Nationale Volksarmee (NVA) (1985)
Siehe auch:
Die NVA ist die Armee der DDR und wichtigster Teil der entsprechend der Militärpolitik der SED konzipierten Landesverteidigung.
Ihre Kennzeichnung als „sozialistische Armee“ wird im Selbstverständnis mit mehreren Argumenten begründet: Sie ist das Klassen- und Machtinstrument der Arbeiter-und-Bauern-Macht, die das sozialistische Vaterland gegen alle Feinde des Sozialismus schützt; sie ist Teil des kollektiven Verteidigungsbündnisses der sozialistischen Staaten im Warschauer Pakt; sie arbeitet vor allem eng mit der Sowjetarmee zusammen; sie erfüllt ihren revolutionären Klassenauftrag unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und ist stets bereit, nach deren Beschlüssen zu handeln; schließlich liegt ihrer Aufgabenstellung und ihrem Selbstverständnis eine einheitliche Militärdoktrin zugrunde.
I. Gründung und Entwicklung der NVA
Die eigentliche Gründungsphase der NVA wurde mit dem Abschluß des Warschauer Paktes im Mai 1955 eingeleitet und endete mit der offiziellen Aufnahme der Tätigkeit des Ministeriums für Nationale Verteidigung und der Aufstellung der ersten Einheiten der NVA aus den Bereitschaften der Kasernierten Volkspolizei (KVP) am 1. 3. 1956 (Tag der NVA). Die gesetzliche Grundlage schuf die Volkskammer mit dem Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung am 18. 1. 1956, das u.a. zur Umbenennung der KVP-Einheiten führte. Die Gründung der NVA war der vorläufige Schlußpunkt einer Entwicklung, die 1952 mit der Proklamation der „Nationalen Streitkräfte“ begonnen hatte und in deren Verlauf vor allem die KVP sowie die Grundstrukturen der künftigen Militärorganisation auf- und ausgebaut worden waren. Die Aufstellung der NVA ist nur bedingt als Fortsetzung dieser Politik zu verstehen; neu war vor allem, daß der Aufbau sich im Rahmen des Warschauer Vertrages unter Anleitung der Sowjetunion vollzog.
Die Entwicklung der NVA ist nicht nur von der Tatsache ihrer Unterstellung unter das Oberkommando des Warschauer Vertrages und ihrer Einbindung in das östliche Militärbündnis geprägt. Wesentlichen Einfluß hatten auch die innenpolitischen Rahmenbedingungen, unter denen sich ihr Aufbau vollzog.
Im Unterschied zu den anderen Vertragsarmeen war die NVA bis 1962 eine Freiwilligenarmee. Die Schwierigkeit, den Aufbau der NVA vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen des deutschen Volkes zu begründen, wurde durch die Aufstellung der Bundeswehr kaum erleichtert. Das Freiwilligenprinzip, als Ausweg aus dem Dilemma gewählt, bedingte das Risiko, den personellen Ausbau der NVA nicht planmäßig gestalten zu können. Von der SED, den Gewerkschaften und vor allem der Freien Deutschen Jugend (FDJ) betriebene [S. 932]Kampagnen zum Eintritt in die NVA führten nicht zum gewünschten Ergebnis, da es weder genug Freiwillige gab, noch ihre militärische Vorbildung einen effektiven Einsatz gestattete. In den Augen der SED war positiv zu werten, daß auf diese Weise die „klassenmäßige Basis“ der NVA gestärkt werden konnte; in diesem Umstand (Rekrutierung aus der „Arbeiterklasse“, politisch bewußte Entscheidung für den Wehrdienst) sah sie eine Kompensation mancher Nachteile des Freiwilligenprinzips. Mit der Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962 wurde, nachdem das Verteidigungsgesetz im September 1961 die Voraussetzungen für die Neuregelungen des Wehrdienstes geschaffen hatte, die personelle Verstärkung der NVA eingeleitet.
Die Entwicklung der NVA zu einer auch nach westlichen Maßstäben modern ausgerüsteten und kampfstarken Armee ist nicht ohne Schwierigkeiten und Komplikationen verlaufen. Diese betrafen beispielsweise bis in den Anfang der 60er Jahre das Verhältnis zwischen politischer und militärisch-fachlicher Qualifikation der Offiziere, die Ausrüstung — die Sowjetunion lieferte und liefert nicht immer das neueste und modernste Gerät — sowie die Rekrutierung länger dienenden Personals, vor allen Dingen der Offiziere. Es ist der SED jedoch gelungen, im Rahmen ihrer Militärpolitik sowohl ihre bündnispolitischen Verpflichtungen zu erfüllen als auch durch eine intensive Parteiarbeit in der NVA die politische Führung der Streitkräfte durch die Partei zu sichern sowie die enge Anbindung an die Sowjetarmee durch zahlreiche Aktivitäten zwischen Einheiten der NVA und der Sowjetarmee zu fördern.
II. NVA und Warschauer Pakt
Am 28. 1. 1956 beschloß der Politische Beratende Ausschuß (PBA) des Warschauer Vertrages, die Kontingente der NVA in die Vereinten Streitkräfte einzubeziehen und dem Vereinigten Oberkommando zu unterstellen; der Minister für Nationale Verteidigung der DDR wurde einer der Stellvertreter des Oberkommandierenden. Im Mai 1958 bestätigte der PBA den Beschluß zur Einbeziehung der Truppen der NVA in die Warschauer Vertragsstreitkräfte.
Aufbau, Ausrüstung (ab 1957 mit sowjetischen Waffen und sonstigem militärischem Gerät) und Führung der Truppen der NVA erfolgten entsprechend den Richtlinien des Oberkommandos, was u.a. zur raschen Überwindung bestimmter Anlaufschwierigkeiten in strukturellen Fragen führte. Die Angleichung an die sowjetischen Prinzipien wurde durch bereits 1957 durchgeführte Kommandostabs- und Truppenübungen mit sowjetischen Stäben und Einheiten beschleunigt; in den Stäben und Einheiten der NVA waren sowjetische Militärspezialisten als Berater tätig.
Seit 1961 wurden auch mit anderen Vertragsstaaten gemeinsame Manöver durchgeführt, z.B. 1961 mit polnischen Verbänden und 1962 auf dem Gebiet der ČSSR mit Verbänden der Sowjetarmee und der tschechoslowakischen Volksarmee. Seit 1963 gibt es, beginnend mit „Quartett“ in Thüringen unter Beteiligung von Verbänden der NVA, der polnischen, tschechoslowakischen und Sowjetarmee große Manöver, wie 1965 die Manöver „Berlin“ und „Oktobersturm“ ebenfalls in der DDR mit den gleichen Beteiligten, 1966 das Manöver „Moldau“ in der ČSSR, an dem zusätzlich ungarische Verbände beteiligt waren, 1967 das Manöver „Dnjepr“, das in der Sowjetunion unter Beteiligung von Kommandostäben der NVA stattfand und 1969 das Manöver „Oder-Neiße“ (Sowjetarmee, NVA, poln. Armee). 1970 fand das Manöver „Waffenbrüderschaft“, das auch Kampfgruppen und VP-Bereitschaften einbezog und an dem erstmalig alle Paktstreitkräfte beteiligt waren, statt. 1972, 1976, 1979 und 1982 wurden unter der Bezeichnung „Schild“ große Manöver durchgeführt. An anderen war die NVA nur sporadisch beteiligt (z.B. 1981 im Ostseeraum). Das letzte gemeinsame Manöver unter Beteiligung von Streitkräften aus allen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes fand 1980 („Waffenbrüderschaft“) statt.
Unabhängig von diesen gemeinsamen Manövern führt die NVA Manöver, Truppenübungen und Stabsübungen auf verschiedenen Ebenen mit Einheiten der sowjetischen Armee in der DDR durch. Die Luftstreitkräfte sind im Rahmen des „Diensthabenden Systems“ an Luftverteidigungsmanövern und die Volksmarine an Flottenmanövern mit sowjetischen und polnischen Einheiten und Verbänden beteiligt. (Das „Diensthabenden System“ bedeutet, daß in einem rotierenden Verfahren bestimmte Luftverteidigungseinheiten [Funktechni[S. 933]sche Dienste und Jagdfliegerverbände] sowie Einheiten der Raketentruppen permanent in eine höhere Stufe der Gefechtsbereitschaft versetzt sind, um einen möglichen Überraschungsangriff aus der Luft abwehren zu können.)
Die im März 1969 vom PBA getroffene Entscheidung zum Aufbau gemeinsamer Verbände der Land-, Luft- und Seestreitkräfte hat zur Integration der mobilen Verbände und Truppenteile der NVA in eine neue Kommandostruktur geführt; ihre Verbände gehören seitdem zu den strategischen Einsatzkräften (erste strategische Staffel) der Warschauer Vertragsstreitkräfte.
III. Ausbildung
Die Notwendigkeit, genügend politisch, militärisch und fachlich geschultes Personal zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und zur Führung der Streitkräfte bereitzustellen, bestimmte seit 1958 die Ausbildungspolitik in der NVA. 1958/59 wurde in der NVA mit der Durchführung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen begonnen. Die 1956 gegründeten und in Offiziersschulen umgewandelten Bildungseinrichtungen der NVA wurden zu Fachschulen erklärt. Auf ihnen wurden vor allem Offiziere bis zur Führungsebene Regiment ausgebildet. Die neuen Lehrprogramme wurden auf einer Schulkonferenz 1959 beraten. Als Aufgabe wurde den Offiziersschulen die Heranbildung von Offizieren mit Kommandeureigenschaften, ausreichenden politischen, taktischen, technischen und methodischen sowie allgemeinen Kenntnissen gestellt. Diese Aufgabenstellung wurde 1963 auf einer Kaderkonferenz verändert. Sie forderte ein höheres Niveau an politischer, militärischer, militärtechnischer, naturwissenschaftlicher und pädagogischer Ausbildung der Offiziere der NVA. Im Herbst 1963 wurden für die 3 Teilstreitkräfte sowie für die Grenztruppen je eine Offiziersschule durch Zusammenlegung der bisherigen gegründet.
Am 1. 12. 1963 trat für die NVA ein einheitliches Bildungssystem in Kraft, das u.a. eine wesentliche Verbesserung der gesellschaftswissenschaftlichen Ausbildung vorsah. Die im September 1965 erlassene AO des Ministers für Nationale Verteidigung „Über die Grundlagen für die Organisation der Ausbildung an den Offiziersschulen der NVA“ bestimmte, daß die 4jährige Ausbildung auf 3 Jahre reduziert und die technischen Ausbildungszweige mit der Ingenieurqualifikation abgeschlossen werden sollten. Die 1. Bildungskonferenz der NVA im Dezember 1968 begründete die neuen Ausbildungsforderungen an die Offiziersschulen, die im Februar 1971 zu Offiziershochschulen aufgewertet wurden. 1982 brachte die Wiedereinführung des 4jährigen Studiums für Offiziere. Der Studienabschluß erfolgt als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler (Politoffizier), Diplom-Ingenieurpädagoge (Kommandeur), Diplomingenieur (Kommandant oder Offz. d. Techn. Dienste) oder Diplom-Ingenieurökonom (Offz. d. Rückwärt. Dienste bzw. der Zivilverteidigung). Die zusätzliche gesellschafts- und militärwissenschaftliche Ausbildung von Offizieren für den Einsatz in Führungsfunktionen ab Kommandoebene Truppenteil (Regiment) erfolgt an der Militärakademie „Friedrich Engels“, an der Militärmedizinischen Akademie, an der Sektion „Militärisches Nachrichten- und Transportwesen“ der Hochschule für Verkehrswesen „F. List“ in Dresden sowie am Militärgerichtlichen Institut; für bestimmte Spezialausbildungen werden darüber hinaus zivile Hochschuleinrichtungen genutzt. 1981 hatten 90 v.H. der Offiziere einen Hoch- bzw. Fachschulabschluß. — Offiziere für Führungsfunktionen in hohen Kommandopositionen und für Spezialbereiche werden seit Gründung der NVA auch an sowjetischen Schulen und Militärakademien ausgebildet.
Die 1959 gegründete Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden erhielt bereits 1962 den Status einer Hochschule. Sie verleiht die in Benennung und Inhalt von den Abschlüssen der Offiziershochschulen sich teilweise unterscheidenden Grade Dipl.-Militärwissenschaftler, Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler, Dipl.-Ingenieur; seit 1965 besitzt sie das Promotionsrecht. An ihr werden Offiziere aller Teilstreitkräfte je nach Fachrichtung — in 3–4jährigen Kursen — ausgebildet; 240 Offiziere, die für einen Generals- bzw. Admiralsrang vorgesehen sind, erhalten eine zusätzliche Ausbildung in der Sowjetunion. Fähnriche werden an entsprechenden Fachschuleinrichtungen der NVA, an zivilen Fachschulen im Direkt- oder Fernstudium, in Fähnrichlehrgängen bzw. durch eine dreimonatige militärische Vorbereitung (nur für Absolventen ziviler Fachschulen) herangebildet. — Ausbildungsstätten für Berufs-Unteroffiziere sind neben der Militärtechnischen Schule „E. Habersaath“ die 4 Unteroffiziersschulen der Landstreitkräfte, die Flottenschule der Volksmarine sowie die Unteroffiziersschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung. Sie werden auch von den Unteroffizieren auf Zeit besucht; diese erhalten eine gesellschaftswissenschaftliche, eine Gefechts-, eine Spezial- sowie eine allgemeinmilitärische Ausbildung. Laut Förderungsverordnung vom 13. 2. 1975 sind die im aktiven Wehrdienst erworbenen Diplome, Zeugnisse, Berechtigungen, Qualifikations- und Befähigungsnachweise den vergleichbaren Dokumenten von Hoch- oder Fachschulen gleichgestellt. Außerdem können Armeeangehörige nach der Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen eine verkürzte Ausbildung absolvieren und eine Facharbeiterqualifikation erwerben. Die ständig steigenden Bildungsanforderungen an die militärischen Führungskader, die sich aus der komplizierter werdenden Militärtechnik, der Entwicklung der Militärwissenschaft (d.h. aus der „Re[S. 934]volution im Militärwesen“) ergeben, sowie die erhöhten Ansprüche an die politisch-ideologische Erziehungsarbeit, die nach Ansicht der SED in der sich verschärfenden „Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus“ ihre Ursache haben, geben den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der NVA auch zukünftig einen hohen politischen Stellenwert.
IV. Gliederung
Die NVA gliedert sich in Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte/Luftverteidigung und die Volksmarine; die Grenztruppen der DDR sind dem Minister für Nationale Verteidigung unterstellt, aber keine Teilstreitkraft der NVA.
Oberste Führungsinstanz ist das Ministerium für Nationale Verteidigung, das den Militärbezirk I bildet. Der Hauptstab des Ministeriums führt die Landstreitkräfte. Diese sind in die Militärbezirke III (Leipzig) und V (Neubrandenburg) gegliedert. Militärbezirke sind in der NVA „eine höhere militäradministrative territoriale Vereinigung von Verbänden, Truppenteilen, Einheiten und militärischen Einrichtungen verschiedener Waffengattungen, Spezialtruppen und Dienste“ (Militärlexikon, 2. Aufl., Berlin [Ost] 1974). Die einzelnen Teilstreitkräfte gliedern sich in Verbände (Division), Truppenteile (Regiment) und Einheit (Gruppe, Zug, Kompanie und Bataillon).
Die Landstreitkräfte (2 Panzer- und 4 Mot.-Schützen-Divisionen) sind die größte (1980: 113.000 Mann) und vielseitigste Teilstreitkraft der NVA. Sie gliedern sich in Waffengattungen (motorisierte Schützentruppen, Panzertruppen, Raketentruppen und Artillerie, Truppenluftabwehr, Fallschirmjäger), Spezialtruppen (Nachrichten- und Pioniertruppen) und Dienste (rückwärtige Dienste, chemischer Dienst). Berufsoffiziere werden an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“ ausgebildet.
Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (LSK/LV) bilden den Militärbezirk II. Sie sind in Waffengattungen (Fla-Raketen-Truppen, Fliegerkräfte, Funktechnische Truppen) gegliedert und verfügen über folgende Spezialtruppen und Dienste: Truppen der fliegertechnischen und flugplatztechnischen Sicherstellung, Nachrichten- und Flugsicherungstruppen, Truppen der chemischen Abwehr, Truppen der versorgungstechnischen und medizinischen Sicherstellung, über einen eigenen meteorologischen Dienst, über Werkstätten, Lager- und Transporteinrichtungen. Zu den Fliegerkräften gehören neben 2 Jagdfliegerdivisionen und 1 Jagdfliegerausbildungsdivision Hubschraubereinheiten und Transportfliegerkräfte für Spezialaufgaben (Personen- und Lastentransport, Verbindungs-, Such- und Rettungsflüge). Die Fla-Raketen-Truppen, die Jagdfliegerkräfte und die Funktechnischen Truppen (Funkmeßstationen und Leitstellen) sind in das diensthabende System der Luftverteidigung des Warschauer Vertrages einbezogen.
An der Offiziershochschule der LSK/LV „Franz Mehring“ werden Flugzeugführer und Offiziere für Führungsorgane, Offiziere des Fliegeringenieurdienstes, der Funktechnischen Truppen und der Fla-Raketen-Truppen ausgebildet. Zur LSK/LV gehörten 1981 ca. 38.000 Mann.
Die Volksmarine (Militärbezirk IV) — sie trägt diesen Namen seit dem 3. 11. 1960 (Jahrestag des Matrosenaufstandes von Kiel 1918) — gliedert sich in Stoßkräfte (Raketen- und Torpedoschnellboote), Sicherungskräfte (U-Boot-Abwehrschiffe, Minen-, Such- und Räumschiffe, Küstenschutzschiffe) sowie mittlere und kleine Landungsschiffe. Zu diesen Kampfschiffen kommen Hilfsschiffe (Versorger-, Tank-, Bergungsschiffe, Schlepper, Feuerlöschboote und Taucherfahrzeuge) hinzu. Daneben gehören zur VM Seefliegerkräfte (1 Hubschrauberstaffel) sowie verschiedene Spezialtruppen (Pioniere) und Dienste (Chemischer Dienst). Die Seeoffiziere und Schiffsmaschinenoffiziere werden an der Offiziersschule der VM „Karl Liebknecht“ ausgebildet. 1981 zählten zur VM ca. 16.000 Mann.
Die Grenztruppen der DDR sind zwar keine Teilstreitkraft der NVA, haben aber im Kriegsfall militärische Aufgaben zu erfüllen. Der Chef der Grenztruppen ist Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung. Die „Grenzbrigade Küste“ sichert zusammen mit der Volksmarine die Seegrenze der DDR (360 km); die Verbände der Kommandos Nord, Mitte und Süd die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland (1378 km) sowie die Grenze um Berlin (West) (160 km). Die Grenztruppen überwachen mit 2 Regimentern ferner die Grenzen zur ČSSR und zur VR Polen. Zu den Grenztruppen (Stärke 1981: ca. 46.500 Mann) gehören 3 Ausbildungsregimenter; die Offiziershochschule „Rosa Luxemburg“ bildet die Kommandeure von Einheiten der Grenztruppen der DDR aus. Die Unteroffiziersschule „Egon Schultz“ dient der Ausbildung der Unteroffiziere der Grenztruppen (Grenzsicherung), der Rückwärtigen Dienste und des Kfz-Dienstes sowie der Nachrichtenunteroffiziere für Kommandeursverwendungen.
Eine besondere Aufgabe erfüllt der Kommandantendienst der NVA. Er arbeitet die Grundsätze des Verhaltens im Dienst aus, bearbeitet und untersucht strafbare Handlungen und besondere Vorkommnisse entsprechend der Melde- und Untersuchungsordnung und achtet auf die Einhaltung der Bestimmungen über Wachsamkeit, Geheimnisschutz sowie den Umgang mit Verschlußsachen. Er verrichtet militärische Ordnungs- und Verkehrsdienste (Verkehrsreglereinheiten), kontrolliert das Verhalten der Soldaten der NVA in der Öffentlichkeit, bei Truppenübungen und Manövern, überprüft deren [S. 935]Dokumente (Wehrdienstausweis, Urlaubsschein), achtet auf das vorschriftsmäßige Tragen der Uniform, stellt die Disziplin und öffentliche Ordnung bei Verstößen und Fehlverhalten von Angehörigen der NVA wieder her und kontrolliert Militär- und Zivilkraftfahrer der NVA, deren Fahrzeuge sowie deren Verhalten im Verkehr.
Nach dem Dienstverhältnis sind in der NVA folgende Gruppen zu unterscheiden: Soldaten im Grundwehrdienst (18 Monate Wehrpflicht), Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere auf Zeit (Mindestverpflichtung 3 Jahre), Offiziere auf Zeit (Bewerberkreis: Unteroffiziere auf Zeit), Berufsunteroffiziere (Mindestdienstzeit 10 Jahre), Fähnriche (Mindestdienstzeit 15 Jahre) sowie Berufsoffiziere (Mindestdienstzeit 25 Jahre).
In der NVA existieren die in der nebenstehenden Tabelle aufgeführten Dienstgradbezeichnungen.
Der höchste militärische Dienstgrad — 1982 eingeführt, aber bisher noch nicht verliehen — ist der eines Marschalls der DDR. Die Ernennung zum Marschall erfolgt im Verteidigungsfall oder für außergewöhnliche militärische Leistungen.
Die Armeeangehörigen leisten folgenden Fahneneid:
„Ich schwöre: Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen jeden Feind zu schützen.
Ich schwöre: An der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen Länder als Soldat der Nationalen Volksarmee jederzeit bereit zu sein, den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen.
Ich schwöre: Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Soldat zu sein, den militärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen und die militärischen und staatlichen Geheimnisse immer streng zu wahren.
Ich schwöre: Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben, die militärischen Vorschriften zu erfüllen und immer und überall die Ehre unserer Republik und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren.
Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“
(Quelle: Anlage zu § 19 Abs. 1 Wehrdienstgesetz 1982, GBl. I, S. 229. Der Eid der Grenztruppen ist bis auf den 2. Absatz weitgehend identisch. Vgl. AO d. NVR, Anlage zu § 2 Dienstlaufbahnordnung –GT–, GBl. I, S. 241.)
V. SED und NVA
Die führende Rolle der SED in der NVA gilt als ausschlaggebendes Kriterium für die Festlegung ihres „Klassencharakters“. Zur Verwirklichung ihres Führungsanspruches verfügt die SED über eine Reihe von organisatorischen Mitteln.
Die in der NVA tätigen Parteimitglieder sind verpflichtet, die Beschlüsse der SED zu erfüllen. Diese Beschlüsse sind im übrigen die Grundlage der gesamten Tätigkeit der NVA, d.h. sie bestimmen [S. 936]nicht nur deren politisch-ideologische, sondern auch deren militär-fachliche Seite. Die Verwirklichung der Beschlüsse wird unmittelbar von der Parteiführung — dem Politbüro mit der Kommission für Nationale Sicherheit — kontrolliert und die NVA in ihrer Tätigkeit angeleitet. Im zentralen Parteiapparat ist die Abteilung Sicherheit für die NVA zuständig. Als leitende Organe der Partei in den Streitkräften gelten die Politorgane; Grundlage ihrer Tätigkeit sind die vom Politbüro des ZK erlassenen Instruktionen für die Arbeit der Parteiorganisationen und Politorgane in der NVA, ferner die Beschlüsse der Parteitage und des ZK sowie Anweisungen der Politischen Hauptverwaltung der NVA. Sie erstrecken sich auf die Bereiche: ideologische und politische Arbeit, Organisations- und Personalpolitik.
Die politische Arbeit in der NVA, die aus einem Komplex vielfältiger politischer Maßnahmen und Handlungen der Kommandeure, Politorgane und Funktionäre der Partei- und Massenorganisationen mit dem Ziel der Durchführung der Politik der SED in der NVA besteht, gilt als eines der wichtigsten Arbeitsgebiete der Partei überhaupt. Zur politischen Arbeit gehören u.a. die politische Massenarbeit, die politische Schulung, die gesellschaftswissenschaftliche Weiterbildung, die militärische Traditionspflege und die kulturelle Arbeit. Die Leiter und Mitarbeiter der Politorgane sind wie die hauptamtlichen Sekretäre der SED- und FDJ-Organisationen und die gesellschaftswissenschaftlichen Lehrkräfte als Politarbeiter Parteifunktionäre und, entsprechend ihren Aufgaben und Tätigkeitsmerkmalen, zugleich militärische Vorgesetzte. Der Leiter eines Politorgans untersteht als leitender Parteifunktionär dem Leiter des nächsthöheren Politorgans. Gleichzeitig ist er als Stellvertreter des Kommandeurs für politische Arbeit dem Kommandeur unmittelbar unterstellt.
Oberste Leitungsinstanz der politischen Arbeit in der NVA ist deren Politische Hauptverwaltung (PHV). Ihr unterstehen die Politorgane auf der Ebene der Militärbezirke, im Kommando der LSK/LV, im Kommando Volksmarine und im Kommando der Grenztruppen der DDR (Politische Verwaltung); die Politischen Abteilungen in den Divisionen, deren Leiter zugleich 1. Sekretäre der Parteiorganisation der Division sind; die vom Politstellvertreter geleiteten Polit-Gruppen in den Regimentern; die Stellvertreter des Bataillonskommandeurs für politische Arbeit; die Stellvertreter des [S. 937]Kompaniechefs für politische Arbeit. Die Politarbeiter, die als Offiziere tätig sind (Politoffizier), erhalten eine Sonderausbildung an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“. Diese Schule, 1956 als Politoffiziersschule von der KVP übernommen und 1962 aufgelöst, wurde im Februar 1968 als „Schule des Ministeriums für Nationale Verteidigung zur Heran- und Weiterbildung von Polit- und Parteikadern“ neu gegründet und im März 1970 als Hochschule konstituiert. Im Oktober 1972 erhielt sie ihren jetzigen Namen.
Der PHV der NVA obliegt gleichzeitig die Leitung der Parteiorganisation der SED in der NVA; ihr gehören alle Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, die Mitglieder der SED sind, an. Sie hat den Rang einer Bezirksparteiorganisation der SED, die PHV dementsprechend den einer Bezirksleitung der SED. Der Leiter der PHV ist Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung sowie 1. Sekretär der PO der SED in der NVA. Auf der Ebene der Militärbezirke und Divisionen existieren Parteikreise mit dem Status einer SED-Kreisleitung; sie werden von einem Sekretariat unter Leitung des 1. Sekretärs und Leiters der Politischen Verwaltung angeleitet. Ihnen unterstehen die Regimentsparteiorganisationen, in denen Bataillone mit Parteigrundorganisationen vorhanden sind. Die kleinste Einheit ist die von einem ehrenamtlich tätigen Sekretär geleitete Parteigruppe in den Kompanien. Politorgane und Parteiorganisationen existieren weiterhin an der Militärakademie sowie an den Schulen der NVA.
Die Arbeit der Parteiorganisationen erstreckt sich vorwiegend auf den Bereich der politisch-ideologischen Schulung, auf die Durchsetzung der Parteibeschlüsse in der militärischen Praxis und auf die Initiierung und Führung des Wettbewerbs, den es seit 1959 als „Bestenbewegung“ und seit 1961, begründet durch den Wettbewerbsbefehl des Ministers für Nationale Verteidigung, als ständige Mobilisierung, als Kampagne zur Ausnützung aller persönlichen und materiellen Reserven zwecks Erfüllung der Aufgaben im Militärbereich gibt. 1982 wurde eine neue Wettbewerbsdirektive erlassen.
Besonderes Augenmerk richtet die SED auf die politische Zuverlässigkeit und die klassenmäßige Zusammensetzung des Offizierskorps. 1956 waren bereits 79,5 v.H. der Offiziere Mitglieder oder Kandidaten der SED; der Anteil beträgt seit 1969/70 98–99 v.H. Die soziale Zusammensetzung (Rekrutierung) hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert: 1971 stammten 80 v.H. der Offiziere der NVA aus der Arbeiterklasse; Ende 1975 waren es nur noch 70 v.H., während 5 v.H. aus der Bauernschaft, 6 v.H. aus der sozialistischen Intelligenz und 19 v.H. aus der Schicht der Angestellten kamen. Diese Veränderungen sind Ausdruck und Teil des sozialstrukturellen Wandels in der DDR, der die SED-Führung bei der schwieriger werdenden Werbung für den Offiziersnachwuchs zu einer Differenzierung ihrer Rekrutierungspolitik zwingt. Es ist das oberste Ziel der SED, durch ihre politische Arbeit die Integration von Streitkräften und Gesellschaft zu sichern und sich die volle politische Anleitung und Kontrolle über die Armee zu erhalten.
Gero Neugebauer
Literaturangaben
- Blanke, Burckhard M.: Die politisch-ideologische Bildung und Erziehung in der Nationalen Volksarmee. Zum Verhältnis von Militär, Partei und Gesellschaft in der DDR. Bonn: Dissertationsdruck Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn 1975.
- Forster, Thomas M.: Die NVA. Kernstück der Landesverteidigung der DDR. 5., völlig überarb. Aufl. Köln: Markus 1979.
- Militärpolitik für Frieden und Sozialismus. Grundfragen der Politik der SED zum militärischen Schutz der revolutionären Errungenschaften und des Friedens von der Gründung der DDR bis zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Berlin (Ost): Militärverl. d. DDR 1977.
- Neugebauer, Gero: 25 Jahre Nationale Volksarmee, in: Deutschland Archiv Nr. 3/1981, S. 268 ff. Köln: Wissenschaft u. Politik 1981.
- Rühmland, Ulrich: Die neuen wehrrechtlichen Bestimmungen der DDR, in: deutsche Studien, Nr. 80/1982, S. 433 ff. Bleckede: Meissner 1982.
- Militärische Traditionen der DDR und der NVA. Berlin (Ost): Militärverl. d. DDR 1979. (Politik und Landesverteidigung.)
- Die Nationale Volksarmee der DDR im Rahmen des Warschauer Paktes. München: Bernhard & Graefe 1980. (Bernhard & Graefe aktuell. 11.)
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 931–937
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