Intensivierung und Rationalisierung (1985)
I. Begriffe und Konzept
1. I. bezeichnet das wirtschaftspolitische Konzept — sowie gelegentlich auch die Maßnahmen —, wirtschaftliches Wachstum durch die intensive Nutzung der vorhandenen Produktionsanlagen (Grundmittel) und des vorhandenen Arbeitskräftepotentials zu erzielen. Gemäß dieser engen Definition sollen Produktionsanlagen nicht mehr extensiv erweitert, sondern nur erneuert und modernisiert, vor allem aber rationeller genutzt und die Arbeitsproduktivität erhöht werden.
Während der Begriff I. die längerfristige Wachstumsstrategie kennzeichnet, umfaßt der Terminus R. alle Maßnahmen zur Umsetzung dieser Strategie. Im Sprachgebrauch der DDR werden häufig beide Begriffe synonym verwendet, insofern beide zur Kennzeichnung von Maßnahmen benutzt werden, mit denen ein höherer Nutzeffekt erreicht werden kann. Zum bestimmenden wirtschaftspolitischen Konzept wurde I. durch Beschluß des VIII. Parteitages der SED (1971), Mitte der 70er Jahre wurde das Konzept unter dem Eindruck gestiegener Rohstoff- und Energiekosten erweitert und wird seitdem als sehr breit angelegter „Hauptweg“ des Wirtschaftens verstanden. In weiter Definition meint I., Wirtschaftswachstum durch ständige R., die Verbesserung der Produktionsstrukturen und die mit Hilfe des wissenschaftlich-technischen Fortschritts erhöhte Nutzung und Weiterentwicklung der Ressourcen zu erzielen. Als Hauptfaktoren der I. gelten: a) die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts (Wissenschaftlich-technische Revolution [WTR]), b) die Steigerung der Arbeitsproduktivität, c) erhöhte Effizienzen der Investitionen und der Nutzung der Produktionsanlagen, d) die längerfristige Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen und Materialien sowie deren bessere Nutzung (Materialwirtschaft), e) die volks- und betriebswirtschaftlich günstige Ausweitung der wirtschaftlichen und Wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit (WTZ) im RGW.
2. R. bezeichnet Maßnahmen in den Wirtschaftsbetrieben, in der Verwaltung und in Bildungs- und Forschungsstätten zur Erzielung eines höheren Nutzeffektes. Im engeren Sinne wird unter R. die Verbesserung der vorhandenen Fertigungseinrichtungen und -organisation verstanden. Mit relativ geringem finanziellem Aufwand (R.-Investition) soll ein möglichst hoher wirtschaftlicher Nutzen erreicht werden. Der Begriff R. wurde in der DDR zunächst gemieden; ab 1963 setzte sich dann die Bezeichnung „sozialistische R.“ durch. Auf der gemeinsamen Konferenz des Zentralkomitees (ZK) der SED und des Ministerrates unter dem Thema „Sozialistische Rationalisierung und Standardisierung“ im Juni 1966 wurde die R. erstmals als wichtiges Instrument zur I. der Wirtschaftsabläufe herausgestellt. Ausgehend von den vorhandenen Arbeitskräften, den Fertigungseinrichtungen und Rohstoffen sowie den Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes soll R. bewirken, „den Reproduktionsprozeß als Ganzes intensiver zu gestalten und dadurch den ökonomischen Nutzeffekt zu erhöhen“ (Thesen, in: Konferenzprotokoll, Berlin [Ost] 1966, S. 155).
Gegenstand der R. sind die Arbeitsabläufe in der Industrie und Verwaltung, ferner im Dienstleistungsbereich und in der Landwirtschaft. In der Vergangenheit bezog sich die R. vornehmlich auf isolierte Arbeitsprozesse. Daneben wurden Betriebsteile und vereinzelt auch Gesamtbetriebe als Ganzes modernisiert. Für die Reorganisation und technische Erneuerung ganzer Produktions- und Verwaltungskomplexe werden auch die Bezeichnungen Rekonstruktion und „komplexe sozialistische R.“ verwendet. Aufgrund der eingetretenen Differenzierung der Sortimente und Fertigungsverfahren, der Transport- und Organisationsmittel ist die übergreifende, ganze Produktions- und Distributionslinien erfassende R. von besonderer Bedeutung.
Anstelle breit durchgeführter R.-Investitionen und „massenhafter“ kleinerer Einsparungen in den Betrieben dominierten jedoch in den Jahren 1967–1971, zwischen dem VII. und VIII. Parteitag der SED, im Rahmen einer forcierten Struktur- und Wachstumspolitik erneut extensive, auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze gerichtete Investitionen. Die gegenwärtige wirtschaftspolitische Linie bezeichnet die I. als den Hauptweg zur quantitativen und qualitativen Leistungssteigerung der Wirtschaft. Bereits der VIII. Parteitag der SED (1971) bestimmte sie zur erstrangigen politischen Aufgabe von „gesamtgesellschaftlicher Bedeutung“. I. bedeutete danach, „die Erzeugung zu steigern, indem wir die vorhandenen Produktionsanlagen und Gebäude besser nutzen und modernisieren, indem wir mit der gleichen Zahl von Arbeitskräften mehr [S. 660]produzieren“ (Protokoll des VIII. Parteitages der SED, Berlin [Ost] 1971, Bd. 1, S. 68). Der IX. Parteitag der SED (1976) hat die I. noch stärker auf die Erschließung „aller vorhandenen Reserven“ bei den Fertigungsausrüstungen und der -organisation, dem Einsatz von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, der Energieanwendung und der Nutzung des Arbeitskräftepotentials gerichtet. R.-Maßnahmen werden damit auch als wirtschaftspolitisches Instrument zur Einsparung von Arbeitsplätzen angesehen. Praktische Erfolge sind jedoch stark davon abhängig, inwieweit es gelingt, die mit der I. und R. verbundenen Faktoren wie Ausbildung, Arbeitszufriedenheit, Preise, wissenschaftlich-technische und organisatorische Innovationen, Rentabilität, empirisch und rechnungsmäßig zukünftig exakter als in der Vergangenheit zu ermitteln. Entsprechend stufte der X. Parteitag der SED (1981) die I. als wirtschaftsstrategische Konzeption noch höher ein, deren Bedeutung nur mit „der Schaffung der sozialistischen Planwirtschaft selbst“ verglichen werden könne (Protokoll des X. Parteitages der SED, Berlin [Ost] 1981, Bd. 2, S. 244).
Die auf dem VIII. Parteitag der SED angekündigte Verbesserung des individuellen Lebensstandards läßt sich bei unveränderter Ausgabenstruktur der staatlichen Haushalte nur durch Wirtschaftswachstum finanzieren. Andererseits erwartet die politische Führung der DDR, daß von der Anhebung des Lebensstandards durch Lohnerhöhungen, Prämien und sozialpolitische Umverteilungsmaßnahmen (Lohnformen und Lohnsystem) starke mobilisierende Impulse auf die Leistungsbereitschaft und -intensität der Beschäftigten ausgehen — ein wechselseitiger Zusammenhang, der in der Formel von der „Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ zusammengefaßt wurde. Wirtschaftswachstum und Lebensstandarderhöhung „fördern wesentlich die Stabilität unserer Ordnung und den gesellschaftspolitischen Vormarsch“ (Direktive des IX. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1976–1980). Der Weg des Wirtschaftswachstums wird in der I. und R. gesehen, der effizienteren Nutzung des Wirtschaftspotentials, der Modernisierung und technischen Erneuerung des Produktionsapparates durch R.-Maßnahmen. Das Kriterium der I. besteht folglich in der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, d.h. auf der volkswirtschaftlichen Ebene der Senkung des Aufwandes an Arbeit und Kapital pro Einheit des produzierten Nationaleinkommens.
Aufgrund der in den Wirtschaftsbereichen und -zweigen unterschiedlichen Produktionsbedingungen ergeben sich unterschiedliche R.-Maßnahmen. Kapitalintensive R.-Maßnahmen werden dort durchgeführt, wo durch den Einsatz von Maschinen und Anlagen Arbeitsplätze eingespart und die Arbeitsproduktivität gesteigert werden können. Derartige R. sind bisher vor allem in der Landwirtschaft und in der Bauindustrie durchgeführt worden. Zukünftig sollen Produktivitätsreserven durch die Mechanisierung des innerbetrieblichen Transports und des Reparatur- und Dienstleistungswesens genutzt werden. In den Zweigen, in denen jedoch bereits moderne Maschinen und Anlagen eingesetzt werden, richten sich arbeitsintensive R.-Maßnahmen auf deren umfassendere und effizientere Nutzung, vor allem durch die Auslastung im Mehrschichtsystem und die Senkung technisch bedingter Stillstandszeiten. Von der arbeitsintensiven R. sind die meisten Industriezweige, die Landwirtschaft, die Bauindustrie sowie das Verkehrs- und Gesundheitswesen betroffen. Drittens lassen sich davon R.-Maßnahmen in Industriezweigen mit kontinuierlicher Fertigung — wie in der Chemischen Industrie, der Metallurgie und der Energieerzeugung — unterscheiden, die weder primär kapital- noch arbeitsintensiv sind, sondern die die I. der Produktion durch die Anwendung von weiterentwickelten und neuen Verfahren und Technologien erreichen.
II. Aufgaben
Die längerfristigen Aufgaben der I. und R. sind von dem Generalsekretär der SED, Erich Honecker, im Jahr 1975 in 10 Punkten konkretisiert worden (Reden und Aufsätze, Bd. 4, Berlin (Ost) 1977, S. 115 ff.). Diese auf dem X. Parteitag der SED aktualisierte Zusammenstellung läßt zugleich Rückschlüsse auf die Engpässe der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung der DDR zu.
1. Wissenschaftlich-technische Entwicklungen sollen schneller und wirtschaftlicher genutzt werden, was in erster Linie die Lösung von Überführungsproblemen voraussetzt. Auf diesem Wege werden zwischen 1981 und 1985 jährliche Einsparungen von 490 bis über 600 Mill. Arbeitsstunden bzw. von 300.000 Arbeitskräften sowie die jährliche Senkung des Energie- und Materialverbrauches um 5–5,5 v.H. erwartet.
2. Die Produktionsanlagen und Maschinen sind längere Zeit auszulasten. Bei wichtigen Anlagen ist die Auslastung bis 1985 auf 16–17 Stunden pro Kalendertag zu steigern. Die Schichtauslastung ist in der Wirtschaft generell zu erhöhen.
3. Die reguläre Arbeitszeit ist besser auszunutzen. Die Ausfallzeiten — z.B. für Versammlungen und Besprechungen — sind ebenso zu senken wie die Warte- und Stillstandszeiten.
4. Die technische Basis der Industrie ist insbesondere in den strukturbestimmenden Zweigen durch ausreichende Zulieferungen durch den Maschinenbau und die Elektrotechnische und elektronische Industrie der DDR zu erneuern und zu modernisieren. Da der Bedarf an R.-Mitteln auch bei raschem [S. 661]Ausbau des Maschinenbaus nicht gedeckt werden kann, sind R.-Mittel durch Eigenproduktion der Betriebe und Kombinate bereitzustellen. Die Produktion von R.-Mitteln in Industriebetrieben soll sich zwischen 1981 und 1985 verdoppeln.
5. Investitionsvorhaben sind gründlicher vorzubereiten und termingerechter durchzuführen. Die Durchführungszeiten sind gegenüber den 70er Jahren um 33–50 v.H. zu verkürzen. Dies gilt besonders für Modernisierungsprojekte.
6. Die Konsumgüterproduktion ist bedarfsgerechter auszubauen. Das Sortiment für den Binnenmarkt soll zunehmend die Qualitäten des Exportsortiments aufweisen.
7. Die laufenden Veränderungen auf den Exportmärkten verlangen flexiblere Reaktionen des Außenhandels.
8. Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung sind die Sicherung der Rohstoff- und Energiebasis sowie eine wirtschaftlichen Kriterien genügende Material- und Energiewirtschaft von entscheidender Bedeutung. Rohstoffe sind möglichst vielseitig zu verwerten.
9. Die Senkung der Produktionskosten, aber auch die Senkung der Gemeinkosten für Leitungs- und Planungsaufgaben sind ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft aller Beschäftigten. Die Selbstkosten in der Industrie sollen bis 1985 jährlich um 3 v.H. sinken.
10. Das fachliche Wissen und die Initiative der Beschäftigten sind für die Fertigung wie für ein gutes Arbeitsklima zu nutzen, die Erfahrungen der „Besten“ schnell und wirksam zu verallgemeinern.
III. Maßnahmen und Methoden der Intensivierung und Rationalisierung
A. Allgemeine Merkmale
Entsprechend dem weiten Verständnis von I. zählen zu den I.-Maßnahmen alle praktischen Schritte, die zu einer Effizienzsteigerung des Wirtschaftens führen. Sie beziehen sich auf Erzeugnisse, Fertigungsverfahren, Arbeitsplätze, Fertigungsabteilungen oder ganze Betriebe und sprechen entweder mehr die wissenschaftlich-technische, die kostenmäßig-wirtschaftliche, die organisatorische oder die soziale Seite der Wirtschaftsabläufe an. Im Mittelpunkt stehen die Maßnahmen der Forschung und Entwicklung und der Investitionen (vgl. „Maßnahmen der I. und R.“). Maßnahmen der R. werden häufig nicht näher von Maßnahmen der I. unterschieden. Als R.-Maßnahmen werden ebenfalls all jene Möglichkeiten gerechnet, die zu einer effizienteren Gestaltung der betrieblichen und gesamtwirtschaftlichen Abläufe führen. Zu ihnen zählen sowohl einzelne Verbesserungsvorschläge von Beschäftigten, die ohne größere Investitionen verwirklicht werden können, sowie beispielsweise auch Investitionsvorhaben zur Umstrukturierung des Sortiments eines Betriebes oder Industriezweiges. Jedoch sollen R.-Maßnahmen Vorrang haben, bei deren Verwirklichung Arbeitsplätze eingespart und Produktivitätssteigerungen erzielt werden, ohne die Fertigungskapazität zu erweitern. Entsprechend stehen diejenigen Schritte im Vordergrund, die als Technisch-Organisatorische Maßnahmen (TOM) auf die Weiterentwicklung der Erzeugnisse, Verfahren und Technologien, die Verbesserung der Arbeitsorganisation, den effizienteren Materialeinsatz, modernisierte Leitungs- und Planungsformen sowie die Fortentwicklung von Normen und Kennziffern gerichtet sind. Die Maßnahmen der I. und R. erscheinen in den Kombinaten und Betrieben vor [S. 662]allem in den Einzelplänen „Wissenschaft und Technik“ und „Grundfondsreproduktion“.
B. Methoden der Intensivierung
Der Kreis der Methoden ist weit gespannt; sie sollen die Arbeit und Initiativen der Beschäftigten auf die Schwerpunkte der I. lenken. Unterscheiden lassen sich hinsichtlich
a) des Aspekts der Arbeitsorganisation und -weise:
- Neuererbewegung
- Sozialistische Arbeitsgemeinschaften
- Arbeit in Erzeugnisgruppen
- Initiativen von „Schrittmachern“,
b) des planungstechnischen und arbeits- und betriebswirtschaftlichen Aspekts:
- Gebrauchswert-Kosten-Analyse (GKA)
- Vergleich und Erfahrungsaustausch
- System- und Prozeßanalysen, Optimierungen
- Arbeit nach personenbezogenen Plänen („persönliche“ und „kollektiv-schöpferische Pläne“, „Notizen zum Plan“, Pflichtenhefte)
- Garantieerklärungen für hohe Qualität, Erzeugnispässe,
c) des politischen Aspekts:
- Kommissionen der SED zu Schwerpunkten der I., z.B. des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der Qualitäts- und Kostenentwicklung.
IV. Hauptmaßnahmen der Rationalisierung
A. Konzentration, Spezialisierung und Standardisierung der Produktion und der Verteilung
Durch den Zusammenschluß mehrerer Betriebe zu Kombinaten, durch überbetriebliche Produktionsverlagerungen innerhalb von Kooperationsverbänden und Erzeugnisgruppen konnten die für die DDR ursprünglich typische Zersplitterung der Produktion auf mittlere und kleinere Betriebe in einzelnen Produktionsgebieten verringert und kostengünstigere Serienfertigungen ermöglicht werden. So sank in der Industrie die Zahl der Betriebe zwischen 1963 und 1973 von 14.861 auf 10.200, während die Beschäftigtenzahl im gleichen Zeitraum von 2.752.000 auf 3.005.000 stieg. Im Jahr 1976 lagen die Betriebs- und Beschäftigtenzahlen bei 7.254 bzw. 3.092.125, im Jahre 1982 bei 4.029 und 3.190.361. Bezogen auf das Jahr 1960 (= 100) sank die Zahl der Industriebetriebe bis zum Jahr 1976 auf 41 und 1982 auf 23. In denselben Zeiträumen stiegen die Beschäftigtenzahl lediglich auf 107 bzw. 111 und die industrielle Bruttoproduktion auf 262 bzw. 340. Auch in der Landwirtschaft wurde eine Konzentration von Beschäftigten und Betrieben erreicht. In der industriellen Forschung und Entwicklung entstanden größere Forschungszentren mit rationelleren Formen der Arbeitsorganisation. Eine besondere Rolle spielte und spielt der inner- und überbetriebliche Aufbau zentraler Fertigungen, in denen die spezialisierte Produktion von gleichartigen Einzelteilen und Baugruppen konzentriert wird. So hatten die in der metallverarbeitenden Industrie seit 1960 eingerichteten 185 zentralen Fertigungen im Jahr 1974 ein jährliches Produktionsvolumen von ca. 1,2 Mrd. Mark (Standardisierung).
B. Anwendung moderner Fertigungsarten und -prinzipien
Die Effizienz und Rentabilität der Fertigung wird maßgeblich durch das Niveau der Fertigungsorganisation, d.h. der Kombination von Fertigungsarten und Fertigungsprinzipien bestimmt. Von den 3 herkömmlichen Fertigungsarten, der Einzel-, Serien- und Massenfertigung, sind in der DDR nach wie vor die Einzel- und die Serienfertigung stark vertreten (s. Tabelle Fertigungsarten und -prinzipien in der metallverarbeitenden Industrie [1972, 1977, 1980]). Es dominieren Klein- und Mittelserien, deren Fertigung aus Kostengründen bisher kaum automatisiert werden konnte. In der metallverarbeitenden Industrie liegt ihr — in den 70er Jahren nicht veränderter — Anteil bei gut 50 v.H. Nur 40 v.H. der Betriebe der DDR fertigen Stückzahlen von 1000 bis 100.000.
Bei den Fertigungsprinzipien wird die auf bestimmte Verfahren spezialisierte Fertigung von der erzeugnisspezialisierten Fertigung unterschieden. Während die betrieblichen Arbeitsbereiche bei der ersteren auf Verfahren spezialisiert sind (Werkstattprinzip), sind sie bei der letzteren auf die Herstellung bestimmter Teile gerichtet (Erzeugnisprinzip bzw. Gegenstandsprinzip). Das Niveau der Fertigungsorganisation in der DDR nach Fertigungsprinzipien wird durch die weite Verbreitung des Werkstattprinzips, vor allem in den Betrieben mit Serien- und Einzelfertigung, gekennzeichnet.
In Betrieben mit Großserien- und Massenfertigung ist dagegen auch die moderne Reihen- und Fließfertigung zu finden. Der Anteil der erzeugnisspezialisierten Fließfertigung an der Gesamtfertigungszeit in der metallverarbeitenden Industrie betrug 1980 erst 6,4 v.H. Die Verbreitung fortschrittlicher Fertigungsarten und -prinzipien schwankt zudem erheblich zwischen den einzelnen Bereichen der metallverarbeitenden Industrie. Während in der wichtigen Investitionsgüterindustrie bei einem hohen Anteil an Einzel- und Kleinserienfertigung die verfahrensspezialisierte Fertigung vorherrscht, ist die Zulieferindustrie durch Serien- und Massenproduktion in erzeugnisspezialisierter Fertigung gekennzeichnet. Die Massenfließfertigung dominiert bisher lediglich in der Konsumgüterindustrie.
Die kontinuierliche Anhebung des wirtschaftlichen Leistungsniveaus der Betriebe und Industriezweige, insbesondere die Steigerung der Arbeitsproduktivität, durch den verstärkten Übergang zur Serien- und [S. 663]Massenproduktion mit kontinuierlichem Fertigungsfluß gehört seit 1971 zu den vorrangigen wirtschaftspolitischen Zielen. Ihre Verwirklichung setzt eine im Vergleich zur bisherigen Praxis erheblich stärkere Spezialisierung der Produktion, ihre Standardisierung sowie die Anwendung moderner Fertigungsverfahren (Technologie) voraus. Für eine rein binnenwirtschaftlich ausgerichtete Spezialisierung ist der Wirtschaftsraum der DDR zu klein, so daß die Produktionsabsprache und Arbeitsteilung innerhalb des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) starke Impulse erhalten.
Zu den Methoden, die zu einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität führen, ist das Verfahren der Mehrmaschinenbedienung zu zählen. Nach dieser Methode bedient ein Beschäftigter mehrere Maschinen, indem die während des selbständigen Laufs einer Maschine auftretenden Wartezeiten zur Bedienung weiterer Maschinen genutzt werden.
C. Mechanisierung und Automatisierung
Da knapp die Hälfte der Produktionsarbeiter der Industrie der DDR nicht an Maschinen arbeitet, können durch die Mechanisierung dieser Arbeiten Produktivitätsreserven erschlossen werden.
Von diesen Arbeitern verrichten 0,75 Mill. schwere und mittelschwere körperliche Arbeit. Einen weiteren Schritt stellt der Übergang von der Mechanisierung zur Automatisierung der Maschinen und Anlagen sowie der Produktionsvorbereitung (Entwicklung und Konstruktion) dar. Problematisch sind auch der im internationalen Vergleich hohe Anteil an Transportarbeitern (1965: 6,6 v.H., 1982: 5,7 v.H.) sowie der bis in jüngste Zeit sehr hohe und zudem stark steigende Anteil an Reparaturarbeitern (1965: 14,8 v.H., 1980: 17,1 v.H., 1982: 17,4 v.H.).
D. Technische Erneuerung
Sie umfaßt die rationellere Gestaltung der Arbeitsabläufe und/oder die technische Neuausstattung der Betriebe und Einrichtungen. Auf die Vervollkommnung und Leistungssteigerung der vorhandenen Fertigungsverfahren und der Fertigungsorganisation richtet sich vor allem das stark ausgebaute innerbe[S. 664]triebliche Vorschlagswesen. Einen Neuerungsschub erwartet man in den 80er Jahren von der intensivierten Anwendung von Mikroelektronik und Industrierobotertechnik.
E. Schichtarbeit
Um die häufig nicht voll ausgelasteten Produktionsanlagen länger zu nutzen, wird seit 1967 (Einführung der 5-Tage-Arbeitswoche) die Umstellung der betrieblichen Arbeitszeitregelungen auf das Zweischicht- und Dreischichtsystem propagiert (s. Tabelle).
Im Jahr 1972 arbeiteten 59 v.H. der Produktionsarbeiter 1schichtig, 15 v.H. 2schichtig und 26 v.H. 3schichtig. Bis zum Jahr 1982 hat sich die Beteiligung an der Schichtarbeit nur wenig verändert: 58,1 v.H. — 12,8 v.H. — 29,1 v.H.
Durch die mehrschichtige Nutzung der Anlagen erhöht sich der Produktionsausstoß, ohne daß die Beschäftigtenzahl proportional ansteigt. Vor allem hochproduktive Anlagen, wie z.B. automatisierte und mittels der Elektronischen ➝Datenverarbeitung (EDV) gesteuerte Maschinen und Fertigungsanlagen, sollen grundsätzlich im Dreischichtsystem betrieben werden.
F. Anwendung moderner Planungs- und Leitungsmethoden
Mathematische Verfahren der Netzplantechnik dienen der R. der Planung, Leitung und Verwaltung (Mathematik); erreicht werden sollen damit Kostenminimierung, höhere Kapazitätsauslastung und bessere Abstimmung von Terminen und Kooperationen. Auf die rationellere Gestaltung der Entscheidungssysteme in den Ministerien, Großbetrieben und territorialen wirtschaftsleitenden Organen richtet sich vor allem der seit 1962 betriebene Aufbau von Informations- und Dokumentationssystemen.
Vorgesehen ist die Verknüpfung der Informations- und Dokumentationssysteme der Wirtschaftsbereiche mit den entsprechenden Einrichtungen der Planungsinstitutionen, dem System von Rechnungsführung und Statistik sowie dem naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen sowie technischen Informations- und Dokumentationssystem (Information). Auch hier werden durchschlagende R.-Erfolge jedoch erst von automatisierten Geräten, die auf der kostengünstigen Grundlage der Mikroelektronik arbeiten, erwartet.
G. Territoriale Rationalisierung
Da der Übergang zur vollen Mehrschichtarbeit bei ausbleibender Automatisierung zusätzliche Arbeitskräfte erfordern würde — die Einführung der zweiten Schicht bei hochproduktiven Anlagen in den industriellen Ballungsgebieten würde allein mehrere hunderttausend Arbeitskräfte fordern —, wird der koordinierten R. der Hilfs- und Nebenprozesse innerhalb territorialer Einheiten (Städte, Gemeinden, Bezirke) besonderes Gewicht zugemessen. Darunter fallen u.a. die Konzentration der Fuhrparks, Lager- und Reparaturwerkstätten mehrerer Betriebe, die gemeinsame Nutzung sozialer, technischer und administrativer Einrichtungen sowie die Abstimmung der Investitionen.
H. Rationalisierungsmittel
Sie umfassen materielle und finanzielle Mittel zur Analyse und rationelleren Gestaltung der Fertigungs- und Arbeitsabläufe. In erster Linie fallen darunter die zur Mechanisierung und Automatisierung notwendigen Maschinen, Datenverarbeitungsanlagen, automatischen Regler, Meß- und Kontrollgeräte. Die unzureichende Bereitstellung eines vielfältigen Sortiments an R.-Mitteln gehörte bisher zu den hemmenden Faktoren der Wirtschaftsentwicklung in der DDR. Seit Mitte der 70er Jahre wird mit Erfolg versucht, diesen Engpaß durch Eigenproduktion in den Betrieben und Kombinaten sowie durch den Aufbau spezialisierter Betriebe für R.-Mittel zu überwinden. Der Wert der im Bereich der zentral geleiteten Industrie durch Eigenproduktion hergestellten R.-Mittel stieg zwischen 1975 und 1982 von 732 auf 3.429 Mill. Mark.
Ralf Rytlewski
Literaturangaben
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- Haustein, H.-D., u. W.-D. Hartmann: Komplex intensivieren. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1978.
- Heinrichs, W., u. H. Maier: Die sozialistische Intensivierung — Hauptweg des ökonomischen Fortschritts bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Berlin (Ost): Dietz 1981.
- Kießig, T., u. W. Otto: Nutzensrechnung in Industriebetrieben und Kombinaten. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1977.
- Krömke, C.: Wirtschaftsorganisation und komplexe sozialistische Rationalisierung. Berlin (Ost): Dietz 1967.
- Leistungsbewertung — Leistungsvergleich — Leistungssteigerung. Autorenkoll. u. Ltg. v. G. Schilling. Berlin (Ost): Dietz 1982.
- Matterne, K., u. S. Tannhäuser: Die Grundmittelwirtschaft in der sozialistischen Industrie der DDR. 2., neuverf. Aufl. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1978.
- Möbis, H.: Zur sozialistischen Betriebswirtschaft und Rationalisierung. Berlin (Ost): Dietz 1968.
- Neuererbewegung — Arbeiterinitiative zur sozialistischen Rationalisierung. Autorenkoll. u. Ltg. v. J. Hemmerling. Berlin (Ost): Staatsverl. der DDR 1973.
- Nick, H.: Rationalisierung in neuer Dimension. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1981.
- Ökonomik der Arbeit. Autorenkoll. u. Ltg. v. H. Wagener. 6. überarb. Aufl. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1974.
- Wissenschaft und Produktion im Sozialismus. Autorenkoll. u. Ltg. v. H. Nick. Berlin (Ost): Dietz 1976.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 659–665