DDR von A-Z, Band 1985

Karikatur (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Die Aufgabe der K. wird in der DDR völlig anders gesehen als in der Bundesrepublik Deutschland oder anderen westlichen Staaten. Es gehört zum Wesen jeder K., das Charakteristische einer Erscheinung besonders hervorzuheben, die Zeichnung mit dem, was verdeutlich werden soll, besonders zu überladen. Während die Karikaturisten in der westlichen Presse das hervorheben und verdeutlichen, was sich ihnen individuell nach Lage der Dinge als charakteristisch oder besonders bemerkenswert darbietet, ist jeder Karikaturist, der für die Presse der DDR arbeitet, verpflichtet, in seinen Darstellungen die Positionen der marxistisch-leninistischen Ideologie zu berücksichtigen. Er soll vor allem diese Denkpositionen mit seinen Mitteln verdeutlichen und Darstellungen vermeiden, die ihnen widersprechen könnten. Dadurch sind den Karikaturisten in der DDR wie in den übrigen osteuropäischen Staaten Ziele und Grenzen der K. weitgehend vorgegeben. Kurt Hager, Mitglied des Politbüros der SED, maßgebend für ideologische Grundsatzfragen und Probleme der Kulturpolitik in der DDR, sagte dazu am 6. 7. 1972: „Durch Lachen, Humor, Heiterkeit sollten die Künstler stärker sozialistisches Selbstbewußtsein, Überlegenheitsgefühl fördern helfen. Manchmal bedarf es nicht nur gutmütigen Humors, sondern auch spitzer Ironie und bissiger Satire, die vor allem den Gegner entlarvt, seine Hohlheit und Aufgeblasenheit, die sich aber auch gegen alles richten kann, was sich bei uns an unsozialistischen Verhaltensweisen breitmacht und nicht gutmütig geduldet werden kann. Wie wir niemandem erlauben, unsere sozialistischen Gesellschaftsgrundlagen anzutasten, werden wir auch zu wachen wissen, daß niemand unsere Bereitschaft zur Selbstkritik für das schmutzige Geschäft unserer Feinde ausnutzen kann.“

 

In der DDR veröffentlichte K. lassen sich in nachstehende Themenbereiche ordnen:

 

1. Darstellung von Mißständen, deren Beseitigung sowohl von der Bevölkerung wie von der politischen Führung gewünscht wird. Beispiele: Versorgungsmängel, Versagen von Dienstleistungsbetrieben, Planungsfehler im Bereich der Wirtschaft u.ä.

 

2. Erzieherische K.: Die Darstellung soll dem Betrachter eigenes Fehlverhalten oder das Fehlverhalten anderer in seinem unmittelbaren Einflußbereich bewußtmachen und zur Änderung des kritisierten Verhaltens anregen. Beispiele: Unrat aus dem eigenen Garten wird auf öffentliche Wege geschüttet; knappe Materialien werden sinnlos vergeudet; öffentliches Eigentum verkommt oder wird beschädigt; Kritik an schlechtem Benehmen oder Umgangsformen im zwischenmenschlichen Bereich.

 

3. „Antiimperialistische“ K.: Zeichnungen, in denen die Zustände in den nichtkommunistischen Ländern oder die Verhaltensweisen nichtkommunistischer Politiker aus der ideologisch fixierten Sicht des Marxismus-Leninismus dargestellt werden. Diese K. wirken auf den Betrachter meist unglaubwürdig, weil hier in der Regel nicht ein vorhandener Wahrheitsgehalt übertrieben wird, sondern eine kommunistische Propagandabehauptung als wahr unterstellt wird. Beispiele: Bettelarme Arbeiter in den westlichen Ländern hausen in verfallenen Elendsquartieren, an denen „Kapitalisten“ in Luxusautos vorbeifahren und hämische Bemerkungen machen; Darstellung von unbelasteten westlichen Politikern in Form eines Hakenkreuzes oder in Verbindung mit anderen nazistischen Symbolen; Bundesverteidigungsminister werden als raubgierige Landsknechte oder Schlächter gezeichnet.

 

Die K. dieser Art diffamieren ihren jeweiligen Gegenstand bewußt. Sie sind im Wesen und in der Funktion mit den mittelalterlichen Schandbildern vergleichbar. In der Presse des Westens gibt es kaum K. dieser Art.

 

4. „Positive“ K.: Darunter fallen K., die durch Übertreibung positiver Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu Tätigkeiten anregen sollen, die im Sinne des SED-Regimes liegen. Beispiele: Ein junger Mann zeigt stolz seine Muskeln, die beim freiwilligen Einsatz im Produktionsbetrieb gewachsen sind. Ein junges Mädchen drückt ihrem Verehrer eine Schaufel in die Hand. Sie arbeiten gemeinsam für die Allgemeinheit und gehen nicht spazieren. Ein klug aussehender junger Mann trägt einen großen Bücherpacken und ermuntert den Betrachter zum Lernen.

 

K. dieser Art sollen den Betrachter zu eifriger Arbeit und zum Lernen anregen. Sie sind kennzeichnend für das Gesellschaftssystem in den kommunistisch regierten Staaten Osteuropas, weil sie vor allem die Erfüllung und Übererfüllung der Produktionspläne stimulieren sollen. Neben K. aus den genannten 4 Kategorien gibt es auch in der Presse der DDR den an der Grenze zur K. stehenden „Schwarzen Humor“ sowie Witzzeichnungen ohne satirische oder politische Absicht. K. von amtierenden kommunistischen Politikern oder von führenden Kommunisten aus der übrigen Welt gibt es in der Presse der DDR nicht. Außerdem erscheinen keine K., die die marxistisch-leninistische Ideologie in Frage stellen.

 

Die „antiimperialistische“ K. sowie die „positive“ K. enthalten fast alle Presseorgane der DDR. Die meisten K. aus allen bisher erwähnten Kategorien enthält die wöchentlich erscheinende Zeitschrift „Eulenspiegel“. Sie beschäftigt die namhaftesten Karikaturisten der DDR, u.a. Heinz Behling, Harri Parschau, Harald Kretschmar, Oliver Harrington, Louis Rauwolf. Angesichts seiner politisch-ideologischen Aufgaben ist der „Eulenspiegel“ mit westlichen satirischen Zeitschriften wie z.B. dem früheren „Pardon“ und „Simplicissimus“ oder dem englischen „Punch“ nicht zu vergleichen. Die Zeitschrift hat Pendants in allen osteuropäischen Staaten. Weitgehendes Vorbild in Inhalt und Aufmachung ist die sowjetische Zeitschrift „Krokodil“. Kabarett.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 709


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.