DDR von A-Z, Band 1985

B. Berufe mit Fachschulausbildung

 

Gesundheitswesen (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979

 

I. Strukturprinzipien

 

 

A. Entwicklung seit 1945

 

 

G. gleicht in den Grundlinien seiner Struktur dem der UdSSR, aus dem wesentliche Bausteine schon in der ersten Nachkriegszeit durch Befehle der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) übertragen worden sind, so insbesondere ein zentralistisch organisiertes „Betriebsgesundheitswesen“ (Befehl Nr. 234), ein Netz kommunal orientierter Polikliniken und Ambulatorien (Befehl Nr. 272) und die „Hygiene-Inspektion“ in jedem Kreis und Bezirk und im Ministerium für Gesundheitswesen mit bezirklichen Hygiene-Instituten. In der Folgezeit wurde die Niederlassung von Ärzten und Zahnärzten in eigener Praxis unmöglich gemacht und die „Staatliche Arzt-(Zahnarzt-)praxis“ für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung außerhalb der größeren Städte eingeführt. Die nichtakademischen Berufe des G. wurden in ein schematisches System der „Mittleren medizinischen Berufe“ mit Ausbildung in Unter-, Mittel- und Oberstufe Medizinischer Schulen und der „Medizinischen Hilfsberufe“ mit Lehrausbildung gebracht und der „Arzthelfer“ nach dem Muster des sowjetrussischen Feldschers eingeführt. Die Einrichtungen wurden in den Kreisen als „Einheit Krankenhaus/Poliklinik“ organisatorisch verbunden; diese und die nachgeordneten Einrichtungen erhielten fest abgegrenzte „Versorgungsbereiche“. Ihre Arbeit wurde, sowjetrussischem Vorbild folgend, nach dem „Dispensaire-Prinzip“ in Zusammenfassung von Prävention („Prophylaxe“), Diagnostik, Therapie und Nachsorge („Metaphylaxe“) für wichtige Krankheitsgruppen aufgegliedert.

 

Fast alle diese Elemente bestehen noch jetzt. Aber von 1971 an (VIII. Parteitag der SED) ist die Bindung an das sowjetrussische Vorbild in vorsichtigen Schritten gelockert worden. Seit 1975 sind fast alle Rechtsvorschriften des G. in Gesetzen, Verordnungen, Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen ersetzt oder neu gefaßt worden. Die offizielle Begründung, man habe aus den Erfahrungen der Anfangszeit Folgerungen gezogen, deutet die Gründe nur an: Aufgabe war, ohne Preisgabe von Grundpositionen den Erwartungen der Bevölkerung sehr viel stärker zu genügen als zuvor. Das betrifft besonders die persönliche Wahl des Arztes und die personale Kontinuität der Behandlung, aber auch scheinbare Äußerlichkeiten wie den Doktortitel der Ärzte, das Abgehen von dem starren Schematismus in der Organisation und in der beruflichen Gliederung der Beschäftigten der medizinischen Versorgung, die Arzneimittelversorgung u.v.a.

 

B. Die Ordnung der Aufgaben

 

 

Hauptaufgabe des G. ist, der Stellung der Arbeit im Historischen Materialismus entsprechend (Marxismus-Leninismus), die Erhaltung und Sicherung der menschlichen Arbeitskraft und ihre Wiederherstellung bei Beeinträchtigungen. Darauf sind die Funktionen aller Einrichtungen bezogen. Aus der Erfahrung früherer Jahrzehnte, daß Risiken für die Arbeitskraft vor allem aus der industriellen Produktionsweise erwachsen, folgt, daß „Prophylaxe“, Behandlung und „Metaphylaxe“ ihren wichtigsten Ort im Produktionsbetrieb haben müssen; dabei soll der „Werktätige“ auch bei beeinträchtigter Arbeitskraft nicht länger und nicht weiter von der Arbeit ferngehalten werden, als bei Vermeidung von Nachteilen für die volle Wiederherstellung geboten ist. Erst und nur wenn diese Wiederherstellung selbst durch Rehabilitationsmaßnahmen nicht möglich ist, treten andere gesellschaftliche Einrichtungen in Funktion (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen).

 

Der Schutz der Arbeitskraft wird auch denjenigen zuteil, die an der industriellen Produktion nur mittelbar (als Familienangehörige) oder nicht beteiligt sind, also den Mitgliedern der Produktionsgenossenschaften und Rechtsanwaltskollektive (Rechtsanwaltschaft), den Gewerbetreibenden, den Selbständigen und Angehörigen Freier Berufe, diesen Gruppen allerdings in deutlich geringerem Ausmaß (Staatliche Versicherung).

 

Die gleichen Grundsätze gelten für die Entwicklung und Sicherung der künftigen Arbeitskraft in der vorgeburtlichen Lebensphase und im Kindes- und Jugendalter.

 

G. und Sozialwesen stehen in Staat, Bezirk und Kreis unter je der gleichen Leitung. Das ist ideolo[S. 558]gisch konsequent: Aufgabe ist zum einen die staatliche Sorge für diejenigen, deren Vermögen zur Erfüllung der Pflicht jedes Bürgers, nach seinen Kräften am „Aufbau des Sozialismus“ mitzuwirken, durch Krankheit gefährdet oder vorübergehend aufgehoben ist. Hier geht es um die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Arbeitsvermögens. Zum anderen aber ist Aufgabe, für diejenigen zu sorgen, die noch nicht arbeiten können und noch nicht dafür erzogen werden, für diejenigen, die dauernd nicht arbeiten können und in der Vergangenheit nicht oder nicht genügend gearbeitet haben, und für diejenigen, die nicht durch Arbeit für sich selbst sorgen können und zudem auf Pflege o. ä. angewiesen sind. Einkommensleistungen aufgrund früherer Arbeit hingegen (Krankengeld und Renten) sind Solidarleistungen der Arbeitenden über den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) (Sozialfürsorge).

 

C. Gliederung, Leitung und Kontrolle

 

 

Das G. ist staatlich organisiert. Träger seiner Einrichtungen sind, eine Anzahl „zentral geleiteter“ Einrichtungen und die Hochschulkliniken ausgenommen, die Staatsorgane auf Kreis- und Bezirksebene. Diese stellen auch das Personal.

 

Von der Spitze im Ministerium für Gesundheitswesen (MinGes) über die Bezirke bis hinab in die Land- und Stadtkreise durchgängig ist das G. gegliedert in Medizinische Betreuung der Bevölkerung, Versorgung mit Arzneimitteln und medizintechnischen Erzeugnissen und schließlich Hygiene-Aufsicht. Als verbindende Elemente zwischen diesen Säulen wirken in den Leitungsebenen der Bezirke und Kreise die Planung, das Materialwesen und das Personalwesen („Kaderwesen“) der Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen (Abt.GSw) unter der Leitung des Bezirks- bzw. Kreisarztes.

 

Die Finanzierung des G. erfolgt über den Staatshaushalt. Dabei werden materielle und finanzielle Leistungen gegenüber dem Bürger wie medizinische Betreuung, Arzneien, Heil- und Hilfsmittel, Krankengeld oder Schwangerschafts- und Wochengeld aus dem zweckgebundenen Sonderfonds „Sozialversicherung“ beglichen (Gesamtausgaben dieses Fonds einschl. Renten 1982: 30,5 Mrd. Mark). Die Betriebskosten der verschiedenen Einrichtungen des G. werden unter dem Titel „Gesundheits- und Sozialwesen“ geführt (Gesamtausgaben 1982: rd. 11 Mrd. Mark). Da die Einnahmen aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen und der Betriebe über die Sozialversicherung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) bzw. die Staatliche Versicherung der DDR nur einen Teil dieser Summen ausmachen (1982: rd. 16,2 Mrd. Mark), wird der größte Teil dieser Ausgaben durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt gedeckt (Konsumtion, Gesellschaftliche; Sozialversicherungs- und Versorgungswesen).

 

Die Medizinische Betreuung der Bevölkerung umfaßt den Sektor der ambulanten Betreuung mit den Einrichtungen des „Betriebsgesundheitsschutzes“ und der „territorialen Organisation der ambulanten Betreuung“ sowie den „Sektor der stationären Betreuung“, das Krankenhauswesen. Auf der Kreisebene, also in jedem der 189 Land- und 27 Stadtkreise wie in den 9 Stadtbezirken von Berlin (Ost) sind diese Sektoren administrativ zusammengefaßt als „Medizinische Einrichtungen des Kreises (bzw. der Stadt)“, wahlweise auch unter den älteren Bezeichnungen „Vereinigte Gesundheitseinrichtungen“ oder „Medizinisches Zentrum des Kreises“, geleitet von einem Ärztlichen Direktor.

 

Die Führung der Sektoren, die in sich hierarchisch gestuft sind, hat je eine „Leiteinrichtung“, nämlich die Arbeitshygiene-Inspektion oder „Kreisinspektion Gesundheitsschutz in den Betrieben“, die Kreispoliklinik und das Kreiskrankenhaus. Die früher als Fachaufsicht gemeinte Leitfunktion ist in allen Zweigen längst zurückgenommen auf eine meist vorsichtig gehandhabte „Anleitung“. In die therapeutischen Entscheidungen mischen die übergeordneten Organe sich allenfalls beratend ein.

 

Die Hygiene-Aufsicht ist ebenso gestaffelt. Als Folge der Konzentration des mikrobiologischen Sachverstandes bei den Bezirks-Hygieneinstituten ist die Funktion der Hygiene-Inspektion der Kreise im wesentlichen beschränkt auf die Aufsicht in der Orts-, Lebensmittel- und Ernährungshygiene, das Impfwesen und die Mitwirkung in der Gesundheitserziehung.

 

Arzneimittelwesen und Versorgung mit medizin-technischen Erzeugnissen hat im Zuge der „sozialistischen Rationalisierung“ eine sehr straffe Organisation erhalten und der Abt.GSw im Kreis mit dem „Kreisapotheker“ (oder „Direktor für Pharmazie“) nur geringe Einwirkungsmöglichkeiten belassen.

 

In den 14 Bezirken und in Berlin (Ost) ist die organisatorische Gliederung die gleiche. Die Funktionen aber sind in der Hauptsache auf „Anleitung“ zur Umsetzung von Weisungen des MinGes beschränkt. Das Ministerium führt dieser Gliederung entsprechende Hauptabteilungen.

 

Neben diesem Staatlichen G. im engeren Sinne gibt es Medizinische Dienste (MD) bei anderen Zweigen der staatlichen Organisation, nämlich je einen MD der Nationalen Volksarmee (NVA), der Deutschen Volkspolizei (DVP) und des Verkehrswesens (Ministerium für Verkehrswesen), und schließlich den Sportmedizinischen Dienst des Staatlichen Komitees für Körpererziehung und Sport beim Ministerrat. Mit dem Staatlichen G. sind diese MD nur lose koordiniert. Sie haben jedoch im wesentlichen gleiche Einrichtungen und die gleiche Arbeitsweise. Eine Sonderstellung hat der Industriezweig Wismut (Uranbergbau) mit einem eigenen „G. Wismut“.

 

[S. 559]Die gesundheitspolitische Willensbildung und Steuerung liegt beim Politbüro des ZK der SED und bei der Abteilung Gesundheitspolitik des Sekretariats des Zentralkomitees (ZK) der SED unter der Leitung des Mediziners Prof. Dr. Karl Seidel. Im Politbüro ist Prof. Kurt Hager zuständig. Der Minister für G., Prof. Ludwig Mecklinger, ist Kandidat des ZK.

 

Kontrollorgan für das gesamte G. ist die „Inspektion Gesundheits- und Sozialwesen beim Komitee der Arbeiter- und Bauerninspektion (ABI)“. Das Netz ihrer Überwachung im Auftrag sowohl des ZK der SED wie des Ministerrates erstreckt sich in alle Einrichtungen des G.

 

II. Die Einrichtungen der Medizinischen Versorgung

 

 

A. Das Betriebsgesundheitswesen

 

 

Die Aufgaben des „Betriebsgesundheitsschutzes“ gehen über die der Betriebsärzte nach dem Betriebsärzte-Gesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1973 weit hinaus. Die Rechtsvorschriften sind 1978 neu gefaßt worden (VO über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. 1. 1978 — GBl. I, S. 61 — mit mehreren DB). Danach obliegen dem Betriebsgesundheitswesen (B.) neben medizinischer Betreuung der Beschäftigten die arbeitsmedizinische Betreuung und die arbeitshygienische Beratung sowie die Mitwirkung bei der Hygiene der Betriebe und bei der Gesundheitserziehung (Nationales Komitee für Gesundheitserziehung).

 

Die medizinische Betreuung geht über die im territorialen System nicht hinaus. Als besonders wichtig angesehen wird von den staatlichen Organen die Mitwirkung der Ärzte in den Ärzteberatungskommissionen (Arbeitsbefreiung), wo ihre Kenntnis der Arbeitsplätze für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit naturgemäß besonders hilfreich ist.

 

Zur arbeitsmedizinischen Betreuung gehören neben den allgemeinen Vorsorge- und Überwachungsuntersuchungen einschl. Berufsberatung und Überwachung der Jugendlichen (Arbeitshygiene) die Dispensairebetreuung in den letzten 5 Jahren vor dem Rentenalter, bei besonderen Arbeitsbeanspruchungen und bei beeinträchtigtem Gesundheitszustand, die Einflußnahme auf einen gesundheits- und leistungsgerechten Einsatz der Werktätigen, zumal der Schwangeren und der stillenden Mütter, die Mitwirkung bei der Rehabilitation, bei der Einrichtung geschützter Arbeitsplätze und bei der Vergabe von Kuren.

 

Die arbeitshygienische Beratung gilt den Betriebsleitern in bezug auf die Arbeitsbedingungen, den Arbeitsschutz und die Gestaltung der Arbeitsmittel und -verfahren.

 

Welche Einrichtungen vorzuhalten sind, bestimmt sich nach der Zahl der Beschäftigten jedes Betriebes. Dabei werden 2 „Kategorien“ unterschieden: Kategorie I umfaßt Betriebe der Industrie, des Bau- und Verkehrswesens sowie der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft mit industriemäßiger Produktionsform, Kategorie II alle anderen Betriebe sowie die Hoch- und Fachschulen mitsamt den Studierenden. Richtwerte sind (Kategorie II in Klammern) für Poliklinik: mehr als 4.000 (10.000) Beschäftigte, Betriebsambulatorium: über 2.000 bis zu 4.000 (3.000 bis 10.000), Arzt-Sanitätsstelle: 500 bis 2.000 (1000 bis 3.000), Schwestern-Sanitätsstelle: 200 bis 500 (500 bis 1000) Beschäftigte. Betriebe unterhalb der letztgenannten Mindestzahlen haben Sanitätsstuben für die Erste Hilfe zu unterhalten.

 

Betriebspolikliniken sollen Arbeitsbereiche führen für 1. Allgemeinmedizin und Innere Medizin; 2. Arbeitsmedizinische Leistungs- und Funktionsdiagnostik; 3. Arbeitshygiene, -physiologie und -psychologie; 4. Unfallchirurgie; 5. Labor- und Röntgendiagnostik; 6. Physio- und Arbeitstherapie sowie 7. Allgemeine Stomatologie (Zahnmedizin); weitere Fachbereiche sind nach den betriebsspezifischen und territorialen Erfordernissen einzurichten. Die Leitung hat ein Ärztl. Direktor, der als Facharzt für Arbeitshygiene qualifiziert sein oder die Staatl. Anerkennung als Betriebsarzt besitzen soll.

 

Betriebsambulatorien umfassen die gleichen Arbeitsbereiche ohne 2. und 4. und ohne Röntgendiagnostik bei gleichen Anforderungen an die Qualifikation des Leiters.

 

Arzt-Sanitätsstellen haben ein oder zwei „ärztliche Arbeitsplätze“, die gewöhnlich in Teilzeit-Tätigkeit besetzt sind.

 

Für die arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Betreuung sind „Betriebsbereichsärzte“ (für je 2.000/2.500 Beschäftigte), Fachärzte für Arbeitshygiene (für je 8.000 bis 12.000) und Arbeitshygiene-Ingenieure oder -Inspektoren (für je 5.000 bis 10.000 Beschäftigte) vorgeschrieben.

 

Eine Einrichtung kann die Aufgaben des B. für mehrere Betriebe wahrnehmen. Damit soll bewirkt werden, daß die arbeitsmedizinische Betreuung auch kleinere Betriebe erreicht. Sie ist so über die „Stammbetriebe“ der Einrichtungen mit 38,1 v.H. aller Beschäftigten (ohne Verkehrswesen) hinaus auf 21,1 v.H. in Klein- und Mittelbetrieben erstreckt worden. 8,5 v.H. aller Werktätigen (einschl. Mitgliedern von Produktionsgenossenschaften) werden von ambulanten Einrichtungen außerhalb des B. betreut, so daß insgesamt 70,4 v.H. aller Werktätigen als arbeitsmedizinisch betreut gelten. Jedoch ist die Versorgung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (Landwirtschaftliche Betriebsformen) weit zurückgeblieben, obgleich die Arbeitsbedingungen sie dringend geboten erscheinen lassen. Sie wird, soweit überhaupt, von Ärzten der Staatlichen Arztpraxen, meist ohne zulängliche Qualifikation, in Nebentätigkeit besorgt.

 

[S. 560]Bestand (1982 — ohne Einrichtungen der besonderen Medizinischen Dienste): 130 Betriebspolikliniken (BPKl.), 319 Betriebsambulatorien (BAmb), 2.011 Arzt-Sanitätsstellen (ASSt.) und 1371 Schwestern-Sanitätsstellen (SchwSSt.) mit insgesamt 20.700 Mitarbeitern, darunter 2.760 vollbeschäftigten Ärzten und 860 Zahnärzten.

 

Die Inanspruchnahme der Einrichtungen zur ambulanten medizinischen Versorgung ist vergleichsweise gering. Sie betrug 1979 13,4 v.H. aller Arztkontakte in staatlichen Einrichtungen und ist am höchsten je Arzt in den ASSt.; in diesen ist eine individuelle Beziehung am leichtesten zu erreichen. „Anleitung und Kontrolle“ der Einrichtungen wird durchgängig vom MinGes bis zu den Kreisen für die medizinische Versorgung einerseits, die arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Betreuung andererseits getrennt wahrgenommen. Nicht jeder Kreis hat eine Arbeitshygiene-Inspektion; ihre Aufgabe kann der eines benachbarten Kreises übertragen werden. Der Leiter einer BPKl. ist dem Kreisarzt direkt oder dem Leiter der größten BPKl. im Kreis unterstellt, die Leiter der übrigen Einrichtungen des B. jedenfalls dem der größten BPKl. Im Betrieb sind die Betriebsärzte bzw. die Leiter der Einrichtungen dem Betriebsleiter unmittelbar zugeordnet, also von der Kaderleitung formal unabhängig.

 

Einrichtung und Verbrauchsmaterial hat der Betrieb zu stellen. Das Personal stellt und bezahlt die Abt. GSw des Kreises.

 

Auf einheitliche Lenkung des B. kann in einem durchgängig zentral gesteuerten G. nicht verzichtet werden. Sie bereitet jedoch Schwierigkeiten: Die Aufgaben des B. in der medizinischen Betreuung verlangen nach Koordination mit dem territorialen System; die arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Aufgaben dagegen sind weitgehend spezifisch für die verschiedenen Wirtschafts- bzw. Industriebereiche (Branchen). Sie verlangen nach zentraler Steuerung in jedem von diesen. Der Versuch des MinGes, branchenspezifische „Leiteinrichtungen“ zu schaffen, ist unter dem Widerstand der Fachminister und der Kombinate reduziert worden auf Arbeitshygienische Zentren und Beratungsstellen, die — nach Vereinbarungen des MinGes mit den anderen zentralen staatlichen Organen — bei ausgewählten BPKl. arbeitsmedizinisch wichtiger Branchen eingerichtet worden sind. 1983 bestanden 8 Arbeitshygienische Zentren (für Bauwesen, Chemische Industrie, Energiewirtschaft, Erzbergbau, G., Landwirtschaft, Polygraphie und Verlagswesen sowie einige Dienstleistungsbereiche). Fachlich leitendes Institut ist das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin (ZAM) in Berlin-Lichtenberg.

 

B. Das territoriale System der ambulanten Betreuung („Versorgung im Wohnbereich“)

 

 

Die ambulante fachärztliche Versorgung ist frühzeitig in Polikliniken und Ambulatorien zentralisiert worden und ist das geblieben. Demgemäß ist deren Zahl im wesentlichen abhängig vom Bedarf an Fachärzten in geeigneter Verteilung. In Polikliniken (PKl.) sind die Fachärzte mindestens der Grunddisziplinen tätig (Innere Medizin, Chirurgie, Frauenheilkunde und Kinderheilkunde), dazu Zahnärzte und meist auch die Fachärzte der übrigen wichtigen Fachgebiete (Augen- und HNO-Heilkunde, Orthopädie, Psychiatrie, Urologie), wenn auch oft nur in Teilzeit neben stationärer Arbeit im Krankenhaus. Seit 1971 sind überall „Fachärzte für Allgemeinmedizin“ hinzugetreten. In Ambulatorien (Amb.) sind oft nur die Grunddisziplinen und die Zahnheilkunde vertreten; viele der Fachärzte kommen stundenweise aus einer PKl. Allgemeinärzte (Fachärzte für Allgemeinmedizin) waren in den Amb. stets tätig. — PKl. haben ihren Standort regelmäßig in der Kreisstadt als „Kreispoliklinik“, daneben auch in Stadtteilen der Großstädte und in den größeren Städten der Landkreise, Amb. in den übrigen Grundzentren. Viele PKl. und Amb. sind organisatorisch mit einem Krankenhaus verbunden, zumal mit dem Kreiskrankenhaus („Einheit PKl./Krankenhaus“). In den dünner besiedelten Gebieten liegt die allgemeinärztliche Versorgung bei Staatlichen Arztpraxen (StAPr.), die zahnärztliche bei Staatlichen Zahnarztpraxen (StZAPr.). Das waren anfangs verwaiste Praxen von Landärzten. Im Zuge starker Vermehrung seit 1970 und der Besetzung vieler StAPr. und StZAPr. mit mehreren Ärzten bzw. Zahnärzten sind die früheren Arzthäuser dafür voll in Anspruch genommen, einzelne auch neu gebaut worden. Oft haben StAPr. und StZAPr. ihren Sitz im gleichen Hause, zudem (oder nahe daran) auch Gemeindeschwester und Hebamme. So sind kleine „Gesundheitszentren“ entstanden.

 

Die Realisierung des Beschlusses des VIII. Parteitages der SED (1971) über die Einführung der Freien Arztwahl für alle Bürger unter Auflösung der Arztbereiche hat zu tiefgreifenden strukturellen Änderungen in den PKl. und Amb. geführt. Zwar gilt die Freie Arztwahl im allgemeinen nur für die allgemeinärztliche und die zahnärztliche Versorgung (für die fachärztliche nur, wenn an einer Einrichtung das gleiche Fachgebiet mehrfach vertreten ist). Aber die Fachärzte für Allgemeinmedizin sind gehalten, Hausbesuche bei ihren Patienten selbst zu leisten und die etwa erforderliche fachärztliche Diagnostik und Behandlung zu koordinieren. So ist der Bedarf an Allgemeinärzten stark gestiegen. Die Weiterbildung der Ärzte wird entsprechend gesteuert.

 

Zudem gebietet das Streben nach erhöhter Effizienz in der Industrie, daß die Beschäftigten möglichst wenig Arbeitszeit durch Arztbesuche und medizinische Behandlung verlieren. Mehr und mehr werden deshalb ambulante Einrichtungen veranlaßt, ihre Öffnungszeiten weit über die gewöhnliche Tagesar[S. 561]beitszeit hinaus auf etwa 12 Stunden täglich und auch auf den Samstag zu erstrecken. Der demzufolge wechselnde Dienstplan der Ärzte macht freilich die Freie Arztwahl für Werktätige weitgehend illusorisch.

 

Bestand (1982): 336 PKl., davon 129 in organisatorischer Verbindung mit einem Krankenhaus, und daneben 111 PKl. der Hochschulen, 652 Amb., davon 24 bei Krankenhäusern, 1631 StAPr. und 932 StZAPr. Außerdem gibt es 5.348 Gemeindeschwesternstationen und noch 114 kirchliche Gemeindepflegestationen (Kirchen).

 

Tätig sind in den ambulanten Einrichtungen (1982): 14.711 Ärzte in Voll- und 2.617 in Zusatz- oder Teilzeitbeschäftigung, gezählt in „Vollbeschäftigungseinheiten“ = VbE), d.i. 1 Arzt (VbE) auf 930 Einwohner (Bundesrepublik: 1 Kassenarzt auf 963 Einw.). Behandelt wurden (einschl. Betriebseinrichtungen) 66.458.300 Neuzugänge (4 Fälle pro Einw. und Jahr — Bundesrepublik 3,7 pro Versicherten) mit 15.154.0.600 „Konsultationen“ (Arztkontakten), d. s. 2,3 Kontakte je Fall (Bundesrepublik: rd. 2,5). Von den Arztkontakten lagen 49,2 v.H. in PKl., 19,2 v.H. in Amb. und 14,5 v.H. in StAPr. 46,7 v.H. aller Neuzugänge wurden von Fachärzten für Allgemeinmedizin versorgt.

 

C. Das Dispensaire-Prinzip

 

 

Alle Ärzte im territorialen wie im betrieblichen Zweig der ambulanten Versorgung sollen nach dem Dispensaire-Prinzip arbeiten. Dispensaires waren ursprünglich fachspezifische Untersuchungs- und Beratungsstellen mit gesundheitsfürsorgerischer Aufgabe. Semaško hatte sie 1918 bei seiner Rückkehr aus der französischen Emigration nach Moskau gebracht, die Sowjet. Militäradministration hat sie nach dem II. Weltkrieg als Untersuchungs-, Behandlungs- und Beratungsstellen in die damalige SBZ eingeführt. Das Prinzip planmäßiger Zusammenfassung von Prävention und Früherkennungsuntersuchungen mit Diagnostik, Behandlung und Nachsorge ist später auf viele chronische Krankheiten erstreckt worden (Krebs, Diabetes, Rheuma, Kreislauf, Niere u.a.). Heute besagt das Wort Dispensaire-Prinzip nicht mehr, als daß die Ärzte (in jüngerer Zeit auch Allgemeinärzte) für bestimmte Krankheiten eine Kartei der entsprechenden Kranken führen, in die auch die bekannt werdenden Risikoträger und die durch Früherkennung erfaßten Kranken eingefügt werden. Aufgabe ist die regelmäßige Untersuchung und Beratung nach Termin (zu dem säumige Kranke aufgefordert werden) zwecks kontinuierlicher Behandlung und Nachsorge. Ziel ist, die Kranken soweit wie möglich im Arbeitsprozeß zu halten bzw. dorthin (so früh wie möglich) zurückzuführen. Wenn auch die meisten dieser Kranken ohnehin auf Medikamentenverordnung angewiesen sind und dadurch zu regelmäßigem Arztbesuch veranlaßt werden, so läßt die systematische Arbeitsweise doch eine lückenlose Überwachung und Behandlung — auch in beschwerdefreien Zeiten — erreichen.

 

D. Freiberuflich tätige Ärzte

 

 

Mit der entschieden vorangetriebenen Errichtung und Förderung von staatlichen Behandlungseinrichtungen und mit der vollständigen Niederlassungssperre schien es um jedwede freiberufliche ärztliche und zahnärztliche Tätigkeit in der DDR geschehen. Die extrem hohe Zahl von Ärzten, die gegen 1961 hin Zuflucht in der Bundesrepublik suchten, zwang SED und MinGes zur Zurückhaltung, um Zeit für die vermehrte Ausbildung von Ärzten zu gewinnen. Nicht wenigen Ärzten wurde die freiberufliche Niederlassung bei Weiterführung der Tätigkeit in einer staatlichen Einrichtung gestattet, manchen sogar die „Hauptberufliche Tätigkeit in eigener Praxis“. Mit jährlich zwischen 1300 und 1800 Absolventen des Medizinstudiums war um 1970 das Planziel von 1 Arzt auf 1000 Einwohner erreicht. Schon von 1965 an waren Zahl und Besetzung der Polikliniken und Ambulatorien, mehr noch die Zahl der Staatlichen Arztpraxen stark gesteigert worden.

 

Die Zahl der in eigener Praxis tätigen Ärzte war nach der Abriegelung gegen Westen Jahr für Jahr um etwa 5 v.H. und allmählich zunehmend zurückgegangen, teils durch vollen Übergang in staatliche Einrichtungen und durch Abwanderung, überwiegend aber durch Tod oder Übergang in den Ruhestand. Zwar wurden von der Statistik der DDR 1975 noch 1308 Ärzte und 1617 Zahnärzte „in eigener Niederlassung“ gezählt. Aber darin waren auch die enthalten, die überwiegend in einer staatlichen Einrichtung tätig waren. Nach Bereinigung sind (1982) noch 635 Ärzte und 854 Zahnärzte überwiegend freiberuflich tätig, d.i. je rund ein Fünftel der Zahl von 1960. Zwei Drittel der Ärzte sind als Allgemeinärzte tätig, knapp 10 v.H. als Augenärzte.

 

Über die Einkommensverhältnisse dieser Ärzte und Zahnärzte ist Allgemeingültiges nicht bekannt. Sie leben im wesentlichen von den Pauschalsätzen pro Behandlungsfall, die die beiden Sozialversicherungen über gesonderte Abrechnungsstellen zahlen; von vielen wird eine Nebentätigkeit in einer staatlichen Einrichtung ausgeübt, zumeist als Betriebsarzt in einem Mittelbetrieb (ASSt). Doch mag, zumal bei Zahnärzten, die Eigentümlichkeit der Schattenwirtschaft im entwickelten Sozialismus auch manche Nebeneinnahme ermöglichen.

 

E. Die stationäre Versorgung

 

 

Krankenhäuser haben in der DDR (wie in allen hochindustrialisierten sozialistischen Ländern) eine breitere Funktion als in vielen westlichen Industrieländern — Folge der weitgehenden Einbeziehung der Frauen in die Erwerbstätigkeit, die häusliche Versorgung bettlägerig Kranker praktisch aus[S. 562]schließt. Eine „soziale Indikation“ zur stationären Behandlung ist ausdrücklich anerkannt, wenn auch an strenge Kriterien gebunden. Das führt zu erhöhtem Bedarf an Kapazitäten und zu längerer stationärer Behandlungsdauer.

 

Im Sinne einer Funktionsdifferenzierung der Krankenhäuser wird unterschieden zwischen einer allgemeinen Versorgung in kleinen Krankenhäusern, die nur die Grunddisziplinen führen, einer spezialisierten Versorgung zumeist in Kreiskrankenhäusern, die höheren fachlichen Anforderungen in den Hauptfächern genügt und auch Nebenfächer umfassen kann, und einer hochspezialisierten Versorgung im Sinne der Hochleistungsmedizin aller Fachgebiete und Subspezialitäten, die einigen Bezirkskrankenhäusern und den Hochschulkliniken vorbehalten ist.

 

Innere Organisation, Aufgabenverteilung der Berufsgruppen und Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der medizinischen Versorgung sind in der Rahmen-Krankenhausordnung (Neufassung vom 14. 11. 1979 — GBl. I 1980, S. 29 ff.) allgemeinverbindlich und sehr detailliert festgelegt, und zwar auch für die ambulanten Einrichtungen, gleichviel ob sie mit einem Krankenhaus organisatorisch verbunden sind oder nicht: Ihre Abschnitte A bis C enthalten die Grundregeln der ambulanten und stationären Versorgung als Funktionseinheit. Tatsächlich werden Kooperation der Ärzte verschiedener Einrichtungen und Kontinuität der Behandlung dadurch erreicht, daß bei Einweisung in stationäre Behandlung die ambulante Einrichtung ihre bisherigen Behandlungsunterlagen „leihweise“ zu übergeben hat und umgekehrt das Krankenhaus bei Entlassung „ein Exemplar der Epikrise (zusammenfassende Abschlußbeurteilung) mit Vorschlägen für die erforderliche Nach- oder Weiterbehandlung dem weiterbehandelnden Arzt mit den ausgeliehenen Unterlagen zu übergeben“ hat.

 

Der Abschnitt D der Rahmen-Krankenhausordnung regelt in 12 Unterabschnitten Verantwortungsbereich, Aufgaben und Zusammenarbeit der Leitenden Kräfte im Krankenhaus selbst und ggf. in seiner Poliklinik (Ärztl. Direktor / Ökonomischer Direktor/ Abteilungsleiter / Stationsärzte / Ltd. Schwester / Stationsschwestern / Ltd. Medizintechn. Assistenten / Leiter der Hauswirtschaft/Leiter einer Abteilung im Bereich Ökonomie).

 

Bestand (1982): 545 Krankenhäuser mit 171.280 Betten (102,6 Betten auf 10.000 Einw.), darunter für Akutkranke 123.252, d. s. 73,8 auf 10.000 Einw. (Bundesrepublik: 75,2), für Psychischkranke 33.000, für Orthopädie 5.683 und für Chronischkranke 4.005 Betten. 78 Krankenhäuser mit 11615 Betten werden von kirchlichen Trägern geführt (1951 waren es 99 Häuser mit 13.680 Betten), vorwiegend Anstalten für Psychischkranke und Behinderte sowie für Chronischkranke, für die Pflegekräfte außerhalb des kirchlichen Engagements vieler junger Menschen kaum zu finden sind.

 

Behandelt wurden 1982 2.333.487 Akutkranke, d. s. 139,7 Zugänge je 1000 Einw. (Bundesrepublik: 157,8), mit 15,0 Tagen durchschnittlicher Behandlungsdauer (Bundesrepublik: 14,7). Die Bettenauslastung ist mit 72,3 v.H. niedrig (Bundesrepublik: 84,2 v.H.).

 

In den Krankenhäusern für Akutkranke sind 10.886 Ärzte tätig, d. s. 214,4 Zugänge pro Arzt und Jahr (Bundesrepublik: 147,0).

 

III. Erhaltung der Gesundheit und Nutzung beeinträchtigter Arbeitskraft

 

 

A. Gesundheitserziehung und Krankheitsabwehr

 

 

Die Bevölkerung zur Pflege der individuellen Gesundheit zu aktivieren, hat es im Lauf der Zeit vielerlei Ansätze gegeben. Sie haben wenig erbracht. Für eine gesundheitsförderliche Ernährung läßt die Versorgungslage keinen Raum. Für sportliche Aktivitäten (Sport) sind Bürger, die einen großen Teil der von Erwerbsarbeit freien Zeit den „gesellschaftlichen Organisationen“, kollektiven „Sonderschichten“ (Gesellschaftliche Tätigkeit) u.ä. unter strenger sozialer Kontrolle opfern müssen, kaum zu gewinnen, und Genußmittel — Tabakwaren und Alkoholika (Alkoholmißbrauch) — empfinden sie als Kompensation der Beanspruchungen, von der keine „Gesundheitserziehung“ sie abhalten kann. Jedenfalls aber zählt, wo Partei und Staat nahezu alles vorschreiben wollen, die individuelle Lebensweise zu dem Raum des Privaten, der von Fremdeinwirkungen freigehalten wird. Staatliche Stellen und gesellschaftliche Organisationen (Massenorganisationen) sind in den 70er Jahren mit Versuchen zur Einflußnahme recht zurückhaltend geworden. Die verbliebenen Aktivitäten, die sich vorwiegend Kindern und Jugendlichen zuwenden, sind zusammengefaßt im Nationalen Komitee für Gesundheitserziehung. Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden liefert das belehrende Material und schult die Lehrkräfte.

 

B. Schutz gegen Gesundheitsgefahren

 

 

Weit stärker sind die Aktivitäten, die sich gegen bestimmte Gefahren für die Gesundheit und auf die Früherkennung von Krankheiten richten. Nach der Bedeutung des Arbeitsvermögens im marxistisch-leninistischen Verständnis sind hier an erster Stelle die Kuren der Sozialversicherung zu nennen, die der Erhaltung der Arbeitskraft dienen sollen. Sie sind indessen, da sie von den Kurkommissionen der Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) vergeben werden, dem fachlichen Urteil der Sachkundigen zu weiten Teilen entzogen. Bemühungen um Früherkennung und Frühbehandlung bestimmter Krankheiten erhalten um so größeres Gewicht: Periodische Untersuchungen reichen vom vorge[S. 563]burtlichen Leben über die gesamte Kindheit und das Jugendalter bis ins Erwerbsleben (Mutterschutz; Fürsorge für Mutter und Kind; Arbeitshygiene). Jugendgesundheitsschutz beginnt mit der Mütterberatung, deren Tätigkeit sich auf jedes Kind bis zum Ende des 3. Lebensjahres erstrecken soll, um die körperliche und geistige Entwicklung zu überwachen, Rachitisprophylaxe zu sichern und Infektionskrankheiten durch Impfungen zu verhüten. Bestand (1982): 9.920 Beratungsstellen mit mehr als 3,4 Mill. Beratungen; erfaßt wurden 97,8 v.H. der Geborenen des laufenden Jahrgangs, öfter als achtmal vorgestellt 69,8 v.H.

 

Im Kindes- und Schulalter stützt sich der Jugendgesundheitsschutz auf die Krippen, Kindergärten und Schulen. In Krippen wurden 29,6 v.H. der Kinder nach Jahrgängen untersucht, im Vorschulalter 87,0 v.H., in den Reihenuntersuchungen der Schüler in Unter-, Mittel- und Oberstufe je rd. 98 v.H. Rd. 1,82 Mill. krankhafte Zustände wurden der Behandlung oder der Dispensaire-Überwachung zugeführt.

 

Den Kindern und Jugendlichen mit Körperbehinderung oder Beeinträchtigung des Seh- oder des Hörvermögens wird besondere Aufmerksamkeit zugewandt, damit auch sie — soweit möglich — dem Arbeitsleben zugeführt werden können. Sie werden (sofern nicht Brillenkorrektur genügt) registriert und in Dispensaire-Überwachung genommen.

 

Für geistige Störungen bei Kindern und Jugendlichen besteht Meldepflicht. Erfaßt sind (1982) 151.485 Kinder und Jugendliche (3,75 v.H. dieser Altersgruppen).

 

Mit dem Beginn der Berufsausbildung bzw. -tätigkeit geht der Jugendgesundheitsschutz auf das Betriebsgesundheitswesen über (s. Gw. II. A.; Arbeitshygiene).

 

Bei der erwachsenen Bevölkerung geht die Krankheitsabwehr aus von der Bemühung um Früherkennung ausgewählter Krankheiten. Frauen haben oberhalb des 20. Lebensjahres Anspruch auf eine alljährliche Untersuchung auf Krebs des Unterleibs und der Brustdrüse. Sie soll „in besonderer Organisation“ durchgeführt werden, also nicht beiläufig. Durchführung und Beteiligung sind sehr unterschiedlich. Früherkennung des Darmkrebses wird in einigen Bezirken versucht.

 

Krebs ist meldepflichtig. Bei der Onkologischen Klinik der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) in Berlin-Buch wird ein „Nationales Krebsregister“ geführt. In jedem Land- und Stadtkreis besteht eine „Betreuungsstelle für Geschwulstkranke“, die die Behandlungsabfolge und die Nachsorgeuntersuchungen überwacht, aber nicht selbst behandelt.

 

Zur Früherkennung des Diabetes sind zahlreiche Aktionen unternommen worden. Auch er ist meldepflichtig, desgleichen Krankheiten des Rheumatischen Formenkreises. Für beides wird die Behandlung nach dem Dispensaire-Prinzip geführt.

 

Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt sind Gegenstand der Sekundär- und Tertiärprävention und der Nachsorge, gleichfalls nach dem Dispensaire-Prinzip, jedoch ohne Meldepflicht. Aufgebaut wird ein „Nationalprogramm gegen Herz- und Kreislaufkrankheiten“ mit Schwerpunkt in der Früherkennung und Frühbehandlung des Bluthochdrucks.

 

C. Rehabilitation

 

 

Rehabilitation dient im Sozialismus der Wiedereingliederung derjenigen Kranken, deren Leistungsvermögen dauernd beeinträchtigt ist, in das Leben der Gesellschaft mit dem Ziel, die verbliebene Arbeitskraft für die sozialistische Gesellschaft einzusetzen. Die Zahl der Geschützten Werkstätten, Abteilungen und Einzelarbeitsplätze (1982: rd. 37.000) ist demgemäß recht hoch, desgleichen die Zahl der den Geschädigten vorbehaltenen Kuren. Tatsächlich allerdings kommen die Einrichtungen der R. auch denjenigen Schwerstgeschädigten zugute, die selbst in Geschützten Werkstätten keine Arbeit leisten können (Rehabilitation).

 

IV. Forschung und Forschungsorganisation

 

 

Medizinische Grundlagenforschung hat ihre wichtigsten Stätten im Forschungszentrum für Molekularbiologie und Medizin der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) : Institute für Krebsforschung, Herz- und Kreislaufregulation, Molekularbiologie, Mikrobiologie und Experimentelle Therapie, Ernährung u.a. Anwendungsorientierte Forschung liegt vorwiegend bei den Hochschulinstituten und -kliniken. Die 19 Wissenschaftlichen Einrichtungen des MinGes haben vorwiegend Aufgaben der Zweckforschung. Koordiniert und gelenkt wird medizinische Forschung von der Klasse Medizin der AdW. Beim MinGes ist die Koordination der Forschungsarbeit dem Rat für medizin. Wissenschaft (Präsident: Prof. Horst Klinkmann, Rostock) aufgetragen, desgleichen die Abstimmung mit der AdW, dem Forschungsrat beim Ministerium für Wissenschaft und Technik und dem Wissenschaftlichen Beirat Medizin beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen.

 

Die Medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften sollen den wissenschaftlichen Fortschritt in der Angewandten Medizin fördern und sichern, vor allem durch medizinisch-wissenschaftliche Veranstaltungen, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses („Theoretisches Jahr“ in der Facharzt-Weiterbildung, „Promotion B“) und Profilierung der Fachzeitschriften.

 

V. Berufe im Gesundheitswesen

 

 

Seit 1975 sind für nahezu alle Berufe im G. die Rechtsvorschriften für Ausbildung und Ausübung [S. 564]neu gefaßt, z. T. tiefgreifend geändert worden. Viele starre Regelungen der ersten 3 Jahrzehnte sind wieder verschwunden. Einige neue Berufe haben dabei erstmals ihre allgemeingültige Ordnung erlangt. Bemerkenswert sind Art, Dauer und Breite, in der die fachliche Öffentlichkeit auf die geplanten Änderungen vorbereitet und über deren Gründe unterrichtet worden ist.

 

A. Berufe mit Hochschulausbildung

 

 

Die Zulassung zum Beruf des Arztes, des Zahnarztes und des Apothekers — die Approbation — ist 1977 neu geregelt und damit die Approbationsordnung von 1949 mitsamt ihren DB abgelöst worden (AO über die Approbation als Arzt — Approbationsordnung — vom 13. 1. 1977, GBl. I, S. 30; entsprechend für Zahnärzte und Apotheker unter dem gleichen Datum). Voraussetzungen der Berufszulassung als Arzt sind ein Hochschulstudium von 5 Studienjahren mit mündlicher Abschlußprüfung, ein 6. Studienjahr in der Stellung des Pflichtassistenten und der Erwerb des akademischen Grades des „Diplom-Mediziners“. Für das Studium, das streng schulmäßig angelegt ist, gilt der Studienplan von 1975 unverändert. Zulassungsvoraussetzung ist ein einjähriges Krankenpflege-Praktikum. In den „vorlesungsfreien Zeiten“ sind Praktika abzuleisten. Der Pflichtassistent übt „die ihm übertragene ärztliche Tätigkeit unter fachärztlicher Anleitung, Aufsicht und Kontrolle“ aus, „in der Regel an der Einrichtung, in der der Student anschließend sich zum Facharzt weiterbilden wird“. Für den Erwerb des Grades Diplom-Mediziner gilt die Diplom-Ordnung (AO über das Diplomverfahren — Diplom-Ordnung — vom 26. 1. 1976. GBl. I, S. 135). Der Kandidat muß „mit einer Diplomarbeit nachweisen, daß er eine bestimmte Aufgabe unter Anleitung selbständig und erfolgreich bearbeiten und wissenschaftlich begründet zur Lösung eines theoretischen und praktischen Problems beitragen kann“. Sie darf „Kollektivarbeit“ sein. Die Thesen der Diplomarbeit müssen mündlich im Kolloquium verteidigt werden.

 

Neben die übliche Approbation als Arzt ist eine solche für „ärztliche Tätigkeit in einem medizinisch-theoretischen Fachgebiet“ getreten, die — bei entsprechendem „medizinisch-biologischem Ausbildungsprofil“ — ohne Ableistung des Klinischen Praktikums erteilt wird.

 

Alle Ärzte (Ä.) und Zahnärzte (ZÄ.) unterliegen nach Erteilung der Approbation der Pflicht zur Weiterbildung zum Facharzt/Fachzahnarzt (FA./FZA.) § 1 der AO über die Weiterbildung der Ä. und ZÄ. — FA.-/FZA.-Ordnung — vom 11. 8. 1978, GBl. I, S. 285; sie hat die erst 1974 erlassene FA.-/FZA.-Ordnung abgelöst. Die Liste der Fachrichtungen umfaßt 32 Positionen für Ä. und 4 für ZÄ. (Bundesrepublik: 27 bzw. 2), darunter die des „FA. für Allgemeinmedizin“ und des „FZA. für Allgemeine Stomatologie“ (Allg. Mundheilkunde), des „FZA. für Kinderstomatologie“, für Psychotherapie, für Sozialhygiene, für Sportmedizin und für die Fachrichtungen der experimentell-theoretischen Fachgebiete.

 

Eine „weiterführende Spezialisierung“ ist erst nach Abschluß der Weiterbildung (Wb.) zulässig. Dafür sind bisher (1983) 11 Richtungen der Subspezialisierung anerkannt.

 

Die Wb. geschieht berufsbegleitend. Sie ist durchsetzt mit Lehrveranstaltungen der Akademie für Ärztliche Fortbildung und ihrer Bezirksakademien sowie „Hospitationen“ bei Spezialeinrichtungen. Die Wb. dauert mindestens 4, längstens 5 Jahre, abhängig vom „Stand der erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (Bundesrepublik: 4–6 Jahre je nach Fachgebiet), und wird mit einem Kolloquium abgeschlossen; daraufhin wird die „Staatliche Anerkennung als FA./FZA.“ erteilt. Ä./ZÄ., die die Wb. nicht mit Erfolg beenden, dürfen nur unter Anleitung eines FA./FZA. tätig sein.

 

Verantwortlich für die Wb. ist der Leiter einer dafür zugelassenen Einrichtung. Aber daneben steht „Eigenverantwortung“. Für die „fachliche und methodische Koordinierung“ bestehen Fachkommissionen bei der Akademie für Ärztliche Fortbildung. Während der Wb. soll der Erwerb des akademischen Grades des Dr. med. — Promotion A — angestrebt werden. Für die Fertigung der Dissertation wird eine Freistellung von der Diensttätigkeit bis zu 48 Arbeitstagen gewährt, um die sich die Zeit der Wb. verlängert. Stärker wissenschaftlich interessierten Ärzten wird die Einschaltung eines Theoretischen Jahres in die Wb.-Zeit empfohlen, in der die Tauglichkeit für den Erwerb des akademischen Grades des Dr. sc. med. (Dr. der medizin. Wissenschaft, die Promotion B, vergleichbar der Habilitation in der Bundesrepublik) erprobt werden soll.

 

Für die Apotheker sind Ausbildung, Approbation und Wb. entsprechend geregelt. Sie haben am Ende des Studiums eine „Pharmazeutische Tätigkeit unter Anleitung, Aufsicht und Kontrolle“ abzuleisten. Ihre Wb. zum „Fachapotheker“ (FAp.) hat die Fachrichtungen 1. Arzneimittelversorgung, 2. Arzneimittelkontrolle und 3. Arzneimitteltechnologie. Fortbildung der Ä., ZÄ. und Ap. (Fb.) ist Pflicht. Sie ist Aufgabe der Akademie für Ärztliche Fortbildung mit ihren Bezirksakademien. Unter ihren (1982) 197 zentralen und 1405 bezirklichen Veranstaltungen galten 685 mit 30.504 Teilnehmern der Fb. von Ä. und ZÄ., 40 mit 1889 Teilnehmern der der Ap.

 

53 medizinisch-wissenschaftliche Zeitschriften dienen — neben der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen — der Fb.

 

Bestand an Hochschulkadern (1983 — in Klammern die Zahlen der Einwohner je A., ZA. und Ap. sowie die Zahlen der Bundesrepublik): 35.377 Ä. (472; [S. 565]431), darunter rd. 29.000 FÄ. (576; 722); 10.512 ZÄ. (1588; 1837), darunter 9.900 FZÄ. (1687; 58.667); 3.564 Ap. (4.685; 2.090).

 

Für die nichtmedizinischen Hochschulkader im G. wird von der Akademie ein postgraduales Studium (Fernstudium mit Seminaren und Hospitationen) angeboten, um sie mit den Aufgabenstellungen und medizinischen Problemen besser vertraut zu machen.

 

 

 

Für die Mittleren medizinischen Berufe sind Ausbildung und Berufszulassung 1975 grundlegend neu geregelt worden (AO über die Medizin. Fachschulanerkennung für Krankenschwestern und andere mittlere medizinische Fachkräfte vom 21. 8. 1975, GBl. I, S. 642 ff.). Dabei wurde die starre Berufsgliederung und -staffelung sowjetrussischer Herkunft beseitigt. Vorhergegangen war ein langer Streit zwischen dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen und dem MinGes um die Zuständigkeit und um den Rang der Ausbildungsstätten, die für medizinische Berufe zwecks realitätsgerechter Ausbildung eng mit medizinischen Einrichtungen kooperieren müssen. Die bestehenden „Medizinischen Schulen“ (Betriebsschulen) bei Krankenhäusern, Vereinigten Gesundheitseinrichtungen u. dgl. wurden verselbständigt, in Medizinische Fachschulen umgewandelt und den entsprechenden Rechtsnormen des Schulressorts unterstellt, blieben aber im Zuständigkeitsbereich des MinGes. Die bereits berufstätigen Mittl. med. Fachkräfte erhielten ungeachtet der Art ihrer Ausbildung nachträglich die Fachschulanerkennung. Für neue Absolventen wird sie von der jeweiligen Fachschule ausgesprochen.

 

Die Ausbildung setzt den Abschluß der 10jährigen Polytechnischen Oberschule (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem) voraus. Sie dauert 3 Jahre und kann im Fernstudium mit eingeschobenen Lehrgängen und Hospitationen durchlaufen werden, sofern der Schüler von der Beschäftigungsstätte dafür freigestellt wird. Schüler im „Direktstudium“ erhalten ein Stipendium von 200 bis 300 Mark (VO über die Gewährung von Stipendien … — Stipendienverordnung — vom 11. 6. 1981, GBl. I, S. 219 ff.). Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab. Aufgrund der Fachschulanerkennung erhält der Absolvent die Berufserlaubnis (anstelle der früheren Staatlichen Anerkennung) vom zuständigen Kreisarzt (AO über die staatliche Erlaubnis zur Ausübung der medizinischen, pharmazeutischen und sozialen Fachschul- und Facharbeiterberufe vom 7. 8. 1980, GBl. I, S. 254 ff.). Die Bezeichnung „Mittlerer medizin. Beruf“ tritt in der AO nicht auf und wird seitdem amtlich nicht mehr verwendet.

 

Die Liste der medizinischen Fachschulberufe umfaßt 23 medizinische und 3 soziale Berufe: Krankenschwester (-pfleger) / Kinderkrankenschwester / Arbeitshygieneingenieur / Arbeitshygieneinspektor / Arbeitstherapeut / Audiologie-Phoniatrie-Assistent / Diätassistent / Hebamme / Hygieneingenieur / Hygieneinspektor/Ingenieur für biomedizinische Technik/Ing. f. medizin. Präparationstechnik/Medizinischer Assistent/Medizin.-techn. Assistent für Funktionsdiagnostik/Med.-t. Laborassist./Med.-t. Radiologieassist./Orthoptist/Pharmazieingenieur/Physiotherapeut / Sprechstundenschwester / Stomatolog. Schwester/Zahntechniker sowie Gesundheitsfürsorger/Krippenerzieherin/Sozialfürsorger. Nachgetragen worden sind Apothekenassistent und Ökonom im G. Der Medizin. Assistent (früher „Arzthelfer“) wird nicht mehr ausgebildet.

 

Die Weiterbildung in den medizin. Fachschulberufen ist 1981 umfassend neu geregelt worden (AO über die Weiterbildung der medizin. Fachschulkader vom 8. 2. 1981, GBl. I, S. 92 ff.). Unterschieden wird die funktionsbezogene Wb. für Leitungsfunktionen von der fachspezifischen Wb. zur fachlichen Qualifizierung (s. untenstehende Beispiele).

 

 

Voraussetzung der Zulassung zur Wb. ist zweijährige berufliche Tätigkeit und „Delegierung“ durch die Einrichtung, „mit der der Arbeitsvertrag besteht“, sie muß dessen „betrieblichen Kaderprogramm und Entwicklungsplan“ entsprechen (Steuerung der Zahl der Wb.!). Mit der Wb. beauftragt ist das Institut für die Weiterbildung der mittleren [S. 566]medizinischen Fachkräfte in Potsdam: Ihm obliegt die fachliche Anleitung, Koordinierung und Kontrolle, die Ausarbeitung der Studienpläne und Lehrprogramme und deren Veröffentlichung im Auftrag des MinGes. Die Durchführung liegt bei den Bezirksakademien und Betriebsakademien des GSw. Die Wb. verläuft in der Regel im Fernstudium mit Lehrgängen und Hospitationen, also berufsbegleitend; der praktische Teil wird „grundsätzlich in der Einrichtung absolviert, mit der der Arbeitsvertrag besteht“. Die Wb. der Ökonomen im G. ist, wie deren Ausbildung, Aufgabe der Fachschule des GSw. „Karl Gelbke“ in Potsdam.

 

Fortbildung (Fb.) ist auch für die Medizin. Fachschulberufe Pflicht. Sie findet in Lehrgängen der Bezirksakademien statt: 1982 1.308 Veranstaltungen mit 44.282 Teilnehmern.

 

Für die Lehrkräfte in der Aus- und Wb. sind die Berufsbilder des Medizinpädagogen und des Diplom-Medizinpädagogen entwickelt worden. Ausbildung der ersten Gruppe an der Fachschule „Karl Gelbke“ (s. o.), für die zweite an der Humboldt-Universität Berlin (Ost). Sie hat 145 Studienplätze für Direkt-, Fern- und Sonderstudium. Bisher (1983) 730 Absolventen. Für die Fachschul- wie für die Diplom-Medizinpädagogen gelten die Bestimmungen der Fachschullehrer-Verordnung (VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Fachschullehrer an den Ingenieur- und Fachschulen vom 26. 10. 1976, GBl. I, S. 434). Beide können nach 5jähriger Lehrtätigkeit als „Fachschuldozent“ anerkannt werden.

 

Bestand (1982): Genaue und detaillierte Zahlen sind in der Amtlichen Statistik nicht zu finden. Fachschulkader insgesamt: 217.600, d. s. 13,0 auf 1000 Einwohner (in der Bundesrepublik in vergleichbaren Berufen: 4,9), darunter Krankenschwestern / -pfleger, Sprechstunden- und Stomatologieschwestern: 118.900, Mediz.-techn. Assistenten: 19.900, Pharmazieingenieure und Apothekenassistenten: 7.000, Zahntechniker: 7.000.

 

C. Medizinische Facharbeiter

 

 

Medizin. Facharbeiter werden im Lehrverhältnis nach dem Staatlichen Lehrplan (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem) ausgebildet, legen die Facharbeiterprüfung ab (AO über die Facharbeiterprüfung … — Facharbeiterprüfungsordnung — vom 24. 2. 1978, GBl. I, S. 117 ff.) und erhalten daraufhin die Staatliche Berufserlaubnis von der Abt. GSw des zuständigen Kreises (AO über die Staatliche Erlaubnis … vom 7. 8. 1980 — siehe oben). Die Liste der Berufe hat 12 Positionen: Facharb. für Krankenpflege / Facharb. f. Kinderkrankenpfl. (diese beiden entsprechen etwa den Krankenpflegehelfern in der Bundesrepublik) / Apothekenfacharbeiter / Bandagist / Desinfektor / Diätkoch / Kosmetikerin / Masseur / Orthopädiemechaniker / Orthopädieschuhmacher / Röntgenschirmbildfacharbeiter / Facharbeiter für Sektionstechnik. Die Facharbeiter des Orthopädiebereiches können die Meisterprüfung ablegen, die übrigen sich im Fernstudium zu Fachschulkräften qualifizieren. Bestand (1982): 47.000 ohne Aufgliederung in der Amtlichen Statistik.

 

VI. Aufwand und Leistungen

 

 

Im Staatshaushaltsplan 1983 waren für das G. Ausgaben in Höhe von 11130,7 Mrd. Mark und an Einnahmen 7.511,2 Mrd. veranschlagt, davon 6.115,7 Mrd. als „Bezahlung von Leistungen des G. durch die Sozialversicherung“. In den Ausgaben sind die Aufwendungen für die 359.400 Beschäftigten des staatlichen G. enthalten. Sie machen (ohne die im kirchlichen und privaten Bereich) 4,1 v.H. aller Berufstätigen aus.

 

Ein Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland ist bezüglich der finanziellen Aufwendungen nicht möglich: Die Abgrenzungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der DDR (wie aller Mitgliedsstaaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe [RGW]) weichen stark ab von den Empfehlungen der UN, denen die Bundesrepublik Deutschland folgt. Der personelle Aufwand im G. der Bundesrepublik, erfaßt nur in der repräsentativ-statistischen Form des Mikrozensus, bemißt sich auf 5,6 v.H. der Erwerbstätigen, ist also um ein Drittel höher als in der DDR. Der Unterschied in der Arbeitszeit reduziert die Differenz auf knapp 20 v.H. Dabei haben die Daten der Einrichtungen und ihrer Leistungen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit der Inanspruchnahme durch die Bevölkerung ergeben. Die Arbeitsproduktivität im G. der DDR erscheint in groben Zahlenmaßen größer. Indessen bringen die weitgehende Dezentralisierung der ambulanten Versorgung in der Bundesrepublik und die Ausrüstung mit Hochleistungsapparaturen selbst der ärztlichen Einzelpraxen und der kleinen Krankenhäuser einen sehr viel höheren Personalbedarf mit sich.

 

Eine vergleichende Bewertung der Ergebnisse von Aufwand und Leistungen muß bei der Hochleistungsmedizin und ihren Grundlagen in der medizinischen Forschung einsetzen. Der finanzielle und personelle Aufwand für sie ist in der DDR, gemessen an der Bevölkerungszahl, deutlich höher. Aber alle staatliche Förderung verhindert nicht, daß die medizinische Forschung in allen ihren Zweigen — Grundlagen-, Anwendungsorientierte und Zweckforschung — unter weit ungünstigeren Bedingungen arbeitet als in westlichen Industrieländern. Sie ist, wo immer sie auf deren Niveau stehen und bleiben will, auf westliche Geräte und Materialien angewiesen (der Nachbau von Geräten gelingt regelmäßig erst spät und kommt mehr der Routineanwendung zugute als der Forschung). Dafür werden nicht we[S. 567]nig Devisen bewilligt. Aber sie müssen bei den Koordinierungs- und Kontrollgremien erkämpft werden. Das gelingt meist erst, wenn ihre Unentbehrlichkeit unbestreitbar geworden ist. Und die Zahl gleichartiger Geräte wird stets niedrig gehalten. Genügend Ersatzteile werden selten bewilligt. Das führt oft zu langen Ausfallzeiten. Alles dies nimmt der Forschung viel von der erforderlichen Wendigkeit, zumal wenn zwischenzeitliche Ergebnisse aus anderen Ländern berücksichtigt werden müssen. So sind denn, trotz der Heranbildung einer großen Zahl befähigter Wissenschaftler und obwohl Reisen in das westliche Ausland jetzt relativ großzügig bewilligt werden, Spitzenleistungen der medizinischen Forschung und Entwicklung kaum aufzufinden. Bloßer Nachvollzug, die Übernahme und Anpassung von Ergebnissen sind die Regel.

 

Alle diese Schwächen und insbesondere der zeitliche Rückstand wirken sich zwangsläufig auf die allgemeine medizinische Versorgung aus. Zwar sind Bereitschaft und verfügbare Finanzmittel zur Ausstattung mit Geräten neuer Technologie wenigstens derjenigen Bezirkskrankenhäuser, denen „hochspezialisierte Versorgung“ aufgetragen ist, deutlich gewachsen. Aber Behinderungen und Ausfallzeiten durch Ersatzteilmangel und verzögerten Wartungsdienst sind hier naturgemäß noch größer. Ungleichmäßige Versorgung mit neu entwickelten Medikamenten fällt stark ins Gewicht (Arzneimittelversorgung).

 

Die Verantwortlichen in SED und Regierung bemühen sich um Ausgleich durch höhere Effektivität und durch Steigerung der Qualität der Arbeit. Andere Arbeitsorganisation in den Einrichtungen (Wissenschaftliche ➝Arbeitsorganisation) soll bessere Nutzung der Arbeitsplatz-Ausrüstungen, zumal der medizintechnischen Geräte bewirken, besonders durch Erstreckung der Arbeit über mehr als die übliche Arbeitszeit durch ergänzende Teilschichten. Da in den Einrichtungen nicht die Leistung pro Zeiteinheit vergütet wird, sondern stets die Arbeitszeit, müssen Verfahren für die Erhöhung der Arbeitsintensität entwickelt und angewandt werden. Die Leitlinie gibt, wie in vielen Bereichen der Wirtschaft, das Prinzip des Leistungsvergleichs, mit dem „das Engagement“ in der Arbeit gesteigert werden soll. Neben die Entwicklung von „Niveaukennzahlen“ für Messung und (inner- und überbetrieblichen) Vergleich des „Niveaus der Nutzung der Arbeitstage“ treten mannigfache Wettbewerbe mit dem Ziel, „ungerechtfertigte Niveauunterschiede abzubauen“. Über die Ergebnisse dieser Bemühungen, das Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis im G., die „Effizienz“ zu verbessern, läßt ein Urteil von außen nicht zu. Detaillierte Informationen aus einzelnen Einrichtungen werden nirgends veröffentlicht.

 

Verbesserung der Qualität der Arbeit in den Einrichtungen wird auf drei Wegen angestrebt: durch unmittelbare Qualitätskontrolle in „Visiten“, mittels „Pflegedokumentation“ und durch Befragung von Patienten. In „Pflegevisiten“ ohne Ankündigung suchen die Pflegeleiter im Krankenhaus Mängel in den Betriebsabläufen zu erfassen; auch in der ärztlichen Tätigkeit wird so vorgegangen. „Pflegedokumentation“ erleichtert die Kontrolle; der Preis dafür ist vermehrter Zeitaufwand für schriftliche Arbeiten. Patienten werden mittels standardisierter Fragebögen befragt und die Antworten nach Anonymisierung zur Aufdeckung von Mängeln ausgewertet. Ein Urteil über die Ergebnisse der Bemühungen um Qualitätsverbesserung ist von außen gleichfalls nicht zu gewinnen.

 

Bei allen diesen Aktivitäten wird sorgsam vermieden, Zweifel daran zu säen, daß das G. der DDR auf hohem Niveau arbeitet und daß seine Arbeitsergebnisse den Maßstäben westlicher Industrieländer zumindest gleichkommen. Vergleiche mit solchen Ländern rechtfertigen diese Einschätzung nicht. Legt man die Gesundheitsindikatoren zugrunde, die die OECD als Maßstäbe für internationale Vergleiche vorschlagen hat, so steht die DDR ziemlich tief auf den Rangskalen. Der Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland ergibt:

 

Die Lebenserwartung der 50jährigen Männer beträgt (1981) in der DDR 23,39 Jahre, in der Bundesrepublik 24,19, die der Frauen 27,58 bzw. 29,36 Jahre. Sie ist also in der DDR um 0,8 Jahre oder 3,3 v.H. bzw. 1,8 Jahre oder 6,1 v.H. niedriger. Die Gesamtsterblichkeit der männlichen Bevölkerung beträgt (alle folgenden Zahlen für 1981 und auf 10.000 der entsprechenden Bevölkerung) in der DDR 132,7, in der Bundesrepublik 118,33, die der weiblichen 144,8 gegen 115,94, ist also in der DDR um 12,1 bzw. 24,9 v.H. höher (die zweitgenannte Differenz resultiert im wesentlichen aus der hohen Sterblichkeit der Frauen zwischen 65 und 75 Jahren: Sie liegt um 32,3 v.H. über der der Bundesrepublik. Für alle aufgewiesenen Differenzen sind Bösartige Tumoren (Krebs) und Krankheiten der Herzkranzgefäße einschließlich Herzinfarkt die wichtigsten Faktoren.

 

Die Sterblichkeit der Männer im Alter zwischen 55 und 65 Jahren an Bösartigen Tumoren beträgt in der DDR 506,8, in der Bundesrepublik 487,2, die der Frauen 345,2 bzw. 330,7, ist also in der DDR um 4,0 bzw. 4,4 v.H. höher, die Sterblichkeit der Männer an Krankheiten der Herzkranzgefäße beträgt in der DDR 507,7, in der Bundesrepublik 448,0, ist also um 13,3 v.H. höher. Die Bundesrepublik Deutschland liegt keineswegs in der Spitzengruppe der westlichen Industrieländer; sie überschreitet kaum die Mittellage.

 

Die Perinatale Sterblichkeit (Sterblichkeit der Kinder kurz vor, unter und in den ersten 7 Tagen nach der Geburt) in der DDR ist gegenüber Schweden, Dänemark und der Schweiz (die Zahlen der Bundes[S. 568]republik sind hier infolge besonderer Gegebenheiten nicht vergleichbar) um 40,2 bzw. 38,1 und 26,1 v.H. höher.

 

Bei anderen, als Todesursache weniger gewichtigen Krankheiten indessen sind die Sterblichkeitsziffern der DDR günstiger als die der Bundesrepublik (doch bleibt sie auch da durchweg im Mittelfeld der Vergleichsreihe). Das fällt den kleinen Zahlen zufolge kaum ins Gewicht. Aber es läßt darauf schließen, daß der insgesamt ungünstige Stand der DDR nicht dem G. zur Last zu legen ist: Für die hohe Sterblichkeit der Frauen und die hohe Perinatale Sterblichkeit gibt es keine andere Erklärung als die, daß hier die Folgen einer nahezu schonungslosen Beanspruchung der Arbeitskraft zutage treten, und daß die in der DDR bisher entwickelten Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, diese Beanspruchung zu kompensieren. Die Männer leben in der DDR, im ganzen gesehen, nicht unter so ungünstigen Bedingungen. Aber die Auswirkungen der Belastung zeigen sich auch bei ihnen. Der hohe Verbrauch an Tabakwaren, die ungenügende Versorgung mit gesundheitlich zuträglichen Fetten, im Krankheitsfall auch die ungleichmäßige Versorgung mit vielen Medikamenten tragen sicherlich dazu bei. Aber auch dies sind Faktoren, die nicht dem G. zur Last gelegt werden können, die vielmehr aus den allgemeinen Lebensbedingungen folgen.

 

Erwin Jahn

 

Literaturangaben

  • Büttner, L., B. Meyer u. E. Wetzstein: Gesundheitspolitik. Aufgaben und Traditionen. Jena: Fischer 1980. (Medizin und Gesellschaft. 9.)
  • Grundlagen der Rehabilitation in der Deutschen Demokratischen Republik. Hrsgg. v. K. Renker. 4., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Volk und Gesundheit 1980.
  • Paul, E.: Gesundheitsschutz. Berlin (Ost): Volk und Gesundheit 1979.
  • Pritzel, K.: Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik in der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin: Osteuropa-Institut 1978. (Berichte des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin. 119: Reihe Medizin. 46.)
  • Zur Problematik des sozialistischen Charakters des DDR-Gesundheitswesens. Zielsetzungen u. Entwicklungsprogramm 1981–1985. Hrsgg. v. H. Harmsen. Hamburg (Akademie für Staatsmedizin) 1980. (Zur Entwicklung und Organisation des Gesundheitswesens in der DDR unter Mitberücksichtigung der UdSSR u. osteuropäischer Volksdemokratien. 83.)
  • Gesundheitspolitisch relevante Probleme der neuen Gesetzgebung in der DDR wie auch in Ungarn und der UdSSR. Hrsgg. v. H. Harmsen. Hamburg (Akademie für Staatsmedizin) 1977. (Zur Entwicklung u. Organisation des Gesundheitswesens in der DDR unter Mitberücksichtigung der UdSSR u. osteuropäischer Volksdemokratien. 74.)
  • Rechtsprinzipien im Gesundheitswesen. Hrsgg. v. R. Gürtler, J. Mandel u. J. Rothe. Berlin (Ost): Volk und Gesundheit 1980.
  • Rolf, H.: Sozialversicherung oder staatlicher Gesundheitsdienst? Ökonomischer Effizienzvergleich der Gesundheitssicherungssysteme der Bundesrepublik Deutschland u. der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin: Duncker u. Humblot 1975. (Sozialpolitische Schriften. 36.)
  • Ruban, M. E.: Gesundheitswesen in der DDR. System u. Basis. Gesundheitserziehung, Gesundheitsverhalten, Leistungen, Ökonomie des Gesundheitswesens. Berlin: Holzapfel 1981.
  • Stauder, H.-J.: Das Gesundheitswesen der DDR — eine ökonomische Analyse aus ordnungstheoretischer Sicht. Hrsg.: H. Harmsen. Bonn: Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben 1978. (Zur Entwicklung und Organisation des Gesundheitswesens in der DDR unter Mitberücksichtigung der UdSSR u. osteuropäischer Volksdemokratien. 79.)
  • Sterblichkeit und Lebenserwartung. Analyse zum Gesundheitszustand der Bevölkerung im europäischen Vergleich der Deutschen Demokratischen Republik. Hrsgg. v. G. Ewert u. H. Marcusson. Berlin (Ost): Volk und Gesundheit 1981.
  • Winter, K.: Das Gesundheitswesen in der Deutschen Demokratischen Republik. Bilanz nach 30 Jahren. 2., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Volk und Gesundheit 1980.

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 557–568


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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