DDR von A-Z, Band 1985

Räte im Staatsapparat (1985)

 

 

Als R. werden im Staatsapparat der DDR die ständig arbeitenden Exekutivorgane auf den unterschiedlichen Ebenen des Staatsaufbaus bezeichnet. Obwohl sie die exekutiven Funktionen wahrnehmen, sind sie gemäß der Staatslehre der DDR integraler Bestandteil der einheitlichen sozialistischen Staatsgewalt. Dieses unterscheidet sie von nach ihrer Stellung im Staatsapparat zunächst ähnlich erscheinenden „Regierungen“ oder ihnen gleichgestellten Organen mit exekutiven Aufgaben in westlichen Demokratien. Dieser prinzipielle Unterschied soll auch durch die Bezeichnung R. verdeutlicht werden. Mit ihr wird ferner versucht, eine Traditionslinie von der Pariser Commune (1871) über die russischen R. (1905 und 1917/18) für das eigene System in Anspruch zu nehmen. Im politischen Alltag haben die hauptamtlich besetzten R. mit dem ihnen unterstellten Apparat ein Übergewicht gegenüber den nur gelegentlich tagenden Wahlkörperschaften.

 

R. existieren auf zentraler Ebene in Form des Ministerrats und auf der regionalen Ebene als Rat des Bezirks, R. des Kreises, R. der Stadt, R. des Stadtbezirks und als R. der Gemeinde. Sie werden von den jeweiligen Volksvertretungen für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt und sind diesen gegenüber rechenschaftspflichtig. Nach dem Prinzip der „doppelten Unterstellung“ (Anleitung und Kontrolle) und gemäß dem Demokratischen Zentralismus sind sie gleichzeitig dem jeweils übergeordneten R. verantwortlich bzw. den ihnen nachgeordneten R. gegenüber weisungsberechtigt.

 

Die örtlichen R. bestehen aus dem Vorsitzenden des R. (in kreisangehörigen Städten und Gemeinden: Bürgermeister; in kreisfreien Städten: Oberbürgermeister), einem 1. Stellvertreter, weiteren Stellvertretern, dem Sekretär und den Mitgliedern. Die Mitglieder des R. sind in der Regel Abgeordnete der Volksvertretungen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben bilden die R. Fachorgane, die von ihnen angeleitet werden. Wiederum im Sinne der „doppelten Unterstellung“ sind diese Fachorgane daneben auch gegenüber dem jeweiligen Fachorgan des übergeordneten R. weisungsgebunden.

 

Die R. „haben das Recht, auf der Grundlage der Rechtsvorschriften und der Beschlüsse der Volksvertretungen über alle Angelegenheiten, die ihr Territorium und seine Bürger betreffen, zu entscheiden, soweit nicht die ausschließliche Kompetenz der Volksvertretung gegeben ist“ (Wörterbuch zum sozialistischen Staat, Berlin [Ost] 1974, S. 211). Dabei haben die R. die zentralen und langfristigen Vorgaben und Auflagen der zentralen staatlichen Leitungsorgane sowie die Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei der Durchsetzung spezifisch örtlicher Belange zu berücksichtigen. Sie können und sollen sich andererseits dafür einsetzen, daß die besonderen Interessen ihres Verantwortungsbereichs bei der Festsetzung dieser zentralen Vorgaben berücksichtigt werden.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1090


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.