Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED (1985)
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Der Punkt 42 des Statutes der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) von 1976 legt das Verfahren zur Wahl des S. des ZK fest und umschreibt zugleich — wenn auch nur in sehr allgemeiner Form — dessen Aufgaben: „Das Zentralkomitee wählt: zur politischen Leitung der Arbeit des Zentralkomitees zwischen den Plenartagungen das Politbüro; zur Leitung der laufenden Arbeit, hauptsächlich zur Durchführung und Kontrolle der Parteibeschlüsse und zur Auswahl der Kader, das Sekretariat; den Generalsekretär des Zentralkomitees.“
1. Zur Geschichte des Sekretariats des ZK. Nach Gründung der SED (April 1946) wurde die Partei von einem Parteivorstand (PV; aus dem später das ZK hervorging) geleitet, der seinerseits aus seinen Reihen als eigentliche Parteiführung das Zentralsekretariat (ZS) wählte. Dieses vereinigte in sich die Funktionen, die heute zwischen dem Politbüro (PB) und dem S. des ZK aufgeteilt sind. Das ZS war, wie anfänglich alle Leitungsgremien der SED, paritätisch aus früheren SPD- bzw. KPD-Mitgliedern zusammengesetzt. Ihm gehörten anfänglich neben den beiden Parteivorsitzenden (Otto Grotewohl, Wilhelm Pieck) 14, nach dem II. Parteitag der SED (September 1947) 16 Mitglieder an. Nach der Flucht des ZS-Mitgliedes und früheren Sozialdemokraten Erich Gniffke wurde die Parität auch auf dieser Ebene — unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz der SED (25.–28. 1. 1949) — durch die Zuwahl von Otto Buchwitz (ehem. SPD) und Wilhelm Koenen (ehem. KPD) auf der Sitzung des PV vom 24. 1. 1949 aufgegeben. Auf der gleichen Sitzung wurde — in Annäherung der Führungsstruktur der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) — eine wesentliche Veränderung der Parteispitze der SED beschlossen: ein PB und das „Kleine Sekretariat des PB“ wurden gebildet. Das Kleine S. hatte 5 Mitglieder (Ulbricht, Dahlem, Oelßner, Edith Baumann, Wessels); es wurde von Walter Ulbricht geleitet. Neben Ulbricht war auch Franz Dahlem zugleich Mitglied des PB. Als Folge dieser Strukturveränderungen wurde das ZS im Sommer 1949 aufgelöst. Das Kleine S. wurde im Verlauf des Jahres 1949 in S. des ZK umbenannt und damit auch nach außen seine Eigenständigkeit unterstrichen.
Das vom III. Parteitag (1950) beschlossene 2. Statut der SED übertrug dem S. „die allgemeine Leitung der Organisationsarbeit und die tägliche operative Führung der Tätigkeit der Partei“.
2. Mitglieder des Sekretariats des ZK. Neben dem Generalsekretär Erich Honecker (geb. 1912), der die Sekretariatssitzungen ebenso leitet wie die Sitzungen des PB, gehören dem S. (1984) 11 Sekretäre an:
Hermann Axen (geb. 1916) für internationale Verbindungen;
Horst Dohlus (geb. 1925) für Parteiorgane;
Werner Felfe (geb. 1928) für Landwirtschaft;
Herbert Häber (geb. 1930) für Westfragen;
Kurt Hager (geb. 1912) für Kultur und Wissenschaft;
Joachim Herrmann (geb. 1928) für Agitation und Propaganda;
Werner Jarowinsky (geb. 1927) für Handel und Versorgung;
Egon Krenz (geb. 1937) für Sicherheitsfragen, Jugend und Sport;
Ingeburg Lange (geb. 1927) für Frauenfragen;
Günter Mittag (geb. 1926) für Wirtschaft;
Konrad Naumann (geb. 1928), Zuständigkeit unbekannt.
Sämtliche Sekretäre des Zentralkomitees (ZK) der SED (mit Ausnahme von Ingeburg Lange, die nur den Status eines Kandidaten hat) sind zugleich Mitglieder des Politbüros des ZK der SED. I. Lange wurde auf der 10. ZK-Tagung (Oktober 1973) zum Sekretär gewählt; seitdem ist damit wieder eine Frau Mitglied des S. Das Durchschnittsalter der Sekretäre lag 1984 bei 59 Jahren.
Alle Sekretäre haben ein persönliches Büro mit 3–5 Mitarbeitern. Die Leiter dieser Büros haben den Status eines ZK-Abteilungsleiters und nehmen an den Besprechungen der Abteilungsleiter des ZK gleichberechtigt teil. Politbüro-Mitglieder und -Kandidaten, die nicht zugleich Sekretäre des ZK sind, verfügen ebenfalls über eigene Mitarbeiter im ZK-Apparat bzw. über kleinere Stäbe für besondere Aufgaben.
3 Sekretäre des ZK leiten zugleich eigene Abteilungen im ZK-Apparat: H. Dohlus die Abteilung Parteiorgane, H. Häber die Westabteilung und I. Lange die Abteilung Frauen.
3. Der ZK-Apparat. Wichtigstes Arbeitsinstrument des S. des ZK ist der ZK-Apparat. Er umfaßt mehr als 40 Abteilungen mit ca. 2.000 hauptamtlichen Mitarbeitern sowie die zentralen Parteiinstitute (Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED [AfG]; Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED [IML]; Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED [ZSW]; Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED [PHS]).
Die Abteilungen leisten die tägliche politische Arbeit. Je nach Größe und Aufgabenstellung sind die Abteilungen in „Sektoren“ unterteilt, an deren Spitze ein Sektorenleiter steht. Die Einrichtungen des zentralen Parteiapparates erarbeiten nicht nur für die führenden Parteiinstanzen, sondern auch für staatliche und andere Institutionen und Organisationen „Vorschläge zur Klärung herangereifter Probleme und zur Neufassung gesetzlicher Bestimmungen“. Durch ihr Expertenwissen sind die Sektoren- und Abteilungsleiter in der Lage, auch eigene Vorschläge zu unterbreiten. Sie beeinflussen damit wesentlich den Entscheidungsmechanismus sowohl im Politbüro und im S. des ZK als auch im Ministerrat, in den einzelnen Ministerien sowie die damit zusammenhängende Gesetzgebungstätigkeit der Volkskammer. Gemäß dieser Aufgabe entsprechen die Abteilungen in ihrer fachlichen Zuordnung und ihrer inneren Struktur vielfach den Organen des zentralen Regierungsapparates. Es entspricht dem Verständnis von der „führenden Rolle“ der Partei, wenn sich Staats[S. 1145]funktionäre (Minister, Staatssekretäre usw.) den „Empfehlungen oder Anregungen“ eines Leitungsorganes der Partei — wie es die Abteilungen des ZK sind — nicht entziehen können.
Agitation | Heinz Geggel |
Allgemeine/Innere Verwaltung | Werner Albrecht |
Auslandsinformation | Manfred Feist |
Bauwesen | Gerhard Troelitsch |
Büro des Politbüros | Gisela Glende |
Zeitschrift „Einheit“ | Manfred Banaschak |
Fernmeldewesen | Heinz Luebbe |
Finanzverwaltung und Parteibetriebe | Heinz Wildenhain |
Forschung und Technische Entwicklung | Hermann Pöschel |
Frauen | Ingeburg Lange |
Gesundheitspolitik | Karl Seidel |
Gewerkschaften und Sozialpolitik | Fritz Brock |
Grundstoffindustrie | Horst Wambutt |
Handel, Versorgung, Außenhandel | Hilmar Weiss |
Internationale Verbindungen | Günter Sieber |
Jugend | Wolfgang Herger |
Kaderfragen | Fritz Müller |
Kirchenfragen | Rudi Bellmann |
Kultur | Ursula Ragwitz |
Landwirtschaft | Helmut Semmelmann |
Leicht-, Lebensmittel- und | Hans-Joachim Rüscher |
Bezirksgeleitete Industrie | |
Maschinenbau und Metallurgie | Gerhard Trautenhahn |
Zeitschrift „Neuer Weg“ | Werner Scholz |
Befreundete Parteien | Waldemar Pilz |
Parteiorgane | Horst Dohlus |
Planung und Finanzen | Günter Ehrensperger |
Propaganda | Klaus Gäbler |
Protokoll | (nicht bekannt) |
RGW | Horst Tschanter |
Sicherheitsfragen | Herbert Scheibe |
Sozialistische Wehrerziehung und | Werner Hübner |
militärpolitische Agitation | |
Sozialistische Wirtschaftsführung | Carl-Heinz Janson |
Sport | Rudolf Hellmann |
Staats- und Rechtsfragen | Klaus Sorgenicht |
Transport- und Nachrichtenwesen | Hubert Egemann |
Verkehr (Kurierdienst) | Josef Steidl |
Volksbildung | Lothar Oppermann |
West | Herbert Häber |
Verwaltung der Wirtschaftsbetriebe | Günther Glende |
Wissenschaften | Johannes Hörnig |
Zentrag | Paul Kubach |
Die ZK-Abteilungen leiten die entsprechenden Abteilungen auf der Bezirks- und Kreisebene an. Ferner halten sie den Kontakt zu entsprechenden Abteilungen des sowjetischen ZK und den anderen „Bruderparteien“. Der ZK-Apparat verfügt über eine eigene Grundorganisation der SED.
Neben ZK-Abteilungen mit primär politischen Aufgaben gibt es solche mit überwiegend organisatorisch-technischen Funktionen. Zu nennen ist z. B. das ZK-eigene Fernmeldewesen. Die parteieigenen Verlage werden von der Abteilung Zentrag geleitet. Die parteieigenen Wirtschaftsbetriebe unterstehen ebenfalls einer eigenen ZK-Abteilung.
Der ZK-Apparat verfügt für seine Zwecke über eine hervorragend ausgestattete EDV-Anlage, eine entsprechende Datenbank und für die Zwecke der Kaderpolitik über eine umfangreiche Personenkartei.
Die Bedeutung des ZK-Apparates geht u.a. aus der Bestimmung des Statutes der SED hervor, nach der die Leiter der ZK-Abteilungen der Bestätigung durch das ZK bedürfen. Eine größere Zahl von Abteilungsleitern gehört zudem selbst dem ZK als Mitglied bzw. Kandidat an.
4. Arbeitsweise des Sekretariats des ZK. Das S. des ZK tagt — soweit bekannt — wöchentlich (jeden Donnerstag) unter Vorsitz des Generalsekretärs Erich Honecker. Die gesamte laufende Parteiarbeit wird durch das S. des ZK vorgeplant, angeleitet und koordiniert. Da gegenwärtig alle Sekretäre zugleich Mitglieder oder zumindest Kandidaten des Politbüros (PB) sind, verfügen sie über eine das gesamte politische System der DDR erfassende Entscheidungskompetenz. Ihre Führungsfunktion ist sowohl politisch-ideologisch über die „führende Rolle der Partei“ begründet, als auch Ausfluß des im ZK-Apparat vorhandenen Sachwissens. Dieses setzt die Sekretäre und ebenso die Abteilungsleiter des ZK instand, sich fachlich auch gegenüber leitenden Funktionären im Staats- und Wirtschaftsapparat durchzusetzen. Trotzdem ist das Nebeneinanderbestehen von 2 — gemessen an der fachlichen Kompetenz — in etwa gleichwertigen Apparaten von Partei und Staat bei gleichzeitiger politischer Nachordnung des Staatsapparates hinter den Apparat der SED keineswegs frei von Konflikten. Es kann jedoch kaum ein Zweifel daran bestehen, daß sich bei gravierenderen Meinungsunterschieden die Partei nach wie vor durchsetzen kann.
Die tatsächliche Abgrenzung der Aufgaben zwischen S. des ZK und Politbüro ist nicht eindeutig nachvollziehbar. Es lassen sich allenfalls die Schwerpunkte der Tätigkeit der beiden Leitungsorgane feststellen. Danach beschäftigt sich das S. vor allem mit Parteiangelegenheiten (Parteischulung der SED; Parteiwahlen der SED; Kaderpolitik, Direktiven und Stellungnahmen an die Bezirks- und Kreisleitungen, Kontrolle der unterstellten Apparate durch die jeweiligen ZK-Abteilungen und spezielle Arbeitsgruppen sowie Kommissionen) sowie mit der laufenden Anleitung des Staatsapparates (der Ministerien, zentralen Ämter usw.). Das PB konzentriert sich — soweit sichtbar — auf politische Grundsatzfragen, die Staat und Gesellschaft als Ganzes betreffen; aber auch mit einer Fülle von Einzelproblemen, die offensichtlich strittig geblieben sind und auf den unteren Ebenen nicht zufriedenstellend entschieden bzw. geklärt werden können. Außerdem trifft das PB eine Reihe ihm vorbehaltener Personalentscheidungen; für andere Kaderfragen liegt die Aufgabe der Kontrollnomenklatur beim PB. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, daß auch das PB auf die Vorarbeiten im ZK-Apparat angewiesen ist. Als organisatorische Schalt[S. 1146]stelle zwischen dem S. des ZK und dem PB fungiert das Büro des PB, an dessen Spitze mit dem Rang eines ZK-Abteilungsleiters Gisela Glende steht. Zu den Aufgaben dieses Büros gehören auch die Organisation von Konferenzen auf höchster Ebene, die Abwicklung des parteieigenen Kurierdienstes und die Anleitung der technischen bzw. Verwaltungsabteilungen des ZK.
Die herausragende, politisch dominierende Stellung des S. des ZK ergibt sich nicht zuletzt aus dessen Einfluß auf die Kaderpolitik. Alle entscheidenden Führungspositionen in Partei und Staat sind in der Nomenklatur des ZK erfaßt und werden von dem S. des ZK ausgewählt.
5. Das Informationssystem der Partei. Die SED verfügt über ein eigenes ausgedehntes Informationssystem, das vom ZK-Apparat angeleitet und kontrolliert wird. Es dient sowohl dazu, die Partei mit den Beschlüssen der Parteiführung vertraut zu machen, wie umgekehrt, sich über die Stimmung in der Partei und damit in der Gesamtgesellschaft im ZK-Apparat zu informieren:
a) Das Zentralorgan „Neues Deutschland“, die theoretische Zeitschrift der SED „Einheit“, das Funktionärsorgan der SED „Neuer Weg“ sowie die parteiinternen „Informationen“ veröffentlichen regelmäßig Beschlüsse, Reden und Direktiven der Parteiführung, Hinweise über die Durchführung der Parteipolitik, Informationen zur politischen Lage usw. Ferner erscheinen seit Gründung der SED die „Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Beschlüsse und Erklärungen des Zentralkomitees sowie seines Politbüros und seines Sekretariats“ (bis 1984: 18 Bände).
b) Auf Konferenzen und Tagungen werden die 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen der SED, aber z. B. auch die Generaldirektoren der Kombinate durch Mitglieder der Parteiführung über die aktuellen Schwerpunkte der Parteipolitik, der Wirtschaftspolitik usw. informiert und erhalten Instruktionen für ihre Arbeitsgebiete.
c) Der Informationsvermittlung dienen ebenfalls die Besuche und Reden von Mitgliedern der Parteiführung in den territorialen Parteiorganisationen bzw. in Großbetrieben und staatlichen Institutionen.
d) Ein ausgedehntes Instrukteur- und Organisatorenwesen, d.h. die Delegation von Mitarbeitern des zentralen Parteiapparates in bestimmte staatliche Institutionen, Parteiorganisationen, Großbetriebe, ermöglicht sowohl eine unmittelbare Anleitung wie auch die Durchführung und Auswertung von Experimenten bei Umstrukturierungen und anderen Reformvorhaben.
e) Innerhalb der SED besteht ein eigenes, formalisiertes System der Parteiinformation, durch das regelmäßig von unten nach oben über den Verlauf von Mitgliederversammlungen, Stimmungen, besondere Probleme usw. informiert wird. Es wird durch zusätzliche Berichtsanforderungen von oben ergänzt.
f) Regelmäßige Meinungsbefragungen und Erhebungen aus besonderem Anlaß ergänzen diese Informationsmöglichkeiten der Parteiführung.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1144–1146
Seestraßenordnung | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Sektierertum |