurde (Gesamtkapazität 3.520 MW), wurde das Gesamtziel um 1500 MW unterschritten. Für 1981–1985 ist eine Kapazitätserweiterung um 3.000 MW vorgesehen. Zwar hat sich angesichts der Kapazitätserweiterungen die Versorgungssituation entspannt. Vor allem in Wintermonaten kann die witterungsanfällige Elektroenergieerzeugung noch für längere Zeit eine Bedrohung für ein stetiges Wirtschaftswachstum darstellen. Dies vor allem deshalb, weil die Stromerzeugung zu 82 v.H. (1982) auf dem Einsatz von Braunkohle basiert. Um Lagerkosten zu sparen, werden die in Tagebaunähe befindlichen Kraftwerke direkt bekohlt, Reserven werden oft nicht in ausreichendem Maße gebildet. Damit ist aber eine gewisse Anfälligkeit der E. gegeben, denn bei starkem Frost kann die Braunkohle wegen ihres hohen Wassergehalts gefrieren. Auch künftig werden noch überwiegend Braunkohlenkraftwerke gebaut. Kernkraft hat zwar schon einen Anteil von 11 v.H. an der Stromerzeugung erreicht, bis 1985 soll er aber kaum steigen (12–14 v.H.; Atomenergie).
Während in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1960 und 1982 die Stromproduktion um knapp 6 v.H. jährlich zunahm, wurde die Elektrizitätserzeugung in der DDR im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 4,4 v.H. gesteigert. 1982 wurden im Inland 104,1 Mrd. kWh verbraucht (1960: 39,9 Mrd. kWh). Das Stromaufkommen (Produktion plus Einfuhr) verteilte sich auf die wichtigsten Abnehmergruppen 1982 (1960) wie folgt: Industrie (einschl. Energieindustrie und Netzverluste): 66,9 v.H. (75,6 v.H.), andere Wirtschaftsbereiche 18,4 v.H. (16,2 v.H.), Haushalte 11,8 v.H. (7,0 v.H.). Der Erzielung von Kosteneinsparungen dient auch der Einsatz von immer größeren Kraftwerksblöcken (Turbine und Generator). 1970 wurde im Kraftwerk Thierbach (bei Leipzig) erstmals ein 210-MW-Block eingesetzt. 1976 nahm im Kraftwerk Hagenwerder (östlich von Dresden) der erste 500-MW-Block der DDR seinen Betrieb auf.
Im Zuge der Kombinatsbildung wurden die Kraftwerke organisatorisch umstrukturiert. Zum VE Kombinat Braunkohlenkraftwerke zählen auch die Pumpspeicherwerke; die Kernkraftwerke in Rheinsberg und in Lubmin gehören zum VE Kombinat Kernkraftwerke „Bruno Leuschner“.
Private Haushalte bezahlen in der DDR seit 1946 für 1 kWh 8 Pfennige, die tatsächlichen Produktionskosten werden mit 16 Pfennigen angegeben.
Die DDR ist Mitglied der „Vereinigten Energiesysteme der Mitgliedsländer des RGW“ (populäre Kurzform: Verbundsystem „Frieden“ bzw. „MIR“). Sitz der zentralen Dispatcherverwaltung ist seit 1963 Prag. Ziel der Organisation: Ausgleich der Spitzenbelastungszeiten, Hilfe im Katastrophenfall, Ausnutzung zeitweilig freier Kapazitäten. Der Spareffekt betrug für die DDR im Jahr 1980 etwa 220 MW. In diesem System waren 1980 Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 137.000 MW zusammengeschlossen. 1980 wurden über die zur Verfügung stehenden Leitungen 32 Mrd. kWh ausgetauscht. Die DDR ist mit ihren Nachbarländern Polen und der ČSSR derzeit mit insgesamt 5 grenzüberschreitenden Elektrizitätshochspannungsleitungen verbunden.
Mit der 1979 erfolgten Inbetriebnahme einer 750-kV-Leitung zwischen der UdSSR und Ungarn ist der Stromaustausch zwischen den RGW-Ländern weiter intensiviert und vor allem der sowjetische Beitrag zu diesem System gesteigert worden. Für die 80er Jahre ist u.a. der Bau einer 750-kV-Leitung zwischen der UdSSR, Polen und der DDR vorgesehen.
B. Mineralölverarbeitung
Die DDR deckt ihren Bedarf an Mineralölerzeugnissen ausschließlich aus eigenen Raffinerien. 1982 dürfte die Verarbeitungskapazität 22 Mill. t betragen haben. Rd. ¾ der Erdölverarbeitungskapazität sind im VEB Petrochemisches Kombinat Schwedt konzentriert (27.700 Beschäftigte, rd. ¼ der Chemieproduktion der DDR). Es umfaßt neben dem Stammbetrieb Schwedt mit dem Betriebsteil Erkner noch den VEB „Otto Grotewohl“ Böhlen (Betriebsteile: Espenhain und Rositz), den VEB Hydrierwerk Zeitz (Betriebsteile: Lützkendorf, Mieste, Völpke, Webau und Klaffenbach) sowie den VEB Mineralölverbundleitung Schwedt. Daneben wird Erdöl vor allem noch in Leuna verarbeitet. Neben der Benzin- [S. 353]und Dieselproduktion (Kraftstoffversorgung) fallen vor allem Heizöle an (1980 etwa 8–10 Mill. t; 1960 waren es erst 0,4 Mill. t). Heizöl wird für Hochtemperaturprozesse in der Metallurgie, in der Glas- und Zementindustrie sowie noch vereinzelt in Heiz- und Heizkraftwerken eingesetzt. Ohne Bedeutung ist der private Verbrauch. Künftig soll das stagnierende — vielleicht sogar rückläufige — Ölaufkommen mit steigendem Anteil als Treibstoff und für die chemische Weiterverarbeitung eingesetzt werden. So hat bereits eine Umstellung aller Heiz- und Kraftwerke auf einheimische Brennstoffe begonnen. In den Raffinerien müssen entsprechende Umstrukturierungen in den Produktionsanlagen vorgenommen werden, damit Heizöl zu Kraftstoffen und Kunststoffen weiterverarbeitet werden kann. Diesem Zweck dient der Spalt- und Aromatenkomplex in Schwedt, der 1981 seinen Betrieb aufnahm (Spaltkapazität 1,2 Mill. t p.a.). 1984 soll eine ähnliche Anlage mit einer Kapazität von 1,6 Mill. t p.a. Heizölkomponenten fertiggestellt sein.
Für den Mineralöltransport innerhalb der DDR steht ein 1300 km langes Rohrleitungssystem zur Verfügung. Es umfaßt u.a. folgende Trassen: Rostock-Schwedt (202 km), Schwedt-Leuna (340 km), Leuna-Böhlen-Zeitz (50 km) sowie die Kraftstoffleitung Schwedt-Seefeld (72 km) und die Rohbenzinpipeline Zeitz-Böhlen.
Im Vergleich zu westlichen Industrieländern ist der Verbrauch an Mineralölerzeugnissen relativ gering. Einem Pro-Kopf-Verbrauch von 1,1 t in der DDR steht ein entsprechender Wert für die Bundesrepublik Deutschland von 1,9 t im Jahre 1982 gegenüber.
C. Kohleverarbeitung
Die Verarbeitung von Braunkohle erfolgt zum Zwecke der energetischen und chemischen (Karbochemie) Weiterverwendung. Ihr kommt angesichts des stagnierenden Kohlewasserstoffeinsatzes in der DDR eine steigende Bedeutung zu. Erste Verarbeitungsstufe ist die Brikettierung; sie ist derzeit noch Voraussetzung für alle weiteren Veredelungsprozesse der Braunkohle. Für die Brikettierung wird die Niederlausitzer Braunkohle bevorzugt (Asche- und Schwefelgehalt niedriger als die der westelbischen Kohle): Künftig sollen jedoch auch Veredelungsverfahren entwickelt werden, bei denen grubenfeuchte oder staubförmige Kohlen eingesetzt werden können. So wird in der DDR eine Anlage erprobt, in der Salzkohle ohne Brikettierung in einer „Flugstaubwolke“ direkt vergast wird. Mit dem Einsatz der Salzkohle aus dem Bezirk Halle soll sichergestellt werden, daß die Synthesegasbereitstellung in den 80er Jahren von 5 auf 7 Mrd. cbm p.a. auf Braunkohlenbasis erhöht werden kann.
1981 betrug die Brikettproduktion knapp 51 Mill. t (Rohbraunkohleneinsatz knapp 100 Mill. t). Im Brikettierungsprozeß wird der Wassergehalt von 50 bis 60 v.H. auf 10 bis 12 v.H. reduziert, der Heizwert steigt von 2.100 kcal/kg auf 4.500 kcal/kg. Rd. 75 v.H. der Brikettproduktion werden energetisch genutzt (Industrie, Hausbrand, Verkehr, örtliche Wirtschaft und Export). Die für die zweite Veredelungsstufe — Entgasung, Vergasung, Verflüssigung — genutzten Briketts (1980: ca. 13 Mill. t) gingen in die Schwelereien (ca. 5,5 Mill. t), die Braunkohlehochtemperatur-(BHT-)Kokereien (5,0 Mill. t) und in die Festbett-Druckvergasung bzw. Schwachgasgeneratorenanlage (2,5 Mill. t); eine direkte Verflüssigung erfolgt noch nicht. Der Bedarf an Veredelungsbriketts soll bis 1985 um 10 v.H. und bis 1990 um 12,5 v.H. gegenüber 1980 steigen.
Die Schwelung von Braunkohlenbriketts erfolgt in den Schwelereien Espenhain, Böhlen und Deuben. Schwelprodukte sind: Schwelkoks (er wird in den Winkler-Generatoren zur Synthesegaserzeugung und für Wärmeprozesse eingesetzt), Teer, Mittelöl, Leichtöl, Phenole.
Zur Verminderung der Steinkohlenabhängigkeit wurden in Lauchhammer und Schwarze Pumpe (Gaskombinat Schwarze Pumpe [VEB GSP]) Großkokereien errichtet, in denen BHT-Koks produziert wird. Sein Heizwert liegt zwischen 6.300 und 7.200 kcal/kg. BHT-Koks wird zu 70 v.H. für Heizzwecke verwendet. Künftig soll er jedoch verstärkt in der Chemie (Carbidherstellung) und Metallurgie eingesetzt werden. Die Festbett-Druckvergasung erfolgt im Gaskombinat Schwarze Pumpe und hat nahezu ausschließlich die Stadt- und Synthesegaserzeugung zum Ziel (kein Koksanfall).
Die Verflüssigung von Braunkohle befindet sich im Entwicklungsstadium. Bis 1984 sollen verschiedene Verfahren zur kleintechnischen Reife geführt werden; dann soll über deren Großeinsatz entschieden werden. Die Entwicklung der Kohlehydrierung ist deshalb wichtig, weil die Vorräte an schwelwürdiger Kohle (Bitumengehalt 15–20 v.H.) eng begrenzt sind.
Bis 1990 sollen 80 v.H. des Produktionszuwachses an Rohbraunkohle für die Kohleveredelung eingesetzt werden. 1980 wurden karbochemische Produkte für die nichtenergetische Nutzung in einem Umfang produziert, die einem Äquivalent von 7 Mill. t Erdöl entsprachen. Damit lieferte die Kohlechemie 25 v.H. aller organischen Rohstoffe der Chemie und 5 v.H. der Treibstoffproduktion. Bis [S. 354]1990 soll die Produktion auf ein Erdöläquivalent von 11 Mill. t erhöht werden.
Insgesamt wird sich durch die Substitution von Erdölprodukten durch carbochemische Erzeugnisse der Aufwand für Investitionen und laufende Kosten beträchtlich erhöhen. Die Synthesegasproduktion auf Braunkohlenbasis ist etwa doppelt so aufwendig wie die auf der Basis von Erdgas. Bei Treibstoffen liegen die Faktoren im Vergleich zu Erdöl bei 10–12 (Investitionen) bzw. 4–8 (Verarbeitungskosten; Angaben für die Bundesrepublik 1980).
D. Stadtgas
Das Stadtgasaufkommen betrug 1982 6,3 Mrd. cbm. Zur Deckung des Spitzenbedarfs kann auf die seit 1965 errichteten 7 unterirdischen Speicherkapazitäten (1980 etwa 1 Mrd. cbm) zurückgegriffen werden. In den nächsten Jahren soll die Stadtgasproduktion nicht wesentlich gesteigert werden (1985: 6,8 Mrd. cbm).
Die Stadtgasproduktion ist im Gaskombinat Schwarze Pumpe (VEB GSP) konzentriert. Vier Betriebe dieses Kombinats — der Stammbetrieb in Schwarze Pumpe sowie die Gaswerke in Magdeburg, Zwickau und Lauchhammer — produzieren 90 v.H. der Stadtgasproduktion der DDR, Schwarze Pumpe allein ⅔. Magdeburg und Zwickau arbeiten auf Steinkohlebasis, während in Schwarze Pumpe Stadtgas in erster Linie durch Kohledruckvergasung und Braunkohleverkokung (BHT-Kokserzeugung) erzeugt wird. Die gesamte Stadtgaserzeugung der DDR verteilt sich aufkommensmäßig wie folgt:
Die Stadtgasversorgung erfolgt über ein zentralgesteuertes Ferngasnetz, durch das alle Bezirke der DDR miteinander verbunden sind. Parallel dazu bestehen zwei weitere, unabhängige Teilsysteme für eigenes Erdgas und für Importerdgas. Die Gesamtlänge der Hochdruckleitungsnetze beträgt 6.000 km.
E. Fernwärme
Ende 1981 wurden 1,1 Mill. Wohnungen (20 v.H. des Bestands) mit Fernwärme beheizt. Die Versorgung erfolgt vor allem in Großstädten. Der Versorgungsradius ist wegen der hohen Leitungsverluste gering. Er beträgt bei Heizwasser 15–20 km, bei Dampf 5–8 km. Vor allem neue Wohngebiete sollen mit Fernwärme versorgt werden. 1980 gab es in der DDR 116 Heizwerke und 35 Heizkraftwerke. Sie versorgten über ein Fernwärmeleitungsnetz von 2.400 km 530 Wärmeversorgungsgebiete. Große Fernwärmeverbundsysteme bestehen in Berlin (Ost), Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Jena, Neubrandenburg, Gera und Rostock. Anlagen, die auf Heizöl- oder Erdgasbasis betrieben werden, sollen auf Braunkohlenbetrieb umgerüstet werden. Längerfristig soll auch die Kernenergie für die Fernwärmeversorgung eingesetzt werden.
IV. Energieeinsparung
In den 70er Jahren hat die DDR den Zuwachs im Energieverbrauch nahezu ausschließlich durch Importsteigerungen gedeckt. Aus Zahlungsbilanzgründen kann diese Politik in den 80er Jahren nicht fortgesetzt werden. Die Energieeinfuhren mußten z.T. sogar gedrosselt werden. Den Schwerpunkt der Energiepolitik kann daher nicht mehr die Ausweitung des Angebots, sondern die Drosselung der Energienachfrage bilden. So sieht der Fünfjahrplan 1981–1985 vor, mit einem Primärenergiezuwachs von weniger als 1 v.H. eine Steigerung des Nationaleinkommens von jährlich mehr als 5 v.H. zu erreichen.
Zur Verminderung des spezifischen Primärenergieverbrauchs ist eine Reihe administrativer Maßnahmen ergriffen worden. Hierzu zählt vor allem der 1979 gefaßte „Beschluß des Ministerrats der DDR über rationellen Einsatz von Elektroenergie, Wärme sowie Brenn- und Treibstoffen“. Daneben ist die Neufassung der Energieverordnung vom 30. 10. 1980 zu nennen, die allerdings im wesentlichen [S. 355]nur eine Zusammenfassung der bisherigen Verordnungen darstellt. Im einzelnen dürften vor allem folgende Maßnahmen Einsparungen zum Ziel haben:
– Die Vorgabe des Energieverbrauchs als staatliche Plankennziffer (seit 1979). Bei Überschreitung des Verbrauchs, der seit September 1980 bei nahezu allen zentral geleiteten Betrieben monatlich kontrolliert wird, werden Sanktionen in Höhe des zehnfachen Preises für unzulässig verbrauchte Energieträger erhoben.
– Die Bildung von Energieinspektionen. Als Organ der Zentralen Energiekommission des Ministerrats kontrollieren sie die Kombinate, Betriebe und Genossenschaften hinsichtlich der Einhaltung der getroffenen Maßnahmen zur Einsparung von Energie und zur verstärkten Nutzung von Braunkohle. Sie können zur Durchsetzung ihrer Auflagen ein Zwangsgeld von maximal 100.000 Mark androhen.
– Verpflichtung zur Nutzung von Anfallenergie. Nach der neuen Energieverordnung vom 30. 10. 1980 ist derjenige zur — ökonomisch gerechtfertigten — Nutzung von Anfallenergie (ungewollt anfallendes Nebenprodukt) verpflichtet, in dessen Bereich sie entsteht.
– Jährliche Preiserhöhungen für Elektroenergie, Wärmeenergie und feste Brennstoffe im Bereich der Wirtschaft (seit 1980).
– Verminderung der Temperaturnormen für die Raumheizung (seit 1979).
– Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Bahn und Binnenschiffahrt.
– Zunahme der Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken (Plan 1981/85: + 750 km).
Zwar bestehen aufgrund des hohen Energieverbrauchs der DDR — mit 7,8 t SKE je Einwohner lag er 1982 um über 30 v.H. über dem der Bundesrepublik Deutschland (5,9 t SKE/Einwohner) — noch erhebliche Einsparungsmöglichkeiten. Einsparungen und Umstrukturierungen (z.B. Substitution von Heizöl durch Braunkohle) erfordern aber umfangreiche Investitionen und eine hohe Flexibilität des Wirtschaftssystems, verbunden mit einem entsprechenden Motivationssystem. Hinzu kommt, daß die ebenfalls geplante, höhere stoffwirtschaftliche Nutzung der Braunkohle ihrerseits wieder sehr energie[S. 357]intensiv ist. Energieknappheit dürfte damit auch längerfristig ein begrenzender Faktor für das Wirtschaftswachstum sein.
Jochen Bethkenhagen
Literaturangaben
- Bethkenhagen, Jochen: Energiewirtschaft der DDR vor schwierigen Aufgaben. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 5/1981. Berlin: Duncker & Humblot 1981.
- Brandt, Horst: Bedeutung und Perspektive der Braunkohle in der DDR. In: Energietechnik, Nr. 6/1982. Leipzig: Dt. Verl. f. Grundstoffindustrie 1982.
- Gruhn, Werner: Zur Energiepolitik der DDR. In: Deutschland Archiv, Nr. 11/1979. Köln: Wissenschaft u. Politik 1979.
- Klose, Erhard, u. Johannes Teubel: Bedeutung der Kohle für die Energie- und Stoffwirtschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In: Energietechnik, Nr. 10/1981 (Teil 1) und 11/1981 (Teil 2). Leipzig: Dt. Verl. f. Grundstoffindustrie 1981.
- Mitzinger, Wolfgang: Gegenwärtiger Stand und weitere Entwicklung der Energiewirtschaft der DDR. In: Energiewirtschaft, Nr. 5/1981. Leipzig: Dt. Verl. f. Grundstoffindustrie 1981.
- Richter, Herbert: Rolle und Bedeutung des Rohstoffs Braunkohle für die Entwicklung der Energiewirtschaft und der chemischen Industrie. Erfahrungen und Perspektiven der Kohleveredelung. In: Chemische Technik, Nr. 2/1980. Leipzig: Dt. Verl. f. Grundstoffindustrie 1980.
- Stinglwagner, Wolfgang: Genügend Energie für die Zukunft? Effizienz und Strukturmerkmale des Energieeinsatzes in der DDR. In: Deutschland Archiv, Nr. 3/1983. Köln: Wissenschaft und Politik 1983.
- Weineck, W.: Die Energieverordnung der achtziger Jahre. In: Energieanwendung, Nr. 2/1981. Leipzig: Dt. Verl. f. Grundstoffindustrie 1981.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 349–357