Periodisierung (1985)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979
Nach der Lehre des Marxismus-Leninismus entwickelt sich die Gesellschaft in einer Abfolge von Klassenkämpfen zum Sozialismus und Kommunismus. Dieser Prozeß verläuft in bestimmten Perioden. Der großen Gesellschaftsformationen (Urgesellschaft, Sklaverei, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus/Kommunismus) sind nicht strittig; jedoch ergeben sich bei genauerer P. zwischen Marx, Engels, Lenin und der heute in der DDR gültigen Lehrmeinung zahlreiche Widersprüche. Die Kriterien und Zeiträume einzelner Perioden, vor allem der Etappen der Entwicklung des Sozialismus bis zum Eintritt in das Stadium des Kommunismus, sind wiederholt verändert worden. Die Probleme der politischen Praxis haben die Einschiebung immer neuer Etappen und ihre Fristverlängerung erzwungen, das gilt besonders für den Sozialismus, der nach der heute in der DDR gültigen Auffassung in verschiedene Entwicklungsstufen unterteilt wird. Bei der P. der Entwicklung der DDR selbst werden inzwischen (so von St. Doernberg) folgende Etappen bzw. Perioden unterschieden:
1. Die Antifaschistisch-demokratische Ordnung von 1945 bis 1949. Durch die Bodenreform und die Enteignung der Großindustrie trug „die antifaschistisch-demokratische Umwälzung bereits in sich die Tendenz des Hinüberwachsens der demokratischen Revolution in die sozialistische“.
2. Einen wichtigen Einschnitt bildet die 2. Parteikonferenz der SED (1952), auf der der Aufbau des Sozialismus verkündet wurde. Seit etwa 1973 rechnet diese Periode der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus jedoch von 1949 bis 1958 und schließt an die antifaschistisch-demokratische Ordnung an. Der Aufbau des Sozialismus führt in der marxistisch-leninistischen Theorie über den vollendeten Sozialismus zum Kommunismus. Bei Marx und Engels war das Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung ein genossenschaftliches System mit „Selbstregierung der Produzenten“; in der DDR wird heute auch für die Zeit des Kommunismus an der Notwendigkeit der Existenz der Partei und an deren Führungsrolle festgehalten.
3. Die Periode von 1958 bis 1961/62 wird als Vollendung der sozialistischen Produktionsverhältnisse bezeichnet. Der VI. Parteitag (1963) verkündete den „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“.
4. Unter Ulbricht war es üblich, die Zeit ab 1963 als „umfassenden Aufbau des Sozialismus“ zu charakterisieren, wobei in der Bezeichnung der Periode unterschiedliche Begriffe verwendet wurden. 1967 verkündete der VII. Parteitag als Zielsetzung das „entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus“, wobei der Sozialismus als relativ selbständige sozialökonomische Formation verstanden wurde.
5. In der Ära nach Ulbricht wird ein deutlicher Einschnitt mit dem VIII. Parteitag der SED (1971) gesetzt. Der Sozialismus wird nun nicht mehr als selbständige sozialökonomische Formation begriffen, sondern als Unterstufe des Kommunismus. Die neue Etappe in der DDR wird als entwickelte sozialistische Gesellschaft bezeichnet, der nächste Schritt soll darin bestehen, den „entwickelten reifen Sozialismus umfassend zu gestalten“, wobei man sich am Vorbild der Sowjetunion orientiert. Dort wird nach offizieller Lesart bereits seit 1936 der Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus vollzogen. Die politische Bedeutung der P. ist damit klar: Die Sowjetunion wird als „das“ Modell der DDR herausgestellt. Die P., nach der die Sowjetunion eine Etappe weiter ist, sichert ihren Vorbildstatus ideologisch ab. L. Breschnew hat allerdings diese Position auf dem XXVI. Parteitag der KPdSU (1981) insoweit modifiziert, als er auch die SU noch in der „geschichtlich langen Periode“ der entwickelten sozialistischen Gesellschaft sieht.
6. Im SED-Programm von 1976 wird für die gesamte Zeit von 1945 bis in die Gegenwart von „einem einheitlichen revolutionären Prozeß“ gesprochen — einem Prozeß, bei dem „die antifaschistisch-demokratische Umwälzung verwirklicht und die sozialistische Revolution zum Siege geführt“ worden ist. Aus einigen neueren zeitgeschichtlichen Standardwerken der DDR (DDR — Werden und Wachsen, Berlin [Ost] 1974, und Geschichte der SED, Abriß, Berlin [Ost] 1978) läßt sich [S. 981]etwa folgende offizielle P. ablesen: 1945–1949: antifaschistisch-demokratische Umwälzung; 1949–1955: Beginn der sozialistischen Umgestaltung und Aufbau der Grundlagen des Sozialismus; 1955–1961: Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse; 1961–1965: umfassender Aufbau des Sozialismus; 1965–1970: weitere Errichtung der sozialistischen Gesellschaft; 1971–1975: Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, ab 1976 weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Es bleibt aber festzuhalten, daß auch aus der Sicht führender Historiker der DDR „noch eine eindeutige, allgemein gebräuchliche und anerkannte Begriffsbildung für die Periodisierung der Geschichte der DDR“ aussteht (Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin [Ost] 1981, S. 14).
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 980–981
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