DDR von A-Z, Band 1985

Personenkult (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Der Begriff P. hat seinen Ursprung in der Kritik an dem autoritären Führungsstil sowie an den Formen personenbezogener Verehrung des Gründers des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (1863–1875) Ferdinand Lassalle (1825–1864). Diese wurde nicht zuletzt von Marx und Engels vorgetragen. Aus ihrer Sicht stand der P. im Widerspruch zu dem „historischen Gesetzen“ folgenden Kampf des Proletariats, als einer von der Arbeiterklasse selbst getragenen sozialrevolutionären Bewegung. In diesem ideologisch-theoretischen Konzept konnten Führungspersonen nicht die eigentlichen Gestalter von Geschichte sein.

 

Als nach J. W. Stalins Tod (5. 3. 1953) auf dem XX. Parteitag der KPdSU (Febr. 1956) der seinerzeitige 1. Sekretär des ZK der KPdSU, N. S. Chruschtschow (1894–1971) erstmals den Massenterror, insbesondere die Massenliquidation leitender Partei- und Staatsfunktionäre in den vergangenen Jahrzehnten kritisch thematisierte, bezeichnete er als deren Ursache den P. um J. W. Stalin. Dieser habe gegen die „leninschen Normen der Kollektiven Führung“ verstoßen. Diese Reduzierung des „Stalinismus“ auf Fehler in der Person Stalins hinderten die regierenden kommunistischen Parteien an einer selbstkritischen Analyse der bis heute fortwirkenden Ursachen und Folgen stalinistischer Herrschaftsmethoden in Partei, Staat und Gesellschaft.

 

Die SED hat für sich — da es zu großen Schauprozessen gegen führende Parteimitglieder in der SBZ/DDR nicht gekommen war — in Anspruch genommen, niemals voll dem P. erlegen zu sein. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu der Stalin-Verehrung, den Inhalten der Parteischulung, den Parteisäuberungen, der Rechtspraxis usw. in der SBZ/DDR bis 1956.

 

Der hierarchische Aufbau von Partei und politischem System insgesamt führt bis in die Gegenwart zu einer deutlichen und verehrenden Heraushebung des jeweiligen 1. Sekretärs bzw. Generalsekretärs des ZK der SED (bis 1971 W. Ulbricht, seitdem E. Honecker), ohne daß diese — gleichsam gemäßigte — Form des P. mit den gleichen Folgen wie der P. um die Person Stalins verbunden wäre.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 981


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.