Schauprozesse (1985)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979
Anfang und Mitte der 50er Jahre wurden „Prozesse vor erweiterter Öffentlichkeit“ durchgeführt, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen (Generalprävention) und/oder die gegen den Aufbau des Sozialismus gerichteten „Machenschaften des Klassenfeindes“ besonders deutlich herauszustellen. Später wurde die Taktik in der Organisation der Sch. verändert. Anstelle einer möglichst großen Zuhörerschaft wurden bestimmte Personengruppen zu einem Prozeß besonders eingeladen. Dieses Verfahren wird auch heute noch praktiziert. Der Zutritt zu diesen Sch. ist meist nur gegen vorher ausgegebene Eintrittskarten möglich. In der Regel ist der Verlauf eines Sch. vorher zwischen Gericht und Anklagebehörde abgesprochen. Wiederholt konnte beobachtet werden, daß sich Ange[S. 1135]klagte und Zeugen wie in einer gewissenhaft einstudierten Rolle verhielten. Von für die Bewußtseinsbildung der Bevölkerung und die nach außen gerichtete propagandistische Wirkung besonders geeignet erscheinenden Prozeß-Situationen und Aussagen werden Rundfunk- und Fernsehübertragungen gesendet und Wochenschauberichte hergestellt. Für ein im November 1973 vor dem Ost-Berliner Stadtgericht durchgeführtes Strafverfahren gegen drei „Menschenhändler“ waren erstmalig sogar westliche Journalisten zugelassen. Mit diesem Prozeß sollte der Nachweis erbracht werden, daß die Bundesregierung und der Senat von Berlin (West) nicht nur nicht gegen ständige Mißbräuche auf den Transitwegen einschreiten, sondern in völkerrechtswidriger Weise diese Vertragsverletzungen dulden oder gar fördern (Staatsverbrechen). In gleicher Weise wurde in dem Sch. gegen den „professionellen Menschenhändler“ Schubert im Januar 1976 und gegen das wegen Spionage angeklagte Ehepaar Bartels im Januar 1978 propagandistisch argumentiert (ND 21.–27. 1. 1976 und 16. 1. 1978).
Mehr und mehr geht aus Presseveröffentlichungen deutlich hervor, daß „Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit“ von rechtserzieherischem Wert sein sollen. Dabei konzentrieren sich diese Hauptverhandlungen, die z. B. im Bezirk Gera von 10,8 v.H. aller Verfahren im Jahre 1974 auf 23,1 v.H. im Jahre 1977 angestiegen sind (Neue Justiz, 1978, H. 5, S. 225), vor allem auf Angriffe gegen das sozialistische Eigentum, Verkehrsdelikte und Delikte zum Nachteil des persönlichen Eigentums. Im Jahre 1978 haben in der DDR „nahezu 10.000 Verhandlungen vor einem eingeladenen Zuhörerkreis stattgefunden, der etwa 250.000 Werktätige erfaßte“ (Staat und Recht, 1979, H. 12, S. 1081). Die richtige Auswahl der Teilnehmer soll dazu beitragen, „die politisch-ideologische Erziehungsarbeit in den jeweiligen Bereichen zu fördern“. Auch die Mitwirkung von Sachverständigen wird für den angestrebten Erziehungserfolg als „sehr wertvoll“ erklärt.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1134–1135
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