
Industrieabgabepreis (IAP) (1985)
Siehe auch:
- Industrieabgabepreise: 1956
Bis 1955 galt die Bezeichnung: Herstellerabgabepreis. Der IAP ist der Preis für Waren der Industriebetriebe bei Abgabe an die abnehmenden Betriebe der Industrie, des Bauwesens, der volkseigenen und genossenschaftlichen Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, des Verkehrs und des Handels. Die bei weitem größte Zahl der IAP wird durch die Dienststellen des Amtes für Preise als Festpreise festgelegt. Die Kalkulation der Preisvorschläge durch die Betriebe und die Berechnung der für das Wirtschaftsgebiet der DDR gültigen einheitlichen Festpreise durch die Preisbehörden erfolgen nach zentral festgelegten Kalkulationsschemata und Berechnungsverfahren.
Bei der Ermittlung der Herstellerabgabepreise ist aber nicht nur das Kalkulationsverfahren verbindlich vorgeschrieben, sondern auch in mehr oder minder detaillierter Weise die als solche behördlich anerkannten, zum Zwecke der Preisbildung kalkulationsfähigen Kostenelemente. Daher geht bei dem prinzipiell normativen Verfahren der Kostenrechnung und Preiskalkulation auch nicht der gesamte tatsächliche wertmäßige Güter- und Diensteverzehr zur Erstellung von Leistungen in die Planpreise ein.
Um sowohl für die Betriebe einen stärkeren Anreiz zur Entwicklung neuer Erzeugnisse zu schaffen als auch um die langwierige Überprüfung der Kosten neuer Erzeugnisse für die staatlichen Instanzen zu erleichtern, wurden seit Juli 1976 für neue bzw. weiterentwickelte Güter Preise nach dem sog. Preis-Leistungs-Verhältnis gebildet, d.h. in Relation zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften gegenüber Vergleichserzeugnissen. Dabei wurden dem Hersteller 70 v.H. des Nutzenvorteils des neuen Erzeugnisses im Preis vergütet (= Gewinnvorteil), 30 v.H. gingen an den Verwender (= Verbilligung, bezogen auf den Gesamtnutzen des Erzeugnisses).
Mit einem derart strukturierten Preisbildungsverfahren erhofften die Betriebsleitungen in der DDR die bessere Einordnung der neuen Güter in die bestehenden Sortimente zu erreichen sowie den neuen Preis seitens der staatlichen Preisorgane schneller und einfacher aus dem bisher bereits anerkannten Aufwand je Leistungseinheit von Vergleichserzeugnissen ableiten zu können.
Dieses Verfahren erforderte entsprechende Kalkulationsmethoden (GBl. I, 1976, S. 333). In der Anwendung des Systems zeigten sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten bei einer angemessenen Festsetzung des Gebrauchswertes, die man mit einer Reihe von „Nachbesserungen“ zumindest abzuschwächen versuchte (Preissystem und Preispolitik, VI.).
Die Probleme der objektiven Messung der Gebrauchseigenschaften der neuen Erzeugnisse führten dazu, daß man das Konzept des Preis-Leistungs-Verhältnisses schließlich Ende 1983 aufgab. Statt dessen gelten folgende Veränderungen: Bei neuen Produkten wird in den Kosten der Beitrag für gesellschaftliche Fonds kalkuliert; zusätzlich zum normalen Gewinn werden bei Erzeugnissen mit niedrigen Kosten, hohem Nutzen, hoher Exportrentabilität und geringem Materialaufwand für eine gewisse Zeit Extragewinne sowie bei bestimmten Gütern (Exquisit-, Delikaterzeugnisse und Ersatzteile) Gewinnzuschläge wirksam. Nunmehr gilt folgendes Grundschema der Kalkulation (GBl. I, 1983, S. 341 ff.):
In dieser Rechnung bedeuten „direkte technologische Kosten“ solche, die im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Produktionsprozeß entstehen (z.B. Material- und Lohnkosten einschl. des Beitrags für gesellschaftliche Fonds). Außerdem gehören dazu die Aufwendungen für die betriebliche Forschungs-, Entwicklungs- und [S. 612]Projektierungstätigkeit. Zu den technologischen Kosten rechnen auch jene, die unmittelbare Voraussetzung für die Aufnahme des Produktionsprozesses sind (z.B. bei den Baubetrieben die Kosten für die Baustelleneinrichtung). „Indirekte technologische Kosten“ sind z.B. der Energieverbrauch für Beleuchtungs- und Heizzwecke im Werk, also Gemeinkosten, die durch den technologischen Arbeitsablauf bedingt sind. „Beschaffungskosten“ sind Kosten für die Organisation der Belieferung des Betriebes mit Material und Leistungen. Extragewinne, differenziert nach der erreichten volkswirtschaftlichen Effizienz der neuen Produkte, sind grundsätzlich auf drei Jahre befristet. Damit soll die Entwicklung verbesserter und neuer Produkte stimuliert werden. Die Gewinnzuschläge betragen bei Ersatzteilen 50 v.H. des normativen Gewinns. Bei Exquisit- und Delikaterzeugnissen werden differenzierte Zuschläge vom Amt für Preise festgesetzt.
Für Produktionsmittel fallen im Prinzip Betriebspreis und IAP zusammen, da in der Regel keine produktgebundenen Abgaben (Steuern) oder produktgebundenen Preisstützungen zur Anwendung kommen. Bei Konsumgütern weisen dagegen IAP und Betriebspreis erhebliche Unterschiede auf, denn mit ihrer Preisgestaltung sollen produktions- und verbrauchslenkende Wirkungen, eine Angleichung der Nachfrage an begrenzte Angebotssituationen bzw. eine Berücksichtigung unterschiedlicher Gebrauchswerte bei substituierbaren Erzeugnissen erreicht werden.
Die Industriepreise für Konsumgüter waren in den vergangenen 2 Jahrzehnten in der Regel keine originäre, vom Betriebspreis her entwickelte Größe; sie wurden vielmehr vom festgelegten Einzelhandels-Verkaufspreis (EVP) durch Abzug des Gesamthandelsrabatts gebildet. Nur so konnte bei der Industriepreisreform und der seitdem bis 1979 durchgeführten Preisbildung ein grundsätzlich konstantes Konsumgüterpreisniveau aufrechterhalten werden. Seitdem gilt dieses Prinzip nur noch bei den Erzeugnissen des Grundbedarfs und einigen Gütergruppen des mittleren Bedarfs, bei höherwertigen Konsumgütern wird der Industriepreis nunmehr zunehmend vom Betriebspreis — unter Hinzurechnung produktgebundener Abgaben — abgeleitet. Preissystem und Preispolitik.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 611–612