DDR von A-Z, Band 1985

 

Lohnformen und Lohnsystem (1985)

 

 

Siehe auch:

 

I. Realeinkommen und Arbeitseinkommen

 

 

Jegliches Einkommen, das die Werktätigen in der DDR erhalten, wird statistisch unter dem Begriff Realeinkommen gefaßt.

 

Teile dieses Realeinkommens sind unabhängig von den individuellen Leistungen der Werktätigen und werden entsprechend den Bedürfnissen über den gesellschaftlichen Konsumtionsfonds verteilt. Hierzu gehören u.a. die Aufwendungen für Bildung, Kultur, Verwaltung, Sicherheit, Gesundheitswesen usw. In der kommunistischen Gesellschaftsformation soll die „Verteilung nach den Bedürfnissen“ alleinige Einkommensform werden.

 

Entsprechend dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte könne jedoch im realen Sozialismus die Verteilung nach den Bedürfnissen noch nicht die umfassende gesellschaftliche Verteilungsform sein: Der weitaus größte Teil des Realeinkommens ist in dieser Phase noch von der Arbeitsleistung abhängig. Dieses Einkommen wird als Arbeitseinkommen bezeichnet, als dasjenige Einkommen, „welches entsprechend der Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit vom sozialistischen Staat in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der gesellschaftlichen Entwicklung planmäßig zur Verfügung gestellt wird“.

 

Das Niveau des Arbeitseinkommens in der DDR wird demnach von drei Faktoren bestimmt: von der Effektivität der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, der Leistung des Betriebes und der Leistung des einzelnen. Das Arbeitseinkommen soll so gestaltet sein, daß jedem einzelnen Berufstätigen der Zusammenhang dieser drei Ebenen sichtbar wird.

 

II. Arbeitseinkommen und Arbeitslohn

 

 

Das Arbeitseinkommen, als Einkommen aus eigener Arbeit, setzt sich zusammen aus dem Arbeitslohn und anderen Beträgen, die mit der Arbeitsleistung der Werktätigen unmittelbar zusammenhängen, aber nicht aus dem Lohnfonds finanziert werden, wie die Prämien und die Zuschläge zur Entlohnung. Als Zuschläge zur Entlohnung werden gefaßt:

 

Zuschläge für Arbeitserschwernisse wie Schmutz, Gefahr, Hitze. Zuschläge für planmäßige Schichtarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Zuschläge für Überstunden (Lohnzuschläge);

 

Zusatzlöhne als Entgelt für Zeiträume, in denen keine Arbeitsleistung für den Betrieb erfolgt, so beispielsweise für Erholungsurlaub, Haushaltstag und für die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten;

 

Zuschläge, Zusatzlohn und Lohnausgleich sind Bestandteile des Arbeitslohnes.

 

Zuwendungen, wie Kinder- und Ehegattenzuschläge sowie Weihnachtszuwendungen, die dem Arbeits[S. 844]einkommen, nicht aber dem Arbeitslohn zugerechnet werden.

 

Bei qualitätsgeminderter Produktion und bei Ausschuß besteht die Möglichkeit von Lohnabzug.

 

Der Arbeitslohn als wichtigster Bestandteil des Arbeitseinkommens bildet die Hauptform der Verteilung nach der Arbeitsleistung. In der materiellen Produktion beträgt der Anteil des Arbeitslohnes am Arbeitseinkommen durchschnittlich 95 v.H. Dem Arbeitslohn werden im wesentlichen zwei sich wechselseitig bedingende Funktionen übertragen:

 

1. als Reproduktionsfaktor der Arbeitskraft,

 

2. als ökonomischer Hebel (Materielle Interessiertheit).

 

Zugleich ist der Arbeitslohn Kostenfaktor der sozialistischen Produktion.

 

Der Mindestlohn soll gewährleisten, daß die Werktätigen als Träger der Arbeitskraft sich selbst reproduzieren können, die Ernährung einer Familie und Bildung und Erziehung des Werktätigen gesichert sind.

 

Diese Bedingungen gelten als objektive Faktoren zur Bestimmung des Mindestlohnniveaus. Sie sichern, daß die Werktätigen in dem Umfang mit materiellen Lebensgütern versorgt werden, die die einfache Reproduktion — das Existenzminimum — gewährleistet. Dieses Existenzminimum verändert sich mit dem Wandel in den Lebensbedingungen der werktätigen Bevölkerung.

 

In der DDR herrscht die Meinung, daß unter sozialistischen Produktionsverhältnissen nicht von der einfachen Reproduktion auszugehen ist, sondern von dem „sozialistischen Reproduktionsminimum“. Hierunter wird die „unumgängliche erweiterte Reproduktion“ der Arbeitskraft verstanden, die allein die Herausbildung „allseitig entwickelter sozialistischer Persönlichkeiten“ gewährleistet.

 

Damit sind die objektiven Faktoren der Reproduktionskosten nicht mehr allein ausschlaggebendes Moment für die Festsetzung des Mindestlohns. Dieser wird vielmehr von dem Niveau der Produktivkräfte und der daraus resultierenden Größe des Konsumtionsfonds bestimmt. Hieraus wird gefolgert, daß mit der Entwicklung der Produktivkräfte der Mindestlohn, ausgehend vom Reproduktionsminimum, kontinuierlich steigt, bis die Verteilung nach den Bedürfnissen möglich sein wird.

 

Seit dem 1. Oktober 1976 beträgt der monatliche Mindestbruttolohn 400 Mark (vorher 350 Mark). Der Lohn als ökonomischer Hebel zur Stimulierung der sozialistischen Produktion soll auf eine optimale Übereinstimmung zwischen den „gesellschaftlichen Erfordernissen“ und den „persönlichen materiellen Interessen“ hinwirken. In diesem Zusammenhang soll der Lohn die Werktätigen vor allem zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, zur Senkung der Selbstkosten der Betriebe, zu einer optimalen Kapazitätsausnutzung und einer hohen Qualität der Arbeitsausführung stimulieren. Daneben spielt der Lohn als Qualifizierungsanreiz eine wesentliche Rolle, da der Grad der Qualifikation die Lohnhöhe beeinflußt. Von einem gegebenen Gesamtvolumen des Lohnes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ausgehend, ergibt sich allerdings ein gewisser Widerspruch zwischen der Forderung nach Erhöhung des Mindestlohnes und der Forderung nach Stimulierung durch den Lohn. Denn je höher der Mindestlohn ist, desto weniger Lohnmasse kann der Staat als Anreiz für die „materielle Interessiertheit“ einsetzen. Das Verhältnis zwischen dem gesamten Lohnvolumen und dem Teil, der für die Mindestlöhne benötigt wird, ist also nicht beliebig variierbar, wenn die Rolle des Arbeitslohnes als ökonomischer Hebel aufrechterhalten werden soll.

 

III. Tariflohn und Mehrleistungslohn

 

 

Der Arbeitslohn setzt sich zusammen aus dem Tariflohn und dem Mehrleistungslohn. Im Mehrleistungslohn finden die Qualität der Arbeitsausführung und Quantität der Arbeitsleistung Berücksichtigung und werden durch ihn stimuliert. Die Höhe des Tariflohnes wird durch die Qualität der Arbeitsleistung bestimmt. Der Tariflohn ist jener Anteil am Arbeitslohn, der die Reproduktion der Arbeitskraft sichert und zugleich das Interesse an weiterer Qualifizierung anregen soll.

 

Ausgangspunkt des Tariflohnsystems ist der Mindesttariflohn, der für einfache Arbeit gezahlt wird. Dies ergibt sich aus der bereits entwickelten Argumentation, daß bei jeder Entlohnung die Reproduktion und ein dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte entsprechender Lebensstandard gesichert sein soll und der Mindestlohn diese Bedingungen gerade erfüllt. Daß der Mindesttariflohn also gleich dem Mindestlohn sei, ist zumindest theoretisch zutreffend, da nur der Tariflohn gesichertes Einkommen ist und der Mehrleistungslohn von der Arbeitsausführung abhängig, also unbestimmt ist.

 

Aus dem Prinzip der Verteilung nach der Arbeitsleistung folgt, daß der Tariflohn — aufbauend auf dem Mindesttariflohn — entsprechend den Anforderungen der verschiedenen Tätigkeiten, insbesondere an die Qualifikation und die Verantwortung der Werktätigen, differenziert wird.

 

Die qualitativ unterschiedlichen Arbeitsanforderungen werden durch die Arbeitsklassifizierung berücksichtigt. Mit ihrer Hilfe wird die Anforderung an das Arbeitsvermögen ermittelt und jeweils einer Lohn- bzw. Gehaltsgruppe zugeordnet, denen wiederum unterschiedliche Tariflöhne entsprechen.

 

Die Tarifsätze der einzelnen Beschäftigtengruppen (= Produktionsarbeiter, Meister und Lehrmeister, technische und kaufmännische Angestellte, Wirtschaftler, ingenieur-technisches Personal, nicht in der Produktion Beschäftigte) sind in Tariftabellen zusammengefaßt. Die Tarifsätze aller Tariftabellen [S. 845]sollen entsprechend dem Grad der Arbeitsanforderung in richtigen Proportionen zueinander stehen, damit das Leistungsprinzip nicht verletzt wird. Gegenwärtig ist die Schaffung eines für alle Werktätigen einheitlichen Tarifsystems noch nicht erreicht. Es gibt in der DDR noch Lohndifferenzen, die nicht auf unterschiedlichen Arbeitsanforderungen beruhen:

 

die noch bestehende Differenzierung des Arbeitslohnes nach der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Wirtschaftszweige;

 

die noch bestehende Differenzierung innerhalb der Zweige durch die Anwendung von Betriebsklassen, d.h. Differenzierung in Abhängigkeit von der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Betriebes;

 

Differenzierung der Tarifsätze nach Ortsklassen. Gegenwärtig gibt es noch 2 Ortsklassen, neben Sonderklassen für Schwerpunktobjekte und Großstädte.

 

Ein besonderes Problem sozialistischer Lohnpolitik in der DDR (vgl. Abschn. VI.): Lohnpolitik und Lohnreform) besteht in der Bestimmung eines wirtschaftlich sinnvollen Verhältnisses zwischen Tariflohn und Mehrleistungslohn.

 

In der DDR besteht Einigkeit darüber, daß der Tariflohn den Hauptanteil des Lohnes ausmachen sollte, weil über ihn die Qualität der Arbeitsleistung abgegolten und somit die Werktätigen an der Qualifizierung auch materiell interessiert werden.

 

Grundsätzlich reicht jedoch der Tariflohn zur Bewertung der Arbeitsleistung nicht aus, denn mit ihm können quantitative Leistungsunterschiede — bei gleicher Arbeitsanforderung, d.h. bei qualitativ gleichartiger Arbeit — nicht erfaßt und somit auch nicht materiell ausreichend anerkannt werden.

 

Der Mehrleistungslohn soll den Tariflohn somit dort ergänzen, wo mit diesem die Arbeitsleistung nicht genügend bewertet werden kann. Damit stellt der Mehrleistungslohn das Äquivalent für meßbar unterschiedliche Leistungen dar.

 

Dadurch fungiert der Mehrleistungslohn zugleich als ökonomischer Hebel, der die persönliche materielle Interessiertheit der Werktätigen auf die „Durchsetzung der gesellschaftlichen Erfordernisse zur Erhöhung des Nutzeffekts der Arbeit“ orientieren soll. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit, die unterschiedlichen konkreten Produktions- und Arbeitsleistungen im Lohn zu berücksichtigen. Dies geschieht durch den Einsatz verschiedener Lohnformen (Lf.), durch die festgelegt wird, „in welchem Maße die auf der Grundlage von Arbeitsnormen und anderen Leistungskennziffern gemessene Arbeitsleistung im Einzelfall lohnmäßig berücksichtigt wird … Je nach den gegebenen Produktionsbedingungen sowie der aus ihnen resultierenden konkreten Art der Arbeitsleistung ergibt sich die entsprechende ökonomisch zweckmäßige Form der Entlohnung.“ Zur Bestimmung des Mehrleistungslohnes sind daher Arbeitsnormen (Arbeitsnormung) und andere Leistungskennziffern erforderlich, welche die Maßstäbe für eine differenzierte Entlohnung nach der Quantität der Arbeitsleistung und der Qualität der Arbeitsergebnisse setzen.

 

IV. Lohnformen

 

 

Durch die Lf. wird festgelegt, wie die auf der Grundlage von Arbeitsnormen und Leistungskennziffern gemessene Arbeitsleistung im Lohn berücksichtigt und hierdurch der Mehrleistungslohn realisiert wird. Mit Hilfe von Arbeitsnormen und Kennziffern ist es möglich, auf dem Tariflohn aufbauend diejenige Lf. zu finden, die den jeweiligen speziellen Betriebsbedingungen, am besten angepaßt ist. Infolgedessen können die Betriebe selbst über die Ausarbeitung und Festlegung ökonomisch zweckmäßiger Lf. entscheiden (Arbeitsgesetzbuch [AGB] der DDR vom 16. 6. 1977, § 103,17). Die möglichen Varianten der Entlohnung lassen sich auf 2 Grund-Lf. zurückführen: den Zeitlohn und den Stücklohn.

 

Beim Stücklohn ist die Lohnhöhe abhängig vom Tarifsatz und vom Arbeitszeitaufwand für die Produktion eines bestimmten Erzeugnisses. Die Arbeitsleistung wird also direkt anhand der erzielten Arbeitsergebnisse gemessen. Der Mehrleistungslohn, der sich in diesem Falle prozentual im selben Verhältnis entwickelt wie die Normübererfüllung, ist einseitig an mengenmäßigen Arbeitsergebnissen orientiert. Seine Anwendung ist daher wirtschaftlich nur vertretbar, wenn der Zeitaufwand exakt meßbar und entscheidendes Kriterium ist, wenn für die Qualität des Erzeugnisses keine weitere Kennziffer benötigt wird und die Senkung des Arbeitszeitaufwandes pro Erzeugnis der wichtigste variable Faktor ist. Um bei dieser Form der Entlohnung ungerechtfertigte Lohnsteigerungen zu unterbinden, wird hierbei besonders auf die Einhaltung des Grundsatzes „Neue Technik — Neue Normen“ geachtet.

 

Eine Weiterentwicklung des einfachen Stücklohnes ist der Prämienstücklohn. Da in diesem Fall der aufgrund des mengenmäßigen Arbeitsergebnisses erarbeitete Mehrleistungslohn durch den Erfüllungsgrad qualitativer Kennziffern ergänzt wird, ist eine rein mengenmäßige Leistungsorientierung nicht mehr möglich. Die bei dieser Lf. angewendeten qualitativen Kennziffern können u.a. die Qualität des Erzeugnisses, den Materialverbrauch oder die Kapazitätsausnutzung berücksichtigen.

 

Um jedoch diese Lf. nicht zu kompliziert zu gestalten und den Zusammenhang zwischen Lohn und Leistung für die Werktätigen transparent zu halten, sollten nur 2, höchstens 3 Kennziffern Anwendung finden (vgl.: Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. 6. 1977, § 103,2).

 

Beim Zeitlohn ist die Lohnhöhe abhängig vom Tarifsatz und der geleisteten Arbeitszeit. Die Arbeitsergebnisse werden nicht direkt berücksichtigt, wobei [S. 846]allerdings vorausgesetzt wird, daß die mit der Arbeitsaufgabe verbundene Leistung quantitativ und qualitativ ständig erbracht wird. Dafür stellt der Tariflohn als Ausdruck der Arbeitsanforderung das entsprechende Äquivalent dar. Zwar sind auch hier Leistungsunterschiede möglich, die im Rahmen der „Von-Bis-Spannen“ der Tarifsätze/Gehälter abgegolten werden können, aber grundsätzlich gilt der materielle Anreiz zur Verbesserung der Arbeitsergebnisse als unzureichend. Daher wird der Zeitlohn nur dort angewendet, wo keine meßbaren Leistungskennziffern eingesetzt werden können bzw. ihre Anwendung zu aufwendig ist.

 

Der Prämienzeitlohn, bei dem der einfache Zeitlohn durch ein Prämiensystem ergänzt wird, findet dort seine zweckmäßige Anwendung, wo mengenmäßige Ergebnisse nicht unmittelbar beeinflußt werden können bzw. nicht exakt meßbar sind, aber andere, das materielle Interesse stimulierende Bedingungen gegeben sind, d.h. wo der Arbeiter kaum Einfluß auf den Arbeitszeitaufwand, wohl aber auf die Qualität seiner Produkte und den Materialverbrauch nehmen kann. Mit fortschreitender Mechanisierung und Automatisierung gewinnt diese Lf. wachsende Bedeutung. Grundsätzlich gibt es in der Praxis keine starre Abgrenzung zwischen den einzelnen Lf.; besonders zwischen dem Prämienzeitlohn und dem Prämienstücklohn sind die Grenzen fließend.

 

Eine Unterscheidung der Lf. auf einer ganz anderen Ebene ergibt sich aus ihrer individuellen bzw. kollektiven Anwendung. Bei der individuellen Entlohnung ist die Arbeitsaufgabe eine individuell erfaßbare und abrechenbare Größe. Kollektive Entlohnung bedeutet, daß der Lohn für eine Gruppe von Arbeitskräften in Abhängigkeit von der kollektiven Leistung berechnet wird und die Lohnhöhe des einzelnen sich aus dem Tarifsatz entsprechend seiner Lohngruppe, aus seiner geleisteten Arbeitszeit und aus der Erfüllung der Normen und Kennziffern durch das Kollektiv ergibt. Seine Anwendung kann aus technologischen (Zusammenarbeit an einer Maschine) oder wirtschaftlichen Gründen (Schnellreparatur) notwendig sein. Der Anwendungsbereich dieser kollektiven Lf. wird sich mit der technischen Entwicklung vergrößern.

 

Ein Mangel dieser Lf. war, daß individuelle Leistungsunterschiede innerhalb des Kollektivs kaum Berücksichtigung finden konnten und so die Möglichkeit ungerechtfertigter Gleichbezahlung bestand. Um dem vorzubeugen, hat das neue Arbeitsgesetzbuch (AGB) der DDR festgelegt, daß, wenn einzelne Kollektivmitglieder durch herausragende Leistungen einen besonders hohen Anteil an der Leistung des Kollektivs erringen, der Betriebsleiter nach Beratung im Kollektiv die Lohnhöhe der Mitglieder des Kollektivs nach ihrem persönlichen Anteil an der kollektiven Leistung festlegen kann (AGB § 108).

 

Eine kollektive Lf., die zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Prämienlohn nach Plannormen. Er verbindet unmittelbar die persönliche materielle Interessiertheit mit der Erfüllung der Planaufgaben. Seine Anwendung setzt die Aufschlüsselung des betrieblichen Produktionsplanes voraus.

 

Wichtigste Grundlage sind die TAN (Technischen Arbeitsnormen, Arbeitsnormung), die für jeden Arbeitsgang unter Einbeziehung von gegebenen Leistungskennziffern (u.a. Kapazitätsausnutzung, Qualität) ermittelt werden müssen. Aus der Zusammenfassung der Einzelnormen aller Arbeitsgänge, die in einem Arbeitsbereich vorkommen, werden sogenannte Komplexnormen je Erzeugnis festgelegt, die sodann, multipliziert mit der nach Plan anzufertigenden Menge (Erzeugnismenge), die Plannorm ergeben. Diese Plannorm ist somit die in Arbeitsstunden und in Naturaleinheiten ausgedrückte Planaufgabe für ein Kollektiv. Die Höhe des Mehrleistungslohnes des Kollektivs mißt sich an der Erfüllung der Plannormen und der anderen (qualitativen) Kennziffern. Ausgehend von diesem kollektiv erarbeiteten Mehrleistungslohn wird der individuelle Anteil jedes Werktätigen entsprechend seiner Leistung festgelegt.

 

Das AGB hat ferner gesetzlich geregelt, daß die Ausarbeitung der anzuwendenden Lf. mit den Werktätigen gemeinsam erfolgt. Lf. und Termin ihrer Einführung werden allerdings zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betrieblichen Gewerkschaftsleitung (Betriebsgewerkschaftsorganisation [BGO]) vereinbart (AGB § 104,1).

 

Der Termin der Einführung einer neuen Lf. oder einer Lf.-Veränderung ist den Werktätigen mindestens 2 Wochen vorher bekanntzugeben. Gleichzeitig ist der Betrieb verpflichtet, den Werktätigen Inhalt und Auswirkung der Lf. zu erläutern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie unter den neuen Bedingungen bei gleicher Leistung nicht weniger als bisher verdienen (AGB § 105,1). Dieser Passus steht zumindest insofern im Konflikt mit § 104,1, als er es möglich erscheinen läßt, daß die Ausarbeitung einer neuen Lf. unabhängig von den Wünschen und Bedürfnissen der Belegschaften, „von oben“ durchgesetzt werden kann. Diese Vermutung wird noch dadurch erhärtet, daß bei Lf.-Veränderungen ein Anspruch auf den Durchschnittslohn lediglich bei Fristverletzung gemäß § 105 Abs. 1 besteht (AGB § 105,2).

 

V. Prämie

 

 

Neben dem Arbeitslohn bilden die Prämien den zweiten wichtigen Teil des Arbeitseinkommens. Die Prämie ist ein Geldbetrag oder Sachwert, der in Anerkennung hervorragender individueller oder kollektiver Leistungen beim Sozialistischen Wettbewerb, bei der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit, in der Neuererbewegung und der Durchset[S. 847]zung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts an Werktätige gezahlt wird. Ebenfalls fällig wird eine Prämie als leistungsgerechter Anteil bei der Erfüllung, Übererfüllung und Überbietung der staatlichen Planaufgaben. Die Prämie soll die Funktion des Arbeitslohns ergänzen und das persönliche materielle Interesse an der Durchsetzung der ökonomischen Gesetze und der Erfüllung wichtiger gesellschaftlicher Aufgaben verstärken. Dies soll geschehen, indem die Prämie — beweglicher und variabler als der Lohn — nicht nur auf die individuelle Leistung der Werktätigen bezogen ist, sondern wesentlich von dem Arbeitsergebnis des gesamten Betriebskollektivs abhängt. Damit sind die unterschiedlichen Funktionen von Lohn und Prämie ein Ausdruck der individuellen und der kollektiven Verantwortung, die die Werktätigen im Betrieb tragen.

 

A. Prämienfonds

 

 

Der Prämienfonds (P.) ist ein zweckgebundener Fonds zur Prämierung von Kollektiv- und Einzelleistungen der Werktätigen. Er ist zu bilden von volkseigenen Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen, die nach der Wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiten. Quelle für die Bildung des P. der Betriebe ist der Nettogewinn. Die gesetzlichen Grundlagen für die Planung, Bildung und Verwendung des P. werden durch den Ministerrat der DDR im Einvernehmen mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) festgelegt. Diese Festlegungen sind für die Bereiche der Volkswirtschaft unterschiedlich, dienen jedoch von ihrer Bestimmung her der ökonomischen Stimulierung der Betriebskollektive sowie einzelner Beschäftigter. Damit knüpfen sie an die Materielle Interessiertheit der Werktätigen an.

 

In der Periode des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) war der P. nur an Höhe und Entwicklung des tatsächlichen Nettogewinns des Betriebes gekoppelt. Und zwar schrieben die Regelungen der Jahre 1969 und 1970 (GBl. II, S. 490 ff.) vor, daß er aus einem bestimmten Anteil am P. des Vorjahres (Basisnormativ = Grundzuführung + 15 v.H. des P.-Zuwachses des Vorjahres) sowie aus einem Prozentsatz des Nettogewinnzuwachses des betrachteten Jahres (Zuwachsnormativ) zu bilden war. Der VVB fiel dabei die Aufgabe zu, die Basis- und Zuwachsnormative nach strukturpolitischen Gesichtspunkten zu differenzieren. Weiterhin war festgelegt, daß bei unzureichender Erfüllung bestimmter Aufgaben (z.B. wissenschaftlich-technische Aufgaben oder vorrangige Investitionsprojekte) Minderungen sowie bei unzulässigen Überschreitungen des Lohnfonds Abzüge beim P. wirksam wurden.

 

1971 ist der P. neben der Abhängigkeit vom Nettogewinn auch an die volle Erfüllung zweier vom Betrieb im voraus auszuwählender Aufgaben (z.B. geplanter Export, vorgesehene Kapitalproduktivität) gekoppelt worden. Beginnend mit dem Jahr 1972 trat neben die Bindung an den Nettogewinn auch der Grad der Erfüllung der staatlichen Kennziffer Warenproduktion; nur im Falle von Erhöhungen des P. über das geplante Niveau hinaus war nunmehr zusätzlich die Durchführung zweier — von folgenden Planaufgaben ausgewählter — Aufgaben Voraussetzung: Export nach Wirtschaftsgebieten, an die Bevölkerung abzusetzende Warenproduktion, Arbeitsproduktivität sowie die Produktion wichtiger Erzeugnisse (z.B. Ersatzteile, bestimmte Konsumgüter). (Vgl. GBl. II, 1972, S. 49 ff. u. S. 379 ff.; I, 1973, S. 293 u. S. 485 f. sowie I, 1979, S. 197.)

 

Bei Nichterreichen der geplanten Höhe der Kennziffern Warenproduktion und Nettogewinn erfolgten in jeweils unterschiedlicher Höhe Kürzungen (maximal bis zu 20 v.H. des Prämienfonds) und bei Übererfüllungen Erhöhungen des Fonds. Wurden die Übererfüllungen bereits im voraus in Gegenplänen vom Betrieb übernommen (GBl. I, 1977, S. 4 ff. sowie 1978, S. 37 ff.), so waren verstärkte Erhöhungen des P. vorgesehen. Als zusätzliche P.-Zuführungen in v.H. galten je 1 v.H. Übererfüllung der Plankennziffer

 

 

Mit diesen höheren Zuführungen sollte der Betrieb freiwillig und im voraus zur Übernahme von Verpflichtungen zur Planüberbietung veranlaßt werden. Deshalb wurde auch bestimmt, daß der Betrieb im Falle von höheren als in seinem Gegenplan festgelegten Überbietungen lediglich die normalen zusätzlichen P.-Zuführungen für die über den Gegenplan hinausgehenden Planüberschreitungen durchführen durfte. Nach dem Wegfall des Gegenplans im Jahre 1981 wurden die gleichen Regelungen — für bereits bei der Planausarbeitung übernommene bzw. für normale Übererfüllungen — beibehalten (vgl. GBl. I, 1981, S. 311). Wurde die geplante Höhe des Nettogewinns oder der Warenproduktion nicht erreicht, so waren die Prämienzuführungen um 0,5 bzw. 1,5 v.H. je 1 v.H. Unterschreitung zu mindern, für Unter- bzw. Überschreitung eines geplanten Verlustes galt je Prozent eine Erhöhung bzw. Minderung des P. um 0,5 v.H.

 

Der geplante P. sollte jeweils mindestens so hoch sein wie der geplante Fonds des Vorjahres; als Höchstzuführungen galten je vollbeschäftigten Arbeiter und Angestellten (3 Lehrlinge rechnen dabei als 1 Arbeiter) 900 Mark; dieser Betrag durfte allerdings um die aus der Überbietung von Planauflagen resultierenden P.-Zuführungen überschritten werden, jedoch nur um maximal 200 Mark je Beschäftigten.

 

[S. 848]Nach den neuen, seit Anfang Januar 1983 in Kraft getretenen Regelungen (GBl. I, 1982, S. 595 ff. und S. 598 ff.) setzen sich die Zuführungen zum P. nunmehr zusammen aus: (a) einem — mindestens der Vorjahreshöhe entsprechenden — Grundbetrag je Beschäftigten (x Anzahl der geplanten Vollbeschäftigten [VbE]) plus (b) zusätzliche Zuführungen aus Planüberbietungen sowie für hohe Leistungen bei Exporten und bei der Konsumgüterbereitstellung. Die unter (b) zunächst genannten Zuführungen sind an 2 Faktoren gebunden:

 

1. Die Übererfüllung zweier Kennziffern, die zunächst aus den folgenden vier auszuwählen waren: Warenproduktion, Nettoproduktion, Nettogewinn, Export zu Valutagegenwert. Die für das jeweilige Kombinat bzw. den jeweiligen VEB anzuwendenden zwei Kennziffern wurden von der Staatlichen Plankommission auf Vorschlag des zuständigen Ministers ausgewählt. Seit Einführung der vier Hauptkennziffern der Leistungsbewertung zum Jahresanfang 1984 (Nettoproduktion, Nettogewinn, Erzeugnisse und Leistungen für die Bevölkerung, Export), gilt nunmehr, daß stets der Nettogewinn und eine der anderen Hauptkennziffern Basis für die Zuführungen sind. In der Regel ist es die Materialeinsparungen stimulierende Nettoproduktion, bei Exportbetrieben der Valutagegenwert und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kennziffer Erzeugnisse und Leistungen für die Bevölkerung. In Sonderfällen kann das zuständige Ministerium auch andere Kennziffern vorschlagen, wenn daran die Leistungsfortschritte besser widerzuspiegeln sind.

 

Die Höhe der Zuführungen beträgt jährlich beispielsweise je 1 v.H. Übererfüllung, egal, ob dafür bereits bei der Planausarbeitung eine Verpflichtung übernommen wurde oder nicht:

 

beim Nettogewinn (bzw. bei der Unterbietung eines geplanten Verlustes) 5 Mark je VbE, bei der Nettoproduktion 10 Mark je VbE, beim Export zu Valutagegenwert 20 Mark je VbE.

 

Als maximale zusätzliche Zuführung zum P. ist je VbE — wie bisher — ein Betrag von 200 Mark vorgesehen. Bei Nichterfüllung der relevanten Leistungskennziffern mindern sich die Zuführungen zum P. nach den gleichen — oben genannten — Normativen; der Grundbetrag muß allerdings erhalten bleiben.

 

2. Die zusätzliche Erfüllung zweier weiterer Kennziffern, die der Generaldirektor des Kombinates mit Zustimmung der zuständigen Gewerkschaftsleitung jährlich aus folgenden acht Kennziffern auswählt: Nettoproduktion, Grundmaterialkosten je 100 Mark Warenproduktion, Export nach Wirtschaftsgebieten zu Valutagegenwert, Warenproduktion (bei Baukombinaten und -betrieben Bauproduktion), Steigerung der Arbeitsproduktivität, Senkung der Selbstkosten, Fertigerzeugnisse für die Bevölkerung, Warenproduktion mit Gütezeichen Q. Seit Einführung der vier Hauptkennziffern scheint nunmehr in der Regel die Bedingung zu gelten, daß sie alle vier mindestens erfüllt sein müssen.

 

Generell ist ausgeschlossen, daß unter (1) festgelegte Kennziffern unter (2) nochmals ausgewählt werden dürfen. Für jede, entsprechend Bedingung (2) ausgewählte, aber nicht erfüllte Kennziffer werden die P.-Zuführungen um 25 v.H. gekürzt.

 

Unabhängig von und über (1) und (2) hinaus, können die Betriebe für die Erfüllung hoher Leistungen beim Export sowie für die Erfüllung von Aufgaben der Konsumgüterproduktion mit zusätzlichen P.-Zuführungen belohnt werden.

 

Die Finanzierung des P. erfolgt aus dem Nettogewinn des Betriebes, wobei zusätzliche Zuführungen aus Zusatzgewinnen zu bestreiten sind. Können einzelne Betriebe die notwendigen Mittel planmäßig nicht aus eigenem Gewinn bereitstellen, so erfolgt die Finanzierung aus dem zentralisierten Nettogewinn des Kombinates. Ist einzelnen Betrieben infolge von Mindergewinnen — nach geleisteter Nettogewinnabführung — nicht einmal die Bildung des P. in Höhe des Grundbetrages möglich, so sind Mittel aus dem Reservefonds des Kombinates (Fonds) heranzuziehen.

 

B. Ziel- und Initiativprämien

 

 

Stärker als bisher dienen die Mittel des Prämienfonds — als Ziel- und Initiativprämien — zur Stimulierung von Schwerpunktaufgaben der Leistungsentwicklung (z.B. Produktivitäts-, Effizienzerhöhungen, wissenschaftlich-technische Neuerungen, Materialeinsparungen, Exportsteigerungen, Qualitätsverbesserungen, Kostensenkungen, Einsparung von Arbeitsplätzen). Die dafür anzuwendenden — aus dem Plan abgeleiteten — Leistungskriterien sowie der Anteil der einzelnen Werksbereiche und Produktionsabschnitte am betrieblichen Prämienfonds — entsprechend ihrem Beitrag zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung — werden im Betriebskollektivvertrag (BKV) vereinbart. Für diese Ziel- und Initiativprämien finden grundsätzlich die zusätzlichen, über den Grundbetrag bereitgestellten Prämienmittel Verwendung; sie dürfen zur Finanzierung der Jahresendprämie nur dann herangezogen werden, wenn sonst das Vorjahresniveau der Jahresendprämie nicht zu erreichen wäre.

 

C. Die Jahresendprämie

 

 

Die J. dient dazu, die Planerfüllung des ganzen Jahres anzuerkennen. Der Durchschnittsbetrag je VbE soll in der Regel in der gleichen Höhe festgelegt werden wie im Vorjahr und — im Gegensatz zu früher — auf dieser Höhe längere Zeit verbleiben, sofern sich nicht aus Veränderungen der Beschäftigten- und Qualifikationsstruktur (z.B. Zunahme der Schichtarbeit, vermehrter Einsatz von Facharbeitern und Fachschulabsolventen) zulässige Änderungen ergeben. Haben Betriebe allerdings einen [S. 849]Durchschnittsbetrag von weniger als 800 Mark je VbE, so kann er auf 800 Mark mit Zustimmung des Generaldirektors des Kombinates sowie der zuständigen Gewerkschaftsleitung erhöht werden, wenn überdurchschnittliche Leistungssteigerungen erreicht worden sind. Für die einzelnen Arbeitskollektive sowie einzelne Mitarbeiter erfolgt eine Differenzierung der J. nach Leistung und Beitrag zur Planerfüllung, unter besonderer Berücksichtigung der übernommenen Schichtarbeit. Bei Fehlschichten und Verstößen kann die J. der betreffenden Werktätigen gemindert werden. Die J. wird auch an die leitenden Mitarbeiter von Betrieb und Kombinat gewährt; für sie sind die Hauptkriterien der Leistung: Erfüllung der Exportaufgaben und Verbesserung der Exportrentabilität sowie auch wissenschaftlich-technische Leistungsziele, die Einhaltung bzw. Unterschreitung der beauflagten materiellen und finanziellen Fonds und die vertragsgerechte Erfüllung der Lieferverpflichtungen nach Sortiment und Qualität. Voraussetzung ist allerdings die Bestätigung der Jahresabschlußdokumente durch die Staatliche Finanzrevision.

 

Die Prämierung erfolgt am Schluß jeden Jahres für alle Beschäftigten, die mindestens ein Jahr im Betrieb tätig waren. Im Jahr 1972 erhielten 3,7 Mill. Beschäftigte der zentralgeleiteten Betriebe im Bereich der Industrieministerien eine J. von durchschnittlich 650 Mark, 1975 wurden 764 Mark erreicht. Für das Jahr 1981 wurden je Beschäftigten durchschnittlich 832 Mark gezahlt.

 

Insgesamt zeigt sich eine Tendenz, die J. künftig auf dem 1983 erreichten Niveau einzufrieren, bei allerdings gewisser leistungsbedingter Differenzierung für bestimmte Arbeitskollektive (oder sogar Mitarbeiter). Deutlich verstärkt wurde die Stimulierungsfunktion von Ziel- und Initiativprämien, um Arbeitskollektiven und einzelnen Mitarbeitern besondere Anreize zur Erreichung höherer Exporte, verstärkter Materialeinsparungen und Kostensenkungen sowie zur vermehrten Durchsetzung von Qualitätsverbesserungen zu gewähren.

 

VI. Lohnpolitik und Lohnreform

 

 

Die in den Betrieben der DDR praktizierte Lohnpolitik unterschied sich jahrelang beträchtlich von dem von der SED-Führung angestrebten Zustand.

 

Grundsätzliche Fragen der Entwicklung und Gestaltung des Lohn- und Tarifvertragssystems werden vom Ministerrat (Staatssekretariat für Arbeit und Löhne) in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) beschlossen. Auf dieser Grundlage wird die Gestaltung der Tariflöhne von den wirtschaftsleitenden Organen unter Mitwirkung der zuständigen Gewerkschaftsorgane in Rahmenkollektivverträgen (RKV) geregelt.

 

Aufgabe der Lohnpolitik ist es, den Lohnfonds, der in den Plänen für die gesamte Volkswirtschaft bis hin zu den einzelnen Betrieben und Institutionen festgelegt ist, so einzusetzen, daß er den wachstumspolitischen Zielen entspricht.

 

Im einzelnen sollen eine Erhöhung der Arbeitsleistung, die Hebung des Qualifikationsniveaus und die Lenkung der Arbeitskräfte mit Hilfe der Lohnpolitik erreicht werden. Dazu bedient man sich der Materiellen Interessiertheit der Arbeitnehmer. Das Streben nach einem höheren Lebensstandard soll durch die Differenzierung der Löhne und Gehälter nach Leistung, Anforderung und volkswirtschaftlicher Bedeutung der Wirtschaftszweige in die gewünschten Bahnen gelenkt werden.

 

Das z. T. noch praktizierte, konzeptionell aber bereits überwundene Ls. konnte diese Aufgaben nur unvollkommen erfüllen: In zahlreichen Betrieben hatten sich nicht leistungsbedingte Unterschiede im Lohn herausgebildet; zudem wurde qualifizierte Arbeit oft schlechter als nichtqualifizierte entlohnt.

 

Lohnerhöhungen hatten sich vor allem bei den Produktionsarbeitern über den Mehrleistungslohn vollzogen. Der Anteil des Tariflohns am Arbeitseinkommen betrug durchschnittlich nur noch ca. 50 v.H., in einigen Betrieben noch weniger. Dadurch waren die Wirkungsmöglichkeiten des Tarifsystems als Steuerungsinstrument weitgehend eingeschränkt. Weil der Mehrleistungslohn kaum noch in Abhängigkeit von der Erfüllung der Norm als quasi fester Lohnbestandteil ausgezahlt wurde, verhinderte er eine leistungsgerechte Entlohnung, wenn — wie vielfach beobachtet — Arbeitsproduktivitätssteigerungen nicht durch Normkorrekturen berücksichtigt werden. Außerdem wurden die vorwiegend an den Tarifen ausgerichteten Löhne in Bereichen, in denen eine Leistungsmessung schwer möglich ist, benachteiligt. Häufig wurden davon höher Qualifizierte (z.B. Meister, Techniker) betroffen. Diese Ausweitung des Mehrlohnanteils stand somit der Bereitschaft zu höherer Qualifizierung entgegen. Eine weitere unerwünschte Folge dieser Entwicklung war die Fluktuation aus Bereichen mit geringerem Mehrlohnanteil (z.B. Handel, Dienstleistungen) in solche mit hohem Mehrleistungsanteil. Der Ministerrat der DDR sah sich deshalb veranlaßt, seine Lohnpolitik zu überprüfen. Auf dem 8. Bundeskongreß des FDGB 1972 wurden Änderungen angekündigt, die entsprechend dem „Gemeinsamen Beschluß des Zentralkomitees der SED, des Bundesvorstandes des FDGB und des Ministerrates der DDR über die weitere planmäßige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen im Zeitraum 1976–1980 vom 27. 5. 1976“ für 1,5 Mill. Produktionsarbeiter der Industrie, des Bauwesens und anderer Bereiche der Volkswirtschaft im Verlauf des Planjahrfünfts Wirklichkeit werden sollten: Für diese Arbeiter wurden in Verbindung mit der Wissenschaftlichen ➝Ar[S. 850]beitsorganisation (WAO) neue Grundlöhne eingeführt.

 

Diese lohnpolitischen Veränderungen sahen im Kern eine Anhebung des Tariflohnanteils am Bruttolohn auf 70 bis 80 v.H. vor. Wesentliche Teile des bisherigen Mehrleistungslohnes sollten also in den Tariflohn eingehen. Die Neufestsetzung des Tariflohnes (jetzt Grundlohn genannt) erfolgte auf der Grundlage einer Klassifizierung der formalen Qualifikation sowie der Bewertung der Anforderungen einschließlich der Verantwortung am zu bewertenden Arbeitsplatz.

 

Der gegenwärtig ca. 80 v.H. an der gesamten Bruttolohnsumme betragende Grundlohn wird bei einer Normerfüllung von 100 v.H. voll bezahlt. Wird die Norm von 100 v.H. nicht erfüllt, erfolgen Abzüge vom Grundlohn in Relation zur tatsächlich erbrachten Leistung. Die stärkere Anbindung des neuen Grundlohnes an individuell oder kollektiv beeinflußbare Kennziffern ist ein wesentliches Element dieser Lohngestaltung.

 

Diese unmittelbare Koppelung des Grundlohnes an die Erfüllung technisch begründeter, zumeist quantitativer Arbeitsnormen hat vor allem deswegen gewisse Erfolge gehabt, weil sich die Über- bzw. Untererfüllung der vorgegebenen Normen im Lohn sehr viel drastischer auswirkte als zuvor, da der erhöhte Grundlohnanteil die Bezugsbasis seiner Berechnung darstellt. Erst bei der Normübererfüllung entsteht für den Arbeiter ein Anspruch auf Mehrleistungslohn. Das Kennziffernsystem für den Mehrleistungslohn wurde zugleich über die bloß quantitative Normerfüllung hinaus erweitert. So gibt es Mehrlohnanteile für Qualitätsarbeit und für die produktive Nutzung der Arbeitszeit. Die Mehrlohnanteile für Qualitätsarbeit und produktive Nutzung der Arbeitszeit kommen zur Auszahlung, wenn die Vorgaben mit 100 v.H. erfüllt werden. Bei Übererfüllung erhöhen, bei Untererfüllung reduzieren sich diese Beträge im Verhältnis zur erbrachten Leistung. Sie entfallen, wenn die festgelegten Mindestanforderungen nicht erfüllt werden.

 

Trotz der — zumindest nach offiziellen Bekundungen — insgesamt positiven Bilanz der Grundlohnreform gilt diese, obwohl nur ein Teil der Beschäftigten von ihr erfaßt wurde, nach Aussagen des Staatssekretärs für Arbeit und Löhne, Wolfgang Beyreuther, mit dem Jahr 1982 als „im wesentlichen abgeschlossen“. Bis zu diesem Zeitpunkt waren für 1,8 Mill. Produktionsarbeiter Grundlöhne und für 600.000 Meister, Hoch- und Fachschulkader den Prinzipien der Grundlöhne entsprechende leistungsabhängige Gehälter eingeführt worden. Der Grund für den Abbruch dieser Reform scheint darin zu liegen, daß auch die Grundlöhne noch nicht die arbeitsplatzbezogene Flexibilität aufweisen, die aus der Sicht der Wirtschaftsführung angesichts beschleunigter Rationalisierung und Modernisierung notwendig ist, um zu der angestrebten Leistungsstimulierung zu kommen. Beyreuther nannte bei gleicher Gelegenheit folgende „neue Elemente“, die zukünftig in der Lohnpolitik berücksichtigt werden sollen:

 

„1. … in den meisten Betrieben (kommen) gleichzeitig mehrere Kennziffern der Leistungsstimulierung zur Anwendung … Meist wird eine Kennziffer an Mengenleistungen und eine andere an Qualitätsleistungen gebunden. In zunehmendem Maße werden diese Kennziffern differenzierter. Sie werden immer mehr aus den beeinflußbaren Leistungsfaktoren abgeleitet, die in einem konkreten Arbeitsprozeß gegeben sind. Es ist also ein deutlicher Trend zu einer komplexeren Leistungsstimulierung ablesbar.

 

2. Für Tätigkeiten, für die in der Vergangenheit zumeist ein reiner Zeitlohn zur Anwendung kam, werden in zunehmendem Maße Leistungskennziffern ausgearbeitet und angewendet. Das gilt z.B. für die Arbeitsaufgaben in den sogenannten Hilfsprozessen. Aber auch für Meister sowie Hoch- und Fachschulkader … Damit werden im Grunde genommen alle Werktätigen über Kennziffern der Arbeitsleistung … materiell interessiert.

 

3. In den Betrieben wird eine flexible Arbeit mit Leistungskennziffern angestrebt … Was gemeinsam zu verantworten ist und was gemeinsam zu erarbeiten ist, wird kollektiv stimuliert, und was individuell abrechenbar an Leistungen vollbracht wird, wird auch über individuelle Kennziffern … anerkannt.“

 

Obwohl diese Ausführungen nur wenig „neues“ erkennen lassen, weisen sie darauf hin, daß in den nächsten Jahren eine Vielzahl neuer, rasch wechselnder und kombinierter angewendeter Leistungskennziffern zur Grundlage der Lohnbemessung gemacht werden soll. (Vgl. zu den Einzelheiten: Sozialistische Arbeitswissenschaft, H. 1/1984, S. 8 f.)

 

Jürgen Straßburger (I.-IV., VI.)

 

Manfred Melzer (V.)

 

Literaturangaben

  • Arbeitsökonomie. Lehrbuch. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1982.
  • Napierkowski, Erich, Werner Rogge u. Annemarie Süßmilch: Lohn und Prämie. Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR. 3., überarb. Aufl. Berlin (Ost): Tribüne 1981. (Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR.)

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 843–850


 

Lohnfonds A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Lohnzuschläge

 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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