
Produktionsweise (1985)
Siehe auch die Jahre 1975 1979
1. Zum Inhalt und zur Abgrenzung des Begriffs der P. Der Marxismus-Leninismus bezeichnet als P. die „gesellschaftliche Produktion auf einer historisch bestimmten Entwicklungsstufe in ihrem allgemeinen Inhalt (unabhängig von geographisch-territorialen, nationalen u.a. Modifikationen) als Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen“ (M. Buhr u.a. Kosing, Kleines Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, 4., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1979, S. 267). Die P. wird auch als die „geschichtlich bestimmte Art und Weise, wie die Menschen materielle Güter, welche sie benötigen, um essen, trinken, wohnen und sich kleiden zu können, produzieren, verteilen und sich aneignen“, umschrieben. P. gilt demnach als Bezeichnung für den sich in der Geschichte verändernden „materiellen gesellschaftlichen Lebensprozeß“ überhaupt, für die „geschichtliche Gestalt der Arbeits- und Lebensweise der Menschen“ (Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, 2., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1977, S. 510).
Da die P. die Produktivkräfte (Pk.) mit umfaßt, greift sie definitorisch weiter als der Begriff Basis, der sich lediglich auf die ökonomischen Verhältnisse (Produktionsverhältnisse [Pv.]) bezieht. Es ist die Basis, von der nach marxistisch-leninistischer Auffassung der Überbau „unmittelbar bestimmt“ wird (Überbau: „Gesamtheit der gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen [po[S. 1052]litische, juristische, kulturelle, wissenschaftliche, erzieherische wie Staat, Gerichtswesen, Parteien, Forschungs- und Bildungseinrichtungen] und Anschauungen [wie politische, juristische, wissenschaftliche, weltanschauliche, moralische, künstlerische], das System des Gesellschaftlichen ➝Bewußtseins“) (M. Buhr u.a. Kosing, a.a.O., S. 46).
2. Die P. im Geschichtsprozeß. Die P. gilt als die bestimmende Grundlage jeder ökonomischen Gesellschaftsformation (Gesellschaftsordnung). Innerhalb einer P. stellen die Pk., d.h. die „Gesamtheit der subjektiven und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses“, die bei der Produktion materieller Güter zusammenwirken, das dynamische, den Geschichtsprozeß vorantreibende Element dar. Die Pv. (unterteilt in: Eigentumsverhältnisse, Austauschbeziehungen entsprechend dem jeweiligen Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, Verteilungsformen) stellen gleichsam den gesellschaftlichen Rahmen dar, in dem sich die Pk. entfalten können. Es wird zugleich gesehen, daß sich die Pv. gegenüber der Pk.-Entwicklung keineswegs passiv verhalten, sondern selbst auf deren weitere Entfaltung aktiv einwirken. Allerdings enthalten die Pv. in den sie maßgeblich konstituierenden Eigentums-(Klassen-)verhältnissen auch die Grenzen, bis zu denen sie die Entfaltung der Pk. möglich werden lassen. Der Marxismus-Leninismus spricht in diesem Zusammenhang von dem „Gesetz der Übereinstimmung von Pk. und Pv.“. Die Ablösung einer alten P. durch eine neue sei das zwangsläufige Ergebnis der Entwicklung der Widersprüche zwischen den ständig wachsenden Pk. und den veralteten, sie ehemals fördernden, nun aber hemmenden Pv. Dieser Widerspruch werde durch soziale Revolutionen jeweils neu gelöst. Dieses Gesetz setze sich aber nicht im Selbstlauf durch, sondern bedürfe jeweils der politischen Unterstützung durch die zum jeweiligen Zeitpunkt „fortschrittlichste Klasse“, z.B. bei Ablösung des Feudalismus die des liberalen Bürgertums gegen den Feudaladel.
Während in den Urgesellschaften bei gering entwickelten Pk., kaum entwickelter Arbeitsteilung und auf einem überschaubaren Territorium sowie zahlenmäßig begrenzter Bevölkerung unterschiedliche Formen des Gemeineigentums entstanden, erzwang die Pk.-Entwicklung eine zunehmende Arbeitsteilung, brachte auf diese Weise das Privateigentum an Produktionsmitteln hervor, schuf größere Wirtschaftsräume, ein differenzierteres Verteilungssystem und immer kompliziertere Austauschverhältnisse. Für die bürgerliche, kapitalistische P. konstatiert der Marxismus-Leninismus, daß die Pk.-Entwicklung zunehmend nach gesamtgesellschaftlichen Lösungen, nach einer Vergesellschaftung des ökonomischen Gesamtprozesses verlange, da die gesellschaftlichen Arbeitszusammenhänge in immer deutlicherer Weise in Gegensatz zu den die Gesellschaft durchtrennenden Grenzen des Privateigentums an Produktionsmitteln gerieten und damit diese Gesellschaftsformation in eine Dauer-(End-)Krise treibe. Die Wissenschaftlich-technische Revolution (WTR), die eine qualitative Veränderung der Pk. beinhalte, verschärfe die in der kapitalistischen P. bestehenden antagonistischen Widersprüche weiter. Diese Konflikte seien innerhalb dieser P. nicht mehr lösbar. Sie führten — eine unter Führung einer marxistisch-leninistischen Partei stehende Arbeiterklasse vorausgesetzt — mit Notwendigkeit zur SP., in der die Gesellschaft als Ganze, befreit von den Schranken des Privateigentums, die Pk. zu ihrem Nutzen und entsprechend ihren Bedürfnissen unbegrenzt entfalten könne.
Die Stufenfolge von Gesellschaftsformationen: Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, bürgerliche Gesellschaft, sozialistische/kommunistische Gesellschaftsformation mit den jeweils diese bedingenden P., wird dabei heute in der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft durchaus differenzierter gesehen; es werden Übergangs- und Sonderformen unterschieden, ohne daß die in dieser Begrifflichkeit sich bewahrende, schematisierte Abfolge des Geschichtsablaufes in ihren grundsätzlichen Aspekten davon berührt worden wäre.
3. P. und ökonomisches Grundgesetz. Zu jeder P. gehört ein für diese P. charakteristisches Grundgesetz: „Es bringt das Ziel der Produktion und die Wege und Mittel für seine Realisierung zum Ausdruck, verleiht den übrigen spezifischen ökonomischen Gesetzen die gesellschaftliche Orientiertheit und bestimmt damit auch den spezifischen (modifizierten) Wirkungscharakter der allgemeinen ökonomischen Gesetze in der gegebenen Gesellschaftsformation“ (Ökonomisches Lexikon [Q–Z], 3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1980, S. 291). Ökonomische Gesetze haben nach marxistisch-leninistischer Auffassung „objektiven Charakter“; sie existierten „unabhängig vom Willen der Menschen, weil die ökonomischen Interessen, die letztlich die Handlungsmotive bestimmen, objektiv durch die bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen (Entwicklungsstand der Pk. und Pv.) determiniert“ seien (Ökonomisches Lexikon [A–G], 3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1978, S. 758). Sie können jedoch als einzelne sowie in ihrem Systemzusammenhang erkannt und dann bewußt genutzt werden. Allerdings gebe es erst in der sozialistischen P. eine Wirtschaftswissenschaft, die im Dienst der Gesamtgesellschaft stehe. Daher sei es auch erst in dieser P. möglich, einen entsprechenden Erkenntnisprozeß in Gang zu setzen und seine Ergebnisse zur Grundlage der Politik zu machen. Dabei wird heute zugestanden, daß auch die Politische Ökonomie des Sozialismus erst allenfalls die Grundzüge des Systems der ökonomischen Gesetze des Sozialismus erkannt habe.
Ökonomisches Grundgesetz der kapitalistischen P. sei das Mehrwertgesetz (Wert- und Mehrwerttheorie), das sich heute im monopolistischen Kapitalismus als Monopolprofit durchsetze. — In der kommunistischen P. (KP.) gelte hingegen das Ökonomische Grundgesetz des Sozialismus. Zwar gelte dieses Grundgesetz während der gesamten KP., doch sei diese, wie die kommunistische Gesellschaftsformation überhaupt, „durch zwei lange, historische Phasen charakterisiert, die SP. und die entwickelte KP.“, die auch als „historische Stufen ein und derselben P.“ bezeichnet werden. Ge[S. 1053]mäß diesem Grundgesetz diene die KP. der immer besseren Befriedigung der wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Werktätigen und der allseitigen Entwicklung des Menschen der sozialistischen Gesellschaft durch die ständige Entwicklung und Vervollkommnung der Produktion auf der Grundlage der fortgeschrittenen Wissenschaft und Technik und der ständigen Steigerung der Arbeitsproduktivität (Kleines Politisches Wörterbuch, 3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1978, S. 648).
Als beiden Phasen der KP. gemeinsame Merkmale gelten das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln sowie folgende, weitere Elemente der Pv.: kameradschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe gleichberechtigter Produzenten, die durch gemeinsames Eigentum und gemeinsames Ziel der Produktion vereint sind (Moral, Sozialistische); Planmäßigkeit der Produktion zur Erzielung einer hohen Arbeitsproduktivität und Effektivität der verausgabten Arbeit; kameradschaftlicher Wettbewerb (Sozialistischer Wettbewerb) zur Erhöhung des Wirkungsgrades der gesellschaftlichen Arbeit. Die Unterschiede zwischen den beiden Stufen der KP. seien Ausdruck der überkommenen und noch nicht überwundenen Formen der Teilung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit, der unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen zwischen Stadt und Land, ein noch unzureichender Stand der Pk.-Entwicklung sowie die Existenz verschiedener (gesellschaftlicher) Eigentumsformen (Eigentum; Sozialstruktur). Deswegen gelte z.B. in der sozialistischen P. (SP.) noch das Verteilungsprinzip nach Arbeitsleistung (Lohnformen und Lohnsystem; Materielle Interessiertheit) und sei auch das Fortbestehen der Ware-Geld-Beziehungen (die allerdings dem Plan untergeordnet seien) „objektiv“ notwendig (Ökonomisches Lexikon [H-P], 3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1979, S. 806). Es sei Aufgabe in der SP., die Voraussetzungen für die entwickelte KP. zu schaffen und dabei einen neuen Typ von Pk., d.h. eine neue materiell-technische Basis, zu entwickeln, der „die allseitige Entwicklung der Anlagen und Fähigkeiten der Werktätigen“ möglich und notwendig macht (Persönlichkeitstheorie, Sozialistische). Erst in der entwickelten KP. würde sich die Arbeit aus einer Existenznotwendigkeit in ein erstes Lebensbedürfnis wandeln.
4. Widersprüche in der sozialistischen P. Der Begriff der SP. und die mit ihm in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Kategorien SPk. und SPv. waren seit Anbeginn der 60er Jahre Gegenstand eingehender Diskussionen in der marxistisch-leninistischen Philosophie und in der Politischen Ökonomie. Auslösende Momente für diese — keineswegs abgeschlossene — Debatte waren u.a. die Unmöglichkeit, die eigene sozialökonomische Verfaßtheit und die Folgen der WTR mit der von Stalin überkommenen, starren Begrifflichkeit auch nur annähernd zutreffend zu analysieren und damit politisch handhabbar zu machen. Der bisherige Diskussionsverlauf hat die Begriffe vor allem „weiter“ und „differenzierter“ gefaßt, allerdings haben diese dabei auch an Eindeutigkeit eingebüßt. Unterschiedliche Kategorien des Marxismus-Leninismus enthalten heute vielfach Aspekte der gleichen gesellschaftlichen Erscheinung, so daß sie sich vielfach nicht mehr eindeutig einer bestimmten Kategorie wie z.B. Pk. oder Pv., Basis oder Überbau zuordnen lassen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus die Relevanz, die der Begriff Widerspruch für das Verständnis der Realität und die Weiterentwicklung der eigenen Gesellschaft gewonnen hat.
Ausgangspunkt aller Selbstinterpretationen der eigenen P. ist die Aussage, daß durch die (fast vollständige) Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln erstmals eine P. gegeben sei, in der die Gesellschaft als Ganze ohne trennende Schranken ihre Produktion organisieren und ihre Bedürfnisse „entsprechend den objektiven Möglichkeiten“ befriedigen könne. Da es eigensüchtige Interessen einer herrschenden Klasse nicht mehr gebe, bestünde erstmals nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit einer ständigen Höher- und Weiterentwicklung der Pk. Aus dem dadurch zu erreichenden ständigen Wirtschaftswachstum ergäben sich eine immer bessere Befriedigung der sich ebenfalls weiterentfaltenden Bedürfnisse und eine dem Kapitalismus gegenüber höhere Arbeitsproduktivität (nach Lenin das entscheidende Kriterium für die Überlegenheit einer Gesellschaftsordnung).
Dieser Überlegenheitsanspruch wird aufrechterhalten, wenn auch gleichzeitig die Konflikthaltigkeit und Unvollkommenheit der bisher erreichten Ausprägung der SP. reflektiert werden (vgl. hierzu und zum folgenden: S. Heppener, U. Schirmer u. Edgar-André Wieland, Die sozialistische Produktionsweise. Eine philosophiehistorische Analyse, Berlin [Ost] 1981). Nichtantagonistische Widersprüche werden jedenfalls bereits bei den Pk. gesehen. Zu diesen werden jetzt neben den Produktionserfahrungen und Arbeitsfertigkeiten des produzierenden Menschen (als Hauptproduktivkraft bezeichnet) und seinen Arbeitsinstrumenten auch die Arbeitsgegenstände, die Wissenschaft (vor allem die der Produktion zugewandten Wissenschaftsdisziplinen) und die arbeitsleitende Tätigkeit gerechnet. Diese differenzierte Sichtweise führte dazu, von einem System der Pk. zu sprechen, wobei die einzelnen Systemelemente erst „aktiv im Sinne von produktiv“ werden (d.h. zur Herstellung von Gebrauchswerten dienen; Wert- und Mehrwerttheorie), wenn sie im Arbeitsprozeß zusammenwirken. Zu den Pk. gehören ferner die subjektiven und ideellen Momente, d.h. die Zwecksetzungen, Neuerungen usw., die der Arbeitende in den Produktionsprozeß immer erneut einbringt, um auf diese Weise die Pk. insgesamt voranzutreiben.
Jedoch besteht zwischen den einzelnen Elementen des Systems der Pk. eine große Zahl von Widersprüchen (z.B. zwischen vorhandenen Arbeitsfertigkeiten und den Möglichkeiten, diese im Arbeitsprozeß zu nutzen, zwischen den unterschiedlichen Modernisierungsgraden der Produktionsmittel innerhalb einer Volkswirtschaft), deren (immer nur zeitweilige) Lösung jeweils eine Weiterentwicklung des Systems der Pk. erfordert. Die Möglichkeit und Notwendigkeit der weiteren Entfaltung der [S. 1054]Pk. wird als grundsätzlich offener historischer Prozeß aufgefaßt, den es zu beschleunigen gelte, da von seinem Verlauf letztlich auch die Pv. und damit die Weiterentwicklung der P. insgesamt abhänge.
Vergleichbare Konflikte werden als Widersprüche ebenfalls in den Pv. benannt. Besondere Aufmerksamkeit findet dabei neben den Ware-Geld-Beziehungen das Leistungsprinzip, das den Verteilungsverhältnissen als wesentlichen Teil der Pv. während der Phase des Sozialismus zugrunde liegt. Das Leistungsprinzip (Materielle Interessiertheit) bestimmt wesentlich die Sozialstruktur und die damit zusammenhängenden partikularen Interessen, die immer erneut (von der Partei) zu Interessenverbindungen gebündelt und dem Gesamtinteresse ein- bzw. nachgeordnet werden müssen, um einen konkurrierenden, d.h. destruktiven Interessenpluralismus zu verhindern. Zugleich beeinflußt das Leistungsprinzip aber maßgeblich den Subjektiven Faktor, also die Produzenten als entscheidendes Element der Pk.: Es kann deren Tätigkeit, deren Innovationsbereitschaft usw. sowohl stimulieren als auch hemmen. Die ungewollten Ergebnisse einer von den Werktätigen als ungerechtfertigt empfundenen Leistungsbewertung bzw. der Mißbrauch von Entlohnungsregeln führen zu ungeplanten sozialen Differenzierungen (Soziologie und Empirische Sozialforschung) und Konflikten in den Pv. und behindern die geplante „ständige weitere Entfaltung der Pk.“. Als ähnlich widersprüchlich erweisen sich auch die Auswirkungen des Bildungssystems sowie die damit eng verbundenen Formen der Arbeitsteilung (die sowohl — als Gliederung des Produktionsprozesses — den Pk. zuzurechnen, als auch in ihrer klassen- und schichtspezifischen Wirkung Teil der Pv. sind). Auch sie bedürfen aus marxistisch-leninistischer Sicht in ihrer „inneren Dialektik“ der ständigen Analyse und des fortlaufenden, korrigierenden politischen Eingriffs. Sie sollen dabei nicht als isolierte Phänomene Gegenstand von Untersuchungen sein, sondern im System der Pv. verortet und zugleich in ihrem Zusammenhang mit den Pk. gesehen werden.
Verbindungsglied zwischen Pk. und Pv. seien vor allem die Interessen (Interessen/Interessenübereinstimmung). Sie sind sowohl Ausdruck und Teil der sozialökonomischen Verhältnisse zwischen den Menschen, also der Pv., aber finden letztlich auch immer Eingang über die subjektiven/ideellen Momente in das System der Pk. Der sich herausbildende Typus des sozialistischen Produzenten sei der soziale Ausdruck dieses dialektischen Zusammenhanges zwischen Pv. und Pk. Als „Eigentümer“ stünde er in den SPv., als Arbeitender sei er wichtigste Pk. Weitere Verbindungsglieder sind z.B. die verschiedenen Aspekte der Leitung: im unmittelbaren Arbeitsprozeß gehört die Organisation der Arbeit zu den Pk., als sozialökonomisches Verhältnis wird sie den Pv. zugerechnet, als politische Leitung sei sie Teil des Überbaus. — Eine derartige Verknüpfung läßt für den nichtmarxistischen Betrachter die Eindeutigkeit des marxistisch-leninistischen Begriffsystems verschwimmen; auch in der marxistisch-leninistischen Diskussion ist diese Vorgehensweise nicht unumstritten. Immerhin wird aber mit dieser differenzierteren Begrifflichkeit stärker als in den 50er und teilweise in den 60er Jahren der komplizierte und widersprüchliche Gesamtzusammenhang von Ökonomie, Gesellschaft und politischem System zum Thema gesellschaftswissenschaftlicher Reflexion (System/Systemtheorie).
Trotz der aufgezeigten Widersprüche sieht der Marxismus-Leninismus in den SPv. die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine beschleunigte und unendliche Pk.-Entwicklung (und damit auch die Weiterentwicklung der SP. zur KP.) als gegeben. Im Gegenteil werden die vorhandenen Widersprüche in der SP. und in den sie konstituierenden Pk. und Pv. als entscheidende Triebkräfte gesehen, die den Entwicklungsprozeß insgesamt vorantreiben. Es entspricht dieser Gesamtinterpretation, wenn nunmehr auch das „Gesetz der Übereinstimmung von Pk. und Pv.“, in dem den Pk. die letztlich entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Pv. und damit der P. zugesprochen wird, nicht mehr — wie in der Zeit Stalins — bereits durch die Verstaatlichung der Produktionsmittel, die Einführung der zentralen gesamtwirtschaftlichen Planung usw. als eingelöst angesehen wird. Dieses Gesetz wird jetzt vielmehr dahingehend relativiert, daß die geforderte Übereinstimmung immer erst erneut wiederhergestellt werden muß, da die Pv. der ständigen Fortentwicklung bedürfen.
Dabei wird in der jüngeren Diskussion um die SP. betont, daß das „Eigentum, insbesondere Eigentum an Produktionsmitteln, … kein durch einen — wenn auch noch so bedeutenden — einmaligen politischen und juristischen Akt erzeugter Zustand (sei); es ist vielmehr ein komplexer dynamischer Prozeß, der in jeder ökonomischen Gesellschaftsformation nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Bestimmtheit und Entwicklung in sich einschließt. Eigentum ist seinem Wesen nach Tätigkeit“ (Heppener u.a., a.a.O., S. 169). Sozialistisches Eigentum sei primär ein „ökonomisches Verhältnis“ und besitze „keinen statischen, sondern dynamischen Charakter“. Diese Überlegungen führen zu der Aufforderung an den sozialistischen Staat, „die politisch-juristischen und wirtschaftlich-organisatorischen Formen des sozialistischen Eigentums zu vervollkommnen, um so günstigere Bedingungen für die weitere Entwicklung der Produktivkräfte zu schaffen“ (ebda., S. 174 f.).
Die daraus gezogenen Schlußfolgerungen bleiben jedoch ganz überwiegend beschränkt auf die Weiterentwicklung der bereits bekannten Formen der Sozialistischen ➝Demokratie, auf die Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte, d.h. die gegebene Ausprägung des Demokratischen Zentralismus. Die zentralisierte Planung unter dominierendem Einfluß der Parteiführung usw. bleibt unangetastet. Selten sind dagegen veröffentlichte Stimmen, die die Ausweitung der Mitwirkungsformen zur echten Mitentscheidung gerade auch im Interesse der Effektivierung der SP. und der Erhöhung der Stabilität des Gesamtsystems fordern. Neben den Unvollkommenheiten der zentralen Planung, den ungelösten Fragen der Bewertung von Leistungen und Gütern (Preispolitik und Preissystem), [S. 1055]den Zeitverlusten bei der Überleitung von Forschungsergebnissen in die Produktion (Forschung) usw. liegt eine wesentliche Ursache für das zu beobachtende Zurückbleiben der SP. hinter ihren eigenen Ansprüchen (z.B. was die Entwicklung der Pk., die Höhe der Arbeitsproduktivität usw. betrifft) in der Tatsache begründet, daß der „sozialistische Produzent“ sich eben nicht als selbst die Zwecke und Ziele der gesellschaftlichen Produktion setzender Eigentümer erfahren kann, sondern noch immer lediglich als Ausführender, dessen Tätigkeit von den an der Führungsspitze des politischen Systems getroffenen Entscheidungen bestimmt wird.
Auf diese hat er letztlich keinen Einfluß, ihr Zustandekommen kann er nicht nachvollziehen; sie bleiben ihm daher „fremd“ und müssen ihm als „auferlegt“ erscheinen. Die Frage nach der demokratischen Gestaltung des politischen Systems (d.h. des „Überbaus“) hat unter den Bedingungen der SP. besonderes Gewicht, da das Zusammenwirken der Pk. und der Pv. sich im wesentlichen nicht mehr über den Markt (Markt und Marktforschung), sondern über den durch politische Entscheidungen zustande gekommenen Plan herstellt. „Die ökonomischen Widersprüche des Sozialismus können nicht oder nur zum Teil auf rein ökonomische Weise gelöst werden. Im übrigen müssen sie mit Hilfe des Überbaus ausgetragen und gelöst werden … Damit gewinnt die innere Dialektik des Überbaus im Sozialismus einen weit größeren Stellenwert als im Kapitalismus“ (Uwe-Jens Heuer, Recht und Wirtschaftsleitung im Sozialismus, Berlin [Ost] 1982, S. 43).
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1051–1055
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