DDR von A-Z, Band 1985

Fischwirtschaft (1985)

 

 

Siehe auch:


 

Die F. umfaßt die kleine und die große Hochseefischerei, die See- und Küstenfischerei sowie die Binnenfischerei der DDR, die aufgrund voneinander abweichender Produktionsverfahren und aufgrund ihrer unterschiedlichen Entstehung getrennt organisiert sind sowie verschiedenen Leitungsorganen (Ministerien) unterstehen.

 

1. Entwicklung und gegenwärtige Situation der Fischwirtschaft. Die Teilung Deutschlands erlaubte zunächst eine Fischversorgung der Bevölkerung nur auf sehr geringem Niveau, da die bisher genutzten Anlandeplätze an der Nordsee für die Belieferung ausfielen. Fischimporte in erheblichem Umfang wurden notwendig. Durch den Aufbau einer eigenen Hochseefischerei konnten die Versorgung der Bevölkerung jedoch allmählich quantitativ und qualitativ verbessert und der Import von Fisch und Fischwaren drastisch gesenkt werden.

 

Der erfolgreiche Aufbau einer eigenen Hochseefischerei der DDR wurde indes in den 70er Jahren durch die Entwicklung der internationalen Fischereipolitik empfindlich und nachhaltig gestört. Seit dem 26. 6. 1974 ist die DDR Vertragsstaat der Konvention für die Fischerei im Nordost-Atlantik (NEAFC) einschließlich der angrenzenden Gewässer und insofern zur Erhaltung der Fischbestände und zur Kontingentierung der Fangquoten und der Fangzeiten für einzelne Fischarten verpflichtet. Bereits am 26. 2. 1974 hatte die DDR die „Konvention über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten“ vom 13. 9. 1973 ratifiziert (GBl. II, 1974, S. 193). Unter ähnlichen Bedingungen vollzieht sich der Fischfang in den nordwestatlantischen Fanggebieten der ICNAF, der die DDR bereits am 21. 5. 1974 beigetreten ist. Ende der 70er Jahre, mit der Einführung der 200-Seemeilen-Zone, wurde die ICNAF durch die NAFO (Nordwestatlantische Fischereiorganisation) abgelöst. Von einschneidender Bedeutung für die Fangentwicklung war ferner die Einführung von Wirtschafts- und/oder Fischereischutzgrenzen durch nahezu alle Anrainerstaaten des Atlantiks, vor allem aber des Nordatlantiks, der Nord- und Ostsee. Die Ausdehnung der Schutzzonen auf bis zu 200 Seemeilen umfaßt den größten Teil aller Schelfgebiete, auf denen die Hochseefischerei bisher betrieben wurde.

 

Auf diese Entwicklung reagierte die DDR-Führung einerseits mit der Errichtung einer eigenen Schutzzone ab 1. 1. 1978 für den ihrer Seegrenze vorgelagerten Teil der Ostsee (Festlandsockel). Im Verhältnis zu den benachbarten oder angrenzenden Küstenstaaten läßt sich die DDR vom Prinzip der Mittellinie bzw. Äquidistanz leiten. Innerhalb der Fischereizone der DDR dürfen Fangfahrzeuge anderer Staaten nur fischen, wenn zwischen diesen Staaten und der DDR völkerrechtlich wirksame Verträge abgeschlossen worden sind. Diese Verträge enthalten jeweils detaillierte Bestimmungen, deren vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung — auch im Falle des Versuches — mit Geldstrafen bis zu 100.000 Mark belegt werden. Leichte Verstöße werden nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz vom 12. 1. 1968 mit Ordnungsstrafen zwischen 10 und 500 Mark geahndet (Ordnungswidrigkeiten) (Gesetz über den Fischfang in der Fischereizone der DDR vom 13. 10. 1978, GBl. I, S. 380; hierzu 1. DB vom 13. 10. 1978, GBl. I, S. 404; sowie AO über den Fischfang in der Fischereizone, den Territorialgewässern und inneren Seegewässern der DDR — Fischereiordnung — vom 23. 3. 1984, GBl. I, S. 172, und AO über das Statut des Fischereiaufsichtsamtes der DDR vom 29. 12. 1978, GBl. I, S. 38).

 

Mit der Einführung der Fischereischutzzonen gewinnen die Anrainerstaaten das Recht auf die Festlegung von Fangquoten für ausländische Fangfahrzeuge. Da die eigenen Küstengewässer weder zur Deckung des Fischbedarfes ausreichen noch mit den Kapazitäten der vorhandenen Hochseefischereiflotte in Übereinstimmung gebracht werden können, ist die DDR bestrebt, möglichst frühzeitig Fischereiabkommen mit allen Staaten abzuschließen, deren Küstengewässer für die eigene Flotte interessant sind. Dessen ungeachtet sind die Fangergebnisse der Hochseeflotten der DDR von 1975 zu 1978 um 41,4 v.H. zurückgegangen, weil die Fangquoten, sofern sie bereits vereinbart werden konnten, in der Summe beträchtlich unter den früher erzielten Fangmengen liegen. 1978 sank die Fangleistung — erstmals seit 1968 — auf unter 190.000 t.

 

 

Der Versuch, die Fangausfälle der Hochseefischerei durch höhere Leistungen in den anderen Bereichen der F. zu kompensieren, ist aufgrund der positiven Entwicklung der See- und Küstenfischerei (Kutterfischerei) in der Ostsee und der guten Leistung der Binnenfischerei inzwischen teilweise gelungen. Die 1982 erzielte Fang[S. 414]leistung von rd. 270.000 t verteilte sich zu rd. 70,3 v.H. auf die Hochseeflotten, zu 22,2 v.H. (rd. 60.000 t) auf die See- und Küstenfischerei und zu 7,4 v.H. (rd. 20.000 t) auf die Binnenfischerei.

 

Im Durchschnitt der Jahre 1963–1973 war dagegen die Hochseefischerei mit 84 v.H., die See- und Küstenfischerei mit 12 v.H. und die Binnenfischerei mit nur 4. v.H. am Gesamtergebnis beteiligt.

 

2. Die Organisation und die Ausstattung der Hochseefischerei. Für die Hochseefischerei waren zunächst in der DDR 2 voneinander unabhängige Betriebe gegründet worden. Die kleine Hochseefischerei (Ost- und Nordsee) wurde 1949 mit zunächst 12 Kuttern in Saßnitz auf Rügen wegen der dort gegebenen Vorteile (kurzer Weg zur Anlandung, vorhandene Verarbeitungsanlagen, Bahnanschluß) eingerichtet. Ein Jahr später folgte die Gründung einer Fernfischereiflotte für die große Hochseefischerei, zu deren Basis der Rostocker Hafen bestimmt wurde. Beide Betriebe (Saßnitz und Rostock) wurden als Volkseigene Betriebe (VEB) gegründet und unter Einbeziehung der Be- und Verarbeitungseinrichtungen zu volkseigenen Fischkombinaten entwickelt. Beide Kombinate bildeten die VVB Hochseefischerei mit Sitz in Rostock, die dem Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie unterstand. Zu Beginn der 80er Jahre wurde die VVB Hochseefischerei aufgelöst, die Betriebe der Hochsee- und Küstenfischerei einschl. der Verarbeitungsbetriebe im Fischkombinat Rostock vereint (19 VEB). Die Aufgaben dieses Kombinates erstrecken sich darüber hinaus auf die Forschung und Entwicklung im Fahrzeugbau, in der Fangtechnik und in der Fischbe- und -verarbeitung sowie auf die Ausbildung der Hochseefischer und der Fischfacharbeiter. Weiterhin ist es für die Bilanzierung des gesamten Fischaufkommens einschl. der See- und Küstenschiffahrt und der Binnenfischerei verantwortlich.

 

Das Kombinat beschäftigt heute über 20.000 Hochsee-, See- und Küstenfischer und verfügt über 140 größere Fangfahrzeuge. Ende 1980 waren 112 Schiffe im Einsatz, darunter 48 Fahrzeuge der Mittelklasse von 26 m, die für den Einsatz in der Nord- und Ostsee bestimmt waren, 5 Seitentrawler, 15 Frosttrawler, 21 Zubringertrawler, 10 Fang- und Verarbeitungsschiffe von etwa 3.200 BRT, 5 Supertrawler mit etwa 4.000 BRT, 2 Transport- und Verarbeitungsschiffe mit etwa 10.000 BRT, 6 Kühl- und Transportschiffe in einer Größenordnung von etwa 3.000 bis 12.000 BRT.

 

Diese Einheiten werden unterstützt durch mehrere Forschungs- und durch 3 Fischereihilfsschiffe zur medizinischen und technischen Hilfeleistung auf See.

 

Die Einsatzgebiete der Fangflotte lagen bisher fast ausschließlich im Nordatlantik. Der Anteil des Fangaufkommens aus dem ostatlantischen Gebiet stieg in den Jahren 1972–1974 von 44,4 v.H. auf 61,7 v.H. an, während der Anteil aus dem Nordwestatlantik von 54,1 v.H. auf 37,5 v.H. zurückging. Die Fänge in anderen Fanggebieten (Ost-Zentral-Atlantik und Nordostpazifik) waren dagegen bisher mit 0,4–1,5 v.H. sehr gering. Dies veränderte sich im Zeitraum 1978–1980 erheblich. Es wurde durchschnittlich zu etwa 30 v.H. jeweils der Ostsee, dem Nordostatlantik und den afrikanischen Gewässern entnommen. Besonders dynamisch entwickelte sich das Fangaufkommen in afrikanischen Gewässern (1978 18 v.H., 1980 über 30 v.H.). Aus der Entfernung zu den Heimathäfen wie auch aus der Flottenstruktur ist zu erkennen, daß die DDR das auch von anderen RGW-Staaten praktizierte Verfahren der Verbund- und Flottillenfischerei anwendet. Das Verfahren gewährleistet in Verbindung mit der Treibstoffversorgung durch sowjetische Tanker auf hoher See (jährlich über 50.000 t) und (seit 1973) in Verbindung mit dem Austausch ganzer Besatzungen auf dem Luftweg eine hohe Verweildauer der Flotte an den Fangplätzen bzw. die Senkung der unproduktiven Wegezeiten. Da gleichzeitig auch die Instandhaltung der Maschinen soweit möglich während der Fahrt durchgeführt wird, erreichte z.B. 1982 ein Teil der Fang- und Verarbeitungsschiffe eine zweijährige Einsatzdauer. Die Besatzungen wurden etwa alle 90 Tage ausgetauscht.

 

Schließlich wird davon ausgegangen, daß durch die Koordination der Flotten höhere Fangerträge erzielt werden können als bei einem individuellen Einsatz der Fangschiffe, zumal die Flotten durch Forschungs- und Suchschiffe sowie durch Suchflugzeuge unterstützt werden. Das Fanggeschehen wird durch die Zentrale Fangdirektion der Kombinate, durch die Flottillenleitung (Einsatzleitung See) und schließlich von den einzelnen Schiffseinheiten geleitet.

 

Weitere Maßnahmen, mit deren Hilfe die hohen Fangergebnisse früherer Jahre wieder erreicht werden sollen, erstrecken sich auf die Erschließung neuer Fanggebiete (wie z.B. vor Moçambique und um Südgeorgien im SW-Atlantik), die Entwicklung neuer Fangtechniken sowie auf den Einsatz größerer Fang-, Verarbeitungs- und Transportschiffe, die, einzeln oder als Flotte eingesetzt, über eine hohe Anpassungsfähigkeit verfügen. Bis 1985 soll die überalterte Fangflotte der DDR schrittweise erneuert werden. Sie erhält vor allem Fang- und Verarbeitungsschiffe vom Typ „Atlantik Supertrawler“ (3.930 BRT, 3.880 PS, Tragfähigkeit 2.080 tdw), dessen technische Ausstattung den künftigen Erfordernissen entsprechend modifiziert wurde.

 

Die Hochseeflotte der DDR fischt häufig mit der polnischen und mit der sowjetischen Hochseeflotte in den gleichen Fanggebieten. (Diese drei RGW-Staaten schlossen 1962 ein „Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Seefischerei“, dem später auch die VR Bulgarien, Republik Kuba und die VR Rumänien beitraten.) Abgesehen von zweiseitigen Abkommen zwischen Forschungs-Instituten und den Ministerien der beteiligten Staaten über die Fragen der Konstruktion und Erprobung von Maschinen und Ausrüstungen und der Arbeitsteilung im Fahrzeugbau werden jährlich Sitzungen einer „Gemischten Kommission zur Realisierung des Abkommens“ abgehalten.

 

Die Ausbildung des beruflichen Nachwuchses wird seit 1975 durch das neu eingerichtete „Direktorat Kader/Bildung“ bei der VVB Hochseefischerei geleitet. Sie erfolgt in den Betriebsfachschulen, Lehrwerkstätten [S. 415]bzw. auf Schulschiffen der Kombinate. Im Mittelpunkt der Ausbildung stehen die Berufe

  • „Vollmatrose der Hochseefischerei“,
  • „Schiffsbetriebsschlosser“ mit den Spezialisierungsrichtungen Antriebs- und Hilfsanlagen bzw. Decksmaschinenanlagen oder Fischverarbeitungsanlagen,
  • „Facharbeiter für Anlagentechnik“ in der Spezialisierungsrichtung Fischverarbeitung, die nach Abschluß der 10. Kl. der POS in 2jähriger Ausbildung erlernt werden können.

 

Für Absolventen mit dem Abschluß der 8. Klasse besteht die Möglichkeit, bei einer Ausbildungsdauer von 30 Monaten den Beruf des Fischverarbeiters zu erlernen.

 

Weiterführende Fachschulen sind die Ingenieurhochschulen für Seefahrt in Warnemünde/Wustrow und für Fischverarbeitungstechnik in Wismar. Die Ausbildung zum Diplomingenieur für Fischereitechnik oder zum Diplomfischerei- und Meeresbiologen erfolgt an der Universität Rostock. Zur Zeit verfügen etwa 8 v.H. der in der F. Beschäftigten über einen Hochschulabschluß und 15 v.H. über einen Fachschulabschluß.

 

Die meereskundliche und fischereiwissenschaftliche Forschung der DDR erfolgt vor allem in folgenden Institutionen:

 

Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung in Rostock-Marienehe;

 

Institut für Meereskunde der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (AdL) in Warnemünde;

 

Fachbereich Meeres- und Fischereibiologie der Sektion Biologie an der Universität Rostock.

 

Außerdem verfügt die DDR über 5 Forschungsschiffe („Ernst Haeckel“, „Eisbär“, „Karl Liebknecht“, „Alexander von Humboldt“ und „Prof. Albrecht Penck“). Für die Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen besteht seit 1968 ein wissenschaftlicher Beirat.

 

3. Die Küstenfischerei der DDR ist als Betrieb des Fischkombinates Rostock dem Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie direkt unterstellt. Sie wird einerseits als Kutterfischerei in der Ostsee (z. T. auch in der Nordsee) betrieben und andererseits als Korb-, Angel-, Stellnetz-, Treibnetz- oder Reusenfischerei. Sie verkörpert damit die traditionellen Formen des Fischfangs an der mitteldeutschen Ostseeküste.

 

Bei rd. 3.400 Beschäftigten konnte im Zeitraum 1971–1975 das Fangergebnis von rd. 30.000 t auf über 60.000 t 1982 erhöht werden. Diese erfolgreiche Entwicklung ist auf die Steigerung der Fänge im stehenden Gewässer (Küstenfischerei) zurückzuführen, die mit rd. 20.000 t (rd. 40 v.H.) am Gesamtergebnis des Jahres 1975 beteiligt war. Als Ursache der positiven Entwicklung ist u.a. die Käfighaltung von Edelfischen in den Küsten-, Bodden- und Haffgewässern anzusehen. Dieses Verfahren, von Wissenschaftlern der VEB Fischwirtschaft im Bezirk Rostock entwickelt, brachte 1974 rd. 70 t und 1980 rd. 700 t Forellen. Der Ertrag soll bis 1985 auf über 1100 t erhöht werden. Gleichzeitig werden ähnliche Haltungsformen mit Karpfen und anderen Edelfischen im Brachwasser der Ostsee untersucht.

 

Da die Anlandung der Kutterflotte seit Jahren stagniert, ist man dazu übergegangen, die Kutter bei Bedarf über die an der Küste bestehenden Fischereibezirksgrenzen hinweg zu versetzen. Darüber hinaus werden veraltete Kutter ausgesondert und durch größere und komfortable Fahrzeuge der 26,5-m-Klasse und durch Heckkutter (B 403) aus polnischer Produktion ersetzt.

 

1982 verfügte die See- und Küstenfischerei über 120 Kutter:

 

 

In Zusammenhang mit der Einrichtung von Territorialgewässern in der Ostsee und mit Artikel XII Abs. 1 der „Konvention über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten“ vom 13. 9. 1973 (GBl. II, 1974, S. 193) sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufgaben des Oberfischmeisteramtes und über die Bildung einer Fischereikontrollbehörde in den Jahren 1974–1977 mehrfach modifiziert und schließlich mit Wirkung vom 1. 1. 1979 außer Kraft gesetzt worden. Zum gleichen Zeitpunkt wurden die bereits erwähnte Fischereiordnung und das Statut des Fischereiaufsichtsamtes der DDR wirksam (GBl. I, 1979, S. 38–46). Die Vollmacht des Fischereiaufsichtsamtes erstreckt sich nunmehr auf den gesamten Fischfang in den Territorialgewässern (Fischereischutzzone s. o.) und umfaßt gleichzeitig wie bisher die von der See- und Küstenfischerei bewirtschafteten Gewässer, die um die von der Binnenfischerei des Bezirkes Rostock bewirtschafteten Flächen erweitert und (bereits seit 1976) in insgesamt 9 Fischfangbezirke gegliedert sind. Die Einhaltung der für die See- und Küstenfischerei geltenden Bestimmungen (Mindestmaße für Fangfische, Fanggeräte, Schonbezirke und Schonzeiten, Fischkrankheiten) wird in den Fangbezirken durch Fischereiaufsichtsstellen gewährleistet, die vom Fischereiaufsichtsamt geleitet werden. Das Fischereiaufsichtsamt untersteht dem Ministerium für Bezirksgeleitete und Lebensmittelindustrie, das auch den Leiter dieser Behörde und dessen Stellvertreter beruft und abberuft.

 

Die strukturelle und institutionelle Entwicklung der See- und Küstenfischerei der DDR weist zahlreiche Parallelen zur Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft auf. Bei Kriegsende befanden sich die verbliebenen Kutter und das sonstige Fanggerät im privaten Eigentum der Fischer. Zunächst wurden die schon in der Vorkriegszeit auf der Insel Rügen bestehenden Fanggenossenschaften der Küstenfischer (Kommünen) zu Produktionsgenossenschaften werktätiger See- und Küstenfischer (Kurzform Fischereiproduktionsgenossenschaften = FPG) umgebildet. Nach diesem Beispiel erfolgte der Aufbau bzw. die Gründung weiterer FPG, in die auch die Kutterfischerei einbezogen wurde. Von den 51 FPG des Jahres 1965 befaßten sich 35 mit Küstenfische[S. 416]rei. Die Gesamtzahl der Genossenschaften nahm von 1960 (55 FPG) bis 1982 auf 27 FPG ab. Sie wurden schon am 1. 11. 1968 gemeinsam mit 9 Fischverarbeitungsbetrieben (2 VEB-Fischverarbeitungsbetriebe, 4 Betriebe mit staatlicher Beteiligung, 1 PGH und 2 Privatbetriebe) zu einem Kooperationsverband der bezirksgeleiteten Fischindustrie zusammengeschlossen. 1982 gehörten dem Kooperationsverband neben den 27 FPG 5 VEB-Fischverarbeitungsbetriebe an, denen der VEB Fischwirtschaft in Warnemünde als Leitbetrieb vorsteht. Wie in der Landwirtschaft werden in der See- und Küstenfischerei Kooperative Einrichtungen (KOE) gegründet, an denen entweder ausschließlich FPG (= Zwischengenossenschaftliche Einrichtungen) oder aber FPG und Volkseigene Betriebe (VEB) der F. (= Zwischenbetriebliche Einrichtungen) beteiligt sind (AO über kooperative Einrichtungen in der See- und Küstenfischerei vom 30. 12. 1977; GBl. SDr. 944, S. 11–13). KOE der See- und Küstenfischerei errichten und unterhalten Fischaufzucht- und Mastanlagen, sie nutzen gemeinsam Kühlanlagen und Verarbeitungskapazitäten sowie Einrichtungen für die Herstellung von Rationalisierungsmitteln und für Reparaturarbeiten. Abweichend von den Bestimmungen für die KOE der Landwirtschaft entsteht durch die Beteiligung an den KOE der See- und Küstenfischerei kein „kooperatives Eigentum“. Vielmehr bleiben nach der AO vom 30. 12. 1977 die beteiligten Betriebe Eigentümer ihrer Produktionsmittel und sind ihrem Beteiligungsanteil entsprechend am Wirtschaftsergebnis beteiligt.

 

 

Wie die LPG in der Landwirtschaft haben die FPG im Jahr 1977 ein neues Statut erhalten (Agrarpolitik; Landwirtschaftliche Betriebsformen). Es wurde am 10. 11. 1977 in Rostock auf einer Delegiertenkonferenz beraten (Bauernkongreß der DDR) und am 15. 12. 1977 vom Ministerrat der DDR bestätigt (GBl. I, 1978. S. 49, und SDr. Nr. 944, S. 3 f.). Die bisherigen Statuten der FPG waren dem Musterstatut folgend bis zum 30. 6. 1978 abzuändern und den Räten der Kreise zur Registrierung vorzulegen. Im Gegensatz zur Landwirtschaft dürfen jedoch die FPG nur dann Werktätige im Arbeitsrechtsverhältnis beschäftigen (Arbeiter und Angestellte), wenn es sich um eine befristete Tätigkeit handelt (Zustimmung des Kreises erforderlich), oder aber, wenn die Aufnahme der Werktätigen als Mitglieder durch die nächstfolgende Vollversammlung der Genossenschaft vorgesehen ist.

 

4. Die Binnenfischerei der DDR wird (mit Ausnahme des Bezirks Rostock) durch das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (MfLFN) (Sektor Binnenfischerei) geleitet. Sie wird auf der Grundlage des Fischereigesetzes vom 2. 12. 1959 (GBl. I, S. 864) und der AO über die fischwirtschaftliche Nutzung der Binnengewässer, die Ausübung des Fischfanges und des Angelsportes im Bereich der Binnenfischerei der DDR (Binnenfischereiordnung) vom 16. 7. 1981 (GBl. I, S. 290) vollzogen. Die fischbare Wasserfläche umfaßte 1983 rd. 130.000 ha, die zu 115.300 ha aus See- und Flußgewässern und zu 13.500 ha aus Teichen bestanden. Ferner wird ein geringer Anteil der Wasserfläche für die Erzeugung von Satzfisch in Intensivanlagen sowie für den Bedarf des Deutschen Anglerverbandes der DDR (DAV) in Anspruch genommen (Angelsport).

 

Die Bewirtschaftung der Wasserflächen obliegt den 3.125 Beschäftigten der Binnenfischerei in 14 VEB Binnenfischerei, 30 Produktionsgenossenschaften der Binnenfischerei und 7 kooperativen Einrichtungen. Die Volkseigenen Betriebe (VEB) Binnenfischerei bewirtschaften mit rd. 1800 Mitarbeitern etwa 85 v.H. der Teichflächen und 40 v.H. der Seegewässer. Daneben arbeiten in den Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer (PwF) rd. 700 Mitglieder in der Binnenfischerei. Im Gegensatz zu den FPG haben die PwF erst am 1. 10. 1981 ein neues Statut erhalten (GBl. I, 1981, S. 349, und SDr. Nr. 1075). Die bisherigen Statuten der PwF waren dem Musterstatut folgend bis zum 28. 2. 1982 abzuändern und dem Rat des Bezirkes zur Registrierung vorzulegen. Gleichzeitig wurden die PwF in Produktionsgenossenschaften der Binnenfischer (PGB) umbenannt.

 

Rd. 38.000 ha Gewässerfläche werden zusätzlich durch die etwa 490.000 Mitglieder des DAV genutzt, die 1981 283 t Karpfen, 145 t Buntfische und 50 t Forellen ablieferten.

 

Auch die Binnenfischerei wird von den Problemen des internationalen Seerechtes insofern berührt, als die Erzeugung maximal gesteigert werden und 1985 mit 22.000 t Speisefisch um gut 50 v.H. über dem Ergebnis von 1980 liegen soll. 1982 wurden bereits knapp 20.000 t erreicht, darunter 10.000 t Karpfen und 4.400 t Forellen.

 

Da die Erträge der Seen- und Küstenfischerei (jährlich z. Z. 60.000 t) relativ konstant sind, können Produktionsziele nur durch eine weitere Intensivierung der Teichwirtschaft verwirklicht werden. Der Durchschnittsertrag der Teichwirtschaften betrug 1982 rd. 1200 kg/ha Teichfläche. In der Fluß- und Seenfischerei wurden dagegen etwa nur 40 kg/ha Wasserfläche erzielt. Der Produktionssteigerung dienen u.a. die intensive Besatzwirtschaft (einschließlich Düngung und Schutz[S. 417]impfung), die Käfighaltung (= Senkung des Futteraufwandes von 4,5 kg auf 2,1 kg je kg Zuwachs), die Verwendung des Kühlwassers von Kraftwerken (das mit 22–28°C dem Temperaturoptimum für die Karpfenhaltung entspricht) sowohl für die Aufzucht von Setzlingen als auch für die Mast, die Rinnenhaltung in der Forellenzucht, die künstliche Befruchtung des Fischlaichs in Brutapparaten sowie die Einführung neuer Fischarten. Der Intensivierung dient weiterhin die Spezialisierung der Betriebe auf einen bestimmten Produktionszweig (Forellenzuchtzentrum im VEB Binnenfischerei Potsdam, Satzkarpfenproduktion im VEB Binnenfischerei Königswartha).

 

Mit Hilfe dieser und anderer Maßnahmen gelang es z.B., den Durchschnittsertrag der Karpfenteichwirtschaften von 839 kg/ha (1970) auf rd. 1300 kg/ha Wasserfläche um 54,9 v.H. im Jahr 1983 zu steigern. (In Ausnahmefällen konnten bis zu 5.000 kg Speisefisch je ha Wasserfläche erzielt werden.)

 

Eine Folge der Spezialisierung ist die Einführung von Kooperationsverbänden (KOV) nach landwirtschaftlichem Vorbild. Der Gründung des ersten Verbandes (1968) sind bisher weitere 7 gefolgt. In diesen Verbänden sind die VEB Binnenfischerei, PGB, evtl. ZBE Fischproduktion, der DAV, das Institut für Binnenfischerei und/oder die Ingenieurschule für Binnenfischerei sowie die Einzelhandelsverbände (VE Fischhandel, Bezirksdirektion der HO, Bezirksverband der Konsumgenossenschaften) vertreten. Häufig unterhalten die KOV in den Städten und Gemeinden eigene Verkaufsstellen.

 

 

Von den 1980 in der Binnenfischerei beschäftigten Mitarbeitern hatten 73,9 v.H. eine Berufsausbildung als Binnenfischer abgeschlossen, 9,6 v.H. hatten ein Fachschulstudium und 4,0 v.H. ein Hochschulstudium absolviert. Die Ausbildung als „Binnenfischer“ erfolgt nach Abschluß der 10. Klasse der POS in 2 Jahren bzw. bei Abschluß der 8. Klasse der POS in 3 Jahren. Das berufstheoretische Wissen vermittelt die „Fischereischule Königswartha“, Kr. Bautzen, die berufspraktische Ausbildung erhalten die Lehrlinge in (5) anerkannten Lehrbetrieben. Bei erfolgreichem Abschluß und entsprechendem Studienauftrag kann an der Ingenieurschule für Binnenfischerei, Hubertushöhe, Kr. Storkow (Bez. Frankfurt/Oder), in 3jährigem Direktstudium (bei einem Jahr Studienpraxis) die Ausbildung zum Ingenieur der Binnenfischerei (früher staatlich geprüfter Fischwirt) erfolgen. Die Möglichkeit zur Ausbildung zu Diplomfischereiingenieuren (früher Diplomfischwirt) besteht für die Binnen- wie für die Küstenfischerei an der Sektion für Tierzucht und Veterinärmedizin der Humboldt-Universität Berlin (2 Jahre Grundstudium, 2 Jahre Fachstudium). Zur weiteren Qualifizierung wird ein postgraduales Studium auf dem Gebiet des Fischgesundheitsdienstes angeboten.

 

Die Forschung der Binnenfischerei ist im Institut für Binnenfischerei Berlin-Friedrichshagen, das mit seiner Zweigstelle für Mechanisierung, Jägershof bei Potsdam der AdL untersteht, konzentriert. In diesem Institut waren im Herbst 1979 insgesamt 104 Mitarbeiter tätig. Fischwirtschaftliches Organ sind die Zeitschrift für die Binnenfischerei der DDR sowie die Vereinszeitung Deutscher Angelsport.

 

5. Fischvermarktung. Als leichtverderbliche Ware stellen die angelandeten Fische hinsichtlich der schnellen Be- und Verarbeitung und des Handels hohe Anforderungen. Eine besondere Schwierigkeit bestand für die DDR darin, daß die Verarbeitungsindustrie der deutschen F. fast ausschließlich an den Nordseehäfen konzentriert war. Eine Ausnahme bildeten die relativ kleinen traditionellen Verarbeitungsbetriebe der See- und Küstenfischerei (Aalräuchereien, Sprottenherstellung usw.). Es wurden infolgedessen völlig neue Be- und Verarbeitungskapazitäten errichtet.

 

Die Be- und Verarbeitung der Fänge der großen und kleinen Hochseefischerei erfolgt in den Betrieben des Fischkombinates Rostock.

 

Insgesamt beschäftigt die Fischindustrie in rd. 120 Betrieben z. Z. 10.000 Mitarbeiter.

 

Der Absatz der Produkte wird zentral durch die Absatzorganisation Fisch (AOF) betrieben. Der Einzelhandel erfolgt in den Verkaufsstellen des VE-Fischhandels der Handels-Organisation (HO) und der Konsumgenossenschaften. Daneben werden zunehmend im Rahmen der Kooperationsverbände Kooperationsverkaufsstellen für Frischfisch und Fischpräserven der Binnenfischerei eingerichtet (Binnenhandel).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 413–417


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.