DDR von A-Z, Band 1985

Krankenstand (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

K. ist der mit Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall begründete Ausfall an Arbeitszeit, ausgedrückt als Vomhundertanteil an den planmäßig zu leistenden Arbeitszeiten in der Wirtschaft; er wird also anders berechnet als in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik Deutschland, die als K. den Anteil der Arbeitsunfähigen an den versicherungspflichtig Beschäftigten an Stichtagen mißt. Der vorausgeschätzte K. ist Grundlage der Planung von Ausgaben für Krankengeld und geht über den Arbeitskräfteplan in Betriebsplan und Volkswirtschaftsplan ein. Der tatsächliche K. hat den geplanten K. stets erheblich überschritten. Alle Bemühungen, ihn mittels Überwachung der Arbeitsbefreiung unter Kontrolle zu bringen, haben weder eine Senkung auf den der Planung zugrunde gelegten Standard von 5 v.H. zu bewirken, noch vor allem die sehr starken Schwankungen und die regionalen und betrieblichen Unterschiede zu überwinden vermocht. Im Durchschnitt betrug der K. 1965: 5,37; 1970: 5,63; 1973: 6,29; 1975: 6,21; 1978: 6,34; 1980: 6,28; 1982: 6,14 mit regionalen Maxima über 8,3 und betrieblichen über 10 v.H. Der K. bei der Staatlichen Versicherung der DDR (Krankenversicherung der Landwirtschaftlichen und Handwerklichen Produktionsgenossenschaften und der Selbständig Erwerbstätigen) verläuft stets etwa parallel, lag aber 1973 um 17 und noch 1975 um 12 v.H. niedriger. Seitdem hat er sich dem K. der Sozialversicherung des FDGB angeglichen.

 

Die Höhe des K. wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Zu den objektiven Faktoren zählen vor allem die ungünstige Altersstruktur der Berufstätigen und die Doppelbelastung der nahezu vollständig in den Produktionsprozeß einbezogenen Frauen. Die regionalen Unterschiede lassen erkennen, daß — wie in allen hochindustrialisierten Ländern — die Gebiete mit der stärksten Anspannung des Arbeitskräftepotentials auch den höchsten K. aufweisen. Stärkster subjektiver Faktor ist das Fehlen eines Arbeitsplatzrisikos, da Entlassungen wegen der Garantie des allgemeinen Rechts auf Arbeit nur in Ausnahmefällen möglich sind (Arbeitsrecht, III. 3.--6.). Die Fakten werden in der DDR — im Gegensatz zu früheren Zeiten — offen diskutiert, nicht aber die Hintergründe, die nicht allein in der hohen Beanspruchung aller Ressourcen, sondern auch im psychischen und sozialpsychologischen Bereich gesucht werden dürfen (Soziologie und Empirische Sozialforschung, IV.). Kaum zur Diskussion steht die Einsicht der Sachkundigen westlicher Industrieländer, daß ungünstiges „Betriebsklima“ und schlechte Arbeitsplatzbedingungen überaus wichtige Faktoren bilden. Durch Mehrfacherkrankungen in kurzen Zeitabständen ohne objektive Krankheitsbefunde stellt ein kleiner Teil der Arbeitnehmer einen hohen Anteil an den Ausfallzeiten. Statt auf die genannten Faktoren einzuwirken, konzentrieren sich die Bemühungen der verantwortlichen Organe auf die Beeinflussung der Ärzte: hoher K. wird als Zeichen geringer Qualität der ärztlichen Diagnostik und Behandlung gewertet. Dem soll durch statistische Vergleiche der Ärzte untereinander und die Messung ihrer K.-Werte am Optimum des jeweiligen Kreises abgeholfen werden. Tatsächlich werden schon die strengen Überwachungsvorschriften nur lückenhaft eingehalten: selbst bei langfristig Kranken, die spätestens nach 35 Tagen Arbeitsunfähigkeit der Ärzteberatungskommission (ÄBK) vorgestellt werden sollen, wird dies in einem hohen Anteil der Fälle von den Betriebsleitern nicht veranlaßt. Ausfallzeiten; Gesundheitswesen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 749


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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