DDR von A-Z, Band 1985

Sowjetisches Militärtribunal (SMT) (1985)

 

 

Siehe auch:


 

Vor den SMT wurden bis 1955 nicht nur sowjetische Soldaten, sondern auch deutsche Staatsbürger angeklagt und nach sowjetischem Recht verurteilt, wenn Belange der sowjetischen Besatzungsmacht berührt waren. Hierunter fielen in erster Linie vermeintlicher und wirklicher Widerstand gegen Maßnahmen der DDR zur Errichtung einer sozialistischen Demokratie (Demokratisierung). Die SMT hatten diese Befugnis noch bis zum 27. 4. 1957, dem Inkrafttreten des „Stationierungsabkommens“ vom 12. 3. 1957 (GBl. I, S. 237 und S. 285), übten sie aber ab 1955 schon nicht mehr aus. Das Verfahren war der Justiz der DDR entzogen. Mit allen Mitteln wurde versucht, ein Geständnis herbeizuführen. Die Protokolle wurden in russischer Sprache abgefaßt. Die Akten der Voruntersuchung hatten in der Gerichtsverhandlung absolute Beweiskraft. Dem Angeklagten konnte das Recht auf mündliche Selbstverteidigung genommen werden. Das Gericht durfte auch Beweisstücke verwenden, die dem Angeklagten unbekannt blieben, ohne daß der Angeklagte etwas dagegen vorbringen konnte. Die Verfahren wurden oft in 5–10 Minuten abgewickelt. Die Anklage stützte sich fast ausschließlich auf eines der „gegenrevolutionären Verbrechen“ (§ 58 StGB der RSFSR, gelegentlich auch § 59). Die Strafe lautete im Regelfall auf 25 Jahre Zwangsarbeit. Außerdem sind 436 Todesurteile bekanntgeworden. Anfechtung des Urteils war bei den wichtigsten „gegenrevolutionären Verbrechen“ ausgeschlossen, in den übrigen Fällen war sie praktisch aussichtslos, weil sie nur Formfehler und „offensichtliche Ungerechtigkeit“ angreifen durfte. Sofern sie nicht in die Sowjetunion deportiert wurden, blieben die Verurteilten bis Anfang 1950 in „Speziallagern des MWD“ (MWD = sowjetische Geheimpolizei) in der sowjetischen Besatzungszone inhaftiert. Insgesamt bestanden nach 1945 auf deutschem Boden 17 dieser „Speziallager“, in denen rd. 160.000 Deutsche festgehalten wurden. Durch hohe Sterblichkeit (ca. 65.000 Tote), Deportationen in die Sowjetunion (ca. 36.000) und Entlassungen (28.000) reduzierte sich die Häftlingszahl, so daß 1948 die restlichen ca. 31.000 Häftlinge in den früheren nationalsozialistischen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Buchenwald und der Strafanstalt Bautzen zusammengelegt wurden. [S. 1153]Während Buchenwald (durchschnittliche Belegung: 12.000 Häftlinge) ab August 1945 nur mit Internierten belegt war, wurden in Sachsenhausen (13.000 Häftlinge) und Bautzen (7.000 Häftlinge) Internierte und SMT-Verurteilte festgehalten. Neben ehemaligen NS-Funktionären handelte es sich bei dem weitaus größten Teil der auf unbestimmte Zeit ohne Urteil festgesetzten Internierten um nominelle Mitglieder der NSDAP, aus westlicher Kriegsgefangenschaft entlassene Soldaten und wegen „Wehrwolf-Verdacht“ festgenommene Jugendliche ab zwölf Jahren. Unter den SMT-Verurteilten befanden sich ab 1946 immer mehr Gegner oder vermeintliche Gegner des sich in der SBZ etablierenden kommunistischen Regimes, insbesondere Angehörige der SPD und zahlreiche Studenten.

 

Offiziellen Angaben zufolge gab es im Januar 1950 29.632 Insassen der „Speziallager“, von denen 15.038 Internierte entlassen und 3.432 Internierte der DDR-Justiz zur Verurteilung übergeben wurden (Kriegsverbrecherprozesse). 10.513 SMT-Verurteilte wurden zur weiteren Strafverbüßung den DDR-Behörden überstellt, während 649 SMT-Verurteilte in die Sowjetunion deportiert wurden, aus der die meisten 1955 mit den Kriegsgefangenen nach Deutschland zurückkehrten.

 

Nach der Auflösung der „Speziallager“ und Räumung durch die sowjetische Besatzungsmacht im Sommer 1950 wurden Sachsenhausen und Buchenwald von der Kasernierten Volkspolizei (KVP) genutzt. 1958 wurden in Buchenwald und 1961 in Sachsenhausen Nationale Mahn- und Gedenkstätten errichtet; die Unterkunftsbaracken der ehemaligen Konzentrationslager wurden abgerissen. Von 1936 bzw. 1937 bis 1945 waren in den beiden Lagern rd. 443.000 Menschen inhaftiert, von denen fast 173.000 starben. 1945 bis 1950 waren hier rd. 82.000 Häftlinge und Internierte untergebracht, von denen rd. 33.000 ums Leben kamen.

 

Seit dem Inkrafttreten des Abkommens über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen, am 24. 4. 1957 (GBl. I, S. 237 und S. 285), sind die SMT nur noch für die Aburteilung strafbarer Handlungen von Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte oder deren Familienangehörigen zuständig, die gegen die UdSSR, gegen Armeeangehörige oder bei der Ausübung dienstlicher Obliegenheiten begangen worden sind (Rechtshilfeabkommen).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1152–1153


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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