DDR von A-Z, Band 1985

Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1979


 

Die P. ist die sozialistische Massenorganisation der Kinder. Unter Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) soll sie helfen, unter Verwendung altersspezifischer Methoden die Kinder vom 6. Lebensjahr an zu jungen Sozialisten zu erziehen.

 

Geschichte. Bei den kommunalen Jugendausschüssen wurden bereits 1945 erste Kindergruppen gebildet, die 1946 den Namen „Kinderland“ annahmen. Das II. Parlament der FDJ (23.–26. 5. 1947) in Meißen gründete eine „Kindervereinigung der FDJ“, die sowohl in den Wohngebieten als auch in den Schulen tätig werden sollte. Auf der 17. Tagung des Zentralrats (ZR) der FDJ am 13. 12. 1948 wurde unter Anlehnung an das Vorbild der sowjetischen Pioniere die Bildung der „Organisation der Jungen Pioniere“ beschlossen. Anläßlich des ersten Pioniertreffens in Dresden (19. 8. 1952) erhielt die P. vom ZK der SED das Recht, den Namen „Ernst Thälmann“ zu tragen. In den Jahren 1957–1966 war die P. organisatorisch eigenständig unter Beibehaltung der Anleitung durch die FDJ. Das geänderte Statut der P. vom 9. 4. 1968 bezog sie wieder in die FDJ-Arbeit ein und betonte ihren politischen Charakter.

 

Organisation. Grundeinheit der P. ist die Pionierfreundschaft (Pf.), die an jeder Schule gebildet wird. Sie faßt die in allen 1.–7. Klassen bestehenden Pioniergruppen (Pg.) zusammen. In den Klassen 1–3 werden die Pg. als Gruppen der Jungpioniere, in den Klassen 4–7 als Gruppen der Thälmann-Pioniere bezeichnet. Jungpioniere tragen das dem Verband am 7. 8. 1949 von W. Pieck verliehene blaue Halstuch, Thälmann-Pioniere seit dem 10. 12. 1973 ein rotes, verliehen von E. Honecker und dem ZK der SED. Die Pg. wählen in den Klassen 4–7 einen Gruppenrat, bestehend aus dem Gruppenratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter, der zugleich für den Wimpel verantwortlich ist, dem Agitator, dem Kassierer und dem Schriftführer; in den 3. Klassen können Jungpionierräte in gleicher Zusammensetzung gebildet werden, die Pg. der Klassen 1 und 2 wählen ihren Wimpelträger. Die Pf. wählen einen Freundschaftsrat mit bis zu 15 Mitgliedern: Freundschaftsratsvorsitzender, dessen Stellvertreter (zugleich verantwortlich für die Pionierfahne), Schriftführer, Wandzeitungsredakteur, „Trommel“-Reporter (Mitarbeiter der Zeitschrift der Thälmann-Pioniere), Hauptkassierer, verantwortliche Pioniere für die verschiedenen Arbeitsgebiete der Pf. Die Mitglieder der Gruppenräte und des Freundschaftsrates bilden mit anderen tätigen Mitgliedern der P. das Pionieraktiv. Der Freundschaftsrat hat gegenüber den Pg. gewisse Anleitungsbefugnisse, z.B. kann er ihnen Aufträge im Rahmen der Beschlüsse des ZR der FDJ erteilen. Die Wahlen für die Pionierräte finden jährlich statt.

 

Für die eigentliche Leitung der Arbeit der Pf. wird von der Kreisleitung der FDJ ein hauptamtlicher Pionierleiter eingesetzt (1983 gab es über 5.000 Freundschaftspionierleiter gegenüber rd. 5.100 zehnklassigen Normalschulen POS und rd. 490 Sonderschulen, an denen die P. ebenfalls vertreten ist). Der Pionierleiter ist ausgebildeter Pädagoge und kann nach einigen Dienstjahren in den Lehrerberuf überwechseln. Er ist gleichberechtigtes Mitglied des Kollegiums und verpflichtet, zu hospitieren (Lehrer und Erzieher). Die Pionierleiter werden durch ebenfalls berufene, ehrenamtliche Gruppenpionierleiter unterstützt (FDJ-Mitglieder höherer Klassen, jüngere Lehrer, Pädagogikstudenten, nach Möglichkeit auch Mitglieder der FDJ-Grundorganisation des Patenbetriebes (Patenschaften); 1982 gab es 68.766 Gruppenpionierleiter.

 

Bei jeder Pf. wird ein Rat der Freunde der P. (RdF) gebildet, dem Eltern, Vertreter des Patenbetriebes, FDJ-Mitglieder der oberen Klassen, Vertreter der SED und der Massenorganisationen aus dem Wohngebiet angehören; den Vorsitz im RdF führt der Pionierleiter. Der RdF soll den einzelnen Arbeitsgemeinschaften der Pioniere helfen und seine Kontakte zum Elternbeirat, zum Patenbetrieb und zu den Organisationen im Wohngebiet für die Pionierarbeit fruchtbar machen. Die Pf. und die FDJ-Grundorganisation der Schule sind zu enger Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfe und gemeinsamem Auftreten verpflichtet. In der Leitung der FDJ-Grundorganisation des Patenbetriebes ist der Funktionär für Pionierarbeit, der zugleich Mitglied des RdF ist, für die Verbindung zur Pf. verantwortlich.

 

Die Pf. der Kreise werden zu Kreisorganisationen, die Kreisorganisationen zu Bezirksorganisationen der P., die Bezirksorganisationen zum Gesamtverband der P. zusammengefaßt. Die jeweils Vorsitzenden sind Mitglied des Sekretariats der entsprechenden FDJ-Leitung. Die Vorsitzende der P. (Helga Labs) ist Mitglied des Büros und des Sekretariats des ZR der FDJ und Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED. Der ZR leitet die P., beschließt ihr Statut, erteilt Verbandsaufträge usw. Auf den verschiedenen Stufen des Organisationsaufbaus der P. werden von den FDJ-Leitungen RdF als beratende und helfende Organe berufen. Ihnen gehören Vertreter der SED, der Bildungseinrichtungen, der staatlichen Organe, der Betriebe, der Elternbeiräte an. Mitglied der P. kann jedes Kind vom 6. bis zum 14. Lebensjahr werden. In den 8. Klassen werden die Pg. aufgelöst, die 14jährigen bilden eine FDJ-Organisation, in der die jüngeren Schüler, die noch Pioniere bleiben, mitarbeiten. Diese Regelung wurde eingeführt, um die Pioniere möglichst vollzählig in die FDJ zu übernehmen. Die Thälmann-Pioniere entrichten einen monatlichen Beitrag von 0,10 Mark.

 

Im Jahr 1982 zählte die P. 1.389.155 Mitglieder. Damit waren nach Angaben aus der DDR 99 v.H. aller Kinder [S. 985]von 6 bis 13 Jahren in der P. organisiert. Es bestanden 68.766 Pg.

 

Im Verlag der FDJ „Junge Welt“ werden neben einer Reihe von Kinderzeitschriften für die Jungpioniere die „ABC-Zeitung“, für die Thälmann-Pioniere „Die Trommel“, für Funktionäre in der P. der „Pionierleiter“ herausgegeben (Jugendpresse; Kinder- und Jugendliteratur).

 

Formen der Arbeit der P.: Eine wichtige Rolle in der Erziehungsarbeit der P. spielen die Formen der Teilnahme am Organisationsleben. Die Uniform, das Emblem, der Wimpel und die Fahne, der Pioniergruß werden zu Symbolen aufgewertet. Die 10 Gebote der Jungpioniere haben verpflichtenden programmatischen Charakter. Sie enthalten u.a. ein Bekenntnis zur DDR und zur Freundschaft mit der UdSSR, Verpflichtungen zu Fleiß, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, gegenseitiger Hilfe, zur Liebe zu den Eltern und Beteiligung am Sport. Für die älteren Kinder werden sie zu „Gesetzen der Thälmann-Pioniere“ erweitert und enthalten eine Parteinahme für den Sozialismus, ein Bekenntnis zum Haß „gegen die Kriegstreiber“, daneben Verpflichtungen zur Arbeit für die Allgemeinheit, zum Schutz des Volkseigentums usw. Die Jungpioniere legen beim Eintritt in die P. ein Versprechen ab, nach den „Geboten“ zu handeln, das bei der Übernahme in die Thälmann-Pioniere erneuert wird. Durch die Übertragung kleinerer und größerer Verantwortung im überschaubaren Raum der Schule, die durch Auszeichnungen und Rangabzeichen (Mitglieder des Gruppenrates haben einen, Vorsitzende des Gruppenrates und Mitglieder des Freundschaftsrates zwei, der Vorsitzende des Freundschaftsrates drei rote Armstreifen) gesellschaftlich anerkannt wird, sollen frühzeitig die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement und das Gefühl für die Notwendigkeit von Ein-, Unter- und Überordnung geweckt werden.

 

Alljährlich wird vom ZR für die FDJ und P. als Arbeitsgrundlage eine Losung ausgegeben, die für die verschiedenen Aufgaben der einzelnen Organisationsbereiche als „Auftrag“ für ein Schuljahr präzisiert wird. Der Pionierauftrag für das Schuljahr 1983/84 lautete z.B.: „Pionierexpedition — Meine Heimat DDR“.

 

In 5 Etappen (2–3 Monate umfassende Abschnitte) wird die Tätigkeit der P. auf bestimmte Gedenktage, die Messen der Meister von Morgen (MMM), das Deutsche Turn- und Sportfest u.a. ausgerichtet und damit die Voraussetzung geschaffen, Selbstverpflichtungen, Pionieraufträge, Wettbewerbe an bestimmte Termine zu binden. Intensiv wird für die Beteiligung an verschiedenen schulischen und außerschulischen Arbeits- und Interessengemeinschaften geworben, in denen besonders die technisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse vertieft werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaften bestehen teils bei den Schulen, teils bei den häufig gut ausgerüsteten Stationen der Jungen Naturforscher und Jungen Techniker sowie bei den Pionierhäusern. Pionierhäuser gibt es vorwiegend in großen Städten. Es sind Klubhäuser, die z.B. Kindertheater, Vortragssäle, Werkräume, Räume für Arbeitsgemeinschaften, Büchereien, Lesezimmer, Fernseh-, Spiel-, Filmräume u.a.m. enthalten und nur für Kinder bis zu 14 Jahren bestimmt sind. Das Pionierhaus Dresden wird als „Pionierpalast“ bezeichnet. Im „Zentralhaus der Jungen Pioniere“ in Berlin-Lichtenberg, das den Namen des sowjetischen Raumfahrers German Titow trägt, arbeitet der Lenkungsstab für alle anderen Pionierhäuser. Das Jugendwandern fördern die „Stationen Junger Touristen“ (Tourismus). Sportliche Wettkämpfe, regionale und überregionale Spartakiaden sollen zu außerschulischer sportlicher Betätigung anregen. Musische Arbeitsgemeinschaften führen die Kinder an die Volkskunstbewegung heran. Die Beteiligung an den „Messen der Meister von Morgen“ soll ebenso wie die Mitarbeit von Angehörigen der Patenbetriebe in den Arbeitsgemeinschaften den Praxisbezug des Schulstoffes herstellen oder verdeutlichen. In den zentralen Pionierferienlagern werden die außerschulischen Arbeitsgemeinschaften, das Geländespiel usw. besonders gepflegt. Pioniervorhaben zur Verschönerung und Instandhaltung von Klassenräumen, Schulen und örtlichen Gemeinschaftseinrichtungen werden als „gesellschaftlich nützliche Taten“ gefordert und anerkannt.

 

Am 1. 6. 1981 bestanden: 142 Pionierhäuser, 48 Zentrale Pionierlager, 192 Stationen Junger Naturforscher und Techniker sowie 57 Stationen junger Touristen.

 

Im Schuljahr 1981/82 sammelte die P. im Rahmen der Aktion „Großfahndung — Millionen für die Republik“ 42.482 Tonnen Altpapier, 17.172 Tonnen Schrott, 8.278 Tonnen Alttextilien und 84,6 Mill. Flaschen und Gläser.

 

Die P. reinigte Klassenräume, gestaltete die Korridore und Schulhöfe freundlich und nahm Parks, Anlagen und Kinderspielplätze in Pflege; über 150.000 Schüler arbeiteten als freiwillige Helfer in 2.600 „Timur-Zentralen“ (zum Vergleich: in der DDR gibt es 7.200 Gemeinden) mit, besonders bei der Betreuung von „Veteranen der Arbeit“ und Familien von Armeeangehörigen (die sog. Timur-Bewegung der kommunistischen Kinderorganisationen geht auf das sowjetische Kinderbuch „Timur und sein Trupp“ [1940] von A. P. Guidar zurück); 199.458 Pioniere erfüllten die (teilweise vormilitärischen) Bedingungen für das Abzeichen „Junger Tourist“, 430.733 erwarben das Abzeichen „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung der Heimat“ (Sportabzeichen). Im Sommer 1983 verbrachten 100.000 Thälmann-Pioniere die Ferien in den Zentralen Pionierlagern.

 

Schulung. Die Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter erfolgt als 4jähriges pädagogisches Fachschul- oder als 5jähriges Hochschulstudium. Absolventen der 10. Klasse studieren am Zentralinstitut der P. in Droyßig oder an den Instituten für Lehrerbildung in Berlin-Köpenick, Potsdam, Radebeul, Rostock und Weimar, Abiturienten an den Pädagogischen Hochschulen Dresden, Halle und Zwickau. Hochschüler erwerben gleichzeitig das Diplom als Fachlehrer für Geschichte oder Biologie, Chemie oder Staatsbürgerkunde. 1983/84 gab es „mehr als 2.000“ Pionierleiter-Studenten. Diese im Vergleich zur Zahl der Pionierfreundschaften große [S. 986]Zahl zeigt, daß die Funktion des Freundschaftspionierleiters von jungen Pädagogen nur für wenige Jahre ausgeübt wird. Ende 1975 waren 84,6 v.H. aller Freundschaftspionierleiter weiblich; 1978 besaßen 98,2 v.H. der Pionierleiter eine abgeschlossene Hochschul- oder Fachschulausbildung. Gruppenpionierleiter und Mitglieder der Freundschaftsräte werden in den Pionierhäusern geschult und durch Arbeitsanleitungen, organisierten Erfahrungsaustausch usw. unterstützt (Lehrer und Erzieher).

 

Die Vorbereitung der Schüler der 7. Klassen auf den Eintritt in die FDJ in den Zirkeln „Unter der blauen Fahne“, die Vorbereitung auf die Jugendweihe und die Veranstaltungen zur Unterstützung des Staatsbürgerkundeunterrichts werden als Vorstufe der Massenschulung in der FDJ angesehen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 984–986


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.