
Konsumgenossenschaften (1985)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979
Die K. sind eine der beiden entscheidenden Organisationsformen des Binnenhandels der DDR. Zusammen mit der volkseigenen Handelsorganisation (HO) sowie einigen Sonderformen repräsentieren sie den „sozialistischen Einzelhandel“, auf den gegenwärtig 88 v.H. des gesamten Umsatzes entfallen.
Ihre Neuzulassung in der damaligen SBZ erfolgte (nach vorübergehender Auflösung in der Zeit des Nationalsozialismus) durch den Erlaß Nr. 176 der SMAD vom 18. 12. 1945. Gleichzeitig wurde den K. ihr früheres Vermögen zurückerstattet und die Rechtsgrundlage für den organisatorischen Wiederaufbau geschaffen. Am 27. 8. 1949 schlossen sich die K. zum „Verband Deutscher Konsumgenossenschaften“ (VDK) zusammen, der noch heute als Verband der K. der DDR Dachverband der K. ist und unmittelbar dem Ministerium für Handel und Versorgung untersteht. Der VDK ist zentrales, wirtschaftsleitendes Organ, dem die Bezirksverbände der K. (mit allen nachgeordneten örtlichen K.) unterstehen, ebenso das Zentrale Unternehmen „konsument“ mit seinen Warenhäusern.
Jeder Bürger der DDR kann (gegen Entrichtung einer einmaligen Aufnahmegebühr) Mitglied der K. werden. Der Mitgliederbestand, der 1932 (im Gebiet der heutigen DDR) bei 0,9 Mill. lag, überschritt bereits 1946 mit 1,3 Mill. den Vorkriegsstand und erweiterte sich seitdem ständig: K.-Mitglieder in Mill.: 1950 = 2,5; 1960 = 3,7; 1967 = 4,0; 1982 = 4,5.
Damit ist die K. zu einer Massenorganisation geworden, der drittgrößten in der DDR, nach dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF). [S. 738]An den Gewinnen, die die K. aus dem Warenverkauf zieht, sind die Mitglieder beteiligt. Sie erhalten eine Rückvergütung entsprechend dem Umfang der Einkäufe, deren Höhe jedes Jahr von den dafür zuständigen K.-Organen festgelegt wird. Die Organe der K. auf Kreis- und Bezirksebene werden alle 2–3 Jahre, der Genossenschaftstag als zentrale Delegiertenkonferenz alle 5 Jahre gewählt. Der Genossenschaftstag wählt neben der Revisionskommission den Genossenschaftsrat und dieser den Vorstand des VDK. Präsident des VDK ist (1983): Heinz Fahrenkrog (SED).
1982 beschäftigten die K. insgesamt 250.000 Arbeiter und Angestellte (neben dem Verkaufspersonal auch Buchhalter, Lagerverwalter, Einkäufer, Dispatcher u.a.). Der genossenschaftliche Charakter dieser Einrichtung kommt u.a. darin zum Ausdruck, daß eine große Zahl von Mitgliedern (derzeit 187.000) als Interessenvertreter der Kunden ehrenamtliche Funktionen der Organisation und Kontrolle in Verkaufsstellenausschüssen und Beiräten einnimmt. Die K. verfügen über rd. 37.000 Handelseinrichtungen, darunter 31.000 Verkaufsstellen und 6.250 Gaststätten (Stand 1980). Damit sind etwa jede dritte Verkaufsstelle und jede fünfte Gaststätte ein Unternehmen der K. Am gesamten Umsatz (Handel und Gaststätten) sind die K. mit rd. einem Drittel beteiligt. Neben ihrer Tätigkeit in Handel und Gastgewerbe führen die K. 85 eigene Betriebe und Kombinate mit einer jährlichen Leistung von 5 Mrd. Mark, unter denen die Produktionsbetriebe von Back- und Fleischwaren — auf sie entfällt ein Produktionswert von 3,5 Mrd. Mark im Jahr — an erster Stelle zu nennen sind.
Wesen und Inhalte der konsumgenossenschaftlichen Idee haben seit der Errichtung der ersten K. in Deutschland 1845 einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren. Der ursprüngliche Gedanke, die Arbeiter durch Schaffung einer Selbsthilfe-Organisation vor Wucher, Preistreiberei und Ausbeutung zu schützen und sie mit einwandfreien Waren zu angemessenen Preisen zu versorgen, ist heute weitgehend überholt. K.- und HO-Läden bieten ihre Waren zu den gleichen festen Preisen an. Dagegen hat sich eine gewisse territoriale Arbeitsteilung zwischen den beiden Formen des sozialistischen Handels herausgebildet. Seit dem Beginn der „Sozialisierung der Landwirtschaft“ im Jahre 1953 wurde den K. die Versorgung der Landbevölkerung als bevorzugtes Arbeitsgebiet zugewiesen. Auf dem IX. Genossenschaftstag des Verbandes der K. im November 1982 erinnerte Werner Jarowinsky (Sekretär für Handel und Versorgung im Sekretariat des ZK der SED, Kandidat des Politbüros des ZK der SED) die anwesenden 1000 Delegierten ausdrücklich daran, ihre „traditionellen Aufgaben in der Landversorgung noch effektiver zu gestalten“. Allerdings nannte der Redner als Ziel für die Arbeit der K. in den 80er Jahren auch eine verstärkte Wirksamkeit „in den Zentren unseres Wohnungsbaus, in den Arbeiterwohngebieten“.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 737–738