Innerdeutsche Beziehungen (1985)
Siehe auch die Jahre 1975 1979
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IB. sind die Gesamtheit aller Beziehungen zwischen beiden Staaten in Deutschland; als Terminus ab der Mitte der 60er Jahre gebräuchlich (überwiegend für den staatlichen Bereich). Aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland bilden die staatlichen Beziehungen ein Verhältnis besonderer Art, wobei die DDR von der Bundesrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen wird. Basis und Rahmen der heutigen IB. sind im Grundlagenvertrag festgelegt worden, der im Juni 1973 in Kraft getreten ist. Unter Ausklammerung unvereinbarer Standpunkte wurden die Voraussetzungen für Vereinbarungen auf Gebieten gemeinsamer Interessen bei unterschiedlichen Zielvorstellungen (Deutschlandpolitik der SED) geschaffen. Zusammen mit dem vorangegangenen Verkehrsvertrag und den dann folgenden weiteren Verträgen und Abkommen bildet der Grundlagenvertrag die Basis für die Zusammenarbeit auf den verschiedensten staatlichen Ebenen, die die bestehenden historisch gewachsenen Bindungen außerhalb des staatlichen Bereichs fördert und sichert und abgerissene Beziehungen neu aufzubauen versucht.
Die Bundesregierung versteht die IB. als Teil der Deutschlandpolitik, deren Ziel es ist, „auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt“ (Brief zur deutschen Einheit; Grundlagenvertrag).
I. Geschichtliche Entwicklung
Vielfältige Kontakte, Verbindungen und Bindungen bestanden auch nach dem Kriegsende und der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen sowohl im historisch gewachsenen kommunalpolitischen Raum als auch im privaten Bereich weiter. Die Grenzziehung zwischen den Besatzungszonen in Form von Demarkationslinien war zunächst kein Hindernis, die bestehenden Verbindungen aufrechtzuerhalten, zumal nach den Erklärungen der alliierten Besatzungsmächte Deutschland als wirtschaftliche Einheit erhalten werden sollte, und eine trennende Grenzziehung und völlige Umorientierung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen jeweils nach Ost bzw. West unvorstellbar schien. Die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogenen oder zerstörten Verkehrsverbindungen ließen zunächst nur lokale Verbindungen über die Grenze zu wie etwa beim Schulbesuch, beim Weg zur Arbeitsstelle, bei Versorgungslösungen und anderen lebensnotwendigen Absprachen zwischen den neuen Bürgermeistern und zeitweilig auch zwischen den Landräten der benachbarten, aber jeweils anderen Besatzungszonen zugehörigen Gemeinden und Kreisen. Die Regelungen an der Zonengrenze und im geteilten Berlin zu Fragen der Wasserversorgung, Abwässerableitung, Strombelieferung, Verkehrsbedienung u.ä. blieben meist unterhalb der politischen Schwelle. Mit der politischen Entwicklung, der sich daraus ergebenden Grenzsperrung durch die DDR und der gegenseitigen Abgrenzung wurden diese Kontakte immer schwieriger und mit dem Bau der Mauer zum Teil schließlich ganz eingestellt. Die politischen Beziehungen waren von seiten der sowjetischen Besatzungszone und später der DDR weitgehend vom Wunsch nach Anerkennung und Gleichberechtigung bestimmt, während die Politik der Westzonen und der späteren Bundesrepublik Deutschland staatliche Kontakte mit den Vertretern der DDR wegen mangelnder Legitimation durch freie Wahlen nach Möglichkeit vermied. Die Bundesregierung — legitimiert durch freie Wahlen — sah die Durchsetzung ihrer Vorstellungen der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes in der Westintegration. Die DDR-Regierung — ohne Legitimation durch die Bevölkerung — versuchte die Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungssystem zu verhindern. Aus dieser Überlegung wurden auch von 1950 bis zum Mauerbau von DDR-Präsident, Volkskammer und Regierungsmitgliedern 50 Noten, Schreiben und Telegramme an den Bundespräsidenten, den Bundestag und die Bundesminister gesandt, von denen nur zwei beantwortet wurden. (1951: Schreiben von Bundestagspräsident Ehlers an Volkskammerpräsident Dieckmann, Schreiben von Bundespräsident Heuss an DDR-Präsident Pieck.) Die nicht erwiderten Gesprächs- und Verhandlungsversuche der DDR auf hoher politischer Ebene wurden ergänzt durch gesamtdeutsche Aktionen und Konferenzen („Deutsche an einen Tisch“), um von unten her die Verfassungsorgane und Parteien der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen. Die DDR betrieb eine Politik, die von der Offenheit der deutschen Frage ausging und den Eindruck erweckte, als sperre sich lediglich der Westen gegen die Einheit (Deutschlandpolitik der SED).
Sichtbarster Ausdruck für die Spaltung Deutschlands wurde die Errichtung der Berliner Mauer durch die DDR-Behörden am 13. 8. 1961. Schon seit 1948 war der private Reiseverkehr durch die DDR erheblich behindert worden. Seit 1952 waren von der DDR an der Grenze zum Bundesgebiet immer undurchdringlichere Sperranlagen errichtet worden. Noch in den 50er Jahren war aber West-Berlin für DDR-Bewohner ohne größere Schwierigkeiten er[S. 630]reichbar. Das führte aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR zu einem Flüchtlingsstrom (Flüchtlinge) von jährlich 140.000 bis 330.000 Menschen in den Westen, der mit dem Bau der Mauer schlagartig unterbunden wurde. Als Reaktion auf den Mauerbau wurden auch von seiten der Bundesrepublik zunächst viele Kontakte, insbesondere in den Bereichen Sport und Kultur, unterbrochen. Man sah sich außerstande, zur Tagesordnung überzugehen. Die DDR forderte bei allen Gesprächsangeboten die staatliche Anerkennung und propagierte die Drei-Staaten-Theorie (Berlin). Es wurde deutlich, daß die Spaltung Deutschlands auf längere Zeit unabänderlich sein würde. Dies führte zu einem Wandel der offiziellen Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der DDR mit dem Ziel, für die Menschen die Härten der Teilung auch durch staatliche Kontakte zu mildern. Das erste Passierscheinabkommen über Besuche von Einwohnern von Berlin (West) in Berlin (Ost) wurde im Dezember 1963 abgeschlossen. Ein Zeitungsaustausch (1964) und der zwischen SED und SPD vereinbarte Redneraustausch (1966) scheiterten.
Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD faßte den Entschluß, Verhandlungen und Verträge mit der DDR anzustreben. Daraufhin nahmen die ideologischen Abgrenzungsmaßnahmen der DDR zu. Erstmals kam es 1967 zu einem Briefwechsel zwischen den Regierungschefs der beiden deutschen Staaten. Diese Bemühungen brachten allerdings keine konkreten Ergebnisse, da die DDR Verhandlungen ohne ihre vorherige völkerrechtliche Anerkennung ablehnte. Die Deutschlandpolitik seit 1969 ordnete sich in die Entspannungsbemühungen ein, die das Verhältnis zwischen den USA und der UdSSR maßgeblich bestimmten. Die Bundesregierung erklärte, in ihrer Politik von der Existenz der DDR als eines zweiten Staates in Deutschland auszugehen und der Regierung der DDR auf der Basis der Gleichberechtigung zu begegnen. Die angestrebten Regelungen sollten aber mit dem Ziel vereinbar sein, die deutsche Frage auf der Grundlage der Selbstbestimmung im Rahmen einer europäischen Friedensordnung zu lösen, und die Veränderungen sollten sich in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten zum Nutzen der Menschen auswirken. Im März 1970 kamen in Erfurt die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten zum ersten Mal zusammen. Die Reaktion der Öffentlichkeit war groß. Beide Staaten legten ihre grundsätzlichen Positionen dar. Die Gespräche wurden am 21. 5. 1970 in Kassel fortgesetzt. Hier nannte die Bundesregierung in 20 Punkten Grundsätze und inhaltliche Elemente für einen Vertrag, der nach ihren Vorstellungen die Grundlage für die Regelung der beiderseitigen Beziehungen sein sollte. Die DDR beharrte jedoch auf ihren Grundpositionen und schlug eine Denkpause vor. Nach Abschluß des Moskauer Vertrages am 12. 8. 1970 und der Paraphierung des Viermächte-Abkommens über Berlin am 3. 9. 1971 traten die zuständigen deutschen Behörden in Verhandlungen zur Ausführung des Viermächte-Abkommens. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR verhandelten über die Regelung des Transitverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), der Senat von Berlin und die DDR-Regierung über die Regelung der Besuche von Bewohnern von Berlin (West) in der DDR und Berlin (Ost). Es folgten Verhandlungen über den Verkehrsvertrag, der als erster Staatsvertrag zwischen beiden Staaten in Deutschland am 17. 10. 1972 in Kraft trat. Offizielle Verhandlungen mit dem Ziel einer Regelung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und des Abschlusses des Grundlagenvertrages begannen im August 1972. Im Juni 1973 trat er in Kraft.
II. Ebenen und Instrumentarien der innerdeutschen Beziehungen
Mit der Formalisierung der IB. durch den Grundlagenvertrag wurden neue Kontaktebenen eröffnet. Während bis 1970 die Kontakte insbesondere über private Beziehungen und Organisationen aufrechterhalten wurden, entstanden durch den Grundlagenvertrag und seine Folgeverträge Kommissionen, Expertengespräche und Konsultationen (Abrüstung). Ziel blieb es, durch die Formalisierung die gewachsenen Bindungen nicht einzuschränken, sondern zu fördern und zu sichern.
Am 2. 5. 1974 trat das Protokoll über die Einrichtung der Ständigen Vertretungen in Kraft. Es regelt deren Aufgaben, Zuständigkeiten und Status. Der Sitz der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR ist in Berlin (Ost). Die Ständige Vertretung der DDR hat ihren Sitz in Bonn und unterhält eine Zweigstelle ihrer handelspolitischen Abteilung in Düsseldorf. Der Grundlagenvertrag und das Protokoll haben keine diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten begründet; das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen gilt nur entsprechend. Während auf seiten der DDR für die Angelegenheiten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zuständig ist, liegt die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der Ständigen Vertretung in Bonn beim Bundeskanzleramt, dem auch die Ständige Vertretung in Berlin (Ost) unterstellt ist. Diese voneinander abweichenden Zuständigkeitsregelungen ermöglichen es beiden Teilen, ihren unterschiedlichen Rechtsauffassungen entsprechend zu verfahren. Die Bundesregierung hat dadurch klargestellt, daß die DDR von ihr auch weiterhin nicht als Ausland betrachtet wird.
Die Ständigen Vertretungen in beiden Staaten ha[S. 631]ben u.a. die Aufgabe, die Interessen im jeweils anderen Staat zu vertreten sowie normale gutnachbarliche Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf den verschiedensten Gebieten, so z.B. auf politischem und kulturellem Gebiet, zu fördern und zu unterstützen. Das schließt die Leistung von Hilfe und Beistand für Personen des Entsendestaates ein. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR vertritt in Übereinstimmung mit dem Viermächte-Abkommen auch die Interessen von Berlin (West).
Obwohl es seit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrages eine Vielzahl von Begegnungen auf politischer Ebene gab (z.B. auf der Leipziger Messe), kam es auf deutschem Boden nur einmal zu einer Spitzenbegegnung. Bundeskanzler Schmidt traf den SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker im Dezember 1981 am Werbellinsee, nachdem ein für 1980 vorgesehenes Treffen nicht zustande gekommen war. Zu einem Gegenbesuch ist es bisher nicht gekommen. Ein für Ende September 1984 in Aussicht genommener Besuch von Generalsekretär Honecker ist von diesem kurzfristig abgesagt worden.
III. Stand und Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen in den einzelnen Bereichen
In allen Bereichen stehen für die Bundesrepublik Deutschland neben der Einbeziehung von Berlin (West) und der Stärkung seiner Lebensfähigkeit menschliche Erleichterungen im Vordergrund.
A. Handel, Nichtkommerzieller Waren- und Zahlungsverkehr, Post- und Fernmeldewesen
1. Innerdeutscher Handel
Die beständigsten Beziehungen gibt es im Bereich der Wirtschaft. Bereits am 8. 1. 1946 erließ die sowjetische Militäradministration den Befehl Nr. 05, der den Handel mit den Westzonen gestattete. Es folgten mehrere Abkommen zwischen den einzelnen Zonen, am 8. 10. 1949 ein in Frankfurt/Main für neun Monate abgeschlossenes Interzonenhandelsabkommen. Das „Berliner Abkommen“ vom September 1951 über den Handel bildet bis heute in seiner Neufassung vom 16. 8. 1960 die Rechtsgrundlage des Innerdeutschen Handels. Dieser Handel entwickelte sich aus teils wirtschaftlichen, teils politischen Gründen ungleichmäßig. Die Jahre 1951 bis 1953, 1960 bis 1964 und 1967/68 brachten größere Rückschläge. So wirkten sich Anfang der sechziger Jahre die Behinderungen des freien Zugangs nach Berlin und die daraufhin am 30. 9. 1960 vorsorglich ausgesprochene Kündigung des Berliner Vertrages hemmend aus. Dazwischen lagen Phasen relativ stabilen Wachstums. Im Zusatzprotokoll zu Artikel 7 des Grundlagenvertrages vereinbarten beide Seiten, den Handel auf der Grundlage bestehender Abkommen zu entwickeln.
Die Vertreter der Treuhandstelle für den Interzonenhandel, im Dezember 1981 in Treuhandstelle für Industrie und Handel (TSI) umbenannt, treffen sich regelmäßig in vierzehntägigen Abständen mit Vertretern des Ministeriums für Außenhandel (MAH) der DDR, um alle laufenden Fragen des Handels zu erörtern und ggf. Zusatzvereinbarungen zu schließen.
1969 wurde damit begonnen, Lieferungen und Bezüge von der Einzelgenehmigungspflicht zu befreien. Heute ist der Handel — mit wenigen Ausnahmen — weitgehend liberalisiert. Im Juni 1982 wurde vereinbart, den Swing (gegenseitiger Überziehungskredit, der bisher nur von der DDR in Anspruch genommen worden ist) von 1983 bis 1985 schrittweise von 850 bis auf 600 Mill. VE zu reduzieren. Im Juni 1983 wurde zwischen einem Bankenkonsortium der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Außenhandelsbank Aktiengesellschaft (DABA) Berlin (Ost) die Gewährung eines ungebundenen Finanzkredits in Höhe von 1 Mrd. DM zu marktüblichen Konditionen vereinbart. Die Bundesregierung hat dem Kredit zugestimmt und eine Bundesgarantie über die Kreditsumme übernommen, aus der — da die Bundesregierung Zahlungsverpflichtungen gegenüber der DDR hat (Transitpauschale usw.; Westgeldeinnahmen) — keine Belastungen für den Bundeshaushalt zu erwarten sind. Ein weiterer Finanzkredit über 950 Mill. DM wurde im Juli 1984 gegeben.
Der Umsatz des innerdeutschen Handels lag 1983 bei über 15 Mrd. VE.
2. Nichtkommerzieller Zahlungs- und Verrechnungsverkehr
Nachdem in Deutschland nach den Währungsreformen 1948 zwei Währungsgebiete entstanden waren, konnten Geldzahlungen nur dann transferiert oder verrechnet werden, wenn dies besonders — z.B. im Handelsbereich — vereinbart war. Sonst entstanden Sperrkonten, d.h. Konten im fremden Bereich, über die nur — beschränkt — innerhalb dieses Bereiches verfügt werden kann. Im April 1974 wurden zwischen der Bundesregierung und der Regierung der DDR zwei Teilvereinbarungen über den nichtkommerziellen Grenzüberschreitenden ➝Zahlungsverkehr unterzeichnet. Sie ermöglichen regelmäßige Überweisungen von Unterhaltszahlungen an minder- und volljährige Berechtigte sowie Schadensersatzzahlungen, ferner in bestimmten Fällen (für Empfänger einer Alters- oder Invalidenversorgung, der Sozialhilfe, minderjährige Vollwaisen) den Transfer von Teilbeträgen aus Sperrguthaben. Die Transfervereinbarung beruht auf dem Prinzip, daß Anträge und Zahlungen in beiden Richtungen sich im Wertumfang ausgleichen. Dieser Ausgleich kann nur durch eine Devisenleistung der DDR erreicht werden. Dieser Einschuß wurde für die [S. 632]Jahre 1983 bis 1985 auf jährlich 60 Mill. DM festgelegt. Bis Ende 1983 sind in Ost-West-Richtung 317 Mill. DM transferiert worden, in West-Ost-Richtung 58 Mill. DM.
3. Post- und Fernmeldewesen
Die Postverbindungen zwischen den Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurden sowohl auf der Ebene der Hauptverwaltungen als auch auf der Ebene der Bezirksdirektionen und der Ämter ohne Verträge und Abkommen abgewickelt. In Berlin bestand ab 1947 eine Kontrollratseinrichtung, die „Allied Working Party“ (AWP), der die Abrechnung der im internationalen Verkehr anfallenden Post- und Fernmeldegebühren für Gesamtdeutschland und die Aufteilung für die Bundespost und die Post der DDR oblag. Am 5. 8. 1954 erließ die DDR die „Verordnung über den Geschenk- und Päckchenverkehr auf dem Postwege mit Westdeutschland, Westberlin und dem Ausland“. Bei Verstößen gegen diese Verordnung wurde die Rückleitung an den Absender oder die entschädigungslose Einziehung angedroht. Die Kontrollmaßnahmen führten in den Folgejahren zu unüblich langen Laufzeiten und umfangreichen Beschlagnahmen von Postsendungen durch DDR-Behörden (Post- und Fernmeldewesen; Warenverkehr, Nichtkommerzieller).
Im Telefonverkehr gab es insbesondere in Berlin Schwierigkeiten, nachdem die DDR am 27. 5. 1952 ohne vorherige Ankündigung 3.910 Telefonleitungen gekappt hatte. Telefongespräche mit dem anderen Teil der Stadt oder mit Orten in der DDR waren von Berlin (West) aus nur noch über die Fernmeldeämter Frankfurt am Main und Potsdam bzw. Leipzig möglich, zumal die DDR bereits 1949 die direkten Telefonleitungen von Berlin (West) in die DDR unterbrochen und mit der Trennung des Berliner Telefonnetzes nun auch die Leitungen von Berlin (West) in das Bundesgebiet abgeschaltet hatte. Ab 1966 begann die DDR gegenüber der Deutschen Bundespost und dem Senat von Berlin die Abrechnungen des gegenseitigen Post- und Fernmeldeverkehrs nach internationalen Abrechnungsgrundsätzen zu verlangen, obwohl es hierfür keine Rechtsgrundlage gab. Sie bezifferte ihre Forderungen rückwirkend ab 1948 für die Zeit bis 1968 auf insgesamt 1,8 Mrd. DM. Zuvor hatte die Sowjetunion in Noten an die USA, Großbritannien und Frankreich die Auflösung der Berliner AWP vorgeschlagen, in der die Bundespost und die DDR zur Aufteilung der internationalen Post- und Fernmeldegebühren vertreten waren. Am 31. 3. 1967 zog die DDR (nach Abschluß der Jahresrechnung 1966) ihre Mitarbeiter zurück und forderte die ausländischen Abrechnungspartner auf, direkt mit ihr abzurechnen. Der Bundespostminister erklärte sich zu einem Ausgleich der Mehrleistungen der Deutschen Post der DDR für die Zeit ab 1967 bereit. Er bot der DDR wiederholt Gespräche über die Höhe des Ausgleichs an und schlug zugleich Verhandlungen über dringend notwendige Verbesserungen des Post- und Fernmeldeverkehrs vor. Nach Zahlungen von insgesamt 22 Mill. DM im Oktober 1968 und im Februar 1969 als Kostenausgleich für das Jahr 1967 und das erste Halbjahr 1968 an die Deutsche Post der DDR fand sich die DDR schließlich zu den ersten Verhandlungen im September 1969 bereit. In den Gesprächen, die von der Weigerung der DDR belastet wurden, die West-Berliner Postverwaltung einzubeziehen, wurde schließlich eine Einigung darüber erzielt, daß die Bundespost der DDR-Post für die Jahre 1967 bis 1973 eine jährliche Pauschale von 30 Mill. DM zahlte. An wichtigen Verbesserungen wurden die Wiederaufnahme des Telefonverkehrs zwischen beiden Teilen Berlins, die Schaltung zahlreicher Leitungen und in den übrigen Verkehrsrelationen zahlreiche posttechnische Verbesserungen erreicht. Nach langwierigen Verhandlungen trat im Juli 1976 das im Artikel 7 des Grundlagenvertrages vorgesehene Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens in Kraft. Es wurde festgestellt, daß der Post- und Fernmeldeverkehr mit der DDR und Berlin (Ost) kein Auslandsverkehr wird, keine Auslandsgebühren, keine Zollinhaltserklärungen, kein Austausch von internationalen Formalitäten erforderlich sind. Die Möglichkeiten im Geschenkpaket- und -päckchenverkehr wurden ausgeweitet. Aufgrund weiterer Vereinbarungen von 1977 und 1983 wurde festgelegt, daß die Laufzeiten für Briefe, Päckchen und Pakete in beiden Verkehrsrichtungen erheblich ver[S. 632]kürzt und durchgreifende Maßnahmen zur Eindämmung der Verluste von Paketsendungen getroffen werden sollen. Ende Februar 1984 gab es 1515 Fernsprechleitungen. Der Selbstwählferndienst in die DDR wurde ausgeweitet. Die Postpauschale beträgt jährlich 200 Mill. DM für den Zeitraum 1983 bis 1990.
B. Verkehrswesen
1. Verkehr (allgemein)
Die von den vier Siegermächten im Londoner Protokoll vom 12. 9. 1944 vorgesehene gemeinsame Politik für das Transport- und Nachrichtenwesen führte zur Bildung entsprechender alliierter Einrichtungen (Transport- und Luftdirektorat des Kontrollrates) sowie zu den ersten Regelungen, bei denen insbesondere Berlin im Vordergrund stand. Schon bald wurde jedoch die Schaffung eines für alle Besatzungsgebiete geltenden alliierten Verkehrsrechtes wegen gegensätzlicher Zielsetzungen für die Zukunft Deutschlands unmöglich. Die Westzonen und die sowjetische Besatzungszone wurden zu zwei getrennten Verkehrsgebieten. Trotz der auf der Pariser Außenministerkonferenz 1949 getroffenen Vereinbarung, wonach nicht nur das New Yorker Abkommen und damit die Aufhebung der Blockade bestätigt, sondern auch Beratungen über „Erleichterungen des Personen- und Güterverkehrs und des Austausches von Nachrichten zwischen den Westzonen und der Ostzone sowie zwischen Berlin und den Zonen“ beschlossen wurden, kam es zu weiteren Einschränkungen. Im Mai 1952 wurden von der DDR acht von den insgesamt noch vorhandenen zwölf Straßenübergängen geschlossen. Durch die Sperrmaßnahmen der SBZ bzw. DDR wurden insgesamt 31 Haupt- und 140 Landstraßen unterbrochen.
Nach Kriegsende waren vor allem die Wiederaufnahme und der Ausbau der Eisenbahnverbindungen zwischen den Besatzungszonen notwendig. Der Alliierte Kontrollrat in Berlin beschloß am 14. 8. 1946, daß die Einnahmen der jeweiligen Eisenbahnverwaltungen in denjenigen Besatzungszonen verbleiben sollten, die sie erhoben hatten. Es kam zu einer Reihe von Abkommen und Vereinbarungen zwischen der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn und der Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn (DR) in der DDR über technische Probleme, Verbesserung und Erweiterung des Interzonenverkehrs, den Verkauf von Fahrkarten der Reichsbahn in Berlin (West) gegen DM-West und vor allem über die Abstimmung der Fahrpläne.
Der Eisenbahngüterverkehr über die Zonengrenze war zunächst durch einen Kontrollratsbeschluß vom 10. 9. 1945 geregelt worden, der pro Tag 3 Militärgüterzüge und 13 Güterzüge für den zivilen Bedarf aus den Westzonen nach Berlin festlegte. Er verlief unter der Aufsicht des Transport- und Luftdirektorats des Alliierten Kontrollrates, bis er mit dem Beginn der Berliner Blockade am 18. 7. 1948 völlig eingestellt wurde. Im Helmstedter Abkommen vom 11. 5. 1949 vereinbarten dann die Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn und die Hauptverwaltungen der späteren Deutschen Bundesbahn im vereinigten Wirtschaftsgebiet die Wiederaufnahme des Interzonenverkehrs. Trotzdem sind bis heute rd. 25 Eisenbahnlinien zwischen dem Bundesgebiet und der DDR nicht mehr in Betrieb. Mit dem Offenbacher Abkommen vom 3. 9. 1949 wurde der Interzonen-Reisezugverkehr erweitert. Der auf dieser Grundlage vereinbarte gemeinsame Tarif wurde von der Deutschen Reichsbahn zum 30. 6. 1965 gekündigt. Damit entfielen insbesondere die im Tarif enthaltenen einheitlichen Beförderungsbedingungen.
Seit 1950 finden — getrennt für den Reise- und Güterverkehr — regelmäßige Fahrplanbesprechungen statt. Erweiterungen des Verkehrs wurden am 12. 7. 1954 und am 17. 8. 1964 — Öffnung zusätzlicher Übergänge über Büchen, Bebra und Hof für den Güterverkehr mit Berlin (West) — vereinbart. Im November 1970 wurden zwischen den Regierungen Gespräche über Verkehrsfragen aufgenommen, die im September 1971 in offizielle Verhandlungen mündeten und 1972 zum Verkehrsvertrag führten. Am 17. 10. 1972 trat der „Vertrag über Fragen des Verkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ in Kraft. Der Vertrag umfaßt den Wechselverkehr, d.h. den Verkehr zwischen beiden Verkehrsgebieten und den Transitverkehr in dritte Staaten auf Straßen, Schienen und Wasserwegen; ausgenommen sind der Personenverkehr mit Seepassagier- und Binnenschiffen und der Luftverkehr.
Grundsätzlich soll der Verkehr in und durch die Hoheitsgebiete der Vertragsstaaten entsprechend der üblichen internationalen Praxis auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung im größtmöglichen Umfange gewährt, erleichtert und möglichst zweckmäßig gestaltet werden. Artikel 32 sieht zur Klärung auftretender Meinungsverschiedenheiten eine gemischte Kommission („Verkehrskommission“) vor. Der Verkehrsvertrag gilt für unbestimmte Zeit und kann fünf Jahre nach Inkrafttreten mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des jeweiligen Kalenderjahrs gekündigt werden. Der Verkehrsvertrag enthält in sieben Artikeln die erforderlichen Grundbestimmungen, die überwiegend an die Praxis im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr anknüpfen. Seit dem 1. 4. 1973 sind beide deutsche Staaten Vollmitglieder der Berner Union. Gemäß Artikel 11 gilt das Internationale Personenbeförderungs- und Frachtrecht der Internationalen Übereinkommen CIV und CIM auch für das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.
Berlin (West) wird in der Berner Union von der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn und das Ministerium für Verkehrswesen der DDR haben in Ausführung des Verkehrsvertrages am 25. 9. 1972 ein Eisenbahngrenzübereinkommen abgeschlossen, das technische und Haftungsfragen regelt (Grenzübergangsstellen; Verkehrswesen).
2. Reiseverkehr
a) Reiseverkehr in die DDR.
Besuchsreisen in die DDR waren für Deutsche aus den Westzonen bzw. dem Bundesgebiet — wenn auch unter z.T. schwierigen Bedingungen — immer möglich, zeitweise jedoch nur, wenn man Verwandte in der DDR hatte (einmal jährlich bis zur Dauer von 4 Wochen). Die Mitnahme von Geschenken im Reiseverkehr wurde durch niedrig gehaltene Höchstmengen und einschränkende Freigrenzen sowie seit 1968 durch hohe Genehmigungsgebühren belastet (Warenverkehr, Nichtkommerzieller).
1957 reisten 1,6 Mill. Besucher aus dem Bundesgebiet in die DDR, 1959 nur noch rd. 900.000, 1962 rd. 600.000. Danach stiegen die Zahlen wieder an.
Mit der Änderung des Paßgesetzes im Dezember 1966 wurden vom an sich schon eingeschränkten Reiseverkehr Westdeutsche ausgenommen, die „als Hauptverantwortliche die völkerrechtswidrige annexionistische Politik der Alleinvertretungsanmaßung verfechten oder maßgeblich fördern“ oder „durch ihre Handlungen westdeutsche gesetzliche Bestimmungen völkerrechtswidrig gegen Bürger der DDR anwenden“ oder Mitglied der Nationaldemokratischen Partei (NPD) waren oder sich „im neonazistischen Sinne“ betätigten. Im Juni 1968 wurde für die Ein- und Durchreise von der DDR der Paßzwang eingeführt, Ein- und Ausreisevisa und für den Tagesbesuch in Berlin (Ost) Tagesaufenthaltsgenehmigungen. Verbunden mit diesen Maßnahmen war die Erhebung von Visagebühren. Ab November 1964 wurde ein verbindlicher Mindestumtausch vorgeschrieben, der 1968 von fünf auf zehn DM, 1973 auf 20 DM, 1974 auf 13 DM und 1980 auf 25 DM pro Tag festgelegt wurde (Währung/Währungspolitik, II. E.). Die Bundesregierung hat sich um eine Rücknahme der Erhöhung bemüht. Der Mindestumtausch für Rentner wurde ab August 1984 auf 15 DM pro Tag gesenkt.
West-Berlinern war es seit 1952 praktisch unmöglich, in die DDR zu reisen; mit Wirkung vom 23. 8. 1961 konnten sie auch nicht mehr den anderen Teil der Stadt besuchen. Mit den Passierscheinabkommen vom 17. 12. 1963, 24. 9. 1964, 25. 11. 1965, 7. 3. 1966 und 6. 10. 1966 konnten tageweise Besuche zu Feiertagen sowie eine Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten (Härtestelle) vereinbart werden.
Unabhängig von diesen Beschränkungen waren Geschäftsreisen, Reisen zur Leipziger Messe sowie Reisen auf Einladung amtlicher Stellen zulässig. Mit dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrages vom 17. 10. 1972 wurden wesentliche Reiseerleichterungen und Verbesserungen wirksam. Einwohner des Bundesgebietes können jetzt nicht nur zum Besuch von Verwandten, sondern auch von Bekannten, und zwar einmal oder mehrmals im Jahr bis zu einer Dauer von insgesamt 45 Tagen im Jahr nach der Neuregelung vom August 1984 einreisen. Die Aufenthaltsgenehmigung gilt in der Regel für das gesamte Gebiet der DDR. Außerdem können Einwohner des Bundesgebietes die Einreisegenehmigung auch auf Einladung der zuständigen Organe der DDR aus kommerziellen, kulturellen, sportlichen und religiösen Gründen erhalten. Anfang der 60er Jahre wurden einige Touristenreisen mit festgelegter Route angeboten, 1967 unter Hinweis auf technische Gründe aber wieder abgesagt. Erst nach dem Verkehrsvertrag können aufgrund von Vereinbarungen zwischen Reisebüros der Bundesrepublik Deutschland und der Generaldirektion des Reisebüros der DDR wieder touristische Reisen in die DDR durchgeführt werden. Die Aufenthaltsgenehmigung ist in der Regel auf die Bezirke beschränkt, die im Reiseprogramm vorgesehen sind (Tourismus).
1983 haben rd. 165.000 Reisende aus der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) durch Vermittlung eines Reisebüros oder eines anderen Reiseveranstalters an einer Gruppenreise in die DDR teilgenommen oder eine private Einzelreise mit Hotelübernachtung gebucht. Zu der positiven Entwicklung (Steigerung gegenüber 1982 10 v.H.) haben die Verdoppelung der Teilnehmerzahlen an Klassenfahrten und Jugendreisen und die steigende Teilnehmerzahl bei Gruppenreisen von Erwachsenen, insbesondere bei Studienreisen beigetragen (Jugendaustausch, Innerdeutscher).
Die besonderen Möglichkeiten für Westdeutsche, zu Tagesbesuchen nach Berlin (Ost) oder zum Besuch der Leipziger Messe in die DDR einzureisen, blieben bestehen.
Seit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrages im Juni 1973 haben Bewohner von 56 grenznahen Stadt- [S. 635]und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, zu Tagesaufenthalten in den grenznahen Bereich der DDR (54 Kreise) einzureisen („Grenznaher Verkehr“). Dazu wurden vier neue Straßenübergänge (Uelzen/Salzwedel, Duderstadt/Worbis, Bad Neustadt/Meiningen, Coburg/Eisfeld) eingerichtet, die auch für den allgemeinen Reiseverkehr mit der DDR zur Verfügung stehen. Die Tagesaufenthalte sind sowohl zum Besuch von Verwandten und Bekannten als auch aus touristischen Gründen möglich. Nach Gesprächen zwischen Bundesregierung und DDR-Regierung im Zusammenhang mit der Gewährung von Finanzkrediten wurden die Reisemöglichkeiten ab August 1984 erweitert und auf 2 Tage ausgedehnt.
Nach der in Übereinstimmung mit den Regelungen des Viermächte-Abkommens getroffenen Vereinbarung zwischen dem Senat und der Regierung der DDR über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs, die zusammen mit dem Viermächte-Abkommen am 3. 6. 1972 in Kraft getreten ist, können Personen mit ständigem Wohnsitz in Berlin (West) einmal oder mehrmals zu Besuchen von insgesamt 45 Tagen im Jahr — nach der Neuregelung vom August 1984 — in die DDR und nach Berlin (Ost) einreisen. Die Einreise wird aus humanitären, familiären, religiösen, kulturellen oder touristischen Gründen genehmigt. In dringenden Familienangelegenheiten können Reisen auch dann gewährt werden, wenn die allgemeine Besuchsdauer von insgesamt 45 Tagen im Jahr bereits erschöpft ist. Der Senat von Berlin und die Regierung der DDR haben Beauftragte ernannt, die Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten klären sollen, die sich im einzelnen aus der Anwendung und Durchführung der Vereinbarung ergeben Berlin.
b) Reiseverkehr aus der DDR
Seit Herbst 1946 mußten alle Reisenden, die in eine andere Besatzungszone fahren wollten, einen Interzonenpaß besitzen, der in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR nur in beschränkter Zahl ausgestellt wurde. Bis Juni 1953 erhielten — abgesehen von Dienstreisenden — nur wenige die Möglichkeit, einen Besuch bei Freunden und Verwandten im Westen zu machen. Nur der Besuch West-Berlins war fast ungehindert möglich. Danach wurden Reisen in größerem Umfange zugelassen (zwischen 1954 und 1957 jährlich etwa 2,5 Mill. Reisende aus der DDR, davon blieben jeweils mehr als 4 v.H. im Bundesgebiet). Im Sommer 1957 wurden erstmals bestimmten Personengruppen (Oberschülern, Studenten, FDJ-Angehörigen) Westreisen verboten; wenige Monate später wurde durch eine Änderung des Paßgesetzes und administrative Maßnahmen die Zahl der Besuchsreisen in das Bundesgebiet rapide gedrosselt. 1958 kamen nur noch 627.356 Personen besuchsweise ins Bundesgebiet. Nur in Berlin waren über die Sektorengrenzen hinweg Besuche im Westteil der Stadt noch in größerem Umfang möglich. Nach dem Mauerbau am 13. 8. 1961 durften zunächst nur Dienstreisende ausreisen. Ende 1964 erhielten Rentner die Möglichkeit, Verwandte im Bundesgebiet zu besuchen. Im Jahresdurchschnitt kamen danach etwa 1 Mill. Rentner zu Besuch. Nach Inkrafttreten des Verkehrsvertrages 1972 erhielten die Rentner die Möglichkeit, mehrmals im Jahr (für insgesamt 30 Tage) zu Besuchen in das Bundesgebiet oder nach Berlin (West) zu fahren; seit August 1984 können sie auch Bekannte besuchen (für insgesamt 60 Tage). 1983 betrug die Zahl der Besuche rd. 1,5 Mill.
In dringenden Familienangelegenheiten können seit 1972 auch jüngere Bewohner der DDR von den DDR-Behörden die Genehmigung zum Besuch von Verwandten in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) erhalten. Als dringende Familienangelegenheiten sind folgende Anlässe, die mehrfach erweitert worden sind, anerkannt: Geburten, Taufen, Konfirmationen, Kommunionen, Jugendweihen, kirchliche und standesamtliche Eheschließungen, Ehejubiläen, der 60., 65., 70., 75. und jeder weitere Geburtstag, lebensgefährliche Erkrankungen und Sterbefälle. Antragsberechtigte Verwandte in der DDR sind: Großeltern, Eltern, Kinder, Geschwister und Halbgeschwister (mütterlicherseits).
Nach einer Erweiterung des Katalogs der Reiseanlässe im Februar 1982 stieg die Zahl der Besuche in dringenden Familienangelegenheiten 1982 um 25 v.H., 1983 um weitere 40 v.H. 1983 reisten somit rd. 64.000 DDR-Bewohner, die nicht Rentner waren, in die Bundesrepublik Deutschland.
3. Verkehr nach und von Berlin (West)
Während der Luftverkehr nach Berlin (West) störungsfrei verlief, war der Landverkehr durch die [S. 636]DDR nach Berlin (West) politischen Störungen und Behinderungen ausgesetzt. Auch nach Ende der Blockade 1949 übte die DDR durch verschärfte Kontrollen der Reisenden, schleppende Abfertigung bei den Kontrollen und stundenweise Sperrung des Verkehrs Druck aus.
Der fast völlige Mangel an schriftlich fixierten Regelungen für den Straßenverkehr machte diese Verkehrsart besonders im Berlin-Verkehr anfällig für Beeinträchtigungen aller Art. Ab 1. 9. 1951 wurde eine Straßenbenutzungsgebühr für Kraftfahrzeuge erhoben, die ab 1. 4. 1955 mehr als verdoppelt wurde. Nach Verhandlungen wurde diese Erhöhung teilweise wieder rückgängig gemacht.
1968 führte die DDR auch im Berlin-Verkehr den Paß- und gebührenpflichtigen Visazwang ein und erhob im Güterverkehr zusätzlich zur Straßenbenutzungsgebühr eine Steuerausgleichsabgabe. 1964 wurde eine Vereinbarung mit der DDR über den Wiederaufbau der Saalebrücke bei Hirschberg getroffen, an dem sich die Bundesrepublik Deutschland mit einer Kostenpauschale von 5,5 Mill. VE beteiligte, um damit den über diese Strecke laufenden Landverkehr von und nach Berlin zu erleichtern.
Durch das Viermächte-Abkommen vom 3. 9. 1971 und das Transitabkommen zwischen den Regierungen beider deutscher Staaten vom 21. 12. 1971 wurden verbindliche Regelungen für den Zugang nach Berlin (West) vereinbart, die eine schnelle Abfertigung am Auto, im Bus oder im Zug ermöglichen. Eine Durchsuchung von Personen, Reisegepäck und Fahrzeugen oder eine Festnahme bzw. Zurückweisung ist seitdem nur noch ausnahmsweise unter bestimmten engen Voraussetzungen zulässig. Auch Personen, welche die DDR ohne Erlaubnis der dortigen Behörden verlassen oder früher in der DDR strafbare Handlungen begangen haben, können die Transitwege ungehindert benutzen. Reisenden, die in der Vergangenheit in der DDR und nach dem Recht der DDR Straftaten gegen das Leben, vorsätzliche Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit des Menschen oder schwere Straftaten gegen das Eigentum begangen haben, kann die Durchreise verweigert werden. Ein Mißbrauch der Transitwege liegt gemäß Artikel 16 des Abkommens dann vor, wenn ein Reisender während der Benutzung der Transitwege rechtswidrig und schuldhaft gegen die allgemein üblichen Vorschriften der DDR bezüglich der öffentlichen Ordnung verstößt, indem er
a) Material verbreitet oder aufnimmt;
b) Personen aufnimmt;
c) die vorgesehenen Transitwege verläßt, ohne durch besondere Umstände, wie Unfall oder Krankheit, oder durch Erlaubnis der zuständigen DDR-Organe dazu veranlaßt zu sein;
d) andere Straftaten (Strafrecht) begeht oder
e) durch Verletzung von Straßenverkehrsvorschriften Ordnungswidrigkeiten begeht (Straßenverkehrsrecht).
Im Falle des hinreichenden Verdachts, daß ein Mißbrauch beabsichtigt ist, begangen wird oder begangen worden ist, können die Organe der DDR den Reisenden sowie sein Transportmittel und sein Gepäck durchsuchen oder ihn zurückweisen.
Die Zahlung individueller Visa- und Straßenbenutzungsgebühren ist entfallen. Statt dessen zahlt die Bundesregierung eine Pauschalsumme, die für die Zeit von 1980 bis 1989 auf jährlich 525 Mill. DM festgelegt worden ist.
Das Transitabkommen hat Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Mehrzahl der Gütertransporte in verplombten Transportmitteln und damit ohne zeitaufwendige Sichtkontrolle der Ladung durch die Zollorgane der DDR durchgeführt werden kann (Zollwesen).
Nach Artikel 19 des Transitabkommens ist eine Kommission zur Klärung von Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten bei der Anwendung oder Auslegung dieses Abkommens gebildet worden („Transitkommission“). Die Kommission, die abwechselnd in Bonn und Berlin (Ost) tagt, behandelt in ihren regelmäßig stattfindenden Sitzungen alle Probleme des Transitverkehrs von und nach Berlin (West), z.B. Festnahmen und Zurückweisungen von Personen sowie Fragen des Güterverkehrs auf Schiene, Straße und Wasserstraße.
Weitere Verhandlungen brachten Verbesserungen im Berlin-Verkehr. So wurde bis Anfang 1980 die Autobahn Marienborn-Berlin von Grund auf erneuert und ein Teilstück des Berliner Rings auf sechs Spuren verbreitert. Im Schienenverkehr wurde ein neuer Übergang (Staaken) für den Reisezugverkehr nach Hamburg geschaffen, was eine Fahrzeitverkürzung von 45 Minuten bedeutet. In Berlin (West) wurden drei zusätzliche Verkehrshalte eingerichtet (Wannsee, Charlottenburg und Spandau). Eine Autobahnverbindung von Berlin nach Hamburg mit dem neuen Übergang Gudow-Zarrentin wurde fertiggestellt. Notwendige Reparaturarbeiten an den Transitwasserstraßen nach Berlin und am Schiffshe[S. 637]bewerk Rothensee wurden durchgeführt. Der Teltow-Kanal wurde für den Durchgangsverkehr geöffnet. Der Neu- bzw. Ausbau der Autobahn bei Herleshausen/Wartha, die Verbreiterung des Mittellandkanals und der Ausbau von zwei Eisenbahn-Streckenabschnitten zwischen Berlin und Helmstedt wurden vereinbart. Zu den Kosten hat die Bundesrepublik Deutschland jeweils beigetragen (Berlin).
C. Grenzfeststellung, Recht, Verwaltung, humanitäre Fragen
1. Grenzfeststellung
Die gemäß Zusatzprotokoll I zum Grundlagenvertrag aus Beauftragten der Regierungen beider deutschen Staaten gebildete Grenzkommission legte im November 1978 das „Protokoll zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Überprüfung, Erneuerung und Ergänzung der Markierung der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bestehenden Grenze, die Grenzdokumentation und die Regelung sonstiger mit dem Grenzverlauf in Zusammenhang stehenden Probleme“ vor. Damit wurde die Feststellung und Markierung des Grenzverlaufs (mit Ausnahme des Elbeabschnitts) abgeschlossen. Neben dieser Grenzfeststellung, die Unsicherheiten und Zweifel über den Grenzverlauf ausräumen soll, trägt sie zur Regelung sonstiger mit dem Grenzverlauf im Zusammenhang stehenden Probleme bei, z.B. der Wasserwirtschaft, der Energieversorgung und der Schadensbekämpfung (Grenze, Innerdeutsche).
2. Rechtshilfe
Nach 1945 leisteten sich die Gerichte in beiden Teilen Deutschlands zunächst weiter unmittelbare Rechts- und Amtshilfe. Mit der Entstehung der DDR nahmen die praktischen Schwierigkeiten zu; es entwickelten sich schrittweise unterschiedliche Rechtsordnungen. Besondere Schwierigkeiten entstanden bei der Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfe, Innerdeutsche). Für sie gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 i. d. F. vom 18. 10. 1964. Im Rechtshilfeverkehr in Zivil- und Strafsachen wurden ab Januar 1967 Ersuchen aus der DDR nur noch von den Bezirksgerichten an die Oberlandesgerichtspräsidenten im Bundesgebiet gesandt; unmittelbar an die Kreisgerichte in der DDR gerichtete Ersuchen aus der Bundesrepublik wurden nicht erledigt. Ähnlich versuchte der Generalstaatsanwalt der DDR (Staatsanwaltschaft), der Bundesrepublik Deutschland die Zuständigkeiten vorzuschreiben, indem Ersuchen aus dem Bundesgebiet nur noch auf Anträge der Generalstaatsanwälte der Bundesländer bearbeitet wurden. Der Rechts- und Amtshilfeverkehr zwischen den Staatsanwaltschaften kam dadurch 1968 zum Erliegen. 1969 legte das Justizministerium der DDR in einer Rundverfügung fest, daß der Rechtshilfeverkehr der Gerichte und staatlichen Notariate der DDR mit Gerichten der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) ausschließlich über das Justizministerium zu laufen habe. Rechtshilfeersuchen aus der Bundesrepublik wurden nur dann weitergeleitet, wenn diese Ersuchen über das Bundesjustizministerium oder ein Landesjustizministerium geleitet wurden. Im Gegensatz zu dieser Verfügung wurden Rechtshilfeersuchen, die auf dem verlangten Weg an die DDR gerichtet waren, nicht beantwortet.
Die DDR hat im Grundlagenvertrag dem Prinzip zugestimmt, die Fragen des Rechtsverkehrs, also den Rechts- und Amtshilfeverkehr zwischen den Gerichten und den Verkehr zwischen den Staatsanwaltschaften, so einfach und zweckmäßig wie möglich zu regeln. Dementsprechende Vereinbarungen sind das Ziel von Verhandlungen, die im August 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR unter der Leitung der Staatssekretäre der Justizministerien beider Staaten aufgenommen wurden. Diese Verhandlungen haben wegen der unterschiedlichen Auffassungen in der Staatsangehörigkeitsfrage noch nicht zum Abschluß geführt werden können (Rechtshilfeabkommen; Staatsbürgerschaft).
3. Amtshilfe, Verwaltungskontakte
Kommunale Kontakte zwischen den Verwaltungen unmittelbar an der innerdeutschen Grenze verliefen in den ersten Nachkriegsjahren zwar nicht reibungslos, waren aber teilweise aufgrund persönlicher Beziehungen und auf fachlicher Ebene noch möglich und hatten für die lokale Situation auch großen Wert (Brandbekämpfung, Abwasserbeseitigung, Hochwasserprobleme).
Die Verwaltungskontakte in Berlin waren naturgemäß besonders intensiv, da die Wasser-, Abwasser-, Gas- und Stromversorgung derartig verbunden war, daß Kontakte und Absprachen zwischen den Verwaltungen aus beiden Teilen der Stadt unumgänglich waren. Diese Kontakte wurden von der DDR zunehmend erschwert. Ab Anfang der 50er Jahre wurden von den DDR-Behörden keine Auskünfte mehr erteilt, wenn es sich um Angelegenheiten des Lastenausgleichs oder der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts handelte. In Staatsangehörigkeits- und Meldesachen wurden personenstandsrechtliche Auskünfte nur gegeben, wenn sie nicht „Republikflüchtige“ betrafen.
Im Sozialversicherungswesen bis 1967 und in Personenstandssachen bis 1968 vollzog sich der Amtshilfeverkehr zwischen den Behörden der beiden deutschen Staaten unmittelbar auf der unteren Verwal[S. 638]tungsebene. In der Folgezeit hat die DDR versucht, den Verwaltungsverkehr auf die Mittelinstanz zu heben, und die Antworten auf entsprechende Ersuchen den Innenministern des jeweiligen Bundeslandes zugeleitet. Nach Hinweisen westdeutscher Behörden über die Unzweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens ist man 1969 zum alten Verfahren zurückgekehrt, nachdem zuvor einige DDR-Bezirke überhaupt nicht auf Anfragen antworteten. Derzeit verkehren die Sozialversicherungsträger und Standesämter direkt miteinander und stellen gegenseitig Belege und Urkunden aus. Dasselbe gilt für die Jugendämter der Bundesrepublik und die Referate Jugendhilfe bei den Kreisverwaltungen der DDR, die bis 1974 sog. Jugendamtsverrechnungen vornahmen.
Fast reibungslos verlaufen — wie bereits früher — auch die Kontakte in Jugendfürsorgeangelegenheiten. Die Ersuchen der Jugendämter nach Ermittlung des Aufenthaltes und der Zahlungsfähigkeit von Erzeugern nichtehelicher Kinder, Zahlungsaufforderungen, Zwangsvollstreckungen und die Übernahme von Vertretungen bei Gericht für nichteheliche Kinder und unterhaltsberechtigte Minderjährige werden in der Regel gegenseitig erledigt.
Nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages konnten zahlreiche kommunale Probleme an der Grenze (Grenzkommission) und in Berlin geregelt werden.
Entsprechend der Protokoll-Erklärung der DDR zum Grundlagenvertrag über den Verwaltungsverkehr, wonach die DDR den bestehenden Verkehr zwischen den Verwaltungsbehörden in Unterhalts-, Vormundschafts-, Personenstands- und Sozialversicherungsangelegenheiten nicht ändert, sondern beibehält und im Rahmen der Möglichkeiten beschleunigt, werden Amtshilfeersuchen hiesiger Behörden von den zuständigen Stellen der DDR bearbeitet und beantwortet. Angesichts der Vielzahl von Ersuchen, z.B. zur Beschaffung von Rentenunterlagen, treten in Einzelfällen Schwierigkeiten auf, die die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Berlin (Ost) gegenüber der DDR anspricht.
4. Private Vermögensangelegenheiten
Die tiefen Gegensätze zwischen den Gesellschafts- und Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR werden besonders in Eigentums- und Vermögensfragen deutlich (Eigentum; Zivilrecht). Die Schwierigkeit, auf diesem Gebiet Lösungen zu finden, wird auch im Protokollvermerk zum Grundlagenvertrag in der Feststellung deutlich, daß Vermögensfragen wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen durch den Grundlagenvertrag nicht geregelt werden konnten.
Es konnte jedoch erreicht werden, daß die DDR seit Ende 1976 an sie gerichtete Fragen von Betroffenen aus der Bundesrepublik Deutschland beantwortet. Bei Vermögenswerten unter staatlicher Verwaltung beschränken sich die Antworten allerdings auf den Hinweis, es handele sich um offene Vermögensfragen (Flüchtlingsvermögen; Treuhandvermögen).
5. Humanitäre Fragen
Vom Bau der Mauer in Berlin am 13. 8. 1961 waren mehrere tausend DDR-Bewohner, die zu Besuch in der Bundesrepublik oder in Berlin (West) weilten, sowie in Berlin (West) arbeitende Ost-Berliner überrascht worden. Außerdem waren in vielen Familien zunächst nur die Eltern in den Westen gekommen, um sich eine Existenz aufzubauen, und um dann die Kinder nachzuholen. Die Absperrungen zerstörten ihre Hoffnungen, daß die zurückgebliebenen Angehörigen nach einiger Zeit nachreisen könnten. Im Zusammenhang mit den von der Bundesregierung geführten Verhandlungen über die Entlassung politischer Häftlinge aus der DDR gegen materielle Gegenleistungen kam es 1965 zunächst zu Absprachen über die Nachreise der Angehörigen dieser Häftlinge. Hieraus ergaben sich Verhandlungen über die Ausreise getrennter Eheleute, langjähriger Verlobter und von allein oder mit einem Elternteil zurückgebliebenen Kindern. Von 1965 bis 1970 konnte 2.700 Personen, davon 300 Kindern, die Ausreise ermöglicht werden. Die Regelung des endgültigen Verbleibs von 800 bis 1000 Kindern entweder bei einem Elternteil in der DDR oder beim in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Elternteil machte die DDR von der globalen Verrechnung von Unterhaltsguthaben Minderjähriger abhängig, die bei den Banken hüben und drüben aufgelaufen waren, aber wegen fehlender Transfermöglichkeiten zwischen den beiden Staaten nicht den Kindern zugute kommen konnten. Anfang 1969 kam es zu einer Berliner Sondervereinbarung: nach der Überweisung von 5 Mill. DM Unterhaltsgeldern an die DDR konnten 250 Kinder zu ihren Eltern ausreisen.
Im Artikel 7 des Grundlagenvertrages haben die Bundesrepublik Deutschland und die DDR ihre Bereitschaft zur Regelung humanitärer Fragen vereinbart. Einzelheiten sind im Briefwechsel zur Familienzusammenführung, der mit Inkrafttreten des Vertrages wirksam wurde, enthalten. Mit der Veröffentlichung der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 stellte eine große Zahl von DDR-Bewohnern Anträge auf Familienzusammenführung oder Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung hat sich hierbei im Rahmen ihrer Kontakte zur DDR-Regierung um die Lösung dieser Probleme bemüht. Im September 1983 erließ die DDR eine Verordnung, in der die Familienzusammenführung und Eheschließung „mit Ausländern“ formell geregelt wird (Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland).[S. 639]
D. Kultur, Wissenschaft, Kirche, Jugend, Sport
1. Kultur
In den 50er Jahren betonte die DDR die Einheit der deutschen Kultur und Nation und war insbesondere auf staatlicher Ebene um kulturelle Kontakte bemüht. Zu den Aufgaben des 1954 in der DDR gebildeten Ministeriums für Kultur gehörte auch, „Beziehungen zu Künstlern und Kunsteinrichtungen Westdeutschlands anzuregen und durch praktische Maßnahmen zu erleichtern“. Die DDR veranstaltete und initiierte zahlreiche gesamtdeutsche Kulturveranstaltungen, beispielsweise „gesamtdeutsche Kulturgespräche“ zur Leipziger Messe, deutsche Kulturtage in Dresden und 1955 Gespräche mit Kulturminister J. R. Becher in Berlin (West). Von seiten der Bundesregierung und der Bundesländer war man nicht bereit, Angebote für solche staatlich getragenen Veranstaltungen aufzunehmen, weil man darin in erster Linie Versuche zur ideologischen Unterwanderung und Hebel zur politischen Anerkennung sah, unterstützte aber die zahlreichen kulturellen Kontakte außerhalb der staatlichen Ebenen. Die DDR trat mehrmals an staatliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland heran, so im März 1955 mit Vorschlägen an die Ständige Konferenz der Kultusminister, in denen Freizügigkeit im wissenschaftlich-akademischen und künstlerisch-kulturellen Leben, gemeinsamer Sprach-, Literatur- und Wissenschaftspflege sowie gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen und Prüfungen angeboten wurden. Auf der Kulturkonferenz des Zentralkomitees der SED im April 1960 wurde noch einmal die Einheit der deutschen Kultur betont. In einem offenen Brief des Deutschen Kulturbundes (Kulturbund der DDR [KB]) an die westdeutsche Bevölkerung forderte man auch den Abschluß eines Kulturabkommens. 1961, nach dem Bau der Mauer in Berlin, wurden als Reaktion darauf die innerdeutschen Kulturbeziehungen zeitweise von westlicher Seite eingeschränkt; dennoch nahm die Zahl der kulturellen Kontakte bis 1966/67 zu.
Im April 1964 schrieb der Kulturminister der DDR, H. Bentzin, erneut an den Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz; Walter Ulbricht bot mehrere Male den Abschluß eines Kulturabkommens an. Ab 1965 begann dann die DDR im Zuge ihrer Abgrenzungspolitik systematisch gesamtdeutsche Vereinigungen zu behindern. Die Goethe-Gesellschaft beispielsweise wurde in großem Umfang durch die Aufnahme nicht-deutscher Mitglieder internationalisiert. Eine weiter verstärkte Abgrenzung setzte 1966 nach dem nicht zustande gekommenen Redneraustausch zwischen SED und SPD ein. Die gegenseitigen kulturellen Veranstaltungen beschränkten sich auf kommunistische Parteiveranstaltungen (SED — SEW — DKP). Diese Beschränkung dauerte bis etwa 1973 an.
Im Artikel 7 des Grundlagenvertrages ist die Entwicklung und Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur vereinbart worden. Im Zusatzprotokoll zu diesem Artikel wird die Absicht bestätigt, Verhandlungen über den Abschluß von Regierungsabkommen aufzunehmen. Diese Verhandlungen haben im November 1973 begonnen. Zur Delegation der Bundesrepublik Deutschland gehören — neben den Vertretern von Bundesministerien —, dem Kulturföderalismus entsprechend auch zwei Vertreter der Bundesländer. Nach fünf Runden kamen die Verhandlungen im Herbst 1975 zum Stillstand, nachdem die DDR weitere Verhandlungen von der Herausgabe großer Teile der früheren preußischen Sammlungen, die jetzt zur Stiftung preußischer Kulturbesitz gehören, abhängig gemacht hatte. Erst im Herbst 1982 einigten sich die Regierungen auf die Fortsetzung der Verhandlungen, die 1984 intensiv fortgeführt wurden.
Obwohl die DDR zahlreiche Angebote auf Austausch mit dem Hinweis auf das fehlende Kulturabkommen zurückwies, kam es zu Absprachen auf der staatlichen Ebene über kulturelle Präsentation auf der Grundlage von Gegenseitigkeit. So wurde Anfang 1977 im Ausstellungsgelände am Alexanderplatz in Berlin (Ost) die erste offizielle Ausstellung aus der Bundesrepublik Deutschland zu dem Thema „Fotographie in Wissenschaft und Technik“ gezeigt. Im Gegenzug veranstaltete der Kulturbund der DDR im Herbst 1979 eine Foto-Ausstellung in Köln. Dieser Austausch wurde 1980 mit Filmwochen und 1982/83 mit dem Austausch von Ausstellungen fortgesetzt (Kulturelle Zusammenarbeit). Der größte Teil der bestehenden kulturellen Verbindungen beruht auf Aktivitäten von Privatpersonen, Verbänden, Kulturinstitutionen und Gebietskörperschaften. Die meisten Veranstaltungen werden über kommerzielle Agenturen abgewickelt. Eine Monopolstellung hat dabei auf seiten der DDR die Künstler-Agentur der DDR.
In den beiden deutschen Staaten hat die Bühnen- und Konzertkultur einen hohen und weltweit anerkannten Rang. Die Zahl der gegenseitigen Gastspiele ist trotzdem nicht sehr groß. Jährlich gibt es fünf bis sechs Gastspieltourneen von Orchestern der DDR durch das Bundesgebiet. Die Zahl der Theaterstücke, die in den Spielplänen des jeweils anderen Staates verzeichnet sind, ist gering. Verstärkt hat sich in den letzten Jahren der Austausch auf den Gebieten der Jazz- und Popmusik. Die Beziehungen auf dem Gebiet der Literatur sind relativ konstant. Jedes Buch aus der DDR ist im Bundesgebiet erhältlich, Probleme bestehen allerdings durch Lieferschwierigkeiten bei geringen Auflagen, Absprachen bei Lizenzausgaben und einstweiligen Verfügungen bei gleichnamigen Verlagen. Die DDR erwirbt im begrenzten Umfange naturwissenschaftliche Werke und Übersetzungen, die auch den größten Teil der Lizenzen ausmachen. Im Bundesgebiet dagegen ist [S. 640]die zeitgenössische Belletristik der DDR stark verbreitet. Die Kontakte zwischen den beiden Börsenvereinen des Buchhandels sind nicht sehr intensiv, aber beide Staaten sind jeweils stark auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt/Main vertreten (Bücheraustausch). Ein Zentrum des Internationalen Schriftstellerverbandes PEN wurde 1947 gemeinsam gegründet, spaltete sich aber 1951 (P.E.N.-Zentrum DDR). Der letzte gemeinsame Schriftstellerkongreß fand im Oktober 1947 in Berlin statt. Vor dem Bau der Mauer kam es 1961 noch einmal zu einem gesamtdeutschen Schriftstellertreffen in Hamburg. Seit der „Begegnung zur Friedensförderung“ im Dezember 1981 in Berlin (Ost), zu der zahlreiche Schriftsteller und Wissenschaftler aus Ost und West erschienen, folgten mehrere solcher Begegnungen mit unterschiedlichen Veranstaltern in Ost und West.
Nachdem Künstler aus dem Bundesgebiet 1962 zuletzt auf der Deutschen Kunstausstellung in Dresden vertreten waren, haben sich in den 70er Jahren die Kontakte auf dem Gebiet der bildenden Kunst intensiviert.
Im Jahre 1977 beteiligten sich zum ersten Mal Künstler aus der DDR an der documenta in Kassel. Seitdem wurde auf mehreren Ausstellungen im Bundesgebiet, die nicht zuletzt dem Verkauf dienten, moderne Kunst aus der DDR gezeigt. Die Leihbeziehungen zwischen Museen, die neben der Staufferausstellung von 1977 eine Vielzahl von positiven Beispielen bieten, haben sich durch die Haltung der DDR gegenüber der Stiftung preußischer Kulturbesitz erheblich erschwert.
Auf dem Gebiet des Filmwesens und des Fernsehens werden Produktionen im beschränkten Maße ausgetauscht oder gekauft. Im Zusatzprotokoll zum Grundlagenvertrag sind in Ziffer 10 Verhandlungen zur Erweiterung des gegenseitigen Bezugs von Büchern, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehproduktionen vorgesehen. Diese Verhandlungen sind mit den Kulturverhandlungen gekoppelt.
2. Wissenschaft
Die Intensität der wissenschaftlichen Zusammenarbeit hängt nicht zuletzt von den Reisemöglichkeiten ab. So nahmen z.B. an den zwischen dem 14. und 30. 9. 1956 im Bundesgebiet veranstalteten 38 wissenschaftlichen Kongressen 1467 Wissenschaftler aus der DDR teil. Die Zahl der gemeinsam herausgegebenen wissenschaftlichen Zeitschriften, Forschungs- und Sammlungsergebnisse und der Edition wissenschaftlicher Reihen ist zurückgegangen. Entscheidend für die Möglichkeiten solcher Zusammenarbeit sind nicht selten private Verbindungen und zurückhaltende Publizität. Das Interesse der DDR konzentriert sich auf für sie relevante Forschungsbereiche und Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Wissenschaftlicher Austausch erfolgt auch zwischen den Universitäten und insbesondere Akademien (Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle/Saale). Obwohl es noch nicht zum Abschluß des im Grundlagenvertrag vorgesehenen Abkommens über die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik kam, haben die Wissenschaftsbeziehungen erheblich zugenommen.
3. Kirche
Die engen und weitgefächerten Kontakte im kirchlichen Bereich bildeten stets einen stabilisierenden Faktor in den menschlichen Beziehungen (Kirchen), die sich weitgehend außerhalb des staatlichen Einflusses entwickelten. Die Bemühungen der DDR-Regierung, diese Kontakte durch die Trennung der Kirchenorganisationen einzuschränken, blieben erfolglos.
4. Jugend
Zunächst standen die von der SBZ/DDR initiierten Jugendbegegnungen unter gesamtdeutschem Motto. So richtete das „II. FDJ-Parlament“ (23. bis 26. 5. 1947 in Meißen) eine „Botschaft an die deutsche Jugend“ und schlug die Bildung eines gesamtdeutschen Jugendringes vor. Das FDJ-Deutschland-Treffen im Mai 1950 wurde als gesamtdeutsches Treffen deklariert. Mit zunehmenden Reisebeschränkungen (z.B. wurden im Sommer 1957 Oberschülern, Studenten und FDJ-Angehörigen Westreisen verboten) reduzierte sich die Zahl der Begegnungen drastisch. Danach waren Reisen meist nur noch einseitig in die DDR möglich und umfaßten vor allem regelmäßige Kontakte, die sich über lange Jahre hinweg entwickelt und vertieft hatten. Seit den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Berlin (Ost) nahmen einige Mitgliedsverbände des Deutschen Bundesjugendringes offizielle Kontakte zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) bzw. zum Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) auf. Das führte zu gegenseitigen Delegationsbesuchen. Nach einer Absprache zwischen dem Deutschen Bundesjugendring und der FDJ von Ende 1982 wurde das touristische Angebot [S. 641]an Jugendreisen in die DDR erheblich erweitert, auch Informationsbesuche von DDR-Jugendlichen in die Bundesrepublik wurden vereinbart (Jugendaustausch, Innerdeutscher).
5. Sport
1952 brach der Deutsche Sportbund (DSB) wegen zunehmender Politisierungsversuche seitens der DDR die Verbindungen zum Deutschen Sportausschuß der DDR (DSA) vorübergehend ab. Sie wurden Ende 1952, nachdem man übereingekommen war, jeden Mißbrauch der olympischen Idee und des Sports zu politischen Zwecken zu vermeiden und insbesondere jede Diskriminierung West-Berliner Sportler durch die DDR auszuschließen, wieder aufgenommen. Der Sportverkehr erreichte 1957 mit 1530 sportlichen Begegnungen, an denen 35.480 Sportler aus den beiden deutschen Staaten teilnahmen, seinen Höhepunkt. Da von den Treffen in der Bundesrepublik immer mehr Sportler nicht in die DDR zurückkehrten, wurde der Sportverkehr von den DDR-Behörden unter der Beschuldigung der „Abwerbung“ und des „Menschenhandels“ zunehmend gedrosselt. Bei den Olympischen Spielen 1956, 1960 und 1964 konnte man sich noch auf eine gesamtdeutsche Mannschaft einigen (Nationales Olympisches Komitee (NOK) der DDR). Nach dem Bau der Mauer beschlossen der Geschäftsführende Vorstand des DSB und das Präsidium des NOK für Deutschland in einer gemeinsamen Sitzung am 16. 8. 1961 in Düsseldorf die Einstellung der innerdeutschen Sportbeziehungen. Dieser Beschluß wurde durch den DSB-Hauptausschuß erst am 30. 10. 1965 revidiert. Trotzdem kam es nur zu wenigen Begegnungen; von 1966 bis 1970 gab es nur insgesamt 292 gesamtdeutsche Sportbegegnungen mit 5.045 Teilnehmern. 1970 trafen sich in Halle nach 11jähriger Pause zum erstenmal die Spitzenvertreter beider Sportorganisationen. Doch erst nach Abschluß des Grundlagenvertrages vereinbarten im Mai 1974 die beiderseitigen Sportverbände jährliche Festlegungen von Sportbegegnungen und die Einbeziehung der Sportler von Berlin (West) in den Sportverkehr zwischen dem DSB und dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR. Gemessen an der Größe der beiden Sportorganisationen und an den Wünschen der Sportler in der DDR und der Sportvereine in der Bundesrepublik Deutschland ist der Stand der Sportbeziehungen aufgrund der Haltung der DDR nach wie vor gering. 1983 fanden 37 Begegnungen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) und 38 Begegnungen in der DDR und Berlin (Ost) statt (Sport).
E. Gesundheitswesen und Umweltschutz
1. Gesundheitswesen
Als erstes Folgeabkommen zum Grundlagenvertrag wurde am 25. 4. 1974 das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens“ abgeschlossen, in das Berlin (West) durch einen besonderen Artikel ausdrücklich einbezogen ist. Dieses mit Gesetz vom 22. 11. 1975 ratifizierte und am 1. 1. 1976 in Kraft getretene Abkommen gibt Einreisenden aus dem jeweils anderen deutschen Staat einen Rechtsanspruch auf kostenfreie ambulante und stationäre medizinische Hilfe bei akuten Erkrankungen. Die Rückführung in den Herkunftsstaat mit dem Krankenwagen bei schweren Erkrankungen ist insbesondere durch die zentrale Vermittlung dieser Transporte durch die Präsidien der beiden deutschen Rotkreuzgesellschaften (Deutsches Rotes Kreuz (DRK) der DDR) wesentlich verbessert worden. Das Abkommen räumt auch die Möglichkeit von Spezialbehandlungen und -kuren ein und regelt den Informationsaustausch zu Fragen der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und zu Arzneimittelnebenwirkungen. Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der medizinischen Forschung und Praxis, z.B. Teilnahme an Kongressen und Symposien, Hospitationen, Studienreisen und Fachgesprächen wurde erweitert. Seit Januar 1984 ist der Versand bestimmter Arzneimittel im Geschenkpostverkehr zugelassen. Eine ähnlich eingeschränkte Versandmöglichkeit bestand seit 1955, bis 1961 der Versand ganz verboten wurde. Zur Abstimmung von Fragen des Gesundheitsabkommens haben die Gesundheitsminister beider Staaten Beauftragte benannt, die bisher 15mal (Stand: April 1984) zusammengetroffen sind (Gesundheitswesen).
2. Veterinärabkommen
Im Dezember 1979 wurde ein Veterinärabkommen unterzeichnet. Das Abkommen, in das Berlin (West) einbezogen ist, schafft den Rahmen für die fachlich-administrative Zusammenarbeit beider deutscher Staaten auf dem Gebiet des staatlichen Veterinärwesens und bildet die Grundlage, um durch Erfahrungsaustausch, fachliche Informationen und direkte Kontakte bei der Verhütung und Bekämpfung verlustreicher Tierkrankheiten zusammenzuwirken und einen optimalen Hygienestandard für von Tieren stammende Lebensmittel zu gewährleisten.
3. Umweltschutz
Gemäß Zusatzprotokoll zum Grundlagenvertrag Abschnitt II Ziffer 9 wurden im November 1973 Verhandlungen zu einem Umweltschutzabkommen aufgenommen. Nach Errichtung des Umweltbundesamtes in Berlin (West) im Sommer 1974 sind diese Verhandlungen jedoch von der DDR nicht weitergeführt worden. Einige Umweltschutzprobleme im Grenzbereich konnten im Rahmen der Grenzkommission geregelt werden. Seit 1980 kam es dann auch in den einzelnen Umweltschutzbe[S. 642]reichen zu Vereinbarungen bzw. nennenswerten Fortschritten in den Expertengesprächen. Zum Schutz der Berliner Gewässer wurde am 28. 9. 1982 eine Regelung mit der DDR über den Bau dritter Reinigungsstufen in drei Großklärwerken in Berlin (Ost) getroffen. Die Bundesregierung beteiligte sich daran mit einem Betrag von 68 Mill. DM. Im Oktober 1983 wurde eine Vereinbarung zur Regelung der Abwasserprobleme des Flusses Röden (im Raum Sonneberg/Coburg) unterzeichnet. Expertengespräche mit dem Ziel weiterer Regelungen über eine Reduzierung der Salzbelastung der Werra und Weser, über die Schadstoffbelastung der Elbe, über grenzübergreifende Problematik der Luftverunreinigung, über Fragen der Reaktorsicherheit und Notfallschutzplanung und über Umweltrisiken durch grenznahe Mülldeponien wurden 1983 aufgenommen. Expertengespräche über Waldschäden und Verhandlungen über ein Naturschutzabkommen werden angestrebt (Naturschutz; Umweltschutz).
F. Presse und Information
Während DDR-Journalisten seit den 50er Jahren aus der Bundesrepublik Deutschland unter denselben Bedingungen berichten können, wie andere Journalisten auch, waren die Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten aus der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) in der DDR bis 1972 ungeklärt. Die Medien der Bundesrepublik waren deshalb auf Berichte von Mitarbeitern, die privat die DDR besuchten, oder auf in der DDR zugelassene ausländische Korrespondenten angewiesen. Ausnahmen bildeten nur besondere wirtschaftliche, politische und sportliche Ereignisse, zu deren internationalen Pressekonferenzen vor allem die in Berlin (West) tätigen westdeutschen und ausländischen Journalisten eingeladen wurden.
Im Rahmen des Grundlagenvertrages haben die beiden deutschen Staaten sich in einem Briefwechsel gegenseitig verpflichtet, im Rahmen ihrer geltenden Rechtsordnungen Journalisten aus dem jeweils anderen Staat und deren Hilfspersonen das Recht zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit und der freien Information und Berichterstattung zu gewähren, sowie bei rechtmäßiger Ausübung des Berufs die Tätigkeit als Reisekorrespondent und unter Beachtung der Gegenseitigkeit die berufliche Niederlassung als ständiger Korrespondent zu ermöglichen. Damit waren westdeutsche Medien erstmals imstande, Berichte eigener Korrespondenten aus der DDR zu veröffentlichen. Anfang 1984 waren 18 Korrespondenten aus der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) in Berlin (Ost) ständig akkreditiert, die für eine Nachrichtenagentur, Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Rundfunk und Fernsehen arbeiten.
In Bonn sind 6 DDR-Korrespondenten tätig, die eine Tageszeitung, Hörfunk, Fernsehen und die Nachrichtenagentur der DDR, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN), vertreten. Seit 1975 kam es immer wieder zu Behinderungen und sogar Ausweisungen von Journalisten aus der DDR.
Das Büro des SPIEGEL in Berlin (Ost) wurde 1978 geschlossen. Obwohl die Arbeitsbedingungen im o. g. Schriftwechsel festgelegt worden sind und die KSZE-Schlußakte die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten vorsieht, hat die DDR im April 1979 die Arbeitsbedingungen für Korrespondenten nachhaltig verschlechtert. U.a. müssen im Gegensatz zu der bis dahin geübten Praxis bei Reisen außerhalb von Berlin (Ost) die Behörden der DDR 24 Stunden vor Beginn der Reise informiert sowie für Interviews und Befragungen „jeder Art“ Genehmigungen eingeholt werden. Dennoch hat sich die Berichterstattung aus der DDR durch die Tätigkeit der ständigen Korrespondenten in der DDR gegenüber den 50er und 60er Jahren erheblich verbessert. Allerdings ist die Tätigkeit der Journalisten aus der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der restriktiven Pressepolitik in kommunistisch regierten Staaten nicht mit den Arbeitsmöglichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar (Neue Medien; Zeitungsaustausch).
IV. Probleme und Perspektiven
Obwohl die IB. nach wie vor vom allgemeinen Ost-West-Verhältnis stark beeinflußt werden, haben sie sich durch die Interessenlage beider deutscher Staaten zunehmend stabilisiert. Über den Minimalkonsens hinsichtlich der Wahrung des Friedens in Europa und des Abbaus von Spannungen hinaus sind beide Staaten in Deutschland an der Regelung gemeinsam berührender Probleme interessiert. Vorwiegendes DDR-Interesse liegt in der politischen und wirtschaftlichen Stabilität des eigenen Systems nach innen und außen (Kompensation der mangelnden Legitimation, internationales Ansehen, Kredite) und in der Beseitigung des besonderen innerdeutschen Verhältnisses (Geraer Forderungen, Staatsangehörigkeit, Umwandlung der Ständigen Vertretungen in Botschaften, Deutschlandpolitik der SED).
Die Interessen der Bundesrepublik Deutschland liegen im Zuge der Anwendung des modus vivendi und der Verwirklichung gutnachbarlicher Beziehungen in der Einbeziehung und Stärkung der Lebensfähigkeit von Berlin (West), in der Ausweitung der Reisemöglichkeiten (z.B. Senkung des Mindestumtauschs) in beiden Richtungen (z.B. Senkung des Reisealters, Ausreisen), Verbesserung der Lebensbedingungen in der DDR und im Abbau von Grenzschikanen (z.B. Abbau SM 70; Grenze, Innerdeutsche; Kontrollen). Das Ziel der Bundesrepublik Deutschland, auf einen Zustand des Friedens in [S. 643]Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt, bleibt hiervon unberührt.
Ohne die unterschiedlichen Standpunkte und Zielvorstellungen beider Seiten aus den Augen zu verlieren, ist eine Verbesserung und Intensivierung der IB. auf dem Wege des Interessenausgleichs möglich.
V. Verträge und Abmachungen
Bisher wurden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR u.a. folgende Verträge und Vereinbarungen geschlossen:
- Vereinbarung über die Verrechnung der im Post- und Fernmeldeverkehr erbrachten Leistungen (29. 4. 1970; Neufestsetzung der Postpauschale 19. 10. 1977, 15. 11. 1983),
- Protokoll über Verhandlungen zum Post- und Fernmeldeverkehr (30. 9. 1971),
- Vertrag über Fragen des Verkehrs (26. 5. 1972),
- Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen (21. 12. 1972),
- Vereinbarungen über die Grundsätze zur Schadensbekämpfung und über die Instandhaltung der Grenzgewässer (20. 9. 1973, 29. 11. 1978),
- Protokoll über die Errichtung der Ständigen Vertretungen (14. 3. 1974),
- Vereinbarungen über den Transfer von Unterhaltszahlungen und aus Guthaben in bestimmten Fällen (25. 4. 1974, 16. 11. 1978, 18. 6. 1982),
- Abkommen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (25. 4. 1974),
- Vereinbarung über den Fischfang in einem Teil der Lübecker Bucht (29. 6. 1974),
- Protokollvermerk über den Verlauf der Grenze zwischen dem Küstenmeer der Bundesrepublik Deutschland und dem Küstenmeer der DDR (29. 6. 1974),
- Abkommen auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens (30. 3. 1976),
- Vereinbarung über den grenzüberschreitenden Braunkohleabbau im Raum Helmstedt/Harbke (19. 5. 1976),
- Abkommen über die Befreiung von Straßenfahrzeugen von Steuern und Gebühren sowie Vereinbarung einer Pauschalabgeltung von Straßenbenutzungsgebühren für Personenkraftfahrzeuge (31. 10. 1979),
- Abkommen auf dem Gebiet des Veterinärwesens (21. 12. 1979),
- Vereinbarung über die Sanierung des bayerisch-thüringischen Grenzgewässers Röden (12. 10. 1983),
- Vereinbarung über den Postverkehr (15. 11. 1983).
Zwischen Verbänden gab es folgende Vereinbarungen:
- Protokoll über die Regelung der Sportbeziehungen zwischen dem DSB und dem DTSB (8. 5. 1974),
- Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bundesjugendring und der FDJ über einen gegenseitigen Jugendaustausch (20. 9. 1982).
Verträge und Vereinbarungen, Berlin und den Berlin-Verkehr betreffend:
- Viermächte-Abkommen über Berlin (3. 9. 1971),
- Abkommen über den Transitverkehr von und nach Berlin (West) (17. 12. 1971),
- Vereinbarung zwischen dem Senat und der Regierung der DDR zum Reise- und Besucherverkehr und über die Regelung der Frage von Enklaven (20. 12. 1971),
- Vereinbarung zur Verbesserung der Verkehrswege nach und von Berlin (West) (19. 12. 1975, 22. 12. 1977, 16. 11. 1978, 30. 4. 1980),
- Vereinbarung über den Neubau einer zweiten Kammer der Spandauer Schleuse (1. 12. 1974),
- Vereinbarung über die Neuordnung des Eisenbahn-Südgeländes (24. 1. 1980),
- Vereinbarung zu Fragen des Berliner Gewässerschutzes (28. 9. 1982),
- Abkommen über die Übernahme der S-Bahn (30. 12. 1983).
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 629–643