DDR von A-Z, Band 1985

Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) (1985)

 

 

Siehe auch:

 

Der FDGB ist die einheitliche gewerkschaftliche Organisation für alle Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz in der DDR. Seine ausschließliche Erwähnung in der Verfassung der DDR (Art. 44,1) und im Arbeitsgesetzbuch (AGB) der DDR gibt seiner Monopolstellung die rechtliche Grundlage. Als der „umfassenden Klassenorganisation der Arbeiterklasse“ und als der zahlenmäßig stärksten Massenorganisation kommt dem FDGB im Herrschafts- und Gesellschaftssystem der DDR zentrale Bedeutung zu. Der von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) erhobene Führungsanspruch und der Marxismus-Leninismus als ideologisch-programmatische Grundlage gewerkschaftlichen Handelns werden in der Satzung des FDGB ausdrücklich anerkannt; die in der Verfassung (Art. 44,2) betonte Unabhängigkeit der Gewerkschaften kann demnach nur als Ausfüllung der auf diese Weise grundsätzlich vorgeformten Handlungsspielräume und Aufgabenstellungen verstanden werden.

 

I. Zum Selbstverständnis des FDGB

 

 

Die Funktion des FDGB als Interessenvertretung wird von der Auffassung bestimmt, daß mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln (Eigentum) der Klassenkonflikt beseitigt und im grundsätzlichen die Interessenidentität zwischen den Gesellschaftsmitgliedern herge[S. 460]stellt worden sei (Interesse/Interessenübereinstimmung). Der FDGB ist seinem Selbstverständnis nach nicht ein Interessenverband abhängig Beschäftigter, der Arbeitgebern gegenübertritt, sondern eine Organisation von Werktätigen, die zugleich als Miteigentümer der als im Volkseigentum befindlich verstandenen Produktionsmittel aufgefaßt werden. Vor dem Hintergrund dieser Interpretation werden im gesamtgesellschaftlichen Interesse, wie es die SED und die Staatsorgane festlegen, die Einzelinteressen von Individuen, Gruppen und Klassen immer als in ihm bereits aufgehoben gesehen.

 

Interessenvertretung hat so wesentlich die Propagierung dieser parteilichen und staatlichen Zielsetzungen bzw. die Mobilisierung der Mitgliedschaft für ihre Erfüllung zum Inhalt. Doch ist bereits in der auch heute noch für den FDGB verbindlichen leninschen Gewerkschaftskonzeption die Perspektive enthalten, daß die postulierte Interessenidentität sich erst in einem längeren historischen Prozeß realisieren läßt und nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas jeweils erneut Herzustellendes begriffen werden muß. Ferner können danach Verselbständigungstendenzen staatlicher und wirtschaftlicher Verwaltungseinheiten (Bürokratismus usw.) und die selbstherrliche Verletzung gesetzlicher Bestimmungen durch einzelne Funktionäre nicht ausgeschlossen werden. So sei es notwendig, den Gewerkschaften eine gewisse Eigenständigkeit zuzubilligen, damit sie die unmittelbaren Interessen der in ihren Reihen Organisierten artikulieren und vertreten, eine gewisse Kontrollfunktion gegenüber staatlichen, vor allem wirtschaftlichen Teilstrukturen ausüben und für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Arbeits-, Arbeitsschutz-, Sozial- und Bildungsrechts Sorge tragen können.

 

Während diese Seite der Arbeit des FDGB bis weit in die 50er Jahre hinein im Hintergrund stand und seine Tätigkeit von der einseitigen Unterstützung der gesamtgesellschaftlichen politischen und ökonomischen Zielsetzungen, wie sie in den Parteibeschlüssen zum Ausdruck kamen, geprägt war, ist seitdem eine gewisse Korrektur erfolgt. Zu diesen Veränderungen haben neben aktuellen politischen und sozialen Konflikten, die den Verlust der integrativen Funktion der Gewerkschaften drastisch demonstrierten (Ungarnaufstand, Polnischer Oktober, Dezemberstreiks in Polen, Fluktuation der Arbeitskräfte, ungenügende Steigerung der Arbeitsproduktivität usw.) auch die neueren theoretisch-ideologischen Diskussionen beigetragen. In ihnen wurde das Vorhandensein sozialer Konflikte (nichtantagonistischer Widersprüche) auch in den sich herausbildenden neuen gesellschaftlichen Strukturen nicht nur zugegeben, sondern als unvermeidlich und den Entwicklungsprozeß letztlich fördernd anerkannt.

 

In diesem Zusammenhang sind allerdings Fragen nach der tatsächlichen Machtverteilung, nach der realen Verfügungsgewalt über den Wirtschaftsapparat nicht gestellt, das Postulat von der grundsätzlichen Interessenidentität nicht bezweifelt worden. Ebenso blieb der Anspruch der Partei, mit ihrer Politik das Entstehen ausgedehnterer Konfliktfelder durch vorausschauende (wissenschaftliche), planmäßige „Leitung der gesellschaftlichen Prozesse“ zu verhindern, unangetastet. Trotzdem wich im Ergebnis dieser Diskussionen die Vorstellung von einer weitgehend „harmonistischen“ Gesellschaft, in der jedes dieses Konzept störende Sonderinteresse bzw. jeder Konflikt als vom „Klassenfeind“ inspiriert und potentiell „feindlich“ erscheinen mußte, einer nüchterneren Einsicht in die Interessenvielfalt und Konflikthaltigkeit der Gesellschaft. Damit erhielt der Teil der Gewerkschaftsarbeit, der im herkömmlichen Sinn als unmittelbare Vertretung der Interessen der Mitglieder verstanden werden kann, auch von der theoretisch-ideologischen Seite her ein größeres Gewicht.

 

Dabei werden im Selbstverständnis des FDGB gesamtgesellschaftliche und partikulare Interessen nicht voneinander getrennt gesehen oder gar einander gegenübergestellt. Vielmehr werden sie als eine konfliktreiche (dialektische) Einheit gedeutet, in der im Ergebnis die Lösung von Zielkonflikten immer zugunsten des Gesamtinteresses gesucht wird. So bedeutet z.B. die gewerkschaftliche Kontrolle bei der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen einerseits Schutz des Beschäftigten vor Gesetzesverletzungen durch die Werkleitungen, andererseits den Einsatz gewerkschaftlicher Mittel, um bei den Betriebsbelegschaften gleichfalls die Befolgung der rechtlichen Vorschriften zu sichern (Arbeitsrecht; Gesellschaftliche Gerichte).

 

Vor diesem Hintergrund sind die Funktionen und die Einbeziehung des FDGB in die Herrschaftsstrukturen zu sehen und zu beurteilen. Der FDGB versteht sich als „Schule des Sozialismus“, d.h. er beteiligt sich an der Erziehung seiner Mitglieder zum sozialistischen Bewußtsein (Bewußtsein, Gesellschaftliches; Staatsbewußtsein, Sozialistisches), vermittelt Kenntnisse über politische, gesamtgesellschaftliche und insbesondere volkswirtschaftliche Zusammenhänge und strebt die Herausbildung neuer sozialer Verhaltensweisen (Arbeitsdisziplin, Eigentümerbewußtsein, sozialistische Hilfe am Arbeitsplatz, Kritik und Selbstkritik usw.) an. Als Teil der Sozialistischen ➝Demokratie setzt er sich für die Durchführung der Beschlüsse der SED und der staatlichen Organe ein, aktiviert seine Mitglieder für die Erfüllung bzw. Übererfüllung der ökonomischen Aufgaben und bietet zugleich in seiner Organisationsstruktur vorgegebene und abgestufte Möglichkeiten für die Mitwirkung an den staatlichen und ökonomischen Entscheidungsprozessen, insbe[S. 461]sondere auf betrieblicher Ebene. Von besonderer Bedeutung sind die Mitwirkungsrechte des FDGB im Arbeitsrecht sowie in der Sozialpolitik und Kulturpolitik (Kulturarbeit des FDGB).

 

Die im Selbstverständnis und in den grundsätzlichen Aufgabenstellungen des FDGB angelegten Gegensätze und Konflikte führen in der täglichen Gewerkschaftsarbeit zu mannigfachen Schwierigkeiten. Die Vorrangigkeit der wirtschaftlichen Zielsetzungen, die Abhängigkeit des FDGB von der SED und die Einbindung der Gewerkschaften in die staatliche und ökonomische Entscheidungs- und Leitungspyramide begünstigen nach wie vor Tendenzen zur Vernachlässigung der unmittelbaren Interessenvertretung der Werktätigen am Arbeitsplatz. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß, beginnend mit den Wirtschaftsreformen 1963 (Wirtschaft) und verstärkt nach dem VIII. Parteitag der SED 1971, die gewerkschaftlichen Kontrollrechte gegenüber den Wirtschaftsleitungen und die Mitgestaltungsrechte im sozialpolitischen Bereich gestärkt worden sind. Diese Entwicklung zeigt sich nicht zuletzt in dem Ausbau der gewerkschaftlichen Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte in den verschiedenen Kodifikationen des Arbeitsrechts, zuletzt in dem am 1. 1. 1978 in Kraft getretenen AGB.

 

Der FDGB ist im Verlauf dieses Prozesses neben der SED und dem Staatsapparat zu einem dritten, wenn auch schwächeren, tragenden Teil des politischen Systems in der DDR geworden.

 

II. Zur Geschichte

 

 

Als der SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 die Gründung von Parteien und Gewerkschaften erlaubte und am 15. 6. 1945 der vorbereitende Gewerkschaftsausschuß für Groß-Berlin zur Schaffung freier Gewerkschaften aufrief, hatten sich erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung unter dem Eindruck des Versagens der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen vor dem Nationalsozialismus und angesichts des totalen Zusammenbruchs von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft alle bedeutenden weltanschaulichen Richtungen (sozialdemokratisch, kommunistisch, christlich und liberal) zusammengefunden, um eine überparteiliche Einheitsgewerkschaft ins Leben zu rufen. Damit war es der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)/Deutsche Kommunistische Partei [DKP]) gelungen, aus der Außenseiterrolle, die sie in den freien Gewerkschaften und mit den Roten Gewerkschaftsorganisationen (RGO) in der Weimarer Republik gespielt hatte, herauszutreten und sich von Anbeginn maßgeblich an der Führung der neuen Gewerkschaftsbewegung zu beteiligen. Der Gründungsvorgang fand im Februar 1946 auf der 1. Zentralen Delegiertenkonferenz des FDGB seinen Abschluß.

 

Die Konstituierung des FDGB bildete eine wichtige Voraussetzung für die Vereinigung von KPD und Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD), da letztere ihren traditionellen Rückhalt in den sozialdemokratisch orientierten freien Gewerkschaften verloren hatte. Der Zusammenschluß von KPD und SPD zur SED förderte seinerseits die Umgestaltung des FDGB in eine Gewerkschaft kommunistischen Typs; er drängte die Vertreter der früheren christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften von vornherein in eine aussichtslose Minderheitenposition. Die Ausschaltung ehemals sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre, soweit sie an ihren Vorstellungen festhielten, wurde zu einem innerparteilichen Problem der SED, das diese im Zuge ihrer Entwicklung zu einer „bolschewistischen Partei neuen Typs“ lösen konnte (Opposition und Widerstand). Die Auflösung der Betriebsräte und die Übertragung des Vertretungsrechts der Belegschaften gegenüber den Werkleitungen an die Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) aufgrund der Bitterfelder Beschlüsse 1948 war ein weiterer entscheidender Schritt in der Formung des FDGB zu seiner heutigen Gestalt. Die Herausbildung des Planungssystems, die Konzentrierung der Gewerkschaftsarbeit auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität mit Hilfe der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung (Sozialistischer Wettbewerb), das Fehlen des traditionellen Gegenspielers in Form der Arbeitgeberverbände, die verboten blieben, bestimmten sehr bald die Tätigkeit des FDGB. Auf dem 3. FDGB-Kongreß 1950 wurde in der Satzung der Führungsanspruch der SED auch öffentlich anerkannt, den traditionellen Inhalten der Gewerkschaftsarbeit als „Nur-Gewerkschaftertum“ der Kampf angesagt und der Demokratische Zentralismus als Organisationsprinzip festgelegt.

 

In den folgenden Jahren, die gekennzeichnet waren durch die Einführung der Planwirtschaft sowjetischen Typs, durch die Überwindung der Kriegsfolgen und den Neuaufbau einer industriellen Produktionsbasis, durch die Umwandlung der überkommenen Sozialstrukturen und die Herausbildung einer neuen politisch-gesellschaftlichen Ordnung, steht der FDGB ganz im Dienst dieser ökonomischen und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen; er vollendet seine Ausformung zu einer voll in das Herrschaftssystem integrierten marxistisch-leninistischen Gewerkschaft.

 

Die Erfahrungen aus dem Juni-Aufstand 1953 sowie den polnischen und ungarischen Unruhen 1956 im Zusammenhang mit den sich zur gleichen Zeit anbahnenden Diskussionen um neue Formen der ökonomischen und in begrenzterer Weise auch der politischen Organisation (Gesetz über die örtl. Organe der Staatsmacht 1957, erste Reorganisation der Planungs- und Leitungsinstanzen im ökonomischen Bereich usw.) führten zu Ansätzen einer Stär[S. 462]kung der Kontroll- und Mitwirkungsrechte des FDGB (z.B. gesetzl. Verankerung der Ständigen ➝Produktionsberatungen 1959). Die Einführung des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) 1963 mit seinem Abgehen von der zentralen Detailplanung und der daraus resultierenden größeren Selbständigkeit der VEB, VVB und regionalen Staatsorgane vergrößerten die Möglichkeiten der Einwirkung und die Notwendigkeit der Kontrolle durch den FDGB. Seit dem 6. FDGB-Kongreß 1963 wird die Vertretung der unmittelbaren Interessen der Beschäftigten als gewerkschaftliche Aufgabe immer erneut unterstrichen und die Kontrollfunktion des FDGB betont. Herbert Warnke formulierte als Vorsitzender des FDGB dieses stärkere Absetzen von den wirtschaftlichen Leitungsorganen auf dem 7. FDGB-Kongreß 1968: „Die Gewerkschaftsfunktionäre sind die Vertrauensleute der Arbeiterklasse, sie sind nicht die Assistenten der Werkleiter.“

 

Die Teilrevision der Wirtschaftsreformen 1970/71 hat diese Entwicklung nur insoweit beeinträchtigt, als die stärkeren Planbindungen der Betriebe deren Entscheidungsspielraum und damit auch die Mitwirkungsmöglichkeiten einengten. Im Gegenteil haben die Ergebnisse des VIII. Parteitages der SED den FDGB aus den anderen Massenorganisationen deutlich herausgehoben. Die Akzentuierung der Sozialpolitik als zentralen Teil der gesellschaftspolitischen Linie der SED für die nächsten Jahre brachte einen Aufgabenzuwachs, die Auflösung von Mitwirkungsgremien (Produktionskomitees in den VEB, Gesellschaftliche Räte bei den VVB usw.) machte den FDGB zum alleinigen Träger von Mitwirkungsorganen. Die Betonung der Bedeutung der Gewerkschaften fand ihren Niederschlag u.a. in dem Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972, in dem der FDGB als einzige Massenorganisation genannt wird (§ 1,3). Der Ministerrat wird darin zur Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft „bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und allseitigen Stärkung der sozialistischen Staatsmacht“ verpflichtet; gemeinsame Beschlüsse sind zur Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen Lebens und für die Ausarbeitung der Grundlinie der Sozial-, Lohn- und Einkommenspolitik vorgesehen. Seitdem sind eine Reihe solcher gemeinsamer Beschlüsse vom Politbüro des ZK der SED, Ministerrat und Bundesvorstand des FDGB vor allem auf sozialpolitischem Gebiet und über neue Formen des Sozialistischen Wettbewerbs veröffentlicht worden, allerdings ohne daß dabei der inhaltliche Anteil des FDGB an ihrer Formulierung zu ersehen gewesen wäre.

 

Der Entwurf des AGB wurde 1977 in der Tageszeitung des FDGB, der „Tribüne“, veröffentlicht, in der Gewerkschaftsorganisation diskutiert, mit — z. T. nicht unwesentlichen — Änderungen auf der Grundlage des Diskussionsverlaufs auf dem 9. Kongreß des FDGB (16.–19. 5. 1977) verabschiedet und von der FDGB-Fraktion in der Volkskammer als Gesetzesvorlage eingebracht. Zwar ist dieses Gesetz damit kein Normenwerk des FDGB; die gewählte Form, in der es zur Verabschiedung gelangte, unterstreicht jedoch das Bemühen der politischen Führung, den FDGB faktisch und im allgemeinen Bewußtsein aufzuwerten.

 

Der 10. FDGB-Kongreß (21.–24. 4. 1982) stand ganz im Zeichen der sich seit der Mitte der 70er Jahre schwieriger gestaltenden wirtschaftlichen Situation der DDR und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Aufgaben. Bereits der X. Parteitag der SED (1981) hatte deutlich gemacht, daß mit wesentlichen sozialpolitischen Verbesserungen im kommenden Jahrzehnt nicht zu rechnen sein wird, sondern es vielmehr erheblicher Anstrengungen (Steigerung der Arbeitsproduktivität, bessere Ausnutzung von Material und Energie, beschleunigte Intensivierung und Rationalisierung, einer besseren Qualität der Erzeugnisse usw.) bedarf, um auf der Grundlage eines weiteren wirtschaftlichen Wachstums den erreichten Lebensstandard zu sichern. Für den FDGB folgt daraus, daß er erneut die Erfüllung und Optimierung der Pläne in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen muß. Daneben beherrschte die angespannte weltpolitische Situation den Kongreß; diese Thematik führte zu einer Unterstreichung der Rolle des FDGB bei der Wehrerziehung. Diese beiden Themenkreise fanden in der von den Delegierten verabschiedeten „Willenserklärung“ ihren Niederschlag: „In unserer täglichen Arbeit geben wir das Beste, steigern wir mit neuen Taten im sozialistischen Wettbewerb die Leistungskraft der Volkswirtschaft. Zugleich erfüllen wir stets unsere Ehrenpflicht, um durch eine hohe Wehrbereitschaft und Wehrfähigkeit zum zuverlässigen Schutz des Friedens und der sozialistischen Errungenschaften beizutragen.“

 

III. Organisationsaufbau

 

 

Der Organisationsaufbau des FDGB beruht auf dem Industriegewerkschaftsprinzip: ein Betrieb — eine Gewerkschaft. Gegenwärtig bestehen 16 Industriegewerkschaften (IG) bzw. Gewerkschaften (Gew.) (in Klammern an erster Stelle die Mitgliederzahl 1982, an zweiter die Zahl für 1977): IG Metall (1.770.000; 1.670.000); IG Bau-Holz (960.000; 870.000); IG Transport- und Nachrichtenwesen (760.000; 720.000); IG Textil — Bekleidung — Leder (610.000; 610.000); IG Chemie, Glas und Keramik (510.000; 520.000); IG Bergbau — Energie (450.000; 400.000); IG Druck und Papier (160.000; 150.000); Gew. Handel, Nahrung und Genuß (1.070.000; 970.000); Gew. Land, Nahrungsgüter und Forst (640.000; 560.000); Gew. Mitarbeiter der Staatsor[S. 463]gane und der Kommunalwirtschaft (610.000; 560.000); Gew. Gesundheitswesen (550.000; 460.000); Gew. Unterricht und Erziehung (510.000; 450.000); Gew. Wissenschaft (160.000; 150.000); Gew. Kunst (70.000; 60.000); IG Wismut (ohne Angaben); Gew. der Zivilangestellten der Nationalen Volksarmee (NVA) (ohne Angaben). Der Organisationsgrad bei den Werktätigen, die entsprechend der Satzung des FDGB dessen Mitglied werden können, stieg von 1977 96,7 v.H. auf 1982: 97,2 v.H. Veränderungen in den Mitgliederzahlen der Einzelgewerkschaften besagen demnach kaum etwas über Veränderungen des Organisationsgrades, vielmehr spiegeln sich in ihnen Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur. Anfang 1983 soll der FDGB insges. 9,123 Mill. Mitglieder (darunter 4,7 Mill. Frauen) gehabt haben.

 

 

Der FDGB ist jedoch kein „Bund“ unabhängiger Einzelgewerkschaften, sondern eine Einheitsorganisation. Die IG/Gew. haben den Charakter ausgegliederter Fachabteilungen, die die bindenden Beschlüsse der zentralen Organe des FDGB entsprechend den spezifischen Bedingungen ihres jeweiligen Organisationsbereichs durchführen. Ihre organisatorische Abhängigkeit zeigt sich u.a. in dem Recht des Bundesvorstandes (BV) des FDGB, über Veränderungen im Organisationsaufbau verbindlich zu beschließen (z.B. Auflösung oder Neugründung von IG/Gew.), und in der Unterstellung der regionalen Vorstände der IG/Gew. unter die jeweiligen FDGB-Vorstände der gleichen Ebene. Ferner besitzen die IG/Gew. keine eigene Finanzhoheit, sondern erhalten die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel auf der Grundlage des vom Präsidium des Bundesvorstandes des FDGB bestätigten Finanzplanes der Gesamtorganisation. Während die Betriebs- und Ortsgewerkschaftsleitungen (BGL bzw. OGL), nicht aber die Schulgewerkschaftsleitungen (SGL) ebenso wie die FDGB-Vorstände aller Ebenen rechtsfähig sind, ist die Rechtsfähigkeit bei den IG/Gew. auf deren Zentralvorstände (ZV) beschränkt.

 

Unterste Organisationseinheiten des FDGB sind die gewerkschaftlichen Grundorganisationen: Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) (BGO bestehen in allen Betrieben, in denen mehr als 10 Mitglieder beschäftigt sind; die bis 1974 gültige Untergrenze von 20 Mitgliedern wurde gesenkt, um die in Volkseigentum überführten, vielfach sehr kleinen und gewerkschaftlichen, verhältnismäßig schlecht erfaßten früheren privaten, halbstaatlichen und genossenschaftlichen Betriebe voll in die Gewerkschaftsorganisation einzubeziehen), Schulgewerkschaftsorganisationen (SGO) und Orts- bzw. Dorfgewerkschaftsorganisationen (OGO fassen die FDGB-Mitglieder in Kleinbetrieben ohne BGO sowie Hausangestellte, Heimarbeiter, Rentner usw. zusammen). Leitungsorgan der BGO ist die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL). Die BGO untergliedert sich in Gewerkschaftsgruppen (10–30 Mitglieder), die von den Vertrauensleuten geleitet werden. In größeren Betrieben werden für die einzelnen Betriebsabschnitte Abteilungsgewerkschaftsleitungen (AGL) gebildet. Die Größe der AGL (5–13 Mitglieder) und der BGL bzw. OGL (3–25 Mitglieder) richtet sich nach der Zahl der in ihrem Organisationsbereich erfaßten Mitglieder. Die AGL und BGL bilden zur Unterstützung ihrer Arbeit je nach Größe und spezieller Aufgabenstellung des Betriebes eine Reihe von Kommissionen, deren Vorsitz jeweils ein Leitungsmitglied innehat, deren Mitglieder jedoch überwiegend nicht den gewählten Gewerkschaftsleitungen angehören. Die differenzierte und ausgedehnte Organisationsstruktur des FDGB insbesondere im Betrieb dient sowohl der Erfüllung der mannigfachen gewerkschaftlichen Aufgaben als auch der aktiven Integration möglichst vieler Mitglieder durch die Übernahme ehrenamtlicher Funktionen. Mit ähnlicher Aufgabenstellung wie die BGL werden auf Großbaustellen Gesamtleitungen (11–21 Mitglieder) gebildet. In integrierten Großkombinaten, wie z.B. Leuna, Buna, Carl Zeiss Jena, haben die betrieblichen Gewerkschaftsleitungen den Status einer IG-Kreisleitung, unterstehen also unmittelbar ihrem zuständigen Bezirksvorstand.

 

In den Kombinaten, die mehrere VEB zusammenfassen, werden zur Koordinierung der laufenden Gewerkschaftsarbeit in den Kombinatsbetrieben sowie zur Absprache mit dem Kombinatsdirektor über Entscheidungen, die alle Betriebe gleichermaßen betreffen, Kollektive der BGL-Vorsitzenden gebildet. Einem derartigen Kollektiv gehören die Gewerkschaftsvorsitzenden der wichtigsten Einzelbetriebe an. — Daneben besteht ein Gewerkschaftsaktiv des Kombinats, das zum Planentwurf des Kombinats Stellung nimmt, über die Wettbewerbskonzeption für das gesamte Kombinat beschließt und gegenüber dem der Kombinatsdirektor seinen Rechenschaftsbericht abgibt. Es setzt sich ebenfalls aus BGL-Vorsitzenden, aber auch aus weiteren besonders aktiven Gewerkschaftsfunktionären zusammen. (Dieses Gewerkschaftsaktiv ist ein spezielles Organ der Gewerkschaftsorganisation im Kombinat und nicht identisch mit der Form des Gewerkschaftsaktivs, das weiter unten behandelt wird.)

 

Die BGL werden von den Kreisvorständen (25–55 Mitglieder) der zuständigen IG/Gew. angeleitet. Diese wählen für die laufenden Arbeiten Sekretariate (hauptamtliche, geschäftsführende Vorstände) und bilden Kommissionen: Agitation und Propaganda; Arbeit und Löhne; Sozialpolitik; Arbeits- und Gesundheitsschutz; Kultur und Bildung. In ihren zweigspezifischen Aufgaben unterstehen sie den Bezirksvorständen der IG/Gew. (35–80 Mitglieder), die in gleicher Weise wie die Kreisvorstände [S. 464]gegliedert sind. In Kreisen, in denen die Mitgliederzahl einer Einzelgewerkschaft so gering ist, daß der umfangreiche Apparat eines regulären Kreisvorstandes nicht gerechtfertigt ist, können die Bezirksvorstände des FDGB in Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksvorstand der betroffenen Gewerkschaft einen ehrenamtlichen Kreisvorstand als Koordinierungsstelle wählen lassen.

 

Die Kreis- und Bezirksvorstände der IG/Gew. arbeiten in industriezweigspezifischen Fragen mit den Fachorganen der Räte der Kreise bzw. der Bezirke zusammen.

 

Die Kreis- und Bezirksvorstände der IG/Gew. unterstehen den jeweiligen regionalen FDGB-Vorständen der gleichen Ebene (Kreisvorstand: 40–80, Bezirksvorstand: 80–120 Mitglieder). Die FDGB-Kreis- bzw. Bezirksvorstände tragen für ihren Bereich jeweils die ausschließliche gewerkschaftspolitische Verantwortung, koordinieren die Arbeit der IG/Gew. und vertreten die Gewerkschaften gegenüber den regionalen Staatsorganen. Außer in ihrem satzungsmäßigen Weisungsrecht gegenüber den Leitungen der IG/Gew. zeigt sich ihre umfassendere Aufgabenstellung in der großen Zahl der bei ihnen bestehenden Kommissionen: Agitation und Propaganda; Arbeit und Löhne; Recht; Sozialpolitik; Feriendienst; Kurenkommission; Arbeits- und Gesundheitsschutz; Kultur und Bildung; Finanzkommission; Frauenkommission; Jugendausschuß; Neuereraktiv; Rat für Sozialversicherung; Beschwerdekommission der Sozialversicherung. Die eigentliche Führungstätigkeit obliegt auch bei den Kreis- bzw. Bezirksvorständen des FDGB den Sekretariaten. Die Vorsitzenden der FDGB-Vorstände gehören den Sekretariaten der SED-Leitungen auf der gleichen Ebene, die BGL-Vorsitzenden in aller Regel den Betriebsparteileitungen an (Grundorganisationen der SED).

 

Besondere Probleme ergeben sich für die IG Transport- und Nachrichtenwesen durch die von der territorialen Gliederung des Staatsapparats abweichenden Organisationsstrukturen im Transportwesen, bei der Post und der Reichsbahn. Entsprechend gibt es getrennte Bezirksgewerkschaftsleitungen für Transport- bzw. Post- und Fernmeldewesen. Bei der Reichsbahn bestehen in den Reichsbahnamtsbezirken Gewerkschaftsleitungen, bei den Reichsbahndirektionen Bezirksgewerkschaftsleitungen (Deutsche Reichsbahn [DR]).

 

Die in der Zeit von 1963 bis 1970 zu beobachtenden mannigfachen Versuche, die Zuständigkeiten zwischen FDGB- und IG/Gew.-Leitungen zugunsten der letzteren neu zu ordnen — Ausdruck der größeren Selbständigkeit der Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und der daraus resultierenden Bemühungen, die industriezweigspezifischen Bedingungen stärker zur Grundlage der Gewerkschaftsarbeit zu machen —, wurden unmittelbar nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 zunächst rückgängig gemacht (z.B. sind die bei den VVB bestehenden Gewerkschaftskomitees aufgelöst worden, an ihre Stelle traten Instrukteure der Zentralvorstände [ZV] der IG/Gew.). Seit Mitte der 70er Jahre ist hier jedoch erneut eine Veränderung zu beobachten. Es hat sich als notwendig erwiesen, entsprechend der unterschiedlichen Situation in den einzelnen Betrieben und Industriezweigen, den zweigspezifischen Anleitungsaufgaben der GL der IG/Gew. mehr Gewicht zu geben und ihnen das Recht einzuräumen, in Fragen ihres Organisationsbereiches direkt mit den zuständigen Fachorganen des Staats- und Wirtschaftsapparates zu verhandeln.

 

An der Spitze der IG/Gew. stehen die ZV (60–120 Mitglieder), die ihrerseits Präsidien wählen, deren hauptamtlichen Führungskern die Sekretariate bilden; ihre Aufgabe ist es, die allgemeinen, die IG/Gew. bindenden Beschlüsse des BV des FDGB bzw. seines Präsidiums auf die Problematik des eigenen Wirtschaftsbereichs anzuwenden, die sich daraus oder aus gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien und Kombinaten zu führen, Rahmenkollektivverträge (RKV) abzuschließen sowie die eigenen nachgeordneten Leitungen anzuleiten.

 

Zwischen den Kongressen gilt der BV des FDGB (mit 1982: 200 Mitgl. und 40 Kandidaten) als dessen höchstes Organ. Für die laufenden Arbeiten und als die eigentlichen Führungsgremien wählte der BV auf seiner konstituierenden Sitzung während des 10. FDGB-Kongresses 1982 ein 28köpfiges Präsidium sowie das 9 Mitglieder zählende Sekretariat. Das Präsidium setzt sich wie folgt zusammen: Vors.: Harry Tisch (zugleich Mitgl. des Sekretariats); Stellv.: Prof. Dr. Johanna Töpfer (zugleich Mitgl. des Sekretariats); Sekretäre: Frank Bochow, Dr. Harald Bühl, Werner Heilemann, Horst Heintze, Bärbel Ritter, Dr. Fritz Rösel, Kurt Zahn; Chefredakteur der Tageszeitung des FDGB „Tribüne“: Günter Simon; 1 Abteilungsleiter beim BV des FDGB; 8 Vors. von IG/Gew.; 6 Vors. von Bezirksvorständen des FDGB; 1 Vors. eines Kreisvorstandes des FDGB; 1 BGL-Vors.; 1 stellv. BGL-Vors. Unter den Präsidiumsmitgliedern befinden sich 7 Frauen. Soweit bekannt, sind die Mitglieder des Präsidiums Mitglieder der SED; Harry Tisch ist Mitglied des Politbüros des ZK der SED. Zum Vors. der Zentralen Revisionskommission des FDGB (26 Mitglieder; 5 Kandidaten) wurde Alfred Wilke wiedergewählt.

 

Bei allen Leitungen des FDGB und der IG/Gew. werden Revisionskommissionen gewählt, die deren Finanzgebaren, die Einhaltung der Satzung und die Durchführung der Beschlüsse der jeweils übergeordneten Organe kontrollieren sollen. Sie erstatten laufend Bericht an die übergeordnete Revisionskommission, nehmen, soweit sich kritische Anhalts[S. 465]punkte aus ihrer Revisionstätigkeit ergeben, Einfluß auf die Arbeit der gewählten Leitungen und berichten anläßlich der Gewerkschaftswahlen über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit.

 

Der FDGB erkennt in seiner Satzung den demokratischen Zentralismus als verbindliches Organisationsprinzip an; d.h. daß alle Leitungen von unten nach oben gewählt werden, diese ihren Wahlgremien gegenüber rechenschaftspflichtig sind, abgewählt werden können und alle Leitungen an die Beschlüsse und Richtlinien der übergeordneten Gremien gebunden sind. Die Wahlen finden bis zur Bezirksebene alle 21/2 Jahre, für die zentrale Ebene (Zentrale Delegiertenkonferenzen der IG/Gew. und Bundeskongreß des FDGB) alle 5 Jahre statt. (Der früher gültige Rhythmus von 2 bzw. 4 Jahren wurde auf dem 8. FDGB-Kongreß 1972 an die Satzungsregelung der SED und die Laufzeit der Fünfjahrpläne angeglichen.) Die Funktionäre der Gewerkschaftsgruppen und die Arbeiterkontrolleure werden in Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen in offener Abstimmung gewählt.

 

Die Wahlen der AGL, BGL, OGL und der Delegierten für die Kreisdelegiertenkonferenzen erfolgen in den Betrieben direkt und geheim auf der Grundlage einer einheitlichen Kandidatenliste mit verbindlicher Reihenfolge. Nach dem gleichen Verfahren wählt die Delegiertenkonferenz einer Organisationsstufe den entsprechenden Vorstand und die Delegierten für die nächsthöhere Stufe.

 

Zu den Wahlen erläßt der BV Wahldirektiven und Richtlinien; in ihnen werden die politischen Schwerpunkte für die Rechenschaftslegung durch die alten Vorstände, die Diskussionsthemen in den Mitgliederversammlungen und Delegiertenkonferenzen, das Wahlverfahren, die zahlenmäßige Größe der zu wählenden Körperschaften festgelegt und kaderpolitische Hinweise gegeben. Die amtierenden Leitungen arbeiten zusammen mit den übergeordneten Gewerkschaftsorganen und den zuständigen SED-Leitungen die Kandidatenlisten aus, die der Bestätigung durch die Wahlgremien bedürfen. Die Ablehnung von Kandidaten, die Streichung einzelner Namen und die Hinzufügung anderer ist prinzipiell möglich, das Bild der gesamten Liste wird damit jedoch kaum verändert. Als gewählt gilt in der Reihenfolge der Kandidatenliste jeder, der mehr als 50 v.H. der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Konkurrierende, organisierte Gegenvorschläge können nicht gemacht werden. Die Bekleidung von Wahlfunktionen oberhalb der betrieblichen Ebene hat eine mehrjährige Mitgliedschaft im FDGB zur Voraussetzung (Kreis: 2 Jahre, Bezirk: 3 Jahre BV: 6 Jahre).

 

Die gewählten Vorstände tagen in größeren Zeitabständen (Kreis und Bezirk: 3monatlich; BV: 4monatlich; ZV: 6monatlich), so daß die eigentliche Führungstätigkeit bei den hauptamtlichen Sekretariaten liegt. Die Leitungen sind gehalten, den jeweiligen Wahlkörperschaften regelmäßig Rechenschaft zu legen.

 

Ein wichtiges Leitungsinstrument und Diskussionsforum sind Gewerkschaftsaktivtagungen. Die haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre werden auf der jeweiligen Leitungsebene zu einem Gewerkschaftsaktiv zusammengefaßt; dieses bildet gleichsam den aktiven Kern der Organisationseinheit. In der Regel einmal im Vierteljahr, aber auch aus besonderem Anlaß wird das Gewerkschaftsaktiv von der gewählten Leitung zu einer Tagung zusammengerufen. Je nach Themenstellung können an ihr auch Arbeiter, Angestellte und Angehörige der Intelligenz ohne Funktion, die sich durch besondere Produktionsleistungen hervorgetan haben, teilnehmen. Auf den Gewerkschaftsaktivtagungen werden unter kritischer Einschätzung der bisherigen Arbeit von der Gewerkschaftsleitung die aktuellen Schwerpunkte der Organisationsarbeit erläutert und die sich daraus ergebenden Aufgaben für die einzelnen Funktionäre an Beispielen verdeutlicht und festgelegt; sie dienen ferner dem Erfahrungsaustausch. Beschlüsse der Gewerkschaftsaktivtagungen bedürfen der Zustimmung durch die einberufende Leitung.

 

Die in der Satzung gegebene Möglichkeit der Abberufung von Leitungsmitgliedern, wenn sie „gegen die Satzung bzw. die Beschlüsse verstoßen haben und nicht mehr das Vertrauen genießen“, spielt in der Praxis keine Rolle. Die Ablösung bzw. Neuberufung von hauptamtlichen Funktionären erfolgt allgemein durch die übergeordnete Leitung und durch Kooptation; sie wird im nachhinein durch die gewählten Vorstände sanktioniert (Parteiwahlen). Die SED nimmt auf vielfache Weise Einfluß auf die Tätigkeit und die Zusammensetzung der Gewerkschaftsvorstände: 1. Entsprechend der Satzung des FDGB sind die Parteibeschlüsse verbindliche Grundlage der Gewerkschaftsarbeit; 2. die bei den jeweiligen Parteileitungen bestehenden Abteilungen Gewerkschaften und Sozialpolitik legen die gewerkschaftspolitische Linie für ihren Zuständigkeitsbereich fest und wirken bei der Auswahl der Kandidaten für die Gewerkschaftsleitungen, insbesondere für die hauptamtlichen Positionen, entsprechend den Kadernomenklaturen, mit (Kaderpolitik); 3. die Vorsitzenden der FDGB-Vorstände sind Mitglieder der Sekretariate der SED-Leitungen, in den Betrieben gehören die BGL-Vorsitzenden in der Regel der Betriebsparteileitung an; 4. die Parteimitglieder sind auch als Gewerkschaftsmitglieder der Parteidisziplin (Parteiauftrag) unterworfen.

 

Die im Prinzip des Demokratischen Zentralismus enthaltene strikte Bindung der nachgeordneten Leitungen an die Beschlüsse der übergeordneten vervollständigt das Instrumentarium, das den FDGB als [S. 466]eine autoritär geführte und voll in die Strukturen des Herrschaftssystems integrierte Massenorganisation erscheinen läßt. Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß die vielfältigen Diskussionsprozesse, der sich in den Kommissionen und Arbeitsgruppen äußernde Sachverstand und die Möglichkeiten — wenn auch ohne organisatorische Verfestigung-, Kritik zu üben, die Entscheidungen der Leitungen beeinflußt. Besonders in den Betrieben wirken Kritik am Arbeitsplatz, Unzufriedenheiten, die zu Leistungsminderungen führen, Fluktuation von Betriebsangehörigen usw. korrigierend auf die Gewerkschaftsarbeit.

 

Im Verlag des FDGB erscheinen als Organe des BV die Tageszeitung „Tribüne“ (Aufl. 1982: 404.500), die vor allem für Funktionäre in den BGO gedachte Monatszeitschrift „Gewerkschaftsleben“ (Aufl. 1982: 180.000) sowie für die Auslandsarbeit die in 7 Sprachen erscheinende „FDGB Rundschau“ (Aufl. 1980: 55.800). Die ZV der IG/Gew. geben eigene Mitteilungsblätter heraus. Größere Bedeutung haben darunter die von der Gew. Unterricht und Erziehung und dem Ministerium für Volksbildung gemeinsam herausgegebene „Deutsche Lehrerzeitung“ (Aufl. 1980: 151.600), das 14tägig veröffentlichte Organ des ZV der IG Bau — Holz „Der Bau“ (Aufl. 1980: 34.300) und die ebenfalls alle 14 Tage erscheinende Zeitung der IG Bergbau — Energie „Glückauf“ (Aufl. 1980: 25.000). — Mit zahlreichen Broschüren, Handbüchern und Monographien unterstützt der Verlag Tribüne die Anleitung sowie die politische und fachliche Qualifizierung der Gewerkschaftskader. Der Vertrieb der Gewerkschaftsliteratur erfolgt weitgehend über die Kulturobleute in den Betrieben durch den Literatur- und Vordruckvertrieb des FDGB in Markranstädt. Die Mitgliedschaft im FDGB ist grundsätzlich freiwillig; sie ist jedoch Voraussetzung für beruflichen und sozialen Aufstieg. Ein Anreiz für den Beitritt sind auch die Vergünstigungen, die mit der Mitgliedschaft im FDGB verbunden sind (Ferienreisen, Fahrgeldermäßigungen, Unterstützungszahlungen usw.). Mitglied kann jeder Arbeiter, Angestellte oder Angehörige der Intelligenz werden, nicht jedoch freiberuflich Tätige sowie Mitglieder von LPG und PGH. Während des Direktstudiums und der Zugehörigkeit zur NVA ruht die Mitgliedschaft. Rentner und längerfristig Kranke können die Mitgliedschaft aufrechterhalten.

 

Anfang 1982 (in Klammern die Zahlen für 1977) hatte der FDGB 9,1 Mill. (8,3 Mill.) Mitglieder, darunter 52 v.H. (50,5 v.H.) Frauen, 15,9 v.H. (15,4 v.H.) Jugendliche bis 25 Jahre. Anfang 1983 wurden 9,123 MM. Mitglieder (davon 4,7 Mill. Frauen) genannt. Für 1980 zeigt eine Aufgliederung der Mitgliedschaft nach Beschäftigtengruppen folgendes Bild: 53,3 v.H. Arbeiter, 20,4 v.H. Angestellte, 10,7 v.H. Angehörige der Intelligenz, 15,6 v.H. Rentner bzw. vorübergehend nicht Berufstätige. Da der FDGB in den letzten Jahren seine Bemühungen um die Rentner verstärkt hat (Altenpolitik; Betriebsgewerkschaftsorganisation [BGO]), dürfte sich deren Anteil an der Gesamtmitgliedschaft erhöht haben.

 

Der FDGB finanziert sich überwiegend aus den Mitgliedsbeiträgen (0,50–35 Mark = 1–1,5 v.H. vom Bruttoeinkommen). Für die internationale Arbeit und die Betreuung der Gewerkschaftsveteranen werden zusätzlich Solidaritätsmarken verkauft. Der auf diese Weise erzielte Betrag soll die Höhe von 32,7 v.H. der Mitgliedsbeiträge erreicht haben. Da der Kauf von Solidaritätsmarken weitgehend zur pflichtmäßigen Routine geworden war und zudem der für diese Zwecke von einem Arbeitskollektiv aufgewendete Betrag zunehmend zu einem leicht abzurechnenden Bestandteil des sozialistischen Wettbewerbes geworden war, ist im September 1982 eine neue Regelung vom BV des FDGB beschlossen worden. Danach soll jetzt darauf geachtet werden, daß bei dem Erwerb der Solidaritätsmarken das „Prinzip der Freiwilligkeit“ wieder Platz greift und daß das Aufkommen an Solidaritätsbeiträgen nicht mehr zum Bestandteil des Wettbewerbsprogrammes gemacht wird. Darüber hinaus sollen zukünftig nur noch FDGB-Mitglieder derartige Marken innerhalb ihres Betriebes erwerben können. Für einige seiner Aufgabengebiete (z.B. Feriendienst des FDGB, Kulturarbeit des FDGB, Ausbildungskosten im Arbeitsschutz) erhält der FDGB Zuschüsse aus dem Staatshaushalt bzw. den Haushalten der örtlichen Räte im Staatsapparat sowie Mittel aus dem Kultur- und Sozialfonds der Betriebe bzw. Kombinate. Für die Jahre 1977–1981 (in Klammern die Zahlen für die Jahre 1972–1976) nennt der FDGB folgende Struktur seiner Ausgaben: Vorstands- und Kommissionstätigkeit 758,6 Mill. Mark (654,83 Mill.), Agitation, Propaganda, Bildung 246,7 Mill. Mark (199,5 Mill.), Kultur 470,5 Mill. Mark (374 Mill.), Jugend und Sport 248,6 Mill. Mark (209,3 Mill.), Arbeitsschutz 101 Mill. Mark (90,3 Mill.), Unterstützungen und Ehrungen 999,8 Mill. Mark (881,3 Mill.), Urlaub und Erholung 1152,6 Mill. Mark (814,8 Mill.), Neubau und Rekonstruktion von Ferienheimen 487,4 Mill. Mark (341 Mill.), Verwaltungsausgaben 193,3 Mill. Mark (142,1 Mill.), Neubau und Rekonstruktion von Gewerkschaftshäusern und -schulen 148,6 Mill. Mark (43,7 Mill.). Damit sind zwischen 9. und 10. FDGB-Kongreß rd. 4,8 Mrd. Mark vom FDGB ausgegeben worden, wobei allerdings die Staatszuschüsse in diesem Betrag enthalten sein dürften. Zusätzlich wurden aus den Solidaritätsspenden 654,6 Mill. Mark für die Unterstützung von Gewerkschaften in den Entwicklungsländern sowie 211,6 Mill. Mark für die kulturelle und soziale Betreuung von Gewerkschaftsveteranen und als Unterstützungszahlung für [S. 467]die Volkssolidarität ausgegeben. Weitere 39,1 Mill. Mark kostete die Ausbildung ausländischer Gewerkschafter insbesondere aus den Entwicklungsländern an den Gewerkschaftsschulen des FDGB bzw. deren Berufsausbildung in Volkseigenen Betrieben sowie die Heilbehandlungen für erkrankte bzw. verletzte Gewerkschafter aus den Entwicklungsländern. 1982 hat der FDGB 556,8 Mill. Mark für finanzielle Leistungen aufgewendet (davon 206,4 Mill. Mark für Kultur, Bildung, Sport, Jugend; 205,5 Mill. Mark für Unterstützungen und Ehrungen; 144,9 Mill. Mark für Urlaub und Erholung).

 

IV. Aufgaben

 

 

Die Aufgaben des FDGB ergeben sich aus dem gewerkschaftlichen Selbstverständnis (vgl. Abschnitt FDGB, I.) und werden insgesamt als Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte der Werktätigen gedeutet.

 

Seit dem VIII. Parteitag der SED 1971 sind die betrieblichen und überbetrieblichen Anhörungs- und Mitwirkungsrechte des FDGB u.a. im Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972 (vgl. Abschnitt FDGB, II.) und im Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der DDR vom 12. 6. 1973 sowie durch das neue AGB unterstrichen und erweitert worden.

 

Im Mittelpunkt der Gewerkschaftsarbeit steht der Arbeitsprozeß. Der zentrale Wert, der der ökonomischen Leistung allgemein zugemessen wird, erklärt sich einmal aus der philosophisch-anthropologischen Deutung der Arbeit als Konstituenz menschlicher Existenz, zum anderen aus dem leninistischen Axiom, daß die Höhe der Arbeitsproduktivität letztlich Ausweis der Überlegenheit eines Gesellschaftssystems sei. Allerdings wird der Arbeitsprozeß durchaus nicht ausschließlich im engen Sinn als Produktionsprozeß, sondern als ein komplexer sozialer Zusammenhang begriffen, zu dem soziologische und sozialpolitische Elemente ebenso wie Arbeits- und Gesundheitsschutz, leistungsgerechte Entlohnung, Versorgung mit Konsumgütern, Bildung usw. gehören. Die behauptete Einheit dieser Teilaspekte kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie sich keineswegs zu einem konfliktlosen Ganzen fügen. Für den FDGB, der die gesamtgesellschaftliche Zielsetzung zugleich mit den unmittelbaren Interessen seiner Mitglieder vertreten soll, ergeben sich daraus immer erneut Zielkonflikte. Seine Aufgabe wird wesentlich dadurch erschwert, daß die behauptete Position des Werktätigen als Miteigentümer sich in einer gleichberechtigten Stellung im Herrschaftssystem und in der Gewerkschaftsorganisation zeigen müßte; die tatsächliche Machtverteilung und das Funktionieren der Leitungs- und Entscheidungsstränge stehen dazu noch immer im Gegensatz. Notwendig muß daher die erzieherische und propagandistische Arbeit des FDGB auch Elemente der ideologischen Verhüllung der gegebenen Machtverhältnisse enthalten. Immerhin hat die Anerkennung der Unvermeidlichkeit sozialer Konflikte dazu geführt, Sozialpolitik und Sozialplanung als ein zwar mit der ökonomischen Planung zusammenhängendes, aber doch eigenes Aufgabengebiet anzuerkennen und die Artikulation und Vertretung unmittelbarer Interessen zu rechtfertigen.

 

Schwerpunkt gewerkschaftlicher Arbeit ist der Betrieb; Grundlage für die Tätigkeit der BGO bzw. der BGL bildet die ökonomische Aufgabenstellung, wie sie der Betriebsplan festlegt. Der Planentwurf, den die Werkleitung auf der Grundlage zentral vorgegebener Produktionsauflagen und Kennziffern (Planung) anfertigt, wird in einer von der BGL in Absprache mit der Betriebsparteileitung geleiteten Plandiskussion sowohl allen Belegschaftsmitgliedern bekanntgemacht als auch durch das Aufdecken von Reserven präzisiert und verbessert. Seit der Plandiskussion 1975 wird mit dem Produktionsplan auch bereits die Konzeption für den Sozialistischen Wettbewerb mit entworfen. Im Unterschied zu früheren Jahren sind es gegenwärtig weniger die quantitativen (mengenmäßigen) als die qualitativen Kennziffern (Senkung des Materialverbrauchs, Erhöhung der Qualität, bessere Maschinenauslastung durch Schichtarbeit, raschere Überführung von Forschungsergebnissen in die Produktion usw.), auf die in der Plandiskussion das Schwergewicht gelegt wird. Außerdem ist das Bestreben der Wirtschaftsführung spürbar, die Erhöhung der Leistung mit der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbinden (Leistungsfonds).

 

Mit der inhaltlichen Aufschlüsselung des Betriebsplanes auf den einzelnen Arbeitsplatz wird angestrebt, daß der Werktätige sich besser mit seiner ihm unmittelbar vorgegebenen Arbeitsaufgabe identifizieren kann und er, anknüpfend an die einzelnen Kennziffern, zu weiteren berechenbaren Verbesserungen seiner Arbeitsleistungen, insbesondere aber auch zu Materialeinsparungen, veranlaßt wird. Der endgültige Planvorschlag wird von dem Werkleiter ausgearbeitet und den übergeordneten Wirtschaftsleitungen zur Bestätigung vorgelegt. An der Planverteidigung wird der Vorsitzende der jeweiligen Gewerkschaftsleitung persönlich beteiligt; die BGL fertigen zu diesem Zweck eigene Stellungnahmen an. Diese Beteiligung des FDGB findet sich auf allen Stufen der Planungspyramide; zu den Ein- und Mehrjahrplänen im DDR-Maßstab faßt der BV des FDGB einen entsprechenden Beschluß.

 

Auf der Grundlage des bestätigten Betriebsplanes wird im gleichen Diskussionsprozeß der Betriebskollektivvertrag (BKV) erarbeitet. Auch hier erfolgt die Vorlage des Entwurfs in aller Regel durch die Werkleitung. Neben einer erneuten Information über die Arbeitsaufgabe des Planjahres finden in ihm vor allem die sozialpolitischen Belange, die Qualifizierungs-, Kultur- und Bildungsvorhaben, [S. 468]die anzuwendenden Lohnformen, die Kriterien für die Aufteilung des Prämienfonds und besondere Förderungsmaßnahmen für Frauen und Jugendliche (Jugend- bzw. Frauenförderungspläne, die als eigene Anlagen zum BKV unter maßgeblicher Beteiligung der Jugendkommissionen bzw. Frauenkommissionen erarbeitet werden) ihren Niederschlag. Die BKV, die, von den Werkleitern und den BGL unterschrieben, auf Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen verabschiedet werden, sind eine gemeinsame Verpflichtung zur Erfüllung der betrieblichen Produktionsaufgaben und zugleich das soziale und kulturpolitische Programm für die jeweilige Planperiode. Die dafür benötigten Mittel sind in den Kultur- und Sozialfonds vorgegeben, werden jedoch bei Übererfüllung des Betriebsplans durch Sonderzuführungen z.B. aus den Leistungsfonds verstärkt und sind insoweit durch die Leistungen der Betriebskollektive zu beeinflussen. Ein Teil der der BGL verbleibenden Beitragsanteile der Gewerkschaftsmitglieder wird ebenfalls für kulturelle und soziale Leistungen verwendet. (1981: 46,7 v.H. der Beitragseinnahmen verblieben bei den BGO bzw. OGO.)

 

Die Pflicht der Werkleiter, über den Stand der Erfüllung der BKV und der Produktionspläne regelmäßig Rechenschaft zu legen, und die Arbeit der gewerkschaftlichen Kommissionen bieten der Gewerkschaftsorganisation die Möglichkeit, im Verlauf des Planjahres auf die Werkleitungen kritisch einzuwirken und zur Behebung betrieblicher Engpässe die Belegschaften zu mobilisieren. Sozialistischer Wettbewerb, Neuererbewegung, Intensivierung und Rationalisierung, die Überleitung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in die Produktion werden maßgeblich von den BGL und deren Organen propagandistisch-agitatorisch unter den Belegschaftsmitgliedern und durch Kontrolle und Kritik der Betriebsleitungen gefördert. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß die Kontroll-, Kritik- und Vorschlagsrechte, die als gewerkschaftliche Mitwirkung oder auch als sozialistische Demokratie im Betrieb bezeichnet werden, das Prinzip der Einzelleitung, den Demokratischen Zentralismus und den politischen Primat der SED auf betrieblicher Ebene im Kern nicht antasten. Zwar wird durch Diskussion und Kritik Druck auf die Werkleitungen ausgeübt; wenn diese den Empfehlungen und Vorschlägen jedoch nicht Rechnung tragen, bleibt den BGL allenfalls der Weg der Beschwerde bei den jeweils übergeordneten Leitungsorganen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß das große Informationsangebot die Chance zu einer bewußten Identifikation mit der Arbeitsaufgabe dann schafft, wenn die Pläne sich als real erweisen und wenn die ungeplanten Störungen im Produktionsablauf gering gehalten werden können.

 

Die Tätigkeit der Gewerkschaften im Bereich der Lohnpolitik und bei der Verteilung von Prämien dient der Durchsetzung des Prinzips der Materiellen Interessiertheit. Im Lohn sollen die individuelle Leistung, die volkswirtschaftlich-politische Bewertung der spezifischen Arbeitsaufgabe sowie die Qualifikation der Werktätigen zum Ausdruck kommen. Mit dem durch die Anwendung dieser Grundsätze entstehenden, stark gestuften Entlohnungssystem wird das Ziel verfolgt, sowohl einen ständigen Anreiz zur Steigerung der individuellen Arbeitsleistung zu bieten als auch die Arbeitskräfte entsprechend den ökonomischen Zielsetzungen zu lenken. Lohnhöhe, Lohnformen und Lohnsystem, industriezweigspezifische Lohnzuschläge und die allgemeinen Arbeitsbedingungen werden in Rahmenkollektivverträgen (RKV) und Tarifverträgen niedergelegt. Diese Tarifverträge werden zwischen den jeweils zuständigen staatlichen Wirtschaftsleitungen, staatlichen Organen usw. und den Einzelgewerkschaften im Rahmen der in den Jahres- bzw. Mehrjahresplänen vorgegebenen Größen abgeschlossen und bei dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne geprüft und registriert. Den BGL obliegt es wesentlich, die korrekte Anwendung dieser Bestimmungen im Betrieb durch die Werkleitung und Betriebsangehörigen zu überwachen.

 

Die sehr detaillierten Regelungen haben nicht verhindert, daß entgegen den Intentionen die erreichte Qualifikationsstufe nur ungenügend im Entgelt zum Ausdruck kommt und die gewollte Abstufung zwischen den einzelnen Industrie- und Wirtschaftsbereichen nicht verwirklicht werden konnte. Auf dem 8. FDGB-Kongreß ist aus diesem Grund eine generelle Reform des Lohnsystems angekündigt und mit der Einführung der Grundlöhne in Angriff genommen worden, die, ohne daß es zu Lohnsenkungen kommt, den allgemeinen Zielen der Lohnpolitik besser gerecht werden sollte. Obwohl bis 1982 nur für 1,8 Mill. Produktionsarbeiter Grundlöhne und für 600.000 Meister, Hoch- und Fachschulkader leistungsabhängige Gehälter eingeführt worden waren, gilt diese Reform seitdem als „im wesentlichen abgeschlossen“ (vgl. Sozialist. Arbeitswissenschaft, H. 1/1984, S. 8). Wesentliche Ursache für diese erneute Umorientierung in der Lohnpolitik ist die verstärkte und beschleunigte Anwendung neuer technischer Verfahren, die geänderte Formen der Leistungsstimulierung erfordere: Vermehrung sowie Ausdifferenzierung der quantitativen und vor allem der qualitativen Leistungskennziffern, gleichzeitige bzw. kombinierte Anwendung von individuellen und kollektiven Leistungskennziffern, größere Flexibilität bei der jeweiligen Verwendung von Bewertungsmaßstäben (a.a.O., S. 8 f.). — Die generellen Probleme des Lohnsystems scheinen — soweit darüber berichtet worden ist — jedenfalls nicht beseitigt worden zu sein. Die starke Betonung des individuellen materiellen Nutzens im Leistungslohnsy[S. 469]stem hat sich zwar als produktivitätsfördernd bewährt, aber andererseits der Zielsetzung, ein Bewußtsein zu schaffen, das die persönliche Arbeitsleistung vor allem an der politisch-gesellschaftlichen Aufgabe mißt, vielfach entgegengewirkt. Durch immaterielle Anerkennung (Auszeichnungen, lobende Erwähnung in den Betriebszeitungen und Massenmedien usw.) bei den Wettbewerben und verstärkte ideologische Schulung (Schulen der sozialistischen Arbeit) wird versucht, erzieherisch doch dem Ziel, ein „sozialistisches Eigentümerbewußtsein“ zu schaffen, näher zu kommen.

 

Die Schutzfunktionen des FDGB im Bereich des Arbeitsrechts, der staatlichen und betrieblichen Sozialpolitik sind unter doppeltem Aspekt zu sehen: Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowohl durch die Wirtschaftsleitungen als auch durch die Belegschaften soll gleichermaßen erreicht, bestehende Rechte sollen nicht verkürzt, aber auch nicht „mißbräuchlich“ zugunsten der Betroffenen ausgeweitet werden. Rechtsberatungsstellen bei den Rechtskommissionen der Kreisvorstände des FDGB und zunehmend auch die Rechtskommissionen der BGL in Großbetrieben gewähren unter Berücksichtigung dieser Aufgabenstellung den Gewerkschaftsmitgliedern Rechtsschutz bei den Gerichten. Ferner leitet der FDGB die Konfliktkommissionen (Gesellschaftliche Gerichte) an, schult deren Mitglieder, die auf Mitgliederversammlungen gewählt werden. Die BGL besitzt ein Mitwirkungsrecht bei der Begründung, ein Mitbestimmungsrecht bei der Änderung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

 

Die betriebliche Sozialpolitik umfaßt das betriebliche Gesundheitswesen, Kinderkrippen, Kindergärten, Betriebsferienlager (Feriengestaltung), die Werkverpflegung, betriebliche Einkaufsmöglichkeiten usw. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Betriebe nimmt die BGL auf die Ausgestaltung dieser Einrichtungen über ihre Kommissionen und Frauenausschüsse entscheidenden Einfluß. In jüngster Zeit sind Bemühungen zu erkennen, die verschiedenen sozialpolitischen Anstrengungen zu einer einheitlichen betrieblichen Konzeption unter Einschluß des Arbeitsschutzes, der Qualifizierungsmaßnahmen, der Kulturarbeit usw. zusammenzufassen. Der Planteil Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im BKV ist Teil dieses Versuchs, der sich offensichtlich an dem Vorbild der in der Sowjetunion bereits üblichen Sozialpläne der Betriebe orientiert.

 

Eine starke Stellung hat der FDGB nach wie vor durch die Vermittlung verbilligter Ferienreisen im Rahmen seines Feriendienstes in organisationseigene oder Vertragsheime. Bedeutsam sind in jüngster Zeit die vom FDGB geförderten Naherholungsmöglichkeiten geworden. Auch FDGB-Mitglieder, die sich nicht am Feriendienst beteiligen können oder wollen, kommen mit ihren Familienangehörigen ebenfalls einmal jährlich in den Genuß einer um ein Drittel ermäßigten Fahrt mit der Reichsbahn.

 

Im Zeichen der Wissenschaftlich-technischen Revolution (WTR), aus der sich ständig neue und erhöhte Anforderungen an die fachliche Ausbildung der Berufstätigen herleiten, wirbt die Gewerkschaft verstärkt für eine Beteiligung an der Qualifizierung (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem, XII). Notwendige Umsetzungen von Arbeitskräften in oder zwischen Betrieben als Auswirkung von Rationalisierungsmaßnahmen oder bedingt durch den Ausbau bzw. die Einschränkung bestimmter Wirtschaftszweige unterstützt der FDGB durch aufklärende Propaganda und versucht, die sozialen Auswirkungen zu mildern. Die den langfristigen Arbeitskräftebedarf des Betriebes bzw. Wirtschaftszweiges berücksichtigenden Qualifizierungspläne werden unter Mitarbeit der zuständigen Gewerkschaftsleitungen ausgearbeitet.

 

Die Kulturarbeit des FDGB wirbt um die rezeptive und eigenschöpferische Teilnahme der Gewerkschaftsmitglieder am kulturellen Leben. Neben der fachlichen Qualifikation geht es ihr um die Heranbildung des „allseitig gebildeten sozialistischen Menschen“. Sie ist der Versuch, ausgehend vom Betrieb die Freizeitgestaltung (Freizeit) zu beeinflussen. Die gewerkschaftliche Kulturarbeit wirkt, besonders in territorial bestimmenden Großbetrieben, in erheblichem Maß auf die Ausgestaltung des kulturellen Lebens in den Wohngebieten ein.

 

Mit der Übergabe der Sozialversicherung in die Alleinverwaltung des FDGB auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sind den Gewerkschaften staatliche Aufgaben zugewiesen worden, die sie ohne direkten Einsatz staatlicher Zwangsmittel lösen müssen (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen). Mit der Übertragung der Kontrolle über den Arbeitsschutz und der Einrichtung der Arbeitsschutzinspektionen bei den Gewerkschaftsleitungen ist dieser Prozeß fortgesetzt worden. Die Verantwortung, die die Gewerkschaften für die Anleitung, Wahl und Schulung der Konfliktkommissionen haben, kann ebenfalls als eine Ablösung staatlichen Zwangs durch Organisationszwänge (gegenüber den eigenen Mitgliedern und den Wirtschaftsleitungen) verstanden werden. Gegenüber staatlichen Organen hat der FDGB auch außerhalb der Plandiskussionen, besonders in arbeitsrechtlichen, sozial- und kulturpolitischen Fragen ein Beratungs- und Mitwirkungsrecht, das durch die gewerkschaftliche Beteiligung an Beiräten, Arbeitsgruppen, durch schriftliche Stellungnahmen usw. ausgeübt wird. Das Prinzip der Einzelleitung wird jedoch auch hier durch die Gewerkschaften nicht eingeschränkt. Die Kreis- und Bezirksvorstände des FDGB wirken an der Vorbereitung und Festlegung der regionalen Pläne mit. Mit den in den Betrieben gewählten Arbeiterkontrolleuren (1 Arbeiterkontrolleur auf [S. 470]50 Gewerkschaftsmitglieder) beteiligt sich der FDGB an den Aufgaben der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (ABI). Die Arbeiterkontrolleure werden vor allem für die innerbetriebliche Kontrolle und für die Inspektion in Handel, Versorgung und Wohnungswesen eingesetzt (1983: 94.113 Arbeiterkontrolleure).

 

Die Bedeutung, die dem FDGB im Herrschafts- und Gesellschaftssystem zugemessen wird, spiegelt sich u.a. darin, daß er die nach der SED größte Anzahl von Mitgliedern in die Volksvertretungen entsendet, 1981 gehörten in der Volkskammer 68 von 500 Abgeordneten zur FDGB-Fraktion. Von den 3.172 Bezirksabgeordneten stellte der FDGB 444, von den 27.168 Abgeordneten der Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen 6.112, von den 170.427 Abgeordneten in den Städten und Gemeinden 25.583.

 

V. Schulung

 

 

Nachdem in den Jahren der Wirtschaftsreform (1963–1970/71) die Massenschulung als Aufgabe des FDGB eher in den Hintergrund getreten war, heißt es in seiner Satzung von 1977: „Die Gewerkschaften verbreiten aktiv die Weltanschauung der Arbeiterklasse, den Marxismus-Leninismus. Darin sieht der FDGB eine grundlegende Aufgabe zur Vertiefung des sozialistischen Bewußtseins und der Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten.“ Mit dieser Zielsetzung ist seit 1972 in den Schulen der sozialistischen Arbeit (SdsA.) eine neue Form der propagandistischen Breitenarbeit in Anlehnung an das sowjetische Vorbild der „Schulen der kommunistischen Arbeit“ in Verantwortung der Gewerkschaften entwickelt worden. Die SdsA. sind kleine Gruppen (15–25 Teilnehmer), die in den jeweiligen Betriebsabschnitten (Brigade-, Meisterbereiche, Abteilungen usw.) gebildet werden und unter Leitung eines Gesprächsleiters (in der Regel ein der SED angehörender Wirtschaftsfunktionär) Fragen der aktuellen Politik der SED mit den entsprechenden Aspekten des Marxismus-Leninismus in möglichst großer Nähe zu den aktuellen Arbeitsaufgaben diskutieren sollen. Durch die geforderte Praxisnähe hofft man einerseits, abstrakte ideologische Vorträge zu vermeiden und Anschaulichkeit zu erreichen, andererseits einen erlebbaren Zusammenhang zwischen der ideologischen bzw. politisch-programmatischen Ebene und dem Geschehen im Betrieb herstellen zu können.

 

Ein nicht minder wichtiger Bereich gewerkschaftlicher Schulungsarbeit ist die Aus- und Weiterbildung der eigenen Funktionäre. Die mannigfachen Funktionen des FDGB bieten die Möglichkeit, eine große Zahl von Mitgliedern tätig in die Gewerkschaftsarbeit einzubeziehen. 1981/82 wurden auf betrieblicher Ebene in die Leitungen, Kommissionen, Ausschüsse und Arbeitsgruppen über 2,3 Mill. Mitglieder in Funktionen gewählt. Bei der Beurteilung dieser Zahlen wird man an Doppelzählungen denken müssen; auch sagt die Tatsache der Übernahme einer Funktion noch nichts aus über die Intensität, mit der sie ausgeübt wird. Trotzdem demonstrieren diese Zahlenangaben die starke, integrierende Kraft einer Großorganisation. Die Funktionstüchtigkeit des FDGB, die Effektivität, mit der er seine Kontroll-, Mitwirkungs- und Beratungsrechte wahrnehmen kann, das Ansehen der Gewerkschaftsfunktionäre bei den Belegschaften und Werkleitungen und die darauf gegründete Chance, erzieherisch zu wirken und zu mobilisieren, hängt dabei weitgehend von den Fähigkeiten und Kenntnissen der Kader ab (Kaderpolitik). Die Mathematisierung der Planung, die Einführung der Elektronischen ➝Datenverarbeitung (EDV), Kybernetik, Operationsforschung usw. haben die Anforderungen an die Gewerkschaftsfunktionäre ständig anwachsen lassen. Während des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) und des Ökonomischen Systems des Sozialismus (ÖSS) ist die Ausbildung der Funktionäre reformiert und durch die Vermittlung positiven Fachwissens, insbesondere aus dem Bereich der Sozialistischen ➝Leitungswissenschaft, der Volks- und Betriebswirtschaftslehre erweitert und verbessert worden. Die starke Differenzierung des Schulungssystems nach Aufgabengebieten (Arbeitsrecht, Arbeitsökonomie, Sozialversicherung, Arbeitsschutz, Kultur usw.) bietet gute Voraussetzungen zum Erwerb von Spezialkenntnissen. Zwar gehört es zu den Ergebnissen des VIII. Parteitages der SED (1971), daß den ideologischen Inhalten stärkeres Gewicht beigemessen wird, doch die gleichfalls geforderte Praxisnähe und die Erweiterung des Aufgabenkatalogs der Gewerkschaften haben den aufgabenspezifischen Lehrinhalten ihre Bedeutung belassen.

 

Die Formen der gewerkschaftlichen Schulungsarbeit sind mannigfaltig: Einzelvorträge, Wochenendschulungen und 14tägige Kurzlehrgänge in den Betrieben und in den Kreisvorständen der FDGB-Kreisleitungen, 4wöchige Kurse in (jahreszeitlich bedingt) nicht genutzten FDGB-Heimen dienen vor allem der Schulung von Funktionären aus den Gewerkschaftsgruppen und Mitgliedern der BGL, die erstmals in eine gewerkschaftliche Funktion gewählt worden sind. Die BGL-Vorsitzenden und Funktionäre der FDGB-Kreisvorstände werden überwiegend in 3monatigen Lehrgängen bei den Bezirksschulen des FDGB (1977–1981: 25.000 Teilnehmer in regulären Lehrgängen; 5.000 Funktionäre nahmen darüber hinaus an Weiterbildungslehrgängen teil) und in den industriezweigspezifischen Schulen der wichtigsten IG/Gew. geschult. Die Ausbildung hauptamtlicher Funktionäre und die Weiterbildung von Funktionären der mittleren Leitungsebene erfolgen vor allem in Einjahreslehrgängen an den Zentralschulen des [S. 471]FDGB, die zugleich auch auf ein langfristiges Studium vorbereiten (1977–1981: 3.000 Absolventen, davon über 50 v.H. Frauen).

 

Drei Spezialschulen des FDGB (Lehrgangsdauer: 3 Monate bis 1 Jahr) vermitteln Sonderkenntnisse auf den Gebieten Sozialversicherung, Arbeitsschutz und Feriendienst (1977–1981: 10.000 Teilnehmer). Zentrale Bildungs- und Forschungseinrichtung der Gewerkschaft ist die 1950 gegründete Hochschule des FDGB „Fritz Heckert“ in Bernau b. Berlin (Ost). Neben kürzeren Lehrgängen findet dort seit 1956 ein dreijähriges Direkt- bzw. ein fünfjähriges Fernstudium statt, das mit der Prüfung zum Diplom-Gesellschaftswissenschaftler abgeschlossen wird. Seit Gründung bis 1981 haben rd. 8.000 Gewerkschafter (davon in den Jahren 1977–1981: 1282, darunter 321 im Fernstudium, 191 in Frauenexternatslehrgängen) diese Hochschule absolviert. Ferner wurden im Zeitraum zwischen 1977 und 1981 3.600 Funktionäre weiterqualifiziert. — Die Hochschule dient in immer stärkerem Maße der empirischen Forschung. Sie analysiert die Ergebnisse ausgewählter gewerkschaftlicher Tätigkeiten, führt Begleituntersuchungen bei der Erprobung neuer Arbeitsmethoden durch und soll auch einen eigenen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gewerkschaftstheorie leisten. Die FDGB-Hochschule ist Sitz des Wissenschaftlichen Rates für Fragen des Sozialistischen Wettbewerbs. Deutlich ist das Bemühen des FDGB zu erkennen, vor allem weibliche Gewerkschaftsfunktionäre aus- und weiterzubilden. Allein an der Gewerkschaftshochschule und den Zentralschulen sind zwischen 1972 und 1977 1.161 Frauen für Leitungsfunktionen ausgebildet worden. Im Ergebnis der Bildungsbemühungen des FDGB ist das Ausbildungsniveau bei den hauptamtlichen Leitungsmitgliedern deutlich gestiegen. 1977 (neuere Zahlen liegen nicht vor) hatten bereits 60,8 v.H. der Mitglieder der Sekretariate der ZV der IG/Gew., der Kreis- und Bezirksvorstände des FDGB einen Fach- bzw. Hochschulabschluß.

 

VI. Gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtungen

 

 

Der FDGB verfügt über eine Anzahl von Unterstützungseinrichtungen für seine Mitglieder. Die Höhe der Leistungen variiert je nach Dauer der Mitgliedschaft und z. T. der Höhe der entrichteten Mitgliedsbeiträge. Ein Anspruch entsteht in der Regel nach einjähriger Mitgliedschaft. In Höhe eines Wochenbeitrages wird bei Erkrankung nach Wegfall der Lohnfortzahlung für 6 bis 9 Wochen eine tägliche Krankengeldunterstützung gewährt. Ferner zahlt der FDGB Geburtsbeihilfen (30 Mark) und Sterbegelder (100–370 Mark). Rentner mit langjähriger Mitgliedschaft in den Gewerkschaften (mindestens 35 Jahre) erhalten eine vierteljährliche Unterstützung von 30–50 Mark.

 

Auf diese Leistungen besteht ein satzungsmäßiger Anspruch. Als Hilfseinrichtung für Darlehen in Notfällen und bei Anschaffungen bestehen Kassen der gegenseitigen Hilfe (KdgH), die durch Sonderbeiträge finanziert werden. Im Verkehrswesen tätige Gewerkschaftsmitglieder erhalten durch die „Fakulta“ Rechtsschutz und Familienunterstützung bei Verkehrsunfällen.

 

VII. Politik gegenüber den Gewerkschaften der Bundesrepublik Deutschland und internationale Beziehungen

 

 

Der FDGB hat sich in seiner Politik gegenüber den Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland immer an die jeweilige Linie der Deutschlandpolitik der SED gehalten. Lange Jahre hat er dementsprechend mit einer Fülle von Aktivitäten versucht, unmittelbar auf die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Einfluß zu nehmen (Deutsche Arbeiterkonferenz, Delegationen, Versenden von Propagandamaterial usw.), ohne daß er dabei größere Erfolge hätte erzielen können. Im Zuge der vom DGB unterstützten Vertragspolitik zwischen den beiden deutschen Staaten ist es zur Aufnahme offizieller Kontakte sowohl zwischen FDGB und DGB als auch zwischen den Einzelgewerkschaften gekommen. Der FDGB hat sich jedoch seinerseits durch Satzungsänderung auf dem 8. FDGB-Kongreß von der Festlegung auf das Ziel der „Konföderation der beiden deutschen Staaten“ losgesagt und unterstützt nunmehr die Abgrenzungspolitik der SED (Abgrenzung; Nation und nationale Frage). Es entspricht dieser politischen Konzeption, wenn der FDGB Begegnungen mit dem DGB als „internationale Kontakte“ einstuft.

 

Der FDGB ist Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes (WGB), die IG/Gew. gehören den jeweils zuständigen Berufsorganisationen des WGB, den „Internationalen Vereinigungen der Gewerkschaften“ (IVG), an. Seine internationalen Verbindungen nutzt der FDGB zur Unterstützung der Außenpolitik. Die Kontakte zu den im Aufbau befindlichen Gewerkschaften in den Entwicklungsländern werden besonders gepflegt (1977–1981: 205 Gewerkschaftsdelegationen aus Afrika, Asien und Lateinamerika). Seit Mai 1959 werden an der Hochschule des FDGB laufend Gewerkschaftsfunktionäre aus lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Ländern in 18-Monats-Lehrgängen ausgebildet. (Insgesamt erhielten bis 1981 rd. 2.750 Gewerkschaftsfunktionäre aus 80 Ländern eine Ausbildung an der FDGB-Hochschule.) Die vom FDGB für die Unterstützung dieser Gewerkschaften aufgewendeten Mittel sind erheblich (s. o. Abschnitt FDGB, III.).

 

Besonders eng sind die Beziehungen des FDGB zu den sowjetischen Gewerkschaften, die für ihn als Vorbild gelten, aber auch zu den Gewerkschaften [S. 472]der anderen RGW-Staaten (1977–1981: über 1000 Gewerkschaftsdelegationen aus sozialistischen Ländern). Mit zahlreichen kommunistisch geführten Gewerkschaftsorganisationen nichtsozialistischer Länder bestehen regelmäßige Kontakte, die vielfach zu schriftlichen Abmachungen über gemeinsame Aktionen geführt haben. Die Spannungen im internationalen Kommunismus, besonders die Auseinandersetzungen mit den eurokommunistischen Tendenzen in einigen westlichen Industrieländern, haben jedoch in jüngerer Zeit diese Zusammenarbeit belastet (Eurokommunismus). 1982 unterhielt der FDGB offizielle Beziehungen zu mehr als 100 Gewerkschaften in mehr als 90 Ländern. — Seit 1957 veranstaltet der FDGB die Arbeiterkonferenzen der Ostseeländer (einschl. Norwegen und Island), an denen sich in den letzten Jahren auch offizielle Vertreter der schwedischen, norwegischen und isländischen Gewerkschaften beteiligt haben. Der FDGB nimmt ferner an der von 48 Gewerkschaften aus 28 Staaten Europas in unregelmäßigen Abständen veranstalteten Europäischen Arbeiterkonferenz in Genf teil. Seit dem Beitritt der DDR im Januar 1974 zur Internationalen Arbeitsorganisation (Unterorganisation der UNO; engl. Abk.: ILO) arbeitet der FDGB in dieser Einrichtung mit.

 

Hartmut Zimmermann

 

Literaturangaben

  • Arbeitsrecht. Lehrbuch. Autorenkollektiv u. Ltg. v. Frithjof Kunz u. Wera Thiel. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1983.
  • Belwe, Katharina: Mitwirkung im Industriebetrieb der DDR. Planung — Einzelleitung — Beteiligung der Werktätigen an Entscheidungsprozessen des VEB. Opladen: Westdeutscher Verl. 1979. (Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. 31.)
  • Bilanz gewerkschaftlicher Interessenvertretung. Der FDGB zwischen dem 9. und 10. Kongreß. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB. Berlin (Ost): Tribüne 1982.
  • Eckhardt, Karl-Heinz: Demokratie und Planung im Industriebetrieb der DDR. Theorie und Praxis. Opladen: Leske + Budrich 1981. (Forschungstexte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 6.)
  • Geschichte des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB. Berlin (Ost): Tribüne 1982.
  • Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Geschichte und Organisation. Hrsg.: Friedrich-Ebert- Stiftung. 3., überarb. u. erg. Aufl. Bonn: Neue Gesellschaft 1983. (Die DDR. Realitäten — Argumente.)
  • Der FDGB [Freie Deutsche Gewerkschaftsbund] von A–Z. Hrsg.: Friedrich-Ebert-Stiftung. 3., überarb. Aufl. Bonn: Neue Gesellschaft 1982. (Die DDR. Realitäten — Argumente.)
  • Die Gewerkschaftskasse. Anleitung für die finanzpolitische Arbeit in den gewerkschaftlichen Grundorganisationen. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB, Abt. Bundesfinanzen. Autorenkoll. u. Ltg. v. Harri Weber. 3., neugefaßte Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981.
  • Handbuch des Bevollmächtigten für Sozialversicherung. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB, Verwaltung der Sozialversicherung. 10. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1982.
  • Handbuch für den Arbeiterkontrolleur. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik. 2., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1979.
  • Handbuch für den Gewerkschaftsfunktionär. Dokumente, Gesetze, Verordnungen, Beschlüsse. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB. Berlin (Ost): Tribüne 1975; Materialien für den Gewerkschaftsfunktionär (3). Gesetze — Verordnungen — Beschlüsse. (Ergänzungen zum Handbuch für den Gewerkschaftsfunktionär 1975). Berlin (Ost): Tribüne 1976.
  • Handbuch für den Kulturobmann. Autorenkollektiv u. Ltg. v. Reinhard Bülte. 9., durchges. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1983.
  • [S. 473]Handbuch für den Sportorganisator. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sport. Autorenkoll. u. Ltg. v. Georg Gensel. 6., neugef. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981.
  • Handbuch für den Vertrauensmann. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB. 15., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1983.
  • Hantsche, Walter, u. Siegfried Sahr: Leitung des Betriebes und Mitwirkung der Werktätigen. Erläuterungen zum 2. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR. 3., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981. (Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR. 2.)
  • Möller, Friedemann: Die gewerkschaftliche Mitgliederversammlung. Ratschläge zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung, 4., durchges. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1982.
  • Prang, Jürgen: Betriebsfestspiele. 2., neugef. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981.
  • Protokoll des 10. FDGB-Kongresses vom 21. bis 24. April 1982 in Berlin. Hrsg.: Bundesvorstand des FDGB. Berlin (Ost): Tribüne 1982.
  • Sonntag, Erhard, Heinz Leiberg u. Anton Filler: Urlaub mit dem Feriendienst des FDGB. 3., völlig überarb. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981.

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 459–473


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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