Produktionsberatungen, Ständige (1985)
Siehe auch:
1. Funktion und gegenwärtige Situation der StPB. Die StPB. sind bzw. waren Organe der Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO) in Industrie, Bauwesen, volkseigener Landwirtschaft, Handel, Transport- und Nachrichtenwesen sowie in Forschungseinrichtungen auf Betriebs- und Abteilungsebene, mit deren Hilfe die Werktätigen ihre Mitwirkungsrechte bei der Leitung der Produktion, insbesondere bei der Verbesserung des Produktionsablaufs (Intensivierung und Rationalisierung), und ihre Kontrollrechte gegenüber den Betriebs- und Abteilungsleitern bei der Planaufstellung und Plandurchführung unter Leitung der Betriebs- bzw. Abteilungsgewerkschaftsleitungen (BGL bzw. AGL) ausüben sollen (Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte). — Die StPB. galten lange Zeit als wichtige Einrichtung der Sozialistischen ➝Demokratie im Betrieb. Seit 1980 werden sie jedoch in den Veröffentlichungen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) nicht mehr erwähnt und sind auch unter den Kommissionen der BGL nicht mehr aufgeführt worden. Statt dessen sind anscheinend die Rechte der Kommission für Arbeit und Löhne erweitert worden. Diese Kommission soll sich verstärkt für die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, für die Erreichung des „erforderlichen Rationalisierungsschubs“, die Senkung des Material- und Energieverbrauches, die verstärkte Anwendung der Wissenschaftlichen ➝Arbeitsorganisation (WAO) usw. einsetzen, Aufgaben, die bisher vor allem den StPB. oblagen. Trotzdem scheinen in einer Reihe von (Groß-)Betrieben in den Gewerkschaftswahlen 1981/82 erneut Zentrale StPB. gewählt worden zu sein, wenn auch wesentlich weniger als in den Wahlen zuvor. Nach Angaben des Statistischen Jahrbuches der DDR von 1983 (in Klammern nachgestellt die Zahlen für die Jahre 1977 und 1979) gab es 1982 3.594 Zentrale StPB. (9.762; 6.843) mit 31.948 Mitgl. (95.555; 64.632).
2. Zur Geschichte der StPB. und der Produktionskomitees. 1955/56 wurden vom FDGB erstmals Produktionsberatungen (PB.) in den VEB in größerem Umfang systematisch durchgeführt, in denen am Arbeitsplatz mit den Funktionären der Werkleitungen über Planerfüllung, Verbesserung des Planablaufs, Senkung der Selbstkosten, Verpflichtungen im Sozialistischen Wettbewerb usw. diskutiert wurde. Unter dem Eindruck der sich während und nach den Unruhen in Ungarn und insbesondere in Polen bildenden Arbeiterräte gestand auch die SED-Parteiführung die probeweise Bildung von zumindest formal von den Gewerkschaften unabhängigen Arbeiterkomitees in 20 Betrieben zu. Nach Festigung der politischen und wirtschaftlichen Lage wurden diese offiziell auf der 35. Tagung des ZK der SED (3.–6. 2. 1958) und durch die Direktive des Präsidiums des BV des FDGB vom 29. 4. 1958 zugunsten von gewählten Ausschüssen der PB. als gewerkschaftliche Organe aufgelöst. Mit dem Beschluß der 35. Tagung des BV des FDGB (11.–13. 3. 1959), der vom Ministerrat der DDR am 9. 4. 1959 bestätigt wurde, entstanden aus diesen die StPB. auf Abteilungsebene und Zentrale StPB. (ZStPB.) für den Gesamtbetrieb.
Im Zuge des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS), als die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) sich selbst stärker in den unmittelbaren Betriebsablauf einschaltete und der Versuch gemacht wurde, die Qualität der Mitwirkungsorgane durch die Einbeziehung einer größeren Zahl von Angehörigen der technischen und ökonomischen Intelligenz zu heben, wurden durch Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 29. 10. 1963 die ZStPB. in den Großbetrieben aufgelöst und an ihrer Stelle Produktionskomitees (PK.) gebildet. Die PK. fanden ihre gesetzliche Anerkennung durch den Beschluß des Ministerrats vom 27. 4. 1967 und wurden in der Verfassung von 1968 (Art. 44, 3) sowie im Gesetzbuch der Arbeit (§ 10 a) erwähnt. Unter unmittelbarer Leitung des Betriebsparteisekretärs waren in ihm der Vorsitzende der BGL, die Leiter der anderen im Betrieb vertretenen Massenorganisationen sowie die „qualifiziertesten Arbeiter, Ingenieure, Ökonomen, Wissenschaftler und leitende Kader“ vertreten.
Die PK. sollten als herausgehobene und durch ihre Besetzung mit besonders befähigten Belegschaftsmitgliedern geeignete Beratungsgremien sowohl auf die Planaufstellung, die Ausarbeitung der betrieblichen Entwicklungsperspektive, die Einführung und Ausarbeitung neuer Fertigungsverfahren, die Betriebsorganisation, die Einhaltung der Koordinierungs- und Kooperationsverträge die Qualifizierung und Entwicklung der Kader (Kaderpolitik) als auch auf die Verbesserung der betrieblichen Arbeits- und Lebensbedingungen Einfluß nehmen. Das PK. wurde zwar auf den gewerkschaftlichen Vertrauensleutevollversammlungen gewählt, war aber der Betriebsparteileitung zugeordnet. [S. 1047]Die teilweise Zurücknahme der Wirtschaftsreformen durch den VIII. Parteitag der SED 1971, verbunden mit der Stärkung des FDGB als dem maßgeblichen Träger der Mitwirkungsorgane im ökonomischen Bereich, hat, ohne daß eine Änderung der genannten gesetzlichen Regelungen über Einrichtung und Funktion der PK. zu diesem Zeitpunkt bekanntgeworden wäre, zu deren Auflösung geführt. An ihre Stelle sind durch Beschluß des BV des FDGB vom 18. 11. 1971 erneut ZStPB. getreten. In der am 7. 10. 1974 geänderten Verfassung der DDR werden die PK. nicht mehr erwähnt.
Die Mitglieder der StPB. wurden bis zu den Gewerkschaftswahlen 1976/77 in einem eigenen, direkten Wahlgang gewählt. Danach wurden ihre Mitglieder wie die der anderen Kommissionen der BGL von dieser berufen und von einem BGL-Mitglied geleitet. ZStPB. sollten in Grundorganisationen des FDGB in der Industrie, des Bauwesens, des Transport- und Nachrichtenwesens, des Handels, in volkseigenen Landwirtschaftsbetrieben und Forschungseinrichtungen mit mehr als 50 Beschäftigten gebildet werden. Sie hatten je nach Größe des Betriebes 5–21 Mitglieder. Bei den Abteilungsgewerkschaftsleitungen war den BGL die Bildung von StPB. freigestellt. Sitzungen sollten einmal monatlich stattfinden; vierteljährlich waren die StPB. aufgefordert, über ihre Arbeit in Mitglieder- bzw. Vertrauensleutevollversammlungen zu berichten. Die Werk- bzw. Abteilungsleiter oder von ihnen bevollmächtigte Vertreter hatten auf Verlangen an den Sitzungen der StPB. teilzunehmen. Beschlüsse der StPB. hatten gegenüber den Wirtschaftsleitungen keine bindenden — das würde dem Prinzip der Einzelleitung widersprechen —, sondern lediglich empfehlenden Charakter. Die rechtliche Qualität der Empfehlung wurde jedoch dahingehend gestärkt, daß die betroffenen Leiter über die Verwirklichung von StPB.-Beschlüssen berichten bzw. begründen mußten, warum sie nicht realisiert worden waren.
Die Hauptaufgabe der StPB. war die Anregung und Förderung von Rationalisierungsvorhaben: Einsparung von Arbeitsplätzen und Senkung der Kosten durch neue oder Verbesserung bereits installierter Produktionsverfahren, Hebung der Qualität der Produkte; Durchsetzung der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation, Sicherung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere des Arbeitsschutzes. Arbeitsgrundlage der StPB. waren vom Betriebsplan abgeleitete und von der BGL/AGL bestätigte Arbeitspläne. Die ZStPB. konzentrierten sich auf Schwerpunkte, die den Gesamtbetrieb betreffen, sie halfen ferner den BGL bei der Erarbeitung von Stellungnahmen zu den Betriebsplänen und den Betriebskollektivverträgen (BKV). Da sie vielfach sich mit anderen Gremien überschneidende Themen behandelten, war der Aufgabenbereich der StPB. niemals eindeutig abgegrenzt, was vielfach zu Doppelarbeit und Leerlauf führte. Soweit die StPB. ihre Arbeit ernst nahmen und auf die Werkleiter Druck auszuüben versuchten, um ihre Beschlüsse durchzusetzen (z. B. in den Jahren 1959/60) wurden sie wiederholt des Syndikalismus beschuldigt. Die hohen zeitlichen und fachlichen Anforderungen auf der einen, die erlebte Einflußlosigkeit auf der anderen Seite führten immer erneut zur Resignation bei den Mitgliedern der StPB. Der FDGB sah sich daher veranlaßt, in seiner Verbandspresse und intern in Anweisungen an die Vorsitzenden der BGL dazu aufzufordern, die Arbeit der StPB. zu verbessern bzw. die StPB. wieder arbeitsfähig zu machen.
PB. ohne feste organisatorische Form gab es und gibt es weiterhin auf Brigade-, Meisterbereichsebene und in Kleinbetrieben aus aktuellem Anlaß, vor allem in Zusammenhang mit Schwierigkeiten der Planerfüllung sowie im Rahmen von Wettbewerbsverpflichtungen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1046–1047
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