Kollektiv, Sozialistisches (1985)
Siehe auch die Jahre 1975 1979
Als SK. gelten in der DDR „stabile Vereinigungen von Menschen“, die in den „verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (Produktion, Schulen, Organisationen, Kultur usw.)“ inbesondere als Arbeitskollektive bestehen. Die Angehörigen eines SK. wirken vor allem „im Arbeitsprozeß zur zielstrebigen Erfüllung gemeinsamer Aufgaben und zur Verwirklichung materieller und ideeller Interessen und Ziele“ zusammen. Dem SK. wird eine „höhere soziale Qualität“ als anderen sozialen Gruppen zugesprochen. Die Beziehungen der Mitglieder eines SK. seien von den „sozialistischen Produktionsverhältnissen“, einem dementsprechenden gesellschaftlichen ➝Bewußtsein und den Grundsätzen sozialistischer Moral geprägt (Lexikon der Wirtschaft. Arbeit — Bildung — Soziales, Berlin [Ost] 1982, S. 521 ff.).
SK. sind entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben arbeitsteilig und hierarchisch organisiert; sie sind also keineswegs eine „Gemeinschaft von Gleichen“. Als „gleich“ gelten die Angehörigen eines K. lediglich in Hinblick auf das Eigentum an Produktionsmitteln, nicht aber in bezug auf Arbeitsaufgaben, Qualifikation und Entscheidungs- bzw. Leitungskompetenzen. Darüber hinaus geht die Soziologie der DDR davon aus, daß auch die Bereitschaft, sich in ein SK. zu integrieren und sich innerhalb und für das SK. einzusetzen, ungleich verteilt ist. Die Gruppe der besonders aktiven K.-Mitglieder, die die „gesellschaftlichen Forderungen“ als erste erkennen und gegenüber den anderen Mitgliedern vertreten, wird als K.-Kern bezeichnet. Dieser Kerngruppe wird nicht nur eine besondere „Autorität“ zugesprochen, vielmehr präge sie maßgeblich Ziele, Normen und Verhalten im SK. und damit das K.-Klima.
Das SK. soll sowohl ökonomisch meßbare Leistungen entsprechend den jeweiligen Planvorgaben erbringen — insofern ist es ein „Zweckverband“ — als auch eine neue Form des Zusammenlebens („sozialistische Gemeinschaft“) ermöglichen. Als Erwartungen an „Stil und Ton des K.“ werden genannt: „optimistische, freudbetonte Grundstimmung, Würde, Höflichkeit, Offenheit, Wachsamkeit, Kritik und Selbstkritik, Disziplin und Selbstbeherrschung, Kameradschaft und Hilfsbereitschaft, hohes Anspruchsniveau und hohe Leistungsbe[S. 732]reitschaft, Bescheidenheit und schöpferische Unzufriedenheit mit dem Erreichten, Neuerertum, Wissensdrang, Solidarität u.a. edle Eigenschaften sozialistischer Persönlichkeiten“ (a.a.O., S. 522).
Dieser umfassende Anspruch an das SK. soll seinen Ausdruck im Sozialistischen Wettbewerb mit dem Motto „Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“ um den Titel „K. der sozialistischen Arbeit“ finden. Der Herausbildung von Traditionen im SK. dient u.a. das Brigadetagebuch, die Einbeziehung der Familie in kulturelle und soziale Veranstaltungen des SK. usw.
Die Kollektiv- und Arbeitserziehung steht im Mittelpunkt der pädagogischen Bemühungen in Schule, Hoch- und Fachschule sowie in der Lehrlingsausbildung. Umgekehrt hat auch das SK. einen permanenten Erziehungsauftrag gegenüber seinen Mitgliedern. Hervorgehoben wird die Bedeutung des Leiters eines SK. als Erzieher. Ohne die sich aus den Prinzipien der Einzelleitung und des Demokratischen Zentralismus ergebenden, eigenen Verantwortlichkeiten zu verwischen, hat der „sozialistische Leiter“ die kompetenten K.-Mitglieder an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, das SK. über die getroffenen Entscheidungen, den Stand der Planerfüllung usw. laufend zu unterrichten sowie das Verhalten und die Bewußtseinsentwicklung der K.-Mitglieder ständig in Richtung einer sozialistischen Persönlichkeitsentwicklung (Persönlichkeitstheorie, Sozialistische) zu beeinflussen.
Soziologische Untersuchungen und Erfahrungsberichte aus der DDR belegen einerseits, daß es sehr enge und dauerhafte Beziehungen in den Arbeits-K., vor allem der Industriebetriebe gibt. Andererseits ist es aber bisher kaum gelungen, die K.-Mitglieder dazu zu bewegen, ihre Gruppeninteressen den jeweils geforderten „gesellschaftlichen Aufgaben“ nachzuordnen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 731–732
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