Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) (1985)
Siehe auch:
[S. 1161]
Die Gründung der SED erfolgte auf deren I. Parteitag, der am 21./22. 4. 1946 im sowjetisch besetzten Teil von Berlin stattfand. Auf dieser als „Vereinigungsparteitag“ in die Geschichte eingegangenen Veranstaltung beschlossen die Delegierten der seit Juni 1945 im Machtbereich der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) zugelassenen Arbeiterparteien, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), gemeinsame „Grundsätze und Ziele“ sowie ein einheitliches Parteistatut.
Erster Teil: Geschichte bis zur Ablösung Walter Ulbrichts (1945--1971)
I. Vorgeschichte
Im Gegensatz zu anderen in Deutschland von 1933 bis 1945 verbotenen und verfolgten Parteien besaß die KPD im Moskauer Exil am Ende des II. Weltkrieges eine intakte Führung. Unter Kontrolle der Sowjets hatte dort die Parteiführung in den Jahren nach 1933 weiterarbeiten, unter den kriegsgefangenen Offizieren und Soldaten agitieren (Nationalkomitee Freies Deutschland) und sich auf die politische Arbeit im Nachkriegsdeutschland vorbereiten können.
In enger Zusammenarbeit mit der Politverwaltung der sowjetischen Streitkräfte wurde unter der Leitung des damaligen Mitgliedes des Politbüros und Sekretärs des Zentralkomitees der KPD, W. Ulbricht, Anfang Februar 1945 eine Kommission ins Leben gerufen, die Einzelheiten der politischen Arbeit im Nachkriegsdeutschland festlegte. Die von dieser Kommission ausgearbeiteten Thesen, die sich auf Vorarbeiten aus den Jahren 1943/44, so das „Aktionsprogramm des Blocks der Kämpferischen Demokratie“ (1. Fassung Oktober 1944), stützten, enthielten folgende Leitlinien für die politisch-gesellschaftliche Gestaltung Nachkriegsdeutschlands:
1. Das deutsche Volk ist kollektiv verantwortlich für die Entfesselung des II. Weltkrieges und die Kriegsgreuel (Kollektivschuld).
2. Nach dem Krieg ist die „bürgerlich-demokratische Umgestaltung“ zu vollenden; der unmittelbare revolutionäre Übergang zum Sozialismus liegt nicht im Interesse der kommunistischen Bewegung (antifaschistisch-demokratische Ordnung).
3. Nach Kriegsende sind alle antifaschistischen Kräfte in einem „Block“ zu sammeln (antifaschistisch-demokratischer Block; Bündnispolitik; Nationale Front der DDR).
4. Die Einheit der Arbeiterklasse ist herbeizuführen; linkssektiererische Gruppen sind aufzulösen (Einheitsfront).
Ein unmittelbar danach verabschiedetes 14-Punkte-Programm legte Einzelmaßnahmen fest und sollte die bürgerlichen Freiheitsrechte garantieren. Ziel war die „Vollendung der bürgerlichen Revolution“ und nicht die „sozialistische Revolution“.
Im Gegensatz zu solchen Vorstellungen der Moskauer Exil-KP waren unter den in Deutschland verbliebenen, illegal arbeitenden und inhaftierten Kommunisten sowie unter den Mitgliedern der ebenfalls seit 1933 verbotenen SPD (nicht selten in Kontakt und Übereinstimmung mit ehemaligen KPD-Mitgliedern, die das Schicksal der Verfolgung teilten) andere Auffassungen für die Neuordnung nach dem Kriege entwickelt worden. Die sog. „Buchenwalder Plattform“ vom 1. 5. 1944 und das „Buchenwalder Manifest“ vom 13. 4. 1945 optierten beispielsweise klar für die „Verwirklichung des Sozialismus“.
II. Erste Anfänge
Ende April 1945 kehrte die erste Gruppe kommunistischer Emigranten, die sog. Gruppe Ulbricht, aus der Sowjetunion nach Berlin zurück. Am 10. 6. 1945 erließ die SMAD den Befehl Nr. 2, der die Gründung antifaschistischer Parteien und Gewerkschaften gestattete. Bereits am nächsten Tag trat das ZK der KPD mit einer Proklamation, die überwiegend von den aus Moskau zurückgekehrten Kommunisten (u.a. A. Ackermann, W. Pieck und W. Ulbricht) unterzeichnet war, an die Öffentlichkeit. Der „Aufruf“ zielte — bei Ausnutzung bürgerlich-demokratischer Formen — auf eine frühzeitige Sicherung der eigenen Vorherrschaft. Er ließ eine gewisse Flexibilität erkennen: „Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten. — Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn [S. 1162]dieser Weg entspricht nicht gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland. — Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk“ (in: Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung …, s. Lit.-Hinw., S. 412 f.).
Besonders unter den in Deutschland aktiv gebliebenen KPD-Mitgliedern und vor allem bei den Überlebenden der Konzentrationslager regte sich gegen diese Generallinie Widerstand. In den Augen dieser Kommunisten bedeuteten die Konzeptionen der von der SMAD gesteuerten KPD-Führung eine Absage an die revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung.
Gleich nach Kriegsende hatten ferner ehemalige Mitglieder der SPD, die in der Zeit 1933–1945 in Deutschland geblieben waren, im Untergrund gekämpft hatten und sich nach Kriegsende in Berlin zusammenfanden, als Führungsgremium der wieder aufzubauenden Partei den Zentralausschuß (ZA) unter O. Grotewohl gebildet. Der „Aufruf des Zentralausschusses der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschland“ vom 15. 6. 1945 faßte das politische Programm der Partei in der Losung zusammen: „Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft“. Er forderte auf zum „Kampf um die Neugestaltung auf dem Boden der organisierten Einheit der deutschen Arbeiterklasse“ und stellte fest: „Wir sehen darin eine moralische Wiedergutmachung politischer Fehler der Vergangenheit …“ (in: Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung …, s. Lit.-Hinw., S. 415 und 417). In dieser Haltung kommt die seinerzeit nicht nur in der SPD verbreitete Auffassung zum Ausdruck, daß der Zusammenbruch der Weimarer Republik hätte verhindert werden können, wenn es rechtzeitig zu einer Aktionseinheit von SPD und KPD gekommen wäre. Der Wille, die „organisierte Einheit der deutschen Arbeiterklasse“ herbeizuführen, manifestierte sich auch in dem „Aufruf des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin“ vom 15. 6. 1945. Hier kündigte sich, erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, die Gründung einer überparteilichen Einheitsgewerkschaft (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)) an.
Schließlich traten die Christlich-Demokratische Union (CDU) (26. 6.) und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) (5. 7.) mit Gründungsaufrufen an die Öffentlichkeit. Wie KPD und SPD erhielten auch sie von der SMAD die Genehmigung zur Aufnahme ihrer Tätigkeit. Alle Parteien mußten sich jedoch im „Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ (Gründung am 14. 7. 1945) zusammenschließen. Das ZK der KPD und der ZA der SPD hatten zuvor (19. 6. 1945) ein „Aktionsabkommen“ geschlossen, so daß den „in Aktionseinheit handelnden Arbeiterparteien“ die führende Rolle im Block zukam (Aktionseinheit der Arbeiterklasse).
Die KPD in der SBZ und in Berlin war damit zwar die von der sowjetischen Besatzungsmacht favorisierte Partei, gleichzeitig jedoch nur eine politische Kraft unter mehreren. Die „Einheitsorganisation der Arbeiterklasse“ lehnte sie zu diesem frühen Zeitpunkt ab. Durch die Aktionseinheit mit der SPD und die Blockpolitik hatte sie sich jedoch breitere politische Einflußmöglichkeiten gesichert, als ihr aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder und Anhänger in der Bevölkerung gebührt hätten. Im Block versuchte sie, unterstützt durch die SMAD, die Einparteienherrschaft vorzubereiten (der Gemeinsame Ausschuß durfte z.B. nur einstimmige Beschlüsse fassen).
Als die SPD — nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit auch in den Westzonen unter K. Schumacher, der von der Londoner Exil-SPD Unterstützung erhielt, sowie aufgrund ihrer starken gesamtdeutschen Ambitionen — politisch zu mächtig zu werden drohte und als zudem die Kommunisten im Herbst bei den Wahlen in Österreich und Ungarn in der Minderheit blieben, nahm die KPD in der SBZ konsequenten Kurs auf eine Vereinigung mit der SPD. Doch der Berliner ZA unter O. Grotewohls Vorsitz stellte Bedingungen an das formal von W. Pieck und de facto von W. Ulbricht im Einvernehmen mit der SMAD geführte ZK der KPD. Zu echten Verhandlungen zwischen beiden Spitzengremien ist es dann aber nicht gekommen. Vielmehr ließen der zunehmende Druck der sowjetischen Besatzungsmacht, einzelne Verhaftungen von SPD-Funktionären, jedoch auch Spannungen in der Partei selbst (insbesondere mit Schumacher in Hannover) Grotewohl Ende des Jahres 1945 nachgeben. Hinzu kam, daß unabhängig von den Führungsgremien Mitglieder in den SPD- und KPD-Landesverbänden von Sachsen, Thüringen und Mecklenburg für eine Verschmelzung beider Parteien eintraten. Schon im Februar 1946 war es auf Kreisebene zu Vereinigungen gekommen, wobei Widerstand durch „Überredung“ und auch Willkürakte seitens der Besatzungsmacht gebrochen wurde.
Zur endgültigen Entscheidung der Vereinigungsfrage erlaubte die SMAD indes weder gesamtdeutsche Parteitage beider Parteien noch eine Urabstimmung ihrer Mitglieder. Die einzige freie Urabstimmung fand in der SPD in den Westsektoren von Berlin am 31. 3. 1946 statt. Hier entschieden sich, bei einer Wahlbeteiligung von ca. 73 v.H., 82 v.H. gegen eine sofortige Vereinigung mit den Kommuni[S. 1163]sten. Allerdings sprach sich eine deutliche Mehrheit (62 v.H.) für eine Zusammenarbeit von SPD und KPD aus.
III. Die „Vereinigung“ (1946)
In der SBZ wurden die Vereinigungsbeschlüsse auf dem vom ZA unter Grotewohl organisierten 40. Parteitag der SPD und dem 15. der KPD gefaßt (19./20. 4. 1946). Der I. Parteitag der SED (Vereinigungsparteitag, 21./22. 4. 1946) fand anschließend im Admiralspalast in Berlin statt. Die Mehrheit der (1055) Delegierten kam entsprechend dem Mitgliederstand aus der SPD, 230 Delegierte waren aus den Westzonen angereist.
Die Partei gab sich ein (Organisations-)Statut. Gemäß diesem (1.) Statut wählte der Parteitag einen 80köpfigen Parteivorstand (PV), aus dem ein 14 Personen umfassendes Zentralsekretariat (ZS) hervorging. Die Bildung von Landes- und Kreisvorständen (später, nach Auflösung der Länder im Jahre 1952, Bezirksleitungen [BZL] und Kreisleitungen [KL] genannt) war ebenfalls in dem Statut festgelegt. Für den Organisationsaufbau wurde zwischen der früheren Organisationsform der SPD (Wohnbezirksgruppen) und der KPD (Betriebsgruppen) ein Kompromiß insofern gefunden, als neue Mitglieder zwar von den „Ortsgruppen“ aufgenommen, aber berufstätige Mitglieder gleichzeitig der „Betriebsgruppe“ der SED angehören mußten (Grundorganisationen der SED). Territorial- und Produktionsprinzip bestanden nebeneinander. Alle Leitungsfunktionen — von Betriebs- und Ortsgruppen bis zum ZS — wurden paritätisch aus ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern besetzt. Pieck und Grotewohl wurden zu Vorsitzenden der Partei, Ulbricht und P. Fechner zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Das ZS, das auf dem II. Parteitag (20.–24. 9. 1947) um je einen Vertreter von KPD und SPD erweitert wurde, faßte selbständig Beschlüsse. In besonders wichtigen Fällen wurden sie dem PV zur Entscheidung unterbreitet.
Die SED hatte sich in den vom I. Parteitag verabschiedeten „Grundsätzen und Zielen“ programmatisch auf einen „demokratischen“ deutschen Weg zum Sozialismus festgelegt. Das lag auf der Linie der vom späteren ZS-Mitglied A. Ackermann im Auftrag der sowjetischen Führung erarbeiteten und im Februar 1946 in der Zeitschrift „Einheit“ vertretenen These vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“. Das Ziel, der Sozialismus, sollte auf demokratischem Wege „erstrebt“ werden, wenn nicht „die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verläßt“. Obwohl sich die SED — wenn auch bis 1948 nicht offen — als „sozialistische“ Partei verstand und auf den Marxismus als grundlegende Theorie berief, wurden in die für ganz Deutschland konzipierten „Gegenwartsforderungen“ der „Grundsätze“ Programmpunkte (z.B. Bestrafung aller Kriegsverbrecher, Punkt. 1) aufgenommen, die zeigten, daß die Partei eine breite Basis suchte. Bekenntnisse zur Meinungs- und Koalitionsfreiheit und zum Streikrecht standen allerdings erst an 8. und 9., die „Einheit Deutschlands“ an 12. Stelle. Sozialistisch-kommunistische Züge waren an folgenden Forderungen zu erkennen: Beseitigung der kapitalistischen Monopole (Punkt 2), Entmachtung der Großgrundbesitzer und Durchführung der demokratischen Bodenreform (Punkt 3), wirtschaftlicher Aufbau auf der Grundlage von Wirtschaftsplänen (Punkt 6). Solche Ambivalenz in den „Grundsätzen“ war nicht zufällig, denn die von der Parteiführung in ihrem Streben nach Erweiterung der Herrschaftsbasis zu berücksichtigenden Interessenlagen waren sehr unterschiedlich. Daneben mußte Rücksicht auf die Traditionen der Sozialdemokratischen Partei genommen werden.
Die Verbreitung eines demokratischen Profils bei der Mitgliedschaft und der Bevölkerung lag im Interesse der Parteiführung. Sie versprach sich davon Erleichterungen in der Verfolgung gesamtdeutscher Ziele. Damals wie auch in den folgenden Jahren war die SED vorbereitet, in Übereinstimmung mit der sowjetischen Deutschlandpolitik durch Ausdehnung ihrer Organisation aktiv Einfluß auch in den Westzonen auszuüben. Das starke gesamtdeutsche Engagement wurde deutlich, als der PV am 7. 5. 1946 in einem offenen Brief alle SPD- und KPD-Mitglieder in den drei westlichen Besatzungszonen aufforderte, auch in ihrem Gebiet eine Sozialistische Einheitspartei zu gründen (Deutschlandpolitik der SED).
Im Herbst 1946 fanden in der SBZ die ersten Wahlen statt. Die SED erhielt in den Gemeindewahlen im Durchschnitt 58,5 v.H., in den Kreistagswahlen 50,3 v.H. und in den Wahlen zu den Landtagen 47,5 v.H. aller Stimmen. CDU und LDPD unterlagen bei diesen Wahlen bereits starken Behinderungen. In den meisten größeren Städten konnte die SED nicht die absolute Mehrheit erringen. In Groß-Berlin, wo sie gegen CDU, LDPD und SPD angetreten war, kam sie lediglich auf 19,8 v.H. der Stimmen. Hier war die SPD mit 48,7 v.H. stärkste Partei.
Insgesamt war die SED — trotz Hilfestellung von seiten der Besatzungsmacht — hinter ihrem selbstgesteckten Ziel zurückgeblieben. Andererseits war sie stärker und besser organisiert als die bürgerlichen Parteien. Ihr Mitgliederstand wuchs (s. u. XXII.), und die Zahl ihrer Grundorganisationen stieg von ca. 13.000 (I. Parteitag) auf 24.000 (II. Parteitag). Den Aufbau ihres Apparates hatte die SED der sowjetzonalen Verwaltungsstruktur angeglichen und sich durch die Gründung Personalpolitischer Abteilungen (PPA) bei den verschiedenen Parteiorganisationen wirksame Instrumente geschaffen, um die Personalpolitik in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mitbestimmen zu können. Noch waren allerdings innerhalb der SED die Moskau-orientier[S. 1164]ten ehemaligen KPD-Mitglieder, die vor allem für solche Maßnahmen verantwortlich zeichneten, auf die ehemalige SPD und andere Gruppierungen angewiesen. Die SED trug deutliche Züge einer Massenpartei. Ihre Umwandlung im Sinne einer „Partei neuen Typus“ sollte die Aufgabe der kommenden Jahre sein.
IV. Ausrichtung an der KPdSU und der UdSSR ab 1947
Der II. Parteitag (20.–24. 9. 1947) beschloß die weitere Geltung der „Grundsätze und Ziele“ bis zur Verabschiedung eines Parteiprogramms, zu der es allerdings erst 1963 kam. Der Marxismus — nicht ausdrücklich seine Verbindung mit dem Leninismus — sollte der „sichere Kompaß“ auf dem Weg zur demokratischen Neugestaltung und zur Einheit Deutschlands sein. Der Kampf um diese Einheit wurde zur „Hauptaufgabe“ der Arbeiterklasse erklärt; dabei verstand die SED sich als politisch führende Kraft in ganz Deutschland (Deutscher Volkskongreß).
Gleichzeitig wurde gefordert, in den Volkseigenen Betrieben (VEB) die Überlegenheit der neuen demokratischen Wirtschaftsordnung über die „kapitalistische Wirtschaftsanarchie“ zu beweisen. Besondere Bedeutung kam dabei der politischen Aktivität der ca. 13.000 Betriebsgruppen der SED zu, auf die sich nun immer mehr das Schwergewicht der politischen Arbeit verlagerte. Dies zeigte sich auf der zentralen Organisations-Schulungskonferenz, die vom 27. 1. bis 6. 2. 1948 im Gebäude der Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED (PHS) stattfand. Auf ihr wurden Richtlinien zur Verbesserung der Arbeitsmethoden der Parteileitungen und der Arbeit der Grundorganisationen bekannt gegeben, aus denen sich eine deutliche Bevorzugung der Betriebsgruppen zuungunsten der Wohngruppen ergab. Gleichzeitig wurden von der SED erste Formen der späteren Aktivistenbewegung, der organisatorischen Vorform des Sozialistischen Wettbewerbs, in einzelnen Betrieben eingeführt.
Die SED der Jahre 1946 und 1947 kann weder als eine Fortsetzung der alten KPD noch als eine Kaderpartei leninistischen Typs angesehen werden. Erst der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz, die auf der Gründungskonferenz des Kominform im Herbst 1947 von Stalins Vertrautem, dem Ersten Sekretär der Leningrader Parteiorganisation Shdanow, erstmals nach dem Ende des II. Weltkrieges vorgenommene orthodoxe Einteilung der Welt in zwei feindliche Lager (Zwei-Lager-Theorie) und der Konflikt der Sowjetunion mit Jugoslawien führten zu eindeutigeren Strukturen. Innenpolitisch wurde diese Entwicklung gestützt durch die von der SMAD befohlenen gesellschaftlichen Umwandlungen (Agrarpolitik; Besatzungspolitik; Enteignung; Geschichte der DDR), die zunehmende Anpassung an das sowjetische Wirtschaftsmodell (Planung), die schrittweise Aufwertung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) im Sinne einer Regierung der SBZ und späteren DDR, die Auflösung der Betriebsräte und die weitere Stärkung der Betriebsgruppen sowie schließlich die generelle Einführung der Aktivistenbewegung.
Die außen- und innenpolitisch motivierte Ausrichtung der SED an der KPdSU und der SBZ/DDR an der UdSSR wurde seit 1948 konsequent weiterverfolgt. So forderte der PV im Juni 1948, die SED zu einer Partei neuen Typus (s. u. SED V., SED XIX.) zu entwickeln. Grotewohl erklärte außerdem auf der 11. Tagung des PV am 29./30. 6. 1948 die Spaltung Deutschlands für vollzogen und lehnte für Deutschland jegliche Brückenfunktion im Ost-West-Konflikt ab. Von ihm wie von Ulbricht wurde betont, daß die SBZ sich eindeutig am volksdemokratischen Vorbild (Staatslehre) zu orientieren und von der UdSSR zu lernen habe.
Nachdem sich das ZS in einer Resolution vom 3. 7. 1948 auf die Seite Stalins und des Kominform-Büros gegen die jugoslawischen Kommunisten gestellt hatte, begann in allen Parteiorganisationen der SED eine Kampagne, die eine positive Haltung zur Politik der KPdSU-Führung und zum gesellschaftspolitischen Modell der Sowjetunion erzwingen sollte. Den Funktionären des Verwaltungsapparates wurde die angezielte Einordnung in den Sowjetblock und deren Konsequenzen für die Funktionsweise des Staatsapparates (Beseitigung der Selbstverwaltung, Durchsetzung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus) auf der 1. Staatspolitischen Konferenz in Werder (23./24. 7. 1948) erläutert.
Gegen diese neue Linie der Partei erhob sich besonders in den Reihen ehemaliger SPD-Mitglieder Widerstand. Nach Shdanows Rede über die „zwei Lager“ hatten bereits die sowjetischen Organe ehemalige Sozialdemokraten verschärft überwacht. Reden führender SED-Funktionäre, die aus der SPD kamen, wurden zensiert bzw. durften in der Parteipresse nicht publiziert werden. In der Sicht vieler Sozialdemokraten, die den Zusammenschluß mit der KPD als ein Experiment, das in ganz Deutschland einen demokratisch-sozialistischen Neubeginn vorbereiten sollte, unterstützt hatten, war die Einheitspolitik gescheitert. Sie konnten nicht verhindern, daß der von den Sowjets gestützte Ulbricht immer mächtiger wurde.
Ulbricht forderte nun die Beseitigung des Prinzips der paritätischen Besetzung der Führungspositionen der SED, und auf der 12. und der 13. PV-Tagung gelang es ihm, Beschlüsse durchzusetzen, die sich eindeutig gegen nicht anpassungswillige ehemalige SPD-Mitglieder richteten. Die 12. PV-Tagung (28./29. 7. 1948) forderte die „organisatorische Festigung der Partei“ und „ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen“ sowie, zur Unterstützung [S. 1165]der jetzt nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus arbeitenden Leitungen, die Bildung eines „festen Funktionärsstabs“ bei den Parteileitungen (Parteiaktiv), der die zuverlässigsten Mitglieder umfassen sollte. Die 13. PV-Tagung (15./16. 9. 1948) beschloß die Errichtung der Zentralen Parteikontrollkommission und den sofortigen Aufbau von Parteikontrollkommissionen bei den Landes- und Kreisvorständen (Parteikontrollkommissionen der SED). Ihre Bedeutung bestand zunächst darin, oppositionelle Sozialdemokraten zu entfernen. In mehreren Fällen wurden auch oppositionelle Alt-Kommunisten bzw. ehemalige Angehörige kommunistischer Splittergruppen ausgeschlossen. Gleichzeitig wurde die Aufnahme von neuen Mitgliedern in die Partei erschwert.
Im Vordergrund der 12. und 13. PV-Tagungen stand ferner die Absage an die These vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“ (vgl. u. SED III.)
Gleichzeitig suchte die SED die verstärkte Übernahme sowjetischer Herrschaftsmethoden und die Anpassung der Verhältnisse in der SBZ an das sowjetische Gesellschaftsmodell zu rechtfertigen, indem sie auf die größeren „Erfahrungen“ der KPdSU beim Aufbau des Sozialismus verwies und die Propagierung der Lehren Stalins in allen gesellschaftlichen Bereichen verstärkte. Im September 1948 wurden alle Parteimitglieder zum Studium von Stalins Schrift „Kurzer Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“ verpflichtet.
Durch den Beschluß der 14. PV-Tagung (20./21. 10. 1948) „Zur Verbesserung der Arbeit der Parteibetriebsgruppen in den Großbetrieben“ (später: Betriebsparteiorganisationen, BPO), wurde die Arbeit der Partei auf diese Grundorganisationen konzentriert. Auch dies war ein Schritt weg von den Organisationsprinzipien der SPD und hin zur leninistischen Kaderpartei (Grundorganisationen der SED; Kaderpolitik).
Unmittelbar vor der 1. Parteikonferenz wurde auf der 16. PV-Tagung (24. 1. 1949) das Prinzip der paritätischen Besetzung von Leitungsfunktionen auch formal aufgehoben; nur in der Einrichtung zweier Parteivorsitzender blieb es weiter bestehen. Auf dieser Tagung wurden ferner erstmals in der Geschichte der SED, ein Politisches Büro (Politbüro des ZK der SED (PB), seinerzeit mit 7 Mitgliedern und 2 Kandidaten unter der Leitung von Pieck und Grotewohl) sowie ein sog. Kleines Sekretariat des Politbüros (5 Mitglieder unter der Leitung von Ulbricht) eingerichtet. Entsprechende Änderungen wurden für die SED-Landes- und Kreisvorstände beschlossen. Schließlich wurde eine Kandidatenzeit (Kandidat) als Bedingung für die Aufnahme in die Partei vorgesehen (vgl. u. SED XX.). Für eine kurze Zeit bestanden ZS, PB und das Kleine Sekretariat des PB nebeneinander, denn das ZS wurde erst im Laufe des Jahres 1949 aufgelöst. Im PB fielen, unter Berücksichtigung entsprechender sowjetischer Weisungen, alle wichtigen Entscheidungen; dem Kleinen Sekretariat des PB (ab 1950: Sekretariat des ZK der SED) oblag die Durchführung der Beschlüsse des PB und damit zugleich die Anleitung und Kontrolle der einzelnen Abteilungen des Parteiapparates.
Die 1. Parteikonferenz (25.–28. 1. 1949) bestätigte den vorangegangenen organisatorisch-politischen Wandel, in dessen Verlauf die Massenpartei SED typische Elemente einer Kaderpartei übernommen hatte. Danach war „Fraktionsmacherei“ (Fraktion, Fraktionsbildung) in der Partei strikt verboten. Die führende Rolle der Sowjetunion und der KPdSU (B) wurde zu einem für alle Mitglieder verbindlichen politischen Grundsatz.
Die 1. Organisationskonferenz der SED (7./8. 6. 1949) verpflichtete erneut alle Mitglieder in den Betrieben, sich in den BPO zu organisieren. Sämtliche SED-Mitglieder wurden zu verstärktem Selbststudium der Werke Stalins angehalten. Im Oktober des gleichen Jahres wurden die PPA entsprechend dem sowjetischen Vorbild in Kaderabteilungen umbenannt und ein Nomenklatursystem für leitende Funktionäre eingeführt (Kaderpolitik; Nomenklatur).
Nach der Gründung der DDR (7. 10. 1949) entwickelte sich die SED offen zur dominierenden Partei auch im Staatsapparat. Alle wichtigen Leitungspositionen in Regierung, Verwaltung und Gesellschaft wurden in zunehmendem Maße mit ihren Mitgliedern besetzt. Ihre Vorsitzenden traten an die Spitze des Staates: Pieck als Präsident, Grotewohl als Ministerpräsident.
Trotz dieses deutlich erkennbaren Vormarsches der SED zur herrschenden Partei war ihre „Suprematie“ (s. Kap. SED XXIII.) noch nicht verfassungsmäßig verankert. Die Verfassung von 1949 sieht für die DDR die Existenz mehrerer Parteien vor. Zu den bestehenden drei Parteien waren 1948 noch die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) hinzugekommen. Der „antifaschistisch-demokratische Block“, dem sie und die wichtigsten Massenorganisationen angehörten, wurde mit der Gründung der DDR zum organisatorischen Kern der Nationalen Front.
Spätestens bei den ersten Wahlen zur Volkskammer (15. 10. 1950) zeigte sich jedoch, daß ein Mehrparteiensystem im westlich-demokratischen Verständnis von der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED nicht geduldet wurde. Über die Nationale Front und die entsprechenden Bestimmungen im Wahlgesetz vom 9. 8. 1950 war es der SED möglich, alle zu wählenden Kandidaten selbst zu benennen bzw. deren Aufstellung zu billigen und sie mit Hilfe der Einheitslisten auch wählen zu lassen (Wahlen). Die von der SED auf diese Weise in ihrer [S. 1166]Zusammensetzung bestimmte Volkskammer wählte ihrerseits die Regierung der DDR.
Unersetzlich für die Erreichung dieser Stufe ihrer Herrschaft war für die SED der Staatssicherheitsdienst, dessen organisatorischer Aufbau im Februar 1950 mit der Schaffung des Ministeriums für Staatssicherheit abgeschlossen worden war.
V. „Partei neuen Typus“ (1950)
Auf dem III. Parteitag (20.–24. 7. 1950) stellte sich die SED in ihrem (2.) Statut als „Partei neuen Typus“ vor. Sie definierte sich als „die Partei der deutschen Arbeiterklasse, ihr bewußter und organisierter Vortrupp, die höchste Form ihrer Klassenorganisation“, die „den fortschrittlichsten Teil der Werktätigen in ihren Reihen“ vereinigt. Ihre theoretische Grundlage sei der Marxismus-Leninismus. Von nun an war die SED, ihrem Selbstverständnis nach, eine marxistisch-leninistische Partei (vgl. u. SED XIX.).
Die Betonung des Marxismus-Leninismus als theoretische Grundlage und die Übernahme von wesentlichen Elementen einer Kaderpartei führten konsequent zu der Forderung des Parteitages nach dem „Kampf gegen die Überreste des Sozialdemokratismus“. Die „Grundsätze und Ziele“ von 1946 wurden für überholt erklärt, die Vorbildrolle der KPdSU (B) sowie die Einbindung der DDR in das System der Volksdemokratien bestätigt. Gesamtdeutsche Ambitionen wurden allerdings nicht aufgegeben: Der III. Parteitag verabschiedete (wie seinerzeit der Vereinigungsparteitag) ein „Manifest an das deutsche Volk“. Auch als „Partei neuen Typus“ spiegelte die SED damit eine Ambivalenz der Zielsetzungen: Moskau-Gebundenheit bzw. -Hörigkeit einerseits, Deutschland-Orientierung andererseits, wider. Das Verhältnis zu den anderen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen in der DDR wurde mit den Worten, daß die SED auf diese „Einfluß ausübe“, umschrieben; eine normative Setzung der „Suprematie“ war also noch nicht erfolgt. Die vorher eingeleiteten innerparteilichen Umstrukturierungen erfuhren im Statut ihre Bestätigung. Der PV wurde durch ein Zentralkomitee (ZK: 51 Mitglieder und 30 Kandidaten) mit 2 Vorsitzenden (Pieck und Grotewohl) ersetzt. Das ZK seinerseits wählte das PB (9 Mitglieder und 6 Kandidaten, unter ihnen nur noch 3 ehemalige Sozialdemokraten) und das Sekretariat des ZK (11 Mitglieder) mit Ulbricht als Generalsekretär an der Spitze. In dieser Funktion hatte Ulbricht im politischen Entscheidungsprozeß größere Macht als die Parteivorsitzenden, Pieck und Grotewohl. In der Absicht, die Masse der passiven Mitglieder zu aktiven „Parteiarbeitern“ und zuverlässigen politische Kadern zu erziehen, wurden die statutenmäßigen Ansprüche an die Mitglieder erhöht und der Parteiausschluß (der zu dieser Zeit überwiegend den Verlust der beruflichen Stellung nach sich zog) denen angedroht, die die Forderungen der Partei (Parteiauftrag) nicht erfüllten. Die BPO wurden zur wichtigsten Grundeinheit.
Am 1. 11. 1950 begann das 1. Parteilehrjahr, in dessen Verlauf 1 Mill. Mitglieder und Kandidaten systematisch mit Grundfragen des Marxismus-Leninismus, der Geschichte der deutschen und sowjetischen Arbeiterbewegung sowie der Strategie und Taktik der SED vertraut gemacht werden sollten (Parteischulung der SED). Als ein weiteres Mittel der Disziplinierung dienten im 1. Halbjahr 1951 die Überprüfungen der Parteimitgliedschaften durch Umtausch der Parteimitgliedsbücher und -kandidatenkarten (Parteidokument).
VI. Säuberungen und Krisen (1950--1954)
Die in den osteuropäischen Nachbarländern stattfindenden Schauprozesse („Titoisten“-Prozesse) wurden von der SED-Führung zwar mit Beifall kommentiert, jedoch vermied sie ähnliche Prozesse in der DDR. Bereits die 2. ZK-Tagung (24. 8. 1950) beschloß indes Säuberungen in der Partei- und Staatsspitze. Ehemalige KPD-Mitglieder, die während der NS-Zeit in den Westen emigriert waren und nach ihrer Rückkehr führende Positionen in der DDR bekleideten, wurden unter Spionagebeschuldigungen (sog. Affäre Noel H. Field) aus der Partei ausgeschlossen. Das prominenteste unter ihnen war P. Merker, seit Juli 1946 ununterbrochen Mitglied des ZS bzw. des PB, seit Oktober 1949 außerdem Staatssekretär im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft. Er wurde im August 1950 seiner Ämter enthoben, allerdings erst im Dezember 1952 verhaftet. (Nachdem er 1956 entlassen worden war, hat er, ohne rehabilitiert worden zu sein, bis zu seinem Tode 1969 in der DDR gelebt.)
Insgesamt waren die Jahre 1950–1952 durch permanente Säuberungen der Partei vor allem von Altkommunisten mit „Westvergangenheit“, oppositionellen Sozialdemokraten, sog. Zionisten und Angehörigen ehemaliger linker Splittergruppen der Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Allein im Zuge der Aktion „Überprüfung der Parteimitgliedschaft“ (s.o.), die im 1. Halbjahr 1951 stattfand, wurden, nach offiziellen Angaben, 150.696 Mitglieder ausgeschlossen. Von November 1950 bis Juni 1951 sind keine Neuaufnahmen erfolgt. Eine zentrale Kaderkonferenz (25. 1. 1952) forderte, in der Nomenklatur auf Westemigranten weitgehend zu verzichten und eine neue Intelligenz (Kader mit hoher wissenschaftlicher Qualifikation und Spezialkenntnissen zur Leitung der Betriebe) heranzuziehen.
Im Mai 1953 schließlich gelang es Ulbricht, seinen damals stärksten Opponenten in der SED-Spitze, F. Dahlem (Altkommunist, Westemigrant und Mitglied der KPD- bzw. SED-Führung seit 1945), seiner Funktionen zu entheben sowie ihn aus dem PB und dem ZK-Sekretariat auszuschließen. (Dahlem [S. 1167]wurde allerdings schrittweise rehabilitiert und 1957 wieder in das ZK aufgenommen. Er ist 1981 gestorben und hat ein Staatsbegräbnis erhalten.)
Zugleich verstärkte die Parteiführung die Propagierung des Marxismus-Leninismus Stalinscher Prägung und die administrative Übernahme zahlreicher Merkmale des sowjetischen Wirtschaftsmodells (Wirtschaftsrecht, V. B.; Wirtschaftliche Rechnungsführung; Kollektivierung der Landwirtschaft). Der Kult um Stalin und das sowjetische Gesellschaftsmodell nahm groteske Züge an.
Nachdem die innerparteilichen Umorganisationen im Sinne der „Partei neuen Typus“ in ihren Grundzügen abgeschlossen waren, präsentierte sich die SED mit eindeutig sozialistisch-kommunistischen gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf der2. Parteikonferenz (9.–12. 7. 1952). Hier wurde das Ende der „antifaschistisch-demokratischen Phase“ verkündet und der „planmäßige Aufbau des Sozialismus“, verbunden mit einem verschärften „Klassenkampf nach innen“, als weitere politische Linie beschlossen. Mit dieser Periodisierung der eigenen Geschichte rechtfertigte die SED einerseits die vorangegangenen Umorganisationen in Wirtschaft und Gesellschaft und leitete andererseits die Kollektivierung in der Landwirtschaft (Agrarpolitik), verschärfte Maßnahmen in der Arbeitspolitik sowie eine umfassende Verwaltungsneugliederung (Länder; Bezirke) ein.
Der Tod Stalins (5. 3. 1953) führte zu einer der schwersten politischen Krisen der SED, denn die SED-Führung wurde von der aus der Stalin-Nachfolge erwachsenden Unsicherheit in der Führung der KPdSU besonders stark betroffen. Hinzu kam, daß sich in der DDR selbst als Folge der Kollektivierungsmaßnahmen auf dem [S. 1168]Lande und der Steigerung der Arbeitsnormen (ohne entsprechende Erhöhung der Löhne) in der Industrie eine explosive Stimmung entwickelt hatte. In dieser Situation wurde die SED-Führung durch sowjetische Intervention gezwungen, das Tempo des gerade erst begonnenen Aufbaus des Sozialismus zu verlangsamen. Mit PB-Beschluß vom 9. 6. 1953 wurde der Neue Kurs verkündet. Diese Maßnahme ist ein Versuch gewesen, nicht nur die Unzufriedenheit in der Bevölkerung abzubauen, sondern auch innerparteiliche Kritik abzufangen.
In der Hoffnung auf einen Sieg der Malenkow-Berija-Gruppe im PB der KPdSU hatte sich im SED-Politbüro eine gegen Ulbrichts Politik gerichtete Fronde gebildet, die in den Personen des damaligen Ministers für Staatssicherheit, W. Zaisser (zugleich Mitglied des PB), und des damaligen Chefredakteurs des „Neuen Deutschland“, R. Herrnstadt (zugleich Kandidat des PB), eine personelle und sachliche Alternative darstellte. Es scheint heute sicher, daß Ulbricht mehrere Wochen keine Mehrheit in den SED-Führungsgremien, vor allem im PB, fand. Nach dem 17. Juni (Juni-Aufstand) konnte sich die Sowjetunion jedoch offenbar keine Experimente am Rande ihres Machtbereichs leisten; zudem war Berija inzwischen (Ende Juni 1953) ausgeschaltet worden. Auf diesem Hintergrund erreichte Ulbricht auf der 15. ZK-Tagung (24.–26. 7. 1953) den Ausschluß Zaissers und Herrnstadts aus dem ZK (und damit automatisch auch aus dem PB); sie verloren zugleich ihre anderen Funktionen. Wegen Unterstützung der Zaisser-Herrnstadt-Opposition wurden ferner A. Ackermann, H. Jendretzky und E. Schmidt nicht wieder in das PB, das im Juli 1953 vom ZK gewählt wurde, aufgenommen, blieben jedoch zunächst Mitglieder des ZK. Im Gegensatz zu der relativ milden Behandlung, die diese Moskau-orientierte Gruppe altgedienter hoher KPD- bzw. SED-Funktionäre erfuhr, wurde im direkten Zusammenhang mit dem 17. Juni der aus der SPD stammende damalige Justizminister und ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende, M. Fechner, bedeutend härter gestraft. Er verlor seine Mitgliedschaft in der SED und wurde verhaftet. Ihm wurde zum Vorwurf gemacht, den Arbeitern nicht entschieden genug widersprochen zu haben, als sie am 17. Juni die Anerkennung ihres (damals noch) verfassungsmäßig garantierten Streikrechts forderten. Auf der 17. ZK-Tagung (22./23. 1. 1954) wurden Zaisser und Herrnstadt auch aus der SED ausgeschlossen, blieben aber auf freiem Fuß; ihre Sympathisanten sowie andere als oppositionell eingeschätzte Parteimitglieder erhielten schwere Parteistrafen, und nicht wenige wurden verhaftet. (Fechner wurde teilweise rehabilitiert, im Juni 1958 wieder in die SED aufgenommen und 1972, ein Jahr vor seinem Tod, mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet. Zaisser starb 1958, Herrnstadt 1966.)
Die anschließende Parteisäuberung erfaßte den Apparat und die einfachen Mitglieder. Von den 1952 gewählten Mitgliedern der 15 Bezirksleitungen schieden 62 v.H. bis zum IV. Parteitag im Jahre 1954 aus. Von den im Juni 1953 amtierenden 1. und 2. Kreissekretären wurden sogar 71 v.H. ausgewechselt. Unter den von Juli bis Oktober 1953 ausgeschlossenen Tausenden von einfachen Parteimitgliedern hatte fast ein Drittel mehr als 20 Jahre einer der vor 1933 bestehenden Arbeiterparteien angehört. Die SED verließ sich auf diejenigen, die während der Juni-Ereignisse loyal geblieben waren; die „Parteiaktivisten“ (Parteiaktiv) wurden die Stütze der Partei an der Basis.
VII. Neue Weichenstellungen in den Jahren 1954 und 1955
Obwohl die Parteiführung keine Fehler-Diskussion zuließ, machte sie der Bevölkerung doch politische wie soziale Zugeständnisse. Der vor dem 17. Juni 1953 eingeleitete Neue Kurs brachte einen vorübergehenden Halt in der Kollektivierung auf dem Lande und eine Reihe sozialer, vor allem lohnpolitischer Erleichterungen für die Arbeitnehmerschaft. Auch der IV. Parteitag (30. 3.–6. 4. 1954) fand noch unter den Zeichen des Neuen Kurses statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die notwendige Modernisierung der Industrieproduktion und die Schaffung eines breiteren Konsumgüterangebots. Verschiedene Eigentumsformen sollten zwar noch längere Zeit nebeneinander bestehen können, doch wurde zugleich betont, daß die Partei zur „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ übergegangen sei.
Der IV. Parteitag verabschiedete das(3.) Statut. In ihm wurde, entsprechend dem Bericht der ZPKK (durch H. Matern), erstmals der Charakter der Partei als „revolutionärer“ Avantgarde betont sowie ihre Führungsrolle („Suprematie“) gegenüber allen gesellschaftlichen Organisationen (s. u. SED XXIII.) festgelegt. Von nun an gab es keine Vorsitzenden des ZK mehr; die Spitze der Partei bildete vielmehr der Erste Sekretär des ZK. Ferner war das Prinzip der Kollektiven Führung wieder stärker betont worden. (Das zeigte sich u.a. darin, daß bei den BZL und KL Büros als kollektive Leitungsorgane gebildet wurden.) § 70 des Statuts legte fest, daß die Grundorganisationen das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen in allen VEB, einschließlich der verstärkt zu fördernden LPG, haben sollten.
Ulbricht wurde zum Ersten Sekretär des ZK (zuvor Generalsekretär) der SED gewählt, das Sekretariat auf 6 Mitglieder verkleinert. In das neue PB wurden 9 Mitglieder und 5 Kandidaten aufgenommen.
Im November 1954 wurde zugegeben, daß die Verfolgungen von Westemigranten auf erpreßten und gefälschten Geständnissen beruht hatten. Die erst 1956 zögernd eingeleitete Rehabilitierung (28. ZK-Tagung, 27.–29. 7. 1956) führte die seinerzeit gemaßregelten Funktionäre jedoch nicht in ihre alten Parteiämter zurück (Rehabilitierungen).
Ab 1954 unternahm die SED verstärkte Anstrengungen, um die Effektivität der Wirtschaft zu erhöhen. Ulbricht forderte auf einer Konferenz mit 600 Wissenschaftlern und Ingenieuren (16. 6. 1954), sich an internationalen Spitzenleistungen zu orientieren und den Weltruf deutscher Erzeugnisse zu erhalten. Die BPO wurden verpflichtet, sich für die Qualitätssteigerung der produzierten Waren und ein strenges Sparsamkeitsregime einzusetzen sowie stärker als bisher Kosten- und Preisprobleme zu studieren. Die 21. ZK-Tagung (12.–14. 11. 1954) beschloß eine Vereinfachung der Planung. Die 1. Baukonferenz des ZK und des Ministeriums für Bauwesen (3.–6. 4. 1955: Beginn der Industrialisierung in der Bauwirtschaft) und die II. Wissenschaftlich-technische Konferenz (6.–8. 7. 1955) rückten Probleme der Modernisierung in den Vordergrund. Im Beschluß der 24. ZK-Tagung (1./2. 6. 1955) über die Förderung von Wissenschaft und Technik zeichnete sich die gleiche Tendenz ab. Auf der 25. ZK-Tagung (24.–27. 10. 1955) wurde dann neben der ideologisch-politischen Erziehungsarbeit die Propagierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zur wichtigsten Aufgabe der leitenden Parteiorgane erklärt.
Im Sommer/Herbst 1955 wurden im Zusammenhang mit der Genfer Gipfelkonferenz der Kriegsalliierten neue Vorstellungen für eine deutsche Wiedervereinigung formuliert (Deutschlandpolitik der SED).
Vorausgegangen waren von seiten der UdSSR der Verzicht auf noch ausstehende Reparationsleistungen sowie die Streichung aller Nachkriegsschulden und die Gewährung eines beträchtlichen Kredits (Wirtschaft). Mit diesen Maßnahmen verfolgten die Sowjets nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern u.a. auch die politische Stärkung der SED. Letzteres wurde ferner durch die Auflösung der Sowjetischen Kontrollkommission (Besatzungspolitik) und die Unterzeichnung des „Vertrages über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ am 20. 9. 1955 (Außenpolitik) erreicht.
Am Ende der Besatzungszeit war die DDR in das System der Volksdemokratien, in das Sozialistische Weltsystem, eingegliedert (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)). Die Umwandlung der SED in eine Moskau-hörige Kaderpartei mit Massenbasis kann zu diesem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten.
VIII. Unter den Zeichen des XX. Parteitages der KPdSU (1956)
Chruschtschows Geheimrede und seine Enthüllungen über die Stalinschen Herrschaftsmethoden auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14.–25. 2. 1956) stürzten die Führung der SED erneut in eine Krise. Diesmal ging es — stärker als im Jahr 1953 — auch um den seit Kriegsende praktizierten Herrschaftsstil der Partei und um ihr Selbstverständnis als „führende Kraft der Arbeiterklasse“. Zwar konnte die SED-Führung auf erhebliche Aufbauleistungen verweisen, mußte sich jedoch den Fragen der Parteimitglieder und der Bevölkerung nach ihrem Verhältnis zu Stalin und nach der „innerparteilichen Demokratie“ stellen.
In dieser Situation tagte die3. Parteikonferenz (24.–30. 3. 1956). Entgegen den Erwartungen vieler Delegierter und Parteimitglieder erfolgte auf ihr keine deutliche Distanzierung von den stalinistischen Terrormethoden. Wie schon 1955 geplant, beschäftigte sich die Konferenz vielmehr überwiegend mit struktur- und wirtschaftspolitischen Fragen. In dem Beschluß „Zur breiteren Entfaltung der Demokratie in der DDR“ stellte sich die SED die [S. 1169]Aufgabe, den Staatsapparat für die Organisation des „endgültigen Sieges der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ vorzubereiten (vgl. Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. 1. 1957; Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. 2. 1958; Staatsapparat). Er zeigte gleichzeitig, daß die Parteispitze einen neuen Führungsstil suchte, wenn auch — angesichts der Erfahrungen von 1953 — in sehr vorsichtiger Weise. Die Ereignisse in Polen und Ungarn im Jahre 1956 bestärkten die SED-Führung in ihrer vorsichtig-abwartenden Haltung zur „Entstalinisierung“.
Die Betonung wirtschaftspolitischer Fragen auf der 3. Parteikonferenz wurde von zahlreichen Mitgliedern und Unterorganisationen der Partei als ein Manöver, das von den Fehlern der eigenen Vergangenheit ablenken sollte, empfunden. Die Kritik an der von Ulbricht geführten Partei und ihrer Politik wurde immer lauter. Die stärkste Opposition war in der Parteiführung selbst anzutreffen, wo die PB-Mitglieder K. Schirdewan (ZK-Sekretär für Organisation und Information) und F. Oelßner (Leiter der Kommission für Fragen der Konsumgüterproduktion und der Versorgung der Bevölkerung) sowie die ZK-Mitglieder G. Ziller (ZK-Sekretär für Wirtschaft), F. Selbmann (Stellvertretender Ministerpräsident) und E. Wollweber (Minister für Staatssicherheit) eine Reform der Parteispitze und der Parteiarbeit sowie eine Verlangsamung der gesellschaftlichen Umwälzungen forderten. Opposition regte sich ferner in verschiedenen Verlagen und Universitäten. W. Harich (Chefredakteur der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“, Dozent an der Humboldt-Universität) u.a. entwickelten Konzepte des Reformkommunismus und der Parteireform (Dritter Weg; Opposition und Widerstand; Revisionismus), die ebenfalls die Parteispitze betroffen hätten. An mehreren Universitäten wandten sich Parteiorganisationen gegen die bisherige Anwendung des Prinzips des Demokratischen Zentralismus. Marxistische Wirtschaftstheoretiker und -praktiker, angeführt von F. Behrens (zu jener Zeit Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig und Direktor des Staatlichen Zentralamtes für Statistik), A. Benary (damals Oberassistent am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften [DAW] und dort Leiter der Abteilung „Sozialistische Wirtschaft“) und G. Kohlmey (seinerzeit Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der DAW), forderten stärkere Dezentralisierungen der wirtschaftspolitischen Entscheidungen, Orientierung an realistischen wirtschaftlichen Daten, materielle Stimuli und echte Kostenpreise; andere, wie K. Vieweg (zu jener Zeit Leiter des Instituts für Agrarökonomik bei der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, 1950–1953 ZK-Sekretär für Landwirtschaft), verlangten die Auflösung unrentabler LPG. Kritisiert wurde ferner die Deutschlandpolitik der Parteiführung.
Trotz einiger Teilerfolge der Opposition (vgl. z.B. die Stellungnahme des PB vom 8. 7. 1956 gegen Dogmatismus und Personenkult und den Beschluß der 28. ZK-Tagung über „Die nächsten ideologischen Aufgaben der Partei“ vom 29. 7. 1956) setzte sich Ulbricht — unterstützt von den Ereignissen in Polen und Ungarn sowie der sowjetischen Reaktion im Oktober/November 1956 — gegen seine Gegner in der SED durch. Zunächst traf allerdings nur die intellektuelle Opposition die volle Reaktion der Parteiführung. Harich und einige seiner Anhänger wurden am 29. 11. 1956 verhaftet und am 9. 3. 1957 zu Zuchthausstrafen verurteilt.
IX. Festigung der Herrschaftsgrundlagen (1957--1961)
Ulbricht entwickelte auf der 30. ZK-Tagung (30. 1.–1. 2. 1957) sein „Konföderationskonzept“ (Deutschlandpolitik der SED). Innenpolitisch forderte er den verstärkten Ausbau der „sozialistischen Produktionsverhältnisse“. Damit wurde die gegensätzliche gesellschaftspolitische Entwicklung in beiden deutschen Staaten beschleunigt. Gegen die zur Durchsetzung dieser neuen Konzeption erforderliche Verstärkung administrativer Unterdrückungsmethoden wandten sich in der Parteiführung vor allem Schirdewan und Wollweber. Sie hatten aus den Ereignissen in Polen und Ungarn die Lehre gezogen, daß zu starker Druck von oben die Gefahr einer politischen Explosion heraufbeschwören könnte. Auch an der Parteibasis (Halle, Jena, Dresden) wurde gegen die neue Linie opponiert. Um die entsprechenden Parteileitungen zu disziplinieren, entsandte der ZK-Apparat Agitationsbrigaden. In allen Fällen versteckte sich hinter dem Eingreifen des ZK-Apparates auch der Versuch Ulbrichts, seine damaligen Gegenspieler zu isolieren und aus der SED-Führung zu entfernen. Dies gelang ihm schließlich auf der 35. ZK-Tagung (3.–6. 2. 1958), auf der Schirdewan und Oelßner ihre Sitze im PB verloren, Schirdewan mit Wollweber aus dem ZK ausgeschlossen und mit einer „strengen Rüge“ bestraft wurde. Ziller hatte zuvor Selbstmord begangen. Auf dieser (35.) ZK-Tagung wurde außerdem im Vorgriff auf den V. Parteitag gefordert, die Volkswirtschaft der DDR so zu entwickeln, daß eine höhere Pro-Kopf-Produktion als in der Bundesrepublik Deutschland erzielt wird. Einige Monate später sind dann auf Beschluß der Volkskammer die Lebensmittelkarten für die Bevölkerung abgeschafft worden (Lebensstandard). Ferner wurde die Bildung einer Wirtschaftskommission beim PB (Leitung: E. Apel) beschlossen, die eine qualitative Änderung der Leitung und Planung der gesamten Wirtschaft vorbereitete.
[S. 1170]Der V. Parteitag (10.–16. 7. 1958) war — mehr als jeder andere Parteitag zuvor — der Parteitag Ulbrichts, der von da an mehr als ein Jahrzehnt keine offene Opposition in der Parteiführung zu fürchten hatte. Anknüpfend an die 2. Parteikonferenz des Jahres 1952 wurde eine wirtschaftliche Konzeption für den „Aufbau der materiell-technischen Basis des Sozialismus“ vorgelegt. Das bedeutete die vorrangige Entwicklung bestimmter Zweige der Volkswirtschaft und eine Veränderung des Produktionsprofils. Noch bestehende wirtschaftliche Abhängigkeiten von der Bundesrepublik sollten schrittweise beseitigt werden. Besonderes Gewicht wurde auf die Förderung der Chemischen Industrie (vgl. auch die Zentrale Chemiekonferenz des ZK und der Staatlichen Plankommission vom 3./4. 11. 1958) sowie auf die Produktion hochwertiger Maschinen und Industrieausrüstungen gelegt. Die Umgestaltung der Landwirtschaft sollte beschleunigt, und die noch existierenden privaten Unternehmen sollten in den sozialistischen Wirtschaftssektor eingeordnet werden.
Der Parteitag verkündete als wirtschaftliche Hauptaufgabe: „Die Volkswirtschaft der DDR ist innerhalb weniger Jahre so zu entwickeln, daß die Überlegenheit … der DDR gegenüber dem Bonner Staat eindeutig bewiesen wird und infolgedessen (bis 1961) der Pro-Kopf-Verbrauch unserer werktätigen Bevölkerung mit wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern den Pro-Kopf-Verbrauch in Westdeutschland erreicht und übertrifft.“
Eine verstärkte ideologische Kampagne („Kulturrevolution“) signalisierte die Verkündung der 10 Grundsätze der Sozialistischen ➝Moral. Der Parteitag setzte ferner eine Kommission ein, die ein Programm der Partei bis zur nächsten Zusammenkunft (1963) ausarbeiten sollte. Weiter waren Bemühungen zu erkennen, die Geschichte der deutschen ➝Arbeiterbewegung neu zu interpretieren. Auf der 2. ZK-Tagung (18./19. 9. 1958) wurde vom ZK eine Kommission damit beauftragt, Thesen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung auszuarbeiten (vgl. hierzu auch die Beratung der Abteilung Wissenschaft beim ZK mit Historikern am 17. 12. 1958). Am 19. 1. 1960 wurde unter Leitung des PB-Mitgliedes K. Hager eine Ideologische Kommission beim PB geschaffen, die die Tätigkeit der gesellschaftswissenschaftlichen Institute der Partei sowie die gesamte gesellschaftswissenschaftliche Forschung koordinieren sollte. Bedeutung erlangte die Theoretische Konferenz des ZK in der Parteihochschule „Karl Marx“ (29./30. 1. 1960), die den Auftakt zum Massenstudium des sowjetischen Lehrbuches „Grundlagen des Marxismus-Leninismus“ darstellte.
Das (3.) Parteistatut wurde in einigen Punkten geändert; vor allem ist dabei der Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) Rechnung getragen worden. Auf der Bezirks- und Kreisebene der Partei erfolgten im Anschluß an die Ausschaltung Schirdewans umfangreiche Säuberungen. Der Einfluß, den Schirdewan als Kaderchef hatte, mußte rückgängig gemacht werden; die Ideen, von denen die Opposition weitgehend getragen wurde, waren auch an der Basis auszuschalten. Das ideologisch-dogmatische Training der Parteikader wurde verschärft. Im Dezember 1960/Januar 1961 schließlich führte die SED eine neue Aktion zum Umtausch der Mitgliedsbücher durch (Parteidokumente).
Der innerparteiliche Kampf gegen die Schirdewan-Opposition war verknüpft mit den von Ulbricht getragenen Bestrebungen, in der SED jüngeren, gut geschulten und fachlich ausgebildeten Kräften eine größere Chance zu geben. Wissenschaftler und Fachleute sind z.B., beginnend mit der 7. ZK-Tagung (10.–13. 12. 1959), zu den Beratungen der Plenarveranstaltungen des ZK hinzugezogen worden. Damit deutete sich eine Tendenz an, das ZK von einem Akklamationsorgan zu einem Konsultations- und Transformationsgremium umzugestalten. Diese Tendenz wurde dann in den meisten der folgenden ZK-Tagungen unmittelbar vor und nach dem VI. Parteitag deutlich. Eine gewisse Versachlichung der Entscheidungsprozesse wie der gesamten Parteiarbeit wurde angestrebt. Gleichzeitig hatte die Parteiführung eine Elite heranzuziehen bzw. zu fördern, die das ehrgeizige wirtschaftspolitische Programm in die Praxis umsetzen konnte.
Den Beschlüssen des Parteitages folgten Veränderungen in der volkswirtschaftlichen Planung (Siebenjahrplan) sowie eine Reorganisation des Staats- und Wirtschaftsapparates, deren wichtigstes Merkmal die Gründung der VVB, der Staatlichen Plankommission und der Wirtschaftsräte bei den Bezirken (Bezirkswirtschaftsrat (BWR)) waren (Wirtschaft).
Schließlich wurde in den Jahren 1958–1960 die sozialistische Umgestaltung in der Landwirtschaft auf dem Wege der Zwangskollektivierung der noch verbliebenen selbständigen Bauern zum Abschluß gebracht (Agrarpolitik). Die Parteigeschichtsschreibung konnte nunmehr den „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ feiern: „Mit dem vollständigen genossenschaftlichen Zusammenschluß der Bauern war das sozialistische Eigentum an Produktionsmitteln in seinen zwei Formen — dem staatlich-sozialistischen und dem genossenschaftlich-sozialistischen — Grundlage der gesamten Volkswirtschaft geworden. Die Diktatur des Proletariats erhielt ein im wesentlichen einheitliches sozialökonomisches Fundament“ (Geschichte der SED. Abriß, s. Lit.-Hinw., S. 403).
Im übrigen waren die Jahre seit 1957 wesentlich durch das Bemühen der SED gekennzeichnet, den Staatsapparat auch aufgrund rechtlicher Kodifikationen unter ihre Kontrolle zu bekommen. Seit dem [S. 1171]Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. 1. 1957 (s. o.) kann die „Suprematie“ der SED zum materiellen Verfassungsrecht gerechnet werden. Suprematie der SED bedeutete in den Jahren 1960–1971 auch Suprematie ihres Ersten Sekretärs Ulbricht, der am 10. 2. 1960 zusätzlich Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (NVR) und später außerdem Vorsitzender des nach dem Tode W. Piecks am 12. 9. 1960 geschaffenen Staatsrates der DDR wurde.
Die Zwangsmaßnahmen zur Vollkollektivierung in der Landwirtschaft und das noch bestehende Berlin-Ultimatum der UdSSR (Berlin, VIII.) ließen 1961 die Zahl der Flüchtlinge anschwellen. Um dem Exodus ein Ende zu bereiten, hat die SED schließlich — aufgrund des Beschlusses des Ministerrates vom 12. 8. 1961 — am 13. 8. 1961 die Mauer in Berlin zu errichten begonnen und die Bewachung der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland weiter verschärft.
Die seit 1961 bestehenden und bis in die Gegenwart ständig vervollkommneten Grenzbefestigungen (Grenze, Innerdeutsche; Schießbefehl) der DDR sind im Selbstverständnis der SED-Führung die Voraussetzung für die volle Etablierung und Stabilisierung ihres Herrschaftssystems gewesen. Im Jahre 1961 allerdings kam es auch innerhalb der Partei zunächst einmal darauf an, die „psychologischen Folgen“ des 13. 8. zu überwinden, wobei Ulbricht (wie seinerzeit nach dem 17. 6. 1953) die „Parteiaktivisten“ besonders in die Pflicht nahm.
X. Reformen und Gegenreformen (1961--1966)
Bis zum Beginn der 60er Jahre hatten die Machthaber in der DDR die Grundlagen für ein ihren Herrschaftsprinzipien entsprechendes politisches und gesellschaftliches System gelegt und dieses, wie man stolz verkündete, nach Westen, zur Bundesrepublik Deutschland hin, „abgesichert“. Dabei war die SED weitgehend ohne Rücksichtnahme auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung in der DDR vorgegangen und hatte beim Tempo der Umgestaltungen in Wirtschaft und Gesellschaft — wie die sich wiederholenden, inneren Konflikte dieser Zeit belegen — wenig Augenmaß bewiesen. Ferner war das ohnehin unrealistische Wirtschaftsprogramm von 1958 nicht erfüllt worden; der Siebenjahrplan mußte abgebrochen werden (Wirtschaft). Die Lösung für die entstandenen Probleme wurde in Reformen, deren Kern das „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖSPL; Neues Ökonomisches System (NÖS); Liberman-Diskussion) gewesen ist, gesucht. Damit kündigte sich eine neue Phase der SED- und DDR-Geschichte an; sie wird in der offiziellen Parteigeschichtsschreibung unter dem Schlagwort „umfassender Aufbau des Sozialismus“ abgehandelt.
Schon auf dem VI. Parteitag (15.–21. 1. 1963) präsentierte sich die SED in einem neuen Licht, und ihre Führung zeigte stärkeren Sinn für die Realitäten als zuvor. Es wurde ferner deutlich, daß es der Partei gelungen war, die nach Stalins Tod und Chruschtschows Entstalinisierung im gesamten Ostblock lebendigen Tendenzen einer „Liberalisierung“ aufzufangen und mit einem Modernisierungsdruck und einer entsprechenden Dynamik in der eigenen Gesellschaft, die vor allem von der jüngeren, nach vorne drängenden Generation von Funktionären und Experten ausgingen, zu verbinden. Es folgte eine Zeit, die für die SED, ihre Mitglieder und relativ große Teile der Bevölkerung von einer gewissen Aufbruchstimmung und einem zunehmenden Selbstbewußtsein gekennzeichnet war.
Der VI. Parteitag verabschiedete erstmals in der Geschichte der SED ein Parteiprogramm (die „Grundsätze und Ziele“ von 1946 sind niemals offiziell als Programm bezeichnet worden, obwohl sie zunächst diese Funktion hatten).
Das Programm von 1963 enthielt im Teil I („Weg und Ziel“) eine zusammenfassende Darstellung der Entstehung der SED und ihrer Entwicklung; im Teil II („Der umfassende Aufbau des Sozialismus“) die ausführliche Erläuterung der Aufgaben, die die Partei in der DDR in Angriff zu nehmen hat; im Teil III („Der Kommunismus — die Zukunft der Menschheit“) u.a. auch Hinweise auf das gegenwärtige und zukünftige Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander unter der Parole „Der Sozialismus ist die Zukunft des ganzen deutschen Volkes“.
Außer dem Programm wurde das (4.) Statut beschlossen.
Beide, Programm und Statut, folgten grundsätzlich dem sowjetischen Vorbild. Die SED verstand sich nach wie vor sowohl als Kader- wie als Massenpartei. Das Kaderprinzip wurde noch eindeutiger betont als in den vorangegangenen Statuten: Die SED ist „der bewußte und organisierte Vortrupp der deutschen Arbeiterklasse“, lautete jetzt der Kernsatz. Gleichzeitig wurde das Selbstverständnis über die „Arbeiterklasse“ hinaus ausgedehnt („… die Partei der Arbeiterklasse und des ganzen werktätigen Volkes“), die Partei mehr in Richtung auf eine „Volkspartei“ bestimmt. In diesem Sinne sind auch die Aufnahmebedingungen für ehemalige Mitglieder anderer, in der DDR zugelassener Parteien erleichtert worden. Ferner traten Züge der Staatspartei stärker hervor. Die leitende Rolle der Partei gegenüber Staat und Wirtschaft wurde konkreter formuliert, die Förderung von Wissenschaft und Technik besonders betont. Schließlich fanden sich neben bekannten Behauptungen und Ansprüchen hinsichtlich der Bundesrepublik und Gesamtdeutschlands (Nationales Dokument; Deutschlandpolitik der SED, VI. C.) neue Ansätze eines nationalen Selbstbewußtseins im Rahmen des Marxismus-Leninismus [S. 1172]bzw. des Proletarischen ➝Internationalismus. Programm und Statut stellten darüber hinaus fest, die DDR befinde sich in der Entwicklungsetappe des „umfassenden Aufbaus des Sozialismus“ und sei dabei, ein „sozialistischer Staat“ zu werden.
Die bei aller Betonung der Kontinuität und Tradition dennoch erkennbare Neuorientierung der SED zeigte sich besonders in der Zusammensetzung des ZK und in der Gruppe der von ihm gewählten Kandidaten des PB. Für das ZK können eine Verjüngung und Verfachlichung der Mitglieder und vor allem der Kandidaten nachgewiesen werden (vgl. die Arbeiten von P. C. Ludz, s. Lit.-Hinw.)
Zu den neuen Kandidaten des PB zählten die Wirtschaftsexperten E. Apel, W. Jarowinsky und G. Mittag sowie die Landwirtschaftsfachleute G. Ewald und G. Grüneberg. Sie repräsentierten eine Generation von in der DDR aufgewachsenen und im Sinne der SED ausgebildeten Funktionären und Spezialisten, auf die die ältere Führungsgruppe der Partei offenbar nicht mehr verzichten konnte. Auf der Bezirks- und Kreisebene sind diese Gruppen im Zuge der Einführung des NÖS ebenfalls stärker in die Parteiarbeit einbezogen worden.
Auf dem VI. Parteitag erläuterte Ulbricht die Grundsätze des NÖS, das später auf einer gemeinsamen Wirtschaftskonferenz des ZK der SED und des Ministerrates der DDR am 24./25. 6. 1963 konkretisiert wurde und durch Beschluß des Ministerrates vom 11. 7. 1963 zu Umorganisationen und einer prinzipiellen Umorientierung im wirtschaftlichen Bereich führte.
Parallel zum NÖS in Staat und Wirtschaft ist die Organisationsstruktur der Partei verändert worden. Entsprechend dem Vorbild der KPdSU wurde im (4.) Statut der SED das Produktionsprinzip besonders betont und aufgrund des PB-Beschlusses vom 26. 2. 1963 („Über die Leitung der Parteiarbeit nach dem Produktionsprinzip“) in die parteiorganisatorische Praxis umgesetzt. Der Beschluß legte fest, daß beim PB ein Büro für Industrie und Bauwesen (BfI), ein weiteres Büro für Landwirtschaft (BfL) und — um gleichzeitig die ideologische Arbeit zu verstärken und die gesamte gesellschaftspolitische Forschung besser koordinieren und anleiten zu können — eine Ideologische Kommission (IK) sowie eine Kommission für Agitation (KfA) eingerichtet wurden. Die Leitung dieser neuen Büros bzw. Kommissionen übernahmen Politbüromitglieder bzw. -kandidaten. Analog zur Entwicklung auf der zentralen Ebene wurden BfI und/oder BfL sowie die IK auch auf der Bezirks- und Kreisebene des SED-Apparates gebildet. Die Spitze der BZL bestand nunmehr prinzipiell aus einem Sekretariat von 5 Mitgliedern: dem Ersten Sekretär, dem Sekretär für Parteiorganisation, den Leitern des BfI, des BfL und der IK. Die Gesamtleitungen der Bezirke und Kreise blieben zahlenmäßig im wesentlichen unverändert (Bezirksparteiorganisationen der SED; Kreisparteiorganisationen der SED).
Mit diesen organisatorischen Veränderungen wurde das im Parteiaufbau vorherrschende Territorialprinzip zwar zurückgedrängt, aber nicht völlig aufgegeben. Die neuen Büros und Kommissionen waren eine Zeitlang de facto, jedoch niemals formal voll selbständig. In der Praxis haben sich die BfI, die überwiegend von dynamischen, kenntnisreichen und karrierebewußten jüngeren Funktionären geleitet wurden, besonders im Rahmen der BZL zu mächtigen Institutionen entwickelt. Die Parteiorganisationen in den Staatsorganen, die für die Leitung und Planung der Industrie, des Bauwesens, des Verkehrswesens und des Handels verantwortlich waren, sowie die Grundorganisationen in den Betrieben und Instituten unterstanden ihnen direkt. Damit waren ihre Einflußmöglichkeiten auf Produktionsentscheidungen de facto häufig größer als die der Sekretariate.
Schon sehr bald stellte sich heraus, daß das NÖS und die es begleitenden innerparteilichen Umorganisationen für die Suprematie der SED erhebliche Gefahren bargen. Die Partei mußte befürchten, von der Dynamik der im wirtschaftlichen Bereich in Bewegung gesetzten Kräfte überrollt zu werden; sie sah vor allem ihre organisatorische Geschlossenheit in Frage gestellt. Solche Befürchtungen kamen etwa in den Warnungen, die SED dürfe sich nicht zu einer „Wirtschaftspartei“ entwickeln, zum Ausdruck (vgl. die Verhandlungen des 7. ZK-Plenums vom 2. bis 5. 12. 1964). Vor allem um den Einfluß der BfI einzuschränken, sind daher schnell organisatorische Korrekturen vorgenommen worden: Verstärkte Anstrengungen beim Aufbau der im Mai 1963 gegründeten Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (ABI) als Kontrollorgan der SED und des Ministerrates auf allen Ebenen des Wirtschaftssystems; die Einführung von Produktionskomitees in den Betrieben (Ständige ➝Produktionsberatungen); die Schaffung einer Kommission für Partei- und Organisationsfragen beim PB (vgl. Erich Honecker in seinem Referat „Die Vorbereitung der Parteiwahlen von 1964“ auf der 5. ZK-Tagung, 3.–7. 2. 1964); die Einrichtung von Abteilungen für Parteiorganisation und Ideologie in allen BfI und BfL (vgl. ebd.).
Die zuletzt genannten Abteilungen hatten ihre Arbeit mit der IK, deren Macht seit der 7. ZK-Tagung ständig zunahm, zu koordinieren. Wie stark die SED mit den von ihr initiierten Wirtschaftsreformen bzw. mit deren Auswirkungen befaßt war, zeigen die Diskussionen der 11. Tagung des ZK der SED vom 15. bis 18. 12. 1965, auf der die Durchführung einer 2. Etappe des NÖS beschlossen und die bis dahin bereits erfolgten Modifikationen der Reformen bestätigt wurden. Als unmittelbares Ergebnis dieser Tagung wurde u.a. der Volkswirtschaftsrat (VWR) aufgelöst; an seine Stelle traten 9 Indu[S. 1173]strieministerien zur operativen Leitung der einzelnen Industriezweige.
Im Jahre 1966 wurden dann die BfI und BfL stillschweigend wieder aufgelöst und ihre Leiter auf Bezirks- und Kreisebene als Sekretäre für Wirtschaft bzw. Landwirtschaft in die Sekretariate der Bezirke bzw. Kreise eingegliedert. Ein ähnliches Schicksal haben auch die 1963 gebildeten Kommissionen erfahren. Die innerparteilichen organisatorischen Veränderungen, die unter der Herrschaft des Produktionsprinzips eingeleitet worden waren, hatten damit keinen Bestand. Das Statut der SED (Art. 25,1) wurde auf dem VII. Parteitag (1967) entsprechend geändert (s. unten SED XI.).
Trotzdem waren die Grundideen des NÖS lebendig geblieben, und erste Erfolge stellten sich ein (Wirtschaft). Die Parteiführung versuchte in den folgenden Jahren, die Rationalisierung und Modernisierung des Wirtschaftssystems der DDR weiter zu betreiben (vgl. z.B. die sog. Rationalisierungskonferenz vom 23./24. 6. 1966). Ein wesentliches Problem bestand dabei darin, die Kader mit den Grundzügen und Einzelfragen der Wirtschaftsreform vertraut zu machen und sie zu einer an wirtschaftlich-rationalen Maßstäben orientierten Denk- und Handlungsweise zu erziehen. Die VVB und die Partei- und Staatsgremien arbeiteten zu diesem Zweck Programme aus, die der weiteren ökonomischen Fachausbildung dienen sollten (Kaderentwicklungsprogramme). Parteiseminare bei den BZL und KL, Sonderklassen der Fachschulen, Vorlesungszyklen an den Hochschulen und Industrieinstituten sowie spezielle Lehrgänge an den Sonderschulen der SED dienten der wirtschaftspolitischen Weiterbildung von Partei- und Staatsfunktionären (Parteischulung der SED). Am 24. 3. 1966 wurde von G. Mittag der 1. Lehrgang für Führungskader der Wirtschaft am Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZSW) eröffnet.
XI. Mit gewachsenem Selbstbewußtsein (1967--1971)
Das NÖS hatte für die SED und die DDR-Gesellschaft eine größere Bedeutung als lediglich die von Wirtschaftsreformen und (wieder rückgängig gemachten) innerparteilichen Veränderungen. Mit der — auch formellen — Einführung des Leistungsprinzips erreichte eine Maxime des NÖS jeden im Arbeitsprozeß und in der Ausbildung Stehenden (Gesetzbuch der Arbeit (GBA) vom 17. 4. 1963 und Jugendgesetz vom 4. 5. 1964). Liberalisierungstendenzen in der Kulturpolitik, die allerdings schnell wieder zurückgenommen wurden (vgl. hierzu die von Honecker und Hager auf der 11. Tagung des ZK 1965 gehaltenen Referate), liefen parallel. Die Zulassung der Soziologie und Empirischen Sozialforschung kündigte ein stärkeres Interesse der Parteiführung an der wissenschaftlichen Erforschung der gesellschaftlichen Erscheinungen und Prozesse an.
Insgesamt war der SED ein entscheidender psychologischer Schritt gelungen. Die nach den Maßnahmen des 13. 8. 1961 und den nicht sofort einsetzenden wirtschaftlichen Verbesserungen überwiegend verbitterte Bevölkerung in der DDR schöpfte Hoffnung und fand sich zu einem Teilarrangement mit der Partei bereit. Als die wirtschaftspolitischen Maßnahmen dann tatsächliche Erfolge („Wirtschaftswunder DDR“) brachten, hat die SED-Führung geschickt den Stolz des DDR-Bürgers auf die eigene Leistung propagiert. So konnte sich seit den 60er Jahren ein gewisses Selbst- und Staatsbewußtsein in der DDR entwickeln, von dem die SED profitierte. Dies führte, besonders bei Ulbricht, zur stärkeren Betonung der Besonderheit der Bedingungen in der DDR gegenüber denen in der UdSSR und den anderen osteuropäischen Staaten. Es half ferner der SED, ihre Anstrengungen auf internationale Anerkennung der DDR mit größerem Selbstbewußtsein zu verfolgen (Außenpolitik, IV.). Die veränderte Lage hat die SED schließlich im Frühjahr 1966 der SPD einen Redneraustausch (Deutschlandpolitik der SED, V. D.) vorschlagen lassen.
Der VII. Parteitag (17.–22. 4. 1967) befaßte sich mit der gesellschaftspolitischen Entwicklung in der DDR bis zur „Vollendung“ des Sozialismus. Im Vordergrund stand weiter die Diskussion wirtschaftlicher Probleme. Der Parteitag setzte die Linie des 9. ZK-Plenums (26.–28. 4. 1965) fort, auf dem die Entwicklung einer Wissenschaft von der Führung der Gesellschaft gefordert worden war. Das neue Ziel einer „Verwissenschaftlichung“ aller gesellschaftlichen Bereiche und Tätigkeiten drückte sich in dem starken Interesse an der Kybernetik, der Organisationswissenschaft und der Elektronischen ➝Datenverarbeitung (EDV) aus. Die Wissenschaftlich-technische Revolution (WTR) wurde von der SED als „objektiver Prozeß“ verstanden, der alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringen müsse. Als Aufgabe wurde proklamiert, die DDR als entwickeltes gesellschaftliches System des Sozialismus zu gestalten. Das Ökonomische System des Sozialismus (ÖSS) sollte das NÖS durch ein stabiles System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft für die gesamte Dauer der „relativ selbständigen sozialökonomischen Formation“ des Sozialismus ablösen.
Mit der Formel von der sozialistischen Menschengemeinschaft in der DDR, in der es keine antagonistischen Klassengegensätze mehr gäbe, umriß Ulbricht einerseits die psychologischen Erfolge, die die SED nach 1963 erzielt hatte. Andererseits diente ihm diese Behauptung dazu, ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen als Element des Sozialistischen ➝Staatsbewußtseins weiter zu fördern.
[S. 1174]Das (4.) Statut von 1963 wurde revidiert und die in der Zwischenzeit vorgenommenen Korrekturen bestätigt. Damit erhielt das Territorialprinzip oberhalb der Betriebsebene wieder Priorität. Die Rückversetzung in den Kandidatenstand für die Dauer eines Jahres wurde als Parteistrafe gestrichen; Parteiausschlüsse bedurften bei einfachen Parteimitgliedern nun nur noch der Zustimmung der KL und nicht mehr der BZL.
Nach dem VII. Parteitag suchte die SED-Führung, die Leitungstätigkeit der verschiedenen Parteiorgane zu verbessern. Beim PB wurde ein „Strategischer Arbeitskreis“ unter Leitung des Ersten Sekretärs gebildet. Dieses Gremium konzentrierte sich auf Grundfragen der Innen- und Außenpolitik, der „wissenschaftlich-technischen Revolution“ und der Wirtschaftspolitik. Für die wirtschaftliche Leitungs- und Prognosetätigkeit wurde der Ministerrat zuständig erklärt. Ferner wurde das Prinzip, daß dort entschieden werden soll, „wo das am sachkundigsten möglich ist“, proklamiert. Dessen Durchsetzung diente z.B. ein Seminar des ZK und des Ministerrates für Partei-, Staats- und Wirtschaftskader vom 25. bis 29. 9. 1967.
Die Jahre ab 1967 waren beherrscht von außen-, block- und deutschlandpolitischen Anstrengungen der SED, wobei zum Teil die Initiativen der Ostpolitik der Bundesregierung abgefangen werden mußten (Deutschlandpolitik der SED, V.). Angesichts der mehr oder minder gescheiterten Wirtschaftsreformen in der UdSSR und einzelnen osteuropäischen Staaten (z.B. der ČSSR) und einer wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung in der DDR (die DDR besitzt seit 1963 sicherlich den höchsten Lebensstandard unter den Staaten des RGW) wuchs das Selbstbewußtsein der SED. Ulbricht fand seine Politik der kontrollierten Öffnung der Partei gegenüber neuen Kräften und den Erfordernissen des technologischen Fortschritts bestätigt und brachte seine Befriedigung über die Entwicklung der DDR zum Ausdruck. Derartige Äußerungen wurden in Ost und West als Indiz dafür gewertet, daß Ulbricht die DDR anderen Staaten als beispielhaft empfehlen wollte.
Auf der „internationalen wissenschaftlichen Session“ zum Thema „100 Jahre ‚Das Kapital‘“, die am 12./13. 9. 1967 vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG)) in Berlin veranstaltet wurde, ordnete Ulbricht die neue gesellschaftliche Situation ideologiegeschichtlich unter das Rubrum „Sozialismus“ ein. Der Sozialismus, behauptete er, sei eine „relativ selbständige sozialökonomische Formation in der historischen Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus“ und nicht eine nur „kurzfristige Übergangsphase in der Entwicklung der Gesellschaft“. Anläßlich der Internationalen Wissenschaftlichen Session des ZK der SED zum 150. Geburtstag von Karl Marx (2.–5. 5. 1968) ging er noch weiter und stellte fest, daß „der Sozialismus eine qualitativ neue Gesellschaftsformation ist“. Er behauptete: Nach dem „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse entsteht die sozialistische Produktionsweise, eine qualitativ neue materielle Grundlage der neuen Gesellschaftsordnung“ (ND 4. 5. 1968, S. 5). Hinter solchen Äußerungen verbarg sich die ideologische Aufarbeitung des NÖS. Die mit ihm teilweise übernommenen Kategorien der „kapitalistischen Ökonomie“ (wie Gewinn, Preis usw.) sowie die damit einhergehende Aufgeschlossenheit gegenüber bürgerlich-kapitalistischen Fachwissenschaften (vor allem Kybernetik, Systemtheorie) sollten nicht als „unvermeidliches ‚Übel‘“ auf dem Weg von der bürgerlichen zur kommunistischen Gesellschaft betrachtet werden. Vielmehr galt es sicherzustellen, daß sie ihren „objektiven“ und „positiven“ Platz in der sozialistischen Gesellschaft haben.
Solche Vorstellungen verbanden sich mit einer vorsichtigen Betonung nationaler Komponenten, die für das Ende der Ulbricht-Ära typisch war und etwa in die Verfassung von 1968 Eingang fand.
Obwohl die SED-Führung unter Ulbricht einen relativ eigenständigen Sozialismus für die DDR in Anspruch nahm, hat sie nach außen die führende Rolle der UdSSR stark betont. In manchen Fällen war die Interessenidentität evident: Wie die sowjetischen Führer erblickte die SED-Spitze beispielsweise in der tschechoslowakischen Entwicklung des Jahres 1968 eine ernste Gefahr für ihr Herrschaftssystem und ihr Selbstverständnis vom Sozialismus. In anderen Fällen, vor allem hinsichtlich der Deutschland- und Berlinproblematik, waren dagegen die Interessen nicht völlig gleich gelagert. So scheint es ab 1969 zu Differenzen zwischen der KPdSU-Führung und Ulbricht über die Entspannungspolitik, die Einschätzung der Sozialdemokratie und die ideologische Bestimmung der entwickelten sozialistischen Gesellschaften gekommen zu sein. Ulbrichts Konzept der begrenzten Abweichung vom Sowjet-Modell und seine Entspannungsskepsis stießen wahrscheinlich bei der herrschenden Breshnew-Gruppe in der KPdSU zunehmend auf Ablehnung.
Zweiter Teil: Entwicklung vom VIII. Parteitag (1971) bis zur Gegenwart
XII. Ein neues Kapitel der Geschichte
Mit dem VIII. Parteitag (15.–19. 6. 1971), dem ersten, an dem Ulbricht nicht mehr teilnahm, begann ein neues Kapitel der Geschichte der SED und damit der DDR. Hierin stimmen die DDR-Geschichtsschreibung (Periodisierung) und die Interpretationen westlicher Analytiker grundsätzlich überein. Im einzelnen sind die Sichtweisen allerdings recht unterschiedlich.
[S. 1175]Für die Zäsur zu Anfang der 70er Jahre werden in der offiziellen marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibung üblicherweise drei Faktorenkomplexe hervorgehoben: Das sozialistische Weltsystem sei mit dem Übergang zur sozialistischen ökonomischen Integration (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)) in eine neue Phase eingetreten; im ideologischen Bereich habe sich die Theorie vom Sozialismus und Kommunismus als den zwei Phasen der einheitlichen kommunistischen Gesellschaftsformation durchgesetzt (Marxismus-Leninismus, III. C.); in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sei eine Neuorientierung vor allem insofern erfolgt, als nun auch dem sozialen und kulturellen (und nicht überwiegend oder gar ausschließlich dem ökonomischen) Fortschritt Aufmerksamkeit geschenkt werde (Lebensweise, Sozialistische).
Die westlichen Interpretationen konzentrieren sich demgegenüber auf zwei Faktorenkomplexe. Diese mögen in mancherlei Hinsicht die DDR-offiziellen ergänzen oder präzisieren; doch können sie im Grunde nicht zu ihnen in Beziehung gesetzt werden, weil sie auf einer anderen Bezugsebene formuliert sind. Als für das neue Kapitel der SED-Geschichte besonders wichtig gilt im Westen zum einen die weltweite Verteuerung und somit Verknappung der Rohstoffe (Außenwirtschaft und Außenhandel), die die DDR spätestens seit Mitte der 70er Jahre zu spüren bekam und die bis heute den Bewegungsspielraum auch der SED-Führung erheblich einschränkt. Zum anderen werden die deutschlandpolitischen und sich an die internationale Anerkennung der DDR anschließenden Entwicklungen unterstrichen (Außenpolitik; Deutschlandpolitik).
Von Beobachtern im Westen wird darüber hinaus betont, daß die Entwicklung der SED seit 1971 durch eine bemerkenswerte Konsolidierung und Kontinuität gekennzeichnet ist: Vom VIII. Parteitag ließen sich relativ gerade Linien zum IX. Parteitag (18.–22. 5. 1976) und dem vorerst letzten X. Parteitag (11.–16. 4. 1981) ziehen. Im folgenden soll deshalb nicht primär chronologisch vorgegangen werden, sondern vielmehr entsprechend einigen Schwerpunktthemen, die für die gesamte, nach vorne hin offene Periode gelten und im (2.) Programm der SED von 1976 sowie in ihrem (5.) Statut aus dem gleichen Jahr ihren Niederschlag gefunden haben. Das sind: die Art und die Folgen der Machtübernahme an der Spitze von Partei und Staat (Kap. XIII.); die Konsolidierung im ideologisch-politischen Bereich durch die Bestimmung der DDR-Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen geschichtlichen Etappe als „entwickelte sozialistische Gesellschaft“ (Kap. XIV.); die Konzentration der innergesellschaftlichen Aktivitäten auf die „Hauptaufgabe“, einschließlich der Probleme, die sich daraus im Verhältnis Partei: Bevölkerung ergeben haben (Kap. XV.); die strengere Ausrichtung auf die marxistisch-leninistische Ideologie (Kap. XVI.) und sich daran orientierende parteiinterne Entwicklungen (Kap. XVII.) sowie schließlich die ideologischen Festschreibungen im neuen Parteiprogramm (Kap. XVIII.).
XIII. Von Ulbricht zu Honecker
Ulbricht hatte auf dem 16. Plenum des ZK (3. 5. 1971) das Amt des Ersten Sekretärs des ZK an Erich Honecker abgeben müssen. Damit war seine politische Entmachtung vollzogen, obwohl er weiterhin Vorsitzender des Staatsrates und — allerdings nur bis zum 24. 6. 1971, wenige Tage nach dem VIII. Parteitag — des Nationalen Verteidigungsrates blieb und zusätzlich die seit dem Tode Piecks erstmals wieder vergebene Position eines Parteivorsitzenden erhielt. Honecker, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK (Aufgabenbereich: Sicherheit) seit 1958, war von Ulbricht, so wird häufig behauptet, als Nachfolger aufgebaut worden. Der offiziellen Version zufolge hatte Ulbricht auch seine Wahl zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED vorgeschlagen (vgl. Ulbrichts Rücktrittserklärung, ND 4. 5. 1971).
Die Gründe, die zu Ulbrichts Ablösung geführt haben, sind komplex. Neben seinem Alter und schlechtem Gesundheitszustand waren es, wie oben (XI.) gezeigt wurde, vor allem außen- und blockpolitische sowie ideologische Auffassungen, mit denen sich Ulbricht isolierte. Hinzu kam eine Krise der Wirtschafts- und Planungspolitik (vgl. die 14. ZK-Tagung, 9.–11. 12. 1970; Wirtschaft). Ein vollständiges Bild dieses Machtwechsels, eine historisch-quellenmäßig abgesicherte Interpretation stehen noch aus.
Der VIII. Parteitag brachte nicht die große Abrechnung mit der „Ära Ulbricht“. Im Gegenteil: Ulbricht erhielt den Auftrag, den Parteitag zu eröffnen. Doch war er, wie es hieß, aus Krankheitsgründen der Veranstaltung ferngeblieben; H. Axen verlas seine Ansprache. Die Taktik der SED-Führung ging damals, wie auch in den Folgejahren, dahin, Ulbricht zunächst fast gänzlich totzuschweigen. Vorherrschend scheint sowohl in der SED wie in der KPdSU das Ziel gewesen zu sein, möglichst keine Unruhe oder Unsicherheit in Partei und Bevölkerung der DDR aufkommen zu lassen — zumal der neue Erste Sekretär noch keineswegs die Autorität besaß, die Ulbricht sich in Jahrzehnten erworben hatte.
So hat es auch in der personellen Besetzung der Spitzengremien, wie sie gleich nach dem VIII. Parteitag beschlossen wurde, kaum Veränderungen gegeben. Alle amtierenden Politbüro-Mitglieder und ZK-Sekretäre wurden wiedergewählt. Einige wenige Neubesetzungen verrieten jedoch bereits die Handschrift des neuen Ersten Sekretärs E. Honecker: W. Lamberz rückte vom Kandidaten zum Vollmitglied auf; W. Krolikowski (1. Sekretär der BZL [S. 1176]Rostock) wurde hinzugewählt; außerdem ist zum ersten Mal seit 1953 wieder ein Minister für Staatssicherheit, E. Mielke, in das Politbüro aufgenommen worden.
Durch den Tod Ulbrichts (1. 8. 1973) ergaben sich Nachfolgeregelungen auch an der Spitze des Staatsapparates. Bis 1976 wurde der Staatsratsvorsitz von Politbüromitglied W. Stoph übernommen. Das dadurch vakant gewordene Amt des Ministerratsvorsitzenden ging an Politbüromitglied H. Sindermann, der den Posten des Ersten stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates für G. Mittag, Politbüromitglied und bis dahin ZK-Sekretär für Wirtschaft, frei machte.
In kurzer Zeit hatte Honecker seine Position gefestigt. Das zeigte der IX. Parteitag (18.–22. 5. 1976), der im neu erbauten „Palast der Republik“ stattfand. Honecker, von nun an „Generalsekretär“ des ZK der SED, beherrschte den Parteitag ähnlich wie seinerzeit sein Vorgänger.
Auf der Sitzung der Volkskammer vom 29. 10. 1976 konnte sich Honecker zum Vorsitzenden des Staatsrates wählen lassen. Er vereinigt seitdem in seiner Person die gleichen Funktionen wie Ulbricht zwischen 1960 und 1971: Generalsekretär (Erster Sekretär) des ZK der SED, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und des Staatsrates der DDR.
Zuvor, am 28. 10. 1976, waren die personellen Veränderungen an der Spitze des Staatsapparates von 1973 aufgehoben worden. Stoph erhielt wieder den Vorsitz des Ministerrates und Sindermann übernahm erstmals das Amt des Präsidenten der Volkskammer (Vorgänger: G. Götting), während Mittag auf seinen Posten als ZK-Sekretär für Wirtschaft zurückkehrte. Damit war eine Besetzung der wichtigsten Positionen im politischen System der DDR erfolgt, die an die Zeiten des NÖS erinnerte (vgl. Deutschland Archiv, Heft 11/1976, S. 1121 ff.). Sie hat sich bis heute nicht verändert. Damals, 1963, waren es Mittag, ZK-Sekretär für Wirtschaft, auf der Parteiseite und Stoph als Ministerpräsident auf der Staatsseite, die zusammen mit dem Vors. der Staatlichen Plankommission Apel versucht hatten, eine gravierende Wirtschaftskrise durch Reformen zu überwinden (s. o. Kap. SED X.).
XIV. Die „entwickelte sozialistische Gesellschaft“
In der ideologischen Interpretation der Entwicklung der DDR wurde auf dem VIII. Parteitag ein Weg eingeschlagen, der zur Formulierung der Thesen von der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ im Programm der SED von 1976 führte. Wichtige Zwischenstation auf diesem Weg war die Tagung der Gesellschaftswissenschaftler am 14. 10. 1971 in Berlin. K. Hagers Rede über „Die entwickelte sozialistische Gesellschaft“ knüpfte an Ulbrichts späte Gedanken zum entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus an. Hager ersetzte die Ulbrichtsche Formulierung durch die von der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“, nicht ohne festzustellen: „Die Begriffe ‚umfassender Aufbau des Sozialismus‘, ‚entwickeltes gesellschaftliches System des Sozialismus‘ und ‚entwickelte sozialistische Gesellschaft‘ bezeichnen im wesentlichen das gleiche, nämlich den reifen oder entwickelten Sozialismus“ (Einheit, 11/71, S. 1213). In anderen Worten: Die SED des Jahres 1971 hatte die Grundlagen des Programms von 1963 nicht verlassen. Damit war ferner ausgesagt, daß die seinerzeit von Ulbricht gegebene Einschätzung der gesellschaftspolitischen Situation der DDR durchaus noch Gültigkeit beanspruchen konnte. Nach dem „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“, der auf Anfang der 60er Jahre datiert wird (s. oben, SED IX.), befände sich die DDR in einer neuen Phase der Entwicklung, die noch nicht eigentlich die der kommunistischen Gesellschaft wäre. Auch an den wesentlichen Merkmalen des von Ulbricht definierten „entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ wurde festgehalten: „hohes Niveau“ und „rasches Wachstumstempo der gesellschaftlichen Produktivkräfte“, „stabile, sich entwickelnde sozialistische Produktionsverhältnisse“, „starke sozialistische Staatsmacht“, „allseitige Entwicklung der sozialistischen Demokratie“, „hoher Bildungsstand der Werktätigen und … Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen“, „proportionale Entwicklung unserer Volkswirtschaft“ (Ulbricht auf dem VII. Parteitag, Protokoll, Bd. I, S. 98 f.).
Solche Kontinuität anzeigenden inhaltlichen Übereinstimmungen sind in der Folgezeit durch ein den formalen Aspekt betonendes Argument, das sich indirekt gegen Ulbricht richtete, überlagert worden. Der späte Ulbricht hatte den Sozialismus als eine relativ selbständige Gesellschaftsformation bestimmt (s. oben, SED XI.)
Auf ihrem VIII. Parteitag dagegen legte sich die SED dahingehend fest, daß Sozialismus und Kommunismus 2 Phasen der einheitlichen kommunistischen Gesellschaftsformation seien, zwischen denen es keine starre Grenzlinie gäbe. Dieser korrigierenden Argumentation folgte auch bereits Hager in der genannten Rede.
Gleichzeitig wurden von Hager Konfliktpunkte aufgeführt, die allerdings möglicherweise Ulbricht selbst weniger betrafen als bestimmte Gruppen von Gesellschaftswissenschaftlern und Praktikern, die unter seinen ideologischen Festlegungen und seiner Politik in den Jahren seit 1963 an Einfluß gewonnen hatten (s. oben SED X.; SED XI.) Hager wollte den Primat des Marxismus-Leninismus, den „klassenmäßigen Inhalt des Sozialismus“ wieder stärker etabliert wissen (vgl. auch unten SED XVI. ff.).
Die Diskussion zum Thema der historischen Einordnung und ideologischen Identifizierung der gegenwärtigen DDR-Gesellschaft kann als vorläufig abge[S. 1177]schlossen gelten, nachdem das Programm der SED von 1976 vorliegt. Hier findet sich eine zehnteilige „Definition“ der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“:
„Entwickelte sozialistische Gesellschaft — das heißt, alle materiellen, sozialökonomischen und politisch-ideologischen Voraussetzungen zu schaffen, damit der Sinn des Sozialismus, alles zu tun für das Wohl des Volkes, für die Interessen der Arbeiterklasse, der Genossenschaftsbauern, der Intelligenz und der anderen Werktätigen, auf ständig höherer Stufe verwirklicht wird …
eine leistungsfähige, materiell-technische Basis zu schaffen, die ein stabiles Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitsproduktivität und Effektivität der gesellschaftlichen Arbeit ermöglicht …
Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik in untrennbarer Einheit durchzuführen …
die Produktionsverhältnisse als Beziehungen kameradschaftlicher Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe zwischen den Werktätigen und zwischen den Arbeitskollektiven weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen, die Kollektivität in den gesellschaftlichen Beziehungen zu verstärken …
die Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei als führende Kraft der Gesellschaft zu erhöhen, ihr Bündnis mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, mit der Intelligenz und allen anderen Werktätigen ständig zu festigen …
die sozialistische Staats- und Rechtsordnung allseitig zu festigen und die sozialistische Demokratie breit zu entfalten …
die sozialistische Bewußtheit der breiten Massen weiter zu erhöhen, ihre marxistisch-leninistische Weltanschauung und kommunistische Moral aktiv herauszubilden, Egoismus, Individualismus und andere Erscheinungen der bürgerlichen Ideologie konsequent zu überwinden … den Schutz des Friedens und der sozialistischen Errungenschaften jederzeit zuverlässig zu gewährleisten und bei allen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik die Bereitschaft zur Verteidigung des Sozialismus zu festigen …
die ständige Festigung und Vertiefung des Bruderbundes mit der Sowjetunion und den anderen Ländern der sozialistischen Gemeinschaft …
alle Bedingungen zu schaffen, damit sich die gesellschaftlichen Beziehungen und die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Menschen voll entfalten können, alle Möglichkeiten zu eröffnen, daß sie ihr Leben inhaltsreich und kulturvoll zu gestalten vermögen, daß das Denken und Handeln der Werktätigen von der sozialistischen Ideologie, der marxistisch-leninistischen Weltanschauung der Arbeiterklasse geprägt wird“ (s. Protokoll des IX. Parteitages, Bd. 2, S. 218–220).
Mit dem Konzept der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ hat sich die SED auf eine „relativ lange geschichtliche Periode“ eingestellt, von der behauptet wird, daß sie nicht frei von „Widersprüchen“ und „Konflikten“ sei. Die mit Ulbrichts Begriff der sozialistischen Menschengemeinschaft intendierten Harmonievorstellungen wurden also verworfen: „Der Begriff der sozialistischen Menschengemeinschaft bringt zweifellos das Entstehen neuer gesellschaftlicher, menschlicher Beziehungen zum Ausdruck. Auf den gegenwärtigen Entwicklungsabschnitt des sozialistischen Aufbaus in der DDR angewandt, ist er aber wissenschaftlich nicht exakt, da er die tatsächlich noch vorhandenen Klassenunterschiede verwischt und den tatsächlichen erreichten Stand der Annäherung der Klassen und Schichten überschätzt. Er verwischt die führende Rolle der Arbeiterklasse … Dieser Begriff wird dem komplizierten, widersprüchlichen und langwierigen Entwicklungsprozeß der sozialistischen gesellschaftlichen Beziehungen nicht gerecht“ (Hager, in: Einheit, 11/71, S. 1212). „Soziale Differenzierungen“ (Sozialstruktur) und „Disproportionen“ in der eigenen Gesellschaft werden also nicht geleugnet, ja sogar explizit anerkannt (so auch in der „Geschichte der SED. Abriß“, s. Lit.-Hinw., S. 577 f.).
Solche Einsichten offenbaren — ähnlich wie die Formel „real existierender Sozialismus“ (vgl. Hager auf der 9. ZK-Tagung, 28./29. 5. 1973) — einen gewissen Sinn für die gesellschaftliche Wirklichkeit in der DDR. Da sie jedoch mit der ausdrücklichen Hervorhebung der „führenden Rolle der Arbeiterklasse“ verknüpft sind, ja deren Legitimation dienen, sollten sie nicht überbewertet werden. Eine gewisse Pluralität der DDR-Gesellschaft mögen die SED-Ideologen zur Kenntnis nehmen; aber sie werden diese nur gelten lassen, wenn sie in den Dienst des von der Parteiführung als richtig erachteten Weges gestellt werden kann.
XV. Unter den Direktiven der „Hauptaufgabe“
Im Selbstverständnis der SED ist die Phase der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ u.a. dadurch charakterisiert, daß „Disproportionen“, die sich aus der Konzentration auf den ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Fortschritt ergeben haben, korrigiert werden müssen. Solche Korrekturen betreffen den Wirtschaftsbereich und werden darüber hinaus durch Maßnahmen der Sozial- und der Kulturpolitik zu erreichen gesucht. In diesem Sinne wurde auf dem VIII. Parteitag als Hauptaufgabe des Fünfjahrplanes 1971–1975 die „weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes“ beschlossen und bestimmt, daß diese „auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ zu erfolgen habe. Der so beschriebene Kurs in der Gesellschaftspolitik ist in [S. 1178]dem Statut der SED von 1976 kodifiziert worden. Er wird seitdem in Wort und Schrift meist nur noch mit dem Schlagwort „Hauptaufgabe“ oder mit der Formel „Hauptaufgabe in ihrer/der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ gekennzeichnet. Fast die gleichen Formulierungen wie im Parteitagsbeschluß von 1971 und im Statut von 1976 finden sich in Honeckers Rechenschaftsbericht an den X. Parteitag aus dem Jahre 1981. Zuletzt wurde sie auf der 7. ZK-Tagung (24./25. 11. 1983) besonders hervorgehoben.
Unter der „Hauptaufgabe“ des Jahres 1971 ist also eine langfristige gesellschaftspolitische Strategie zu verstehen. Sie ist auf Wachstum (im Sinne der „Intensivierung“) und Leistungssteigerung ausgerichtet und macht die Wirtschaft zum „entscheidenden Kampffeld“ sowohl in der Innenpolitik wie in der ideologischen Auseinandersetzung mit dem „Klassengegner“. Doch die Zielstellung ist nicht nur wirtschaftlicher Art. Vielmehr soll die ständige Entfaltung der Sozialistischen ➝Lebensweise erreicht und deren Überlegenheit über die kapitalistische Lebensweise offenkundig werden. Verglichen mit der „Hauptaufgabe“ des Jahres 1958 (s. oben SED IX.) ist man hinsichtlich der Formulierung von Zielen jedoch vorsichtiger geworden.
Die „Hauptaufgabe“ stellt nicht nur erhöhte Ansprüche an die Effektivität von Wirtschaftsleitung und -planung, sondern aus ihr abzuleitende Forderungen richten sich letztlich an alle arbeitenden Menschen in der DDR. Nur durch ihre Mitwirkung können Wachstum und Leistungssteigerung gewährleistet werden. Damit jedoch ist die Partei gegenüber der Bevölkerung in Zugzwang geraten; denn eine solche Mitwirkung ist lediglich dann zu erreichen, wenn sich für die Masse der Arbeitenden die allgemeinen Lebensbedingungen verbessern. So mußte die Wirtschaftspolitik (Wirtschaft; Intensivierung und Rationalisierung) stärker auf die Bedürfnisse des (individuellen und gesellschaftlichen) Konsums ausgerichtet werden. Im infrastrukturellen Bereich galt es, die Bedingungen zu verbessern (Binnenhandel; Lebensstandard; Verkehrswesen). In der Sozialpolitik waren lange vernachlässigte Bedürfnisse zu befriedigen (Erhöhung des Mindestlohnes und der Renten, Verkürzung der Arbeitszeit u.a.m.). Vor allem in der Wohnungspolitik (Bau- und Wohnungswesen) mußte Versäumtes nachgeholt werden. Diese wirtschaftlichen und sozialpolitischen Zwänge der „Hauptaufgabe“ bestehen fort, auch wenn die SED auf „Erfolge“ seit 1971 verweisen kann.
Ein wichtiger Bestandteil der als „Hauptaufgabe“ bezeichneten politischen Linie seit 1971 ist ferner die Beeinflussung langfristiger sozialstruktureller Entwicklungen in der DDR (Bevölkerung, IV.; Sozialstruktur, I. und Sozialstruktur, IV.).
Schließlich hatte die Parteiführung ihr Versprechen der Hebung des „kulturellen Lebensniveaus“ einzulösen. Sie stand auch hinsichtlich der in der Vor-Helsinki-Phase der KSZE besonders proklamierten „Weltoffenheit“ in der Pflicht. Schon auf dem 9. ZK-Plenum (28./29. 5. 1973) hatte Honecker deshalb zugestanden, daß staatlicherseits künftig nichts mehr gegen den Empfang westlicher Rundfunk- und Fernsehsendungen (Rundfunk; Fernsehen) unternommen werden würde.
Diese Politik einer begrenzten Rücksichtnahme auf die Wünsche der Bevölkerung, in die sich auch die Kirchenpolitik seit den 70er Jahren (Kirchen) einreiht, hat die politische Stimmungslage in der DDR einerseits im Sinne einer konsumorientierten Zufriedenheit verbessert. Andererseits hat sie das Selbstbewußtsein der Bevölkerung gestärkt. So wurden etwa Volksaussprachen auch wirklich zum Aussprechen von Meinungen genutzt; so sah sich die SED durch die öffentlichen Erwartungen zu den sozialpolitischen Maßnahmen vom Mai 1975 fast schon genötigt.
Wenn durch diese Politik die Kluft zwischen der breiten Masse der Bevölkerung und der politischen Führung auch etwas verringert werden konnte, sah die Situation für einzelne und Gruppierungen, die sich am Rande dieses Konsenses bewegten, erheblich anders aus. Wer den von der Partei gesetzten Rahmen erweitern, das Niveau der zugestandenen Freiheiten verändern wollte und will, war und ist Druck und Verfolgungen ausgesetzt. Das gilt z.B. für einige Künstler, ferner für diejenigen, die sich — nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte durch Honecker — auf das Menschenrecht der Freizügigkeit berufen (Bürgerrechtler) oder Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR eingereicht haben. Es gilt auch für alle, die sich im Sinne der inoffiziellen Friedensbewegung engagieren.
Grundsätzlich gesehen sind die Probleme, die sich aus der Proklamation der „Hauptaufgabe“ auf dem VIII. Parteitag ergeben haben, mit in die 80er Jahre hinübergenommen worden.
XVI. Die Aufwertung des Marxismus-Leninismus
Seit Honeckers Machtantritt ist die politische Bedeutung des Marxismus-Leninismus als Wissenschaft und Weltanschauung erneut unterstrichen worden. So heißt es im Programm von 1976: „Der Marxismus-Leninismus in der Einheit aller seiner Teile ist das theoretische Fundament der gesamten Tätigkeit der Partei … (Er) ist der zuverlässige Kompaß bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und beim Übergang zum Kommunismus.“
Solche Akzentsetzung erklärt sich einmal aus der Abwehr „eurokommunistischen“ und „sozialdemokratischen“ Gedankengutes und politischer Positionen (Abgrenzung; Abweichung; Eurokommu[S. 1179]nismus; Sozialdemokratismus). Andererseits geht es darum, bestimmte Tendenzen eines „Aufbruchs“ auch im Ideologischen, wie sie sich im Zuge der Periode der Reformen (vgl. oben SED X.) in der eigenen Gesellschaft entwickelt hatten, besser in den Griff zu bekommen.
Bereits durch den Politbüro-Beschluß vom 14. 9. 1971 war in der Parteischulung der SED ein Wandel erfolgt, in dem sich die Konzeption des späteren Programms ankündigte. Lag bis dahin das Schwergewicht auf der Behandlung der beim Aufbau des Sozialismus in der DDR auftretenden wirtschaftlichen Probleme, so rückte jetzt wieder das Pflichtstudium der Klassiker des Marxismus-Leninismus und der Beschlüsse der SED in den Vordergrund. In die gleiche Richtung wies dann der Beschluß des Politbüros „Aufgaben und Gestaltung des Parteilehrjahres in den Jahren 1976–1981“, der im Juni nach dem IX. Parteitag gefaßt wurde. Mit ihm wurde die Parteischulung erstmals über einen Zeitraum von 5 Jahren (zuvor immer nur 1 Jahr) geregelt. Ab 1981/82 hat ein neuer Lehrjahrzyklus begonnen.
Darüber hinaus räumte der VIII. Parteitag durch eine Statutenänderung den SED-Grundorganisationen ein zusätzliches Kontrollrecht über die wissenschaftlichen Institutionen ein, und der „Beschluß des Politbüros des Zentralkomitees der SED über die Aufgaben der Universitäten und Hochschulen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ vom 18. 3. 1980 bestimmte: „Das Studium der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse und der Politik ihrer revolutionären Partei ist die entscheidende Grundlage der wissenschaftlichen Bildung und kommunistischen Erziehung der Studenten und des wissenschaftlichen Nachwuchses“ (Dokumente der SED, s. Lit.-Hinw., Bd. XVIII, S. 34).
Mit diesen Maßnahmen sollten Entwicklungstendenzen der 60er Jahre im Wissenschaftsbereich korrigiert werden. Seinerzeit waren die angewandten Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften stark gefördert worden, wobei ihre Integration in das Theoriegebäude des Marxismus-Leninismus häufig nicht oder nur wenig überzeugend gelang und orthodoxe Axiome und Postulate z. T. in Frage gestellt wurden. Gegen Ende der 60er Jahre war dann im Parteiapparat zunehmend Kritik an dieser Politik unter Hinweis vor allem auf den mit dem Marxismus-Leninismus nicht zu vereinbarenden Gebrauch von aus der Systemtheorie stammenden Begriffen und Konzepten geäußert worden. Darin kam teilweise das Unbehagen untergeordneter Funktionäre über die wachsende Rolle der technischen und wissenschaftlichen Experten zum Ausdruck. Die Kritik war aber auch ein Anzeichen dafür, daß vor allem Wirtschaftsfachleute die aus der westlichen Diskussion stammenden systemtheoretischen Überlegungen als wenig geeignet ansahen, um die konkreten Schwierigkeiten zu bewältigen (System/Systemtheorie).
Kontrolle der wissenschaftlichen Institutionen durch die Partei und Betonung des marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiums deuteten ein verändertes Verhältnis der SED zur Wissenschaft (und deren Trägern, der Intelligenz) an. Wissenschaft galt zwar weiterhin als Produktivkraft, wurde jedoch in ihrer Bedeutung hinter die Hauptproduktivkraft der sozialistischen Gesellschaftsordnung zurückgestuft (Arbeiterklasse). Für die gewandelte Auffassung sprach auch die Neufassung der Formel von der Wissenschaftlich-technischen Revolution (WTR).
Diese Erscheinungen einer Aufwertung des Marxismus-Leninismus sind vor dem Hintergrund eines spezifischen Verständnisses von Ideologie und Politik zu sehen, das es erlaubt, auch die Mobilisierung zur „Erfüllung der volkswirtschaftlichen Aufgaben“, die Erhöhung der „sozialistischen Arbeitsmoral“ und der „schöpferischen Initiative“ als „politisch-ideologische“ Aufgabe zu definieren. Anders ausgedrückt: Die „Stärkung der ökonomischen Leistungskraft“ als gesamtgesellschaftliches Anliegen (der Fünfjahrplan als „zweites Parteiprogramm“) hat an Wichtigkeit nichts eingebüßt. Die SED versucht lediglich, sich verselbständigende soziale Prozesse, die Ausdifferenzierungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft besser unter Kontrolle zu bekommen.
So verwundert es nicht, daß unter Honecker der Primat der Partei auch gegenüber dem Staat (Marxismus-Leninismus, III. B., Staatsapparat, Staatslehre) wieder stärker betont und, vor allem, tiefgreifender ideologisch begründet wird. Gleichzeitig findet eine Konzentrierung der Entscheidungsfindung auf das PB und das ZK-Sekretariat statt, während das Zentralkomitee gegenüber den 60er Jahren an Bedeutung verliert.
Unter Ulbricht waren Tendenzen zu beobachten, den Staat — insbesondere durch die starke Stellung des Staatsrates und seines Vorsitzenden — ständig aufzuwerten und ihm neben der Partei eine etwa gleichwertige Rolle einzuräumen (vgl. G. Neugebauer, Partei und Staatsapparat …, s. Lit.-Hinw., S. 131 ff.). Solche Tendenzen sind seitdem kaum noch zu erkennen. Im staatlichen Bereich liegt heute das Schwergewicht auf dem Ministerrat.
XVII. Parteiinterne Entwicklungen
Der VIII. Parteitag bestätigte eine Reihe von Änderungen des seit 1963 gültigen und bereits auf dem VII. Parteitag 1967 geänderten Statuts der Partei: Die Wiederaufnahme aus der Partei Ausgeschlossener bedarf nur noch der Bestätigung der zuständigen Kreisleitung (Art. 17). Ordentliche Parteitage finden in Anpassung an den Fünf-Jahrplan-Rhythmus nur noch alle 5 Jahre statt (Art. 34). Die Stadtbe[S. 1180]zirksleitungen haben jetzt die gleichen Rechte und Pflichten wie die Kreisleitungen (Art. 55). Darüber hinaus wurden u.a. auch den Parteiorganisationen in Kultur- und Bildungseinrichtungen. Lehranstalten, medizinischen Institutionen usw. ein Kontrollrecht über die Betriebs- bzw. Institutsleitungen eingeräumt (Art. 63) und neue Regelungen für die Erhebung der Mitgliedsbeiträge getroffen (Art. 73). Der IX. Parteitag verabschiedete das (5.) Statut, das ohne Abänderungen bis heute gültig ist. In seiner Präambel definiert sich die SED, wie im neuen Programm, als „der bewußte und organisierte Vortrupp der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik“. Die Parteimitglieder werden erstmals als „Kommunisten“ angesprochen; der „Erste Sekretär“ erhält (wie in den Jahren 1950 bis 1953 und in Anlehnung an die KPdSU) den Titel „Generalsekretär“; der Marxismus-Leninismus als theoretische Grundlage der Parteiarbeit und der „kompromißlose Kampf“ gegen „alle Erscheinungen der bürgerlichen Ideologie“ werden besonders herausgestellt (zu Einzelaspekten des Statuts vgl. unten die Abschnitte SED XX. und SED XXI.).
In der personellen Zusammensetzung der höchsten SED-Gremien gab es weder auf dem IX. noch auf dem X. Parteitag spektakuläre Veränderungen. Die Fluktuation in Politbüro und ZK-Sekretariat war überwiegend durch Tod oder Krankheit von langjährigen Amtsinhabern bedingt. Erst im Mai 1984 (8. ZK-Tagung) erfolgten, nach Vorbereitung im November 1983, einige von westlichen Beobachtern als sensationell gewertete personalpolitische Entscheidungen, die vor allem das Politbüro und das ZK-Sekretariat betrafen (zu Einzelheiten Politbüro des ZK der SED; Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED; Zentralkomitee (ZK) der SED). Nach dem VIII. Parteitag sind neue Maßnahmen, die Auswahl der Kader betreffend, eingeführt worden (Kaderpolitik). Die Zusammenarbeit von Parteispitze und -apparat wurde überprüft und, aus offizieller Perspektive, vermutlich verbessert. So sind jährliche Beratungen des ZK-Sekretariats mit den Ersten Sekretären der SED-Kreisleitungen seit dem IX. Parteitag beinahe zur Routine geworden. Auf der 11. Tagung des ZK (13./14. 12. 1979) wurde eine Kontrolle der Parteidokumente und der „ordnungsgemäßen Registratur der Mitglieder und Kandidaten der Partei“ beschlossen — eine Maßnahme, die in der Geschichte der SED nunmehr routinemäßig etwa alle 10 Jahre stattfindet (Parteidokument). Bei der im März/April 1980 durchgeführten Aktion sollten offenbar die Parteiangehörigen vor allem an ihre Pflichten im Sinne der „Hauptaufgabe“ erinnert und Ungenauigkeiten in der Parteiregistratur und -statistik beseitigt werden. Die Mitgliedsbücher wurden diesmal nicht umgetauscht, sondern durch Einkleben einer Kontrollmarke verlängert.
Den Grundorganisationen der SED wird seit Honeckers Machtantritt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Diese relativ kleinen, auf Betriebs- und Wohngebietsebene gebildeten Basiseinheiten sind für die Partei zur Durchsetzung ihrer Ziele und zur Informationsgewinnung in der sich zunehmend ausdifferenzierenden Gesellschaft der DDR immer wichtiger geworden. Über die Grundorganisationen werden vor allem diejenigen SED-Mitglieder, die nicht gleichzeitig Funktionäre sind, erreicht. Sie sind es, die in täglicher Berührung mit Nicht-SED-Mitgliedern stehen. Dadurch erhalten sie bei der Verwirklichung der angestrebten Interessenidentität zwischen Partei und Bevölkerung eine Schlüsselstellung. Zumindest scheint dies die gegenwärtige Perzeption der SED-Führung zu sein; denn nicht umsonst hat Honecker in dem auf dem X. Parteitag (1981) verlesenen Rechenschaftsbericht der „wachsenden Rolle der Grundorganisationen“ einen ganzen Abschnitt gewidmet.
XVIII. Das Programm von 1976
Der IX. Parteitag der SED beschloß ein neues (das 2.) Programm und das (5.) Statut, die beide noch heute gelten. In ihnen wurden Tendenzen festgeschrieben, die sich seit dem VIII. Parteitag als dominierend für die Partei- und Gesellschaftspolitik erwiesen haben.
Der Blick im Programm der SED von 1976 (zum Statut s. SED XVII. und SED XX., SED XXI.) ist auf die Gegenwart gerichtet. Mehr als die Hälfte des in 5 Abschnitte gegliederten Programms nimmt der Abschnitt II („Die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik“) ein. Dieser Abschnitt, dem die oben (unter SED XIV.) zitierte Definition der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ vorangestellt ist, untergliedert sich in: A. Die ökonomische Politik (wobei das Schwergewicht auf der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ liegt, s. oben SED XVa); .B. Die Sozialstruktur; C. Die politische Organisation; D. Wissenschaft, Bildung und Kultur; E. Die sozialistische Lebensweise; F. Die Entwicklung der sozialistischen Nation.
Wie nicht anders zu erwarten, sind gesamtdeutsche Bezüge, die im Programm von 1963 noch vorhanden waren (vgl. dort den Unterabschnitt: „Die Friedenspolitik der SED und die Lösung der nationalen Frage in Deutschland“), gestrichen worden. Statt dessen ist ein Unterabschnitt „Die Entwicklung der sozialistischen Nation“ (mit der These von der „sozialistischen deutschen Nation“, welche die Bürger der DDR, die „in ihrer übergroßen Mehrheit deutscher Nationalität sind“, umfaßt) eingefügt worden (vgl. die Verfassungsänderung vom 27. 9. 1974; Nation und nationale Frage). Die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland werden im außenpolitischen Teil unter der Überschrift „Kampf um [S. 1181]friedliche Koexistenz“ erwähnt. Der in die Zukunft weisende letzte Abschnitt enthält, im Gegensatz zum Programm von 1963, keinen Hinweis auf die Zukunft des „ganzen deutschen Volkes“. Auf diese Weise trägt das Programm der deutschlandpolitischen Position der SED-Führung seit 1970 Rechnung (Deutschlandpolitik der SED).
Dementsprechend ist die Ausrichtung auf die Integration in den Ostblock unter Verwendung der Formel von der „Annäherung der sozialistischen Nationen“ (s. Vertrag zwischen der DDR und der UdSSR vom 7. 10. 1975; Außenpolitik) in dem neuen Programm deutlich zu erkennen: „Die Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten werden vom proletarischen Internationalismus, von der wirksamen Verbindung gemeinsamer und nationaler Interessen geprägt. Diese Beziehungen verkörpern einen qualitativ neuen Typus zwischenstaatlicher Beziehungen.“
Darüber hinaus wird die Unterordnung der SED unter die KPdSU programmatisch hervorgehoben. Als „Abteilung der internationalen kommunistischen Bewegung“ sieht sich die SED „brüderlich verbunden mit der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der erprobtesten und erfahrensten kommunistischen Partei“.
Schließlich sind als spezifische Merkmale des neuen Programms zu erwähnen: die Rolle der Arbeiterklasse wird verstärkt betont; die Bedeutung von FDGB und FDJ wird deutlich herausgestellt; einzelne „Rechte“ und „Freiheiten“ der Bürger werden hervorgehoben; die „Verteidigung“ der DDR hat erstmals Eingang in ein Programm der SED gefunden (früher: „Schutz des sozialistischen deutschen Vaterlandes“).
Im ganzen stellt das Programm offenbar den Versuch dar, über die SED-Mitglieder hinaus auch weite Teile der Bevölkerung der DDR mit einer vergleichsweise undogmatischen Sprache zu erreichen. Es ist zudem zu erkennen, wie sehr die SED gegenwärtig bestrebt ist, sich als „demokratische“ Kraft darzustellen, wie sehr ihr daran liegt, die DDR als Staat auszuweisen, in dem die Menschenrechte verwirklicht sind (zum grundsätzlichen Verhältnis SED: Staat vgl. Abschnitte SED XVI. und SED XXIII. f.).
Dritter Teil: Zur politikwissenschaftlichen Charakterisierung der SED
XIX. Elemente des Selbstverständnisses als Partei
Die SED versteht sich als marxistisch-leninistische Partei und beruft sich dabei vor allem auf W. I. Lenin (Was tun?, 1902; Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, 1904). „Marxistisch-leninistische Partei“ wird häufig synonym mit „Partei neuen Typus“ gebraucht. Das in beide Begriffe tatsächlich eingehende Parteiverständnis ist diffus. Da weder in Ost noch in West eine Theorie der marxistisch-leninistischen Partei erarbeitet worden ist, kann es lediglich beschrieben und problematisiert werden. Für die SED und das politische System der DDR sind folgende Aspekte hervorzuheben:
1. Das Selbstverständnis der SED basiert auf der Anerkennung des Marxismus-Leninismus als Weltanschauung. Mit ihm werden alle wesentlichen Elemente der ideologischen wie organisatorischen Zielsetzungen begründet. Gemäß der marxistisch-leninistischen Geschichtsphilosophie agiert die SED in einer nach-bürgerlichen Epoche und vertritt die herrschende(n) politisch-soziale(n) Gruppe(n) und Schicht(en) dieser geschichtlichen Phase. Sie ist in erster Linie Repräsentant der Arbeiter und Bauern, d.h. der Klassen, die von Adel und Bourgeoisie unterdrückt wurden (Klasse/Klassen, Klassenkampf). Sie hat ferner „fortschrittliche“ Elemente anderer Klassen bzw. Schichten in ihre Reihen aufgenommen, ohne ihren Anspruch, „die höchste Form der Klassenorganisation der Arbeiterklasse“ zu sein, aufgegeben zu haben. Im Selbstverständnis der SED ist damit nach wie vor das Spannungsverhältnis: hier Arbeiterpartei, dort Partei eines breiteren oder des gesamten gesellschaftlichen Spektrums („Partei des werktätigen Volkes“), ungelöst.
2. Alle marxistisch-leninistischen Parteien sind aus Minderheiten- bzw. Eliteorganisationen oder — entsprechend der Leninschen Formulierung — Kaderparteien hervorgegangen. Dieses Stadium einer marxistisch-leninistischen Partei hat die SED nur als KPD und hier wiederum überwiegend als der Moskau-orientierte Teil der deutschen kommunistischen Partei unter den Bedingungen des Exils durchlaufen. Nach ihrer Gründung in der SBZ fand sich die SED sogleich in der Rolle einer Einheits- und damit einer Massenpartei. (Dabei ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß sie unter dem sowjetischen Besatzungsregime nicht selbständig handeln konnte, zu vernachlässigen.) Die Prinzipien der Kader- wie der Massenpartei sind, ohne daß das eine zugunsten des anderen aufgegeben worden wäre, für die Partei- und Gesellschaftspolitik der SED maßgebend geblieben.
3. Die SED ist heute eine Staatspartei. Sie versteht sich, in den Worten des „Kleinen Politischen Wörterbuchs“ (3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1978, S. 812), als „der von allen gesellschaftlichen Kräften anerkannte politische Führer im Kampf für den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus und um den Frieden in der DDR“. Gleichermaßen sieht sie sich als kommunistische Partei, d.h. als „festen und untrennbaren Bestandteil der kommunistischen Weltbewegung“. Als kommunistische Partei hat sie einmal die führende Rolle der KPdSU anzuerkennen und Verbindungen zu den „Bruderparteien“, vor allem den anderen kommunistischen Parteien in [S. 1182]Osteuropa, zu pflegen. Zum anderen muß sie — „in enger Kampfgemeinschaft mit der KPdSU“ — die „historische Mission der Arbeiterklasse“ weltweit und speziell gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erfüllen. Elemente der revolutionären Klassenpartei bestehen also fort.
4. Die genannten, im Selbstverständnis niemals eindeutig zugunsten eines Prinzips aufgelösten Widersprüche (Arbeiter- vs. ‚Volks‘-Partei; Kader- vs. Massen-Partei; Staats- vs. revolutionäre Klassen-Partei) ermöglichen der SED, ebenso wie anderen marxistisch-leninistischen Parteien, prinzipiell eine erhebliche ideologische und gesellschaftlich-politische Flexibilität nach innen wie nach außen. Diese wird de facto eingeschränkt durch die rigiden Organisationsprinzipien und entsprechenden bürokratischen Apparate der marxistisch-leninistischen Parteien, wie sie auch für die SED charakteristisch sind (vgl. unten SED XX., SED XXI.).
5. Außer der marxistisch-leninistischen Partei gibt es im politischen System der DDR andere Parteien. Gemäß dem offiziellen Sprachgebrauch besteht in der Sozialistischen ➝Demokratie der DDR im Gegensatz zur Sowjetunion kein „Einparteiensystem“, sondern ein „Mehrparteiensystem“. Die anderen, nachgeordneten, „nichtkommunistischen“ Parteien, die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), vertreten Teile der Bauernschaft, bestimmte Schichten des städtischen Kleinbürgertums, Handwerker und Teile der Intelligenz.
Dieses Mehrparteiensystem unterscheidet sich grundsätzlich von allen westlich-demokratischen: „Für politische Parteien und Gruppierungen …, die zu den kommunistischen und Arbeiterparteien in Opposition stehen, ist im politischen System der sozialistischen Länder kein Platz“ (Marxistisch-leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Aus dem Russischen, Bd. III, Berlin [Ost] 1975, S. 310). Auch das Mehrparteiensystem marxistisch-leninistischer Prägung ist im Grunde ein Einparteiensystem. Der einen, marxistisch-leninistischen Partei kommt die „führende Rolle“ zu; sie legt den Spielraum fest, der den anderen Parteien gewährt wird. Dieser allerdings kann weiter oder enger gezogen werden. Seit Mitte der 70er Jahre bestehen in der SED Tendenzen, den nachgeordneten Parteien wie anderen gesellschaftlichen Kräften ein wenig mehr Bewegungsfreiheit zu gewähren als früher (Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte; vgl. auch die neuere Politik gegenüber den Kirchen und die Aufwertung z.B. des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB)).
6. Zum Selbstverständnis der SED als Partei gehört nicht nur die Vorstellung, daß ihre Herrschaftsposition unangetastet zu bleiben hat, sondern auch die, daß sie sich — gemäß der Ideologie des Marxismus-Leninismus — weiterentwickelt. So heißt es im SED-Programm von 1976: „Je weitreichender und komplizierter die Aufgaben der Leitung und Planung aller Seiten und Formen der gesellschaftlichen Prozesse werden, desto mehr erhöht sich die Rolle der politischen Führung der Gesellschaft durch die marxistisch-leninistische Partei.“ (Vgl. auch unten SED XXIII.)
XX. Organisationsprinzipien
Folgende marxistisch-leninistische Organisationsprinzipien sind — entsprechend dem (5.) Statut der SED — für die Partei verbindlich: der Demokratische Zentralismus, das Territorialprinzip und das Produktionsprinzip sowie ferner die Kollektivität der Leitung und die innerparteiliche Demokratie. Diese können als Grundprinzipien aller sich auf Lenin berufenden kommunistischen Parteien bezeichnet werden (vgl. Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie, hrsgg. von C. D. Kernig, Bd. II, Freiburg usw. 1969, Sp. 967 ff.).
Zur Kollektivität der Leitung heißt es im SED-Statut von 1976 mit nur geringfügiger Abweichung gegenüber dem Statut von 1963 (Art. 24): „Der Grundsatz der Kollektivität schließt die persönliche Verantwortung des einzelnen ein. Personenkult und die damit verbundene Verletzung der innerparteilichen Demokratie sind unvereinbar mit den Leninschen Normen des Parteilebens und können in der Partei nicht geduldet werden.“ Das „Kleine Politische Wörterbuch“ (a.a.O., S. 813 f.) bestimmt darüber hinaus: „Der wichtigste Grundsatz der Tätigkeit der gewählten Leitungen der SED ist die Kollektivität. Sie ermöglicht wissenschaftlich exakte Entscheidungen, potenziert die Kraft der Gemeinschaft und erweist sich als sicherstes Mittel gegen Selbstzufriedenheit, bürokratisches Verhalten, Mißachtung von Kritik und gegen Subjektivismus.“
Die innerparteiliche Demokratie umschließt das Recht der „freien“ und „sachlichen“ Stellungnahme durch die Mitglieder zu allen Fragen (Art. 30), die Einrichtung der Kritik und Selbstkritik (Art. 31), die Parteidisziplin, Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit und das Verbot der „Fraktionsmacherei“ (Art. 32, Fraktion, Fraktionsbildung) sowie die „freie und sachliche Erörterung der Fragen der Parteipolitik“ (Art. 33).
Das in diesen Regelungen bereits erkennbare marxistisch-leninistische Verständnis von Demokratie wird in der Bestimmung der Rolle des Parteimitglieds noch deutlicher. Seine „Pflichten“ (Art. 2) werden nicht nur den „Rechten“ (Art. 3) vorangestellt, sondern auch ausführlicher und inhaltlich konkreter kodifiziert (s. im einzelnen dazu Grundorganisa[S. 1183]tionen der SED). Da Mitgliedschaft in der SED als „eine große Ehre“ gilt, sind die Pflichten der Mitglieder umfassend, und die Möglichkeit, aufgrund eines freien Entschlusses aus der Partei auszutreten, ist im Grunde nicht gegeben. Selbst aufgrund des Statuts von 1976, das den „Austritt“ als Möglichkeit der Beendigung der Parteimitgliedschaft wieder eingeführt hat (Art. 6), bedarf es eines Beschlusses der Mitgliederversammlung der Grundorganisation und der Bestätigung durch die Kreisleitung, um einen solchen Entschluß wirksam werden zu lassen.
Die Aufnahme neuer Mitglieder ist ein wesentliches Mittel der Parteipolitik. Die entsprechenden Bestimmungen in den Statuten sind mehrfach geändert und die von der Parteiführung ausgehenden Anweisungen den jeweiligen politischen Bedürfnissen angepaßt worden (s. auch unten SED XXII.).
Auf Beschluß der 1. Parteikonferenz ist seit 1. 3. 1949 der Eintritt in die SED nur als Kandidat möglich. Laut Statut von 1976 (Art. 19) müssen ein Aufnahmeantrag, ein ausgefüllter Fragebogen und ein Lebenslauf eingereicht und zwei Parteimitglieder als Bürgen benannt werden. Das Alter für die Aufnahme als Kandidat war im (2.) Statut von 1950 auf 16 Jahre festgelegt und im (3.) Statut von 1954 auf 18 Jahre heraufgesetzt worden. Die Kandidatenzeit wird nicht auf die Mitgliedschaft angerechnet. Das Statut von 1950 legte als Kandidatenzeit für Arbeiter 1 Jahr, für alle anderen 2 Jahre fest. Mit dem (4.) Statut von 1963 wurde eine einheitliche Kandidatenzeit von 1 Jahr eingeführt. Nach deren Ablauf beschließt die Partei (Grundorganisation und Kreisleitung) über den Aufnahmeantrag des Kandidaten. Das derzeit gültige (5.) Statut regelt die Rechte und Pflichten des Kandidaten in den Artikeln 18 bis 22: Die Kandidaten haben sich der Auszeichnung, einmal Mitglied der SED zu werden, als würdig zu erweisen. Sie müssen sich „in ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Tätigkeit bewähren“, an der praktischen Parteiarbeit teilnehmen und Parteiaufträge erfüllen.
Parteistrafen werden — gemäß dem (5.) Statut (Art. 8) — gegen dasjenige Mitglied verhängt, das „gegen die Einheit und Reinheit der Partei verstößt, ihre Beschlüsse nicht erfüllt, die innerparteiliche Demokratie nicht achtet, die Partei- und Staatsdisziplin verletzt oder seine Mitgliedschaft und ihm übertragene Funktionen mißbraucht, im öffentlichen und persönlichen Leben sich eines Parteimitgliedes nicht würdig zeigt“. (Zu den Parteistrafen im einzelnen Grundorganisationen der SED.)
Vergleichbare Grundprinzipien und Einzelregelungen gelten für alle Parteien der kommunistischen Weltbewegung. Sie sichern den Führungsgremien innerhalb der Partei ihre herausgehobene Machtposition. Besonders der Anspruch, für die Reinhaltung der marxistischen Lehre verantwortlich zu sein und sie gegen linke wie rechte Abweichungen (Dogmatismus; Revisionismus) zu verteidigen, ermöglicht es der Parteiführung, die „freie und sachliche Erörterung der Fragen der Parteipolitik“ und die „freie“ und „sachliche“ Stellungnahme zu allen anderen Fragen zu unterbinden und innerparteiliche Kritiker gegebenenfalls als Anhänger „feindlicher“ Ideologien auszuschalten. Da die Partei neben der ideologischen Verkündungs- die politische Richtlinienkompetenz besitzt, keine Gewaltenteilung und entsprechende Kontrollen zuläßt und sich Exekutive, Legislative und Jurisdiktion grundsätzlich untergeordnet hat, erscheint ihre Macht absolut. Wie absolut sie tatsächlich ist, ist eine in der westlichen Kommunismusforschung nicht eindeutig beantwortete Frage. Die Grundprinzipien der SED-Organisation sind vorläufig — trotz des häufigen Gebrauchs des Wortes „Demokratie“ — als die eines auf einer Massenbasis operierenden autoritären Systems marxistisch-leninistischer Prägung zu kennzeichnen.
XXI. Zur Organisationsstruktur
Wie alle marxistisch-leninistischen Parteien hat die SED einen hierarchischen Organisationsaufbau. Grundlegendes Prinzip ist das des Demokratischen Zentralismus (vgl. auch oben SED XX.), demgemäß auf dem Schaubild die beiden Hauptlinien „Wählbarkeit“ (= demokratische Komponente) und „Verbindlichkeit der Beschlüsse und Unterordnung“ (= zentralistische Komponente) unterschieden werden.
Im Statut der Partei werden die einzelnen Organisationsbestandteile, ihre Stellung im Gesamt, ihre Aufgaben und Rechte formal beschrieben. Das Schema, das sich aufgrund des (5.) Statuts von 1976 ergibt, ist aus der Abbildung auf Seite 1184 zu ersehen, wobei die Pyramidenform der Gesamtstruktur nur angedeutet werden konnte.
Höchstes Organ der Partei ist der Parteitag. Er tritt seit 1971 alle 5 Jahre zusammen und „wählt“ das Zentralkomitee (ZK) der SED. Auf der jeweils konstituierenden, 1. ZK-Tagung werden die zentralen Führungsgremien (das Politbüro des ZK der SED (PB) und das Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED mit dem Generalsekretär an der Spitze) ebenfalls „gewählt“. Die Wahlvorgänge freilich sind, wie auch sonst im politischen System der DDR (Parteiwahlen der SED; Wahlen), eher Bestätigungen von hinter verschlossenen Türen gefaßten personalpolitischen Entscheidungen (Kaderpolitik).
Die Struktur: Parteitag, Zentralkomitee, Sekretariat, wiederholt sich auf der Bezirksebene als Bezirksdelegiertenkonferenz, Bezirksleitung, Sekretariat (Bezirksparteiorganisationen der SED) sowie auf der Kreisebene als Kreisdelegiertenkonferenz, Kreisleitung und Sekretariat (Kreisparteiorganisationen der SED).
[S. 1185]An der Basis der Pyramide stehen die Grundorganisationen der SED, die ihrerseits hierarchisch untergliedert sein können. Die kleinste organisatorische Einheit sind die Parteigruppen, die mindestens drei Mitglieder haben. Alle SED-Mitglieder müssen einer Grundorganisation (meist am Arbeitsplatz) angehören; sie bilden die Mitgliederversammlung, die ihrerseits ein Leitungsgremium wählt. Als Leiter der Grundorganisation wird ein (1.) Sekretär bestimmt, der in allen größeren Betrieben und Institutionen hauptamtlicher Funktionär ist.
Die Mitgliederversammlung der Grundorganisation, die mindestens einmal im Monat tagt, hat u.a. die Aufgabe, proportional zur Anzahl ihrer Mitglieder die Delegierten für die Kreisdelegiertenkonferenzen zu wählen. Diese Linie der Wählbarkeit setzt sich fort bis zum Parteitag, d.h. die Delegierten des Parteitages werden von den Bezirksdelegiertenkonferenzen gewählt.
Charakteristisch für die SED-Organisation ist weiterhin, daß die jeweils untere Ebene die Beschlüsse der jeweils oberen Ebene als verbindlich übernehmen und sich unterordnen muß. Dementsprechend besteht „Rechenschaftspflicht“ von unten nach oben.
Weitere Organe der Partei sind die vom Parteitag gewählte Zentrale Revisionskommission (ZRK) sowie die vom ZK „berufene“ Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK). Der ZRK und ZPKK entsprechende Einrichtungen finden sich sowohl auf der Bezirks- wie auf der Kreisebene (Revisionskommissionen der SED; Parteikontrollkommissionen der SED).
Neben diesem aus Wahlen hervorgehenden Parteiapparat und gemäß der Regelung im Statut, daß das ZK zwischen den Parteitagen das höchste Leitungsorgan der Partei ist, ist an das Sekretariat des ZK ein umfangreicher bürokratischer Apparat angebunden: das Zentralkomitee mit z. Z. etwa 40 Abteilungen und Arbeitsgruppen, die den gegenwärtig 12 ZK-Sekretären unterstehen (Sekretariat des ZK der SED; Zentralkomitee (ZK) der SED).
Zum Organisationsgefüge der SED gehören ferner die 4 wissenschaftlichen Institute „beim ZK der SED“, die Akademie für Gesellschaftswissenschaften (AfG), das Institut für Marxismus-Leninismus (IML), die Parteihochschule „Karl Marx“ (PHS) und das Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung (ZSW), sowie die parteieigene „Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft“ (Zentrag).
Die SED ist Eigentümer des größten Verlagshauses der DDR, des „Dietz Verlag Berlin“ (Verlagswesen). Sie gibt u.a. die zentrale Tageszeitung „Neues Deutschland“ (Aufl. 1980: 1.090.000) heraus sowie die Monatsschrift „Einheit“ (Aufl. 1980: 257.800) und die halbmonatlich erscheinende Zeitschrift „Neuer Weg“ (Aufl. 1980: 205.100) (Presse; Zeitschriften). Für die Agitationsarbeit wird parteiintern „Was und wie“ (Aufl. 1980: 410.000) hergestellt. In allen Bezirken erscheinen täglich eigene Bezirkszeitungen der SED mit verschiedenen Kreisausgaben (Gesamtaufl. 1980: rd. 4,57 Mill.). In einem SED-eigenen Verlag werden ebenfalls täglich die überregionale „Berliner Zeitung“ (Aufl. 1980: 342.000) und die für Berlin und Umgebung bestimmte „BZ am Abend“ (Aufl. 1980: 195.000) herausgegeben.
XXII. Mitgliederbewegung und sozialstrukturelle Daten
Offizielle Angaben zur Mitgliederbewegung und Sozialstruktur der SED werden in wechselnder Ausführlichkeit auf Parteitagen und -konferenzen (vgl. die entsprechenden Protokolle) sowie gelegentlich auf ZK-Tagungen und in parteieigenen Publikationen veröffentlicht. Aus diesen spärlichen Quellen sind die folgenden Zahlen zusammengestellt.
Laut Politbürobericht an die 8. ZK-Tagung (24. 5. 1984) zählte die SED 2.238.283 Mitglieder und Kandidaten. Damit sind von den erwachsenen DDR-Bürgern über 17 v.H., also etwa jeder Fünfte, Mitglied oder Kandidat der SED. Bezogen auf die im Berufsleben Stehenden betrug im Jahre 1981 der Anteil 21,9 v.H. (nach Protokoll des X. Parteitages, s. Lit.-Hinw., Bd. I, S. 133).
Der Mitgliederstand hat sich wie folgt entwickelt (bis Januar 1949 nur Mitglieder, ab Juli 1950 Mitglieder und Kandidaten):
Zum Zeitpunkt der Gründung der Einheitspartei kamen 53 v.H. der Mitglieder aus der SPD und 47 v.H. aus der KPD. Um das zahlenmäßige Übergewicht der Sozialdemokraten zu neutralisieren, wurde anfangs in allen Schichten der Bevölkerung um Mitglieder geworben. Das (1.) Statut von 1947 kannte — im Gegensatz zu den folgenden — keine sozialen Voraussetzungen für den Eintritt in die [S. 1186]SED. Daher sind zunächst so gut wie alle Bewerber aufgenommen worden, so daß die Partei im Juni 1948 ca. 2 Mill. Mitglieder zählte. Nach 1948 wurden die Neuaufnahmen auf Arbeiter beschränkt oder für andere soziale Gruppen erschwert. Trotzdem ist die Mitgliederzahl der SED — bis auf die Jahre 1948–1951 — ständig gestiegen.
Die Sozialstruktur der Partei veränderte sich wie folgt (Angaben in v.H. der jeweiligen Gesamtmitgliederzahl):
Im Unterschied zu den in der Tabelle festgehaltenen offiziellen Angaben veröffentlichte die „Einheit“ (Heft 9/1983, S. 833) als „soziale Zusammensetzung (nach der gegenwärtigen Tätigkeit der Mitglieder und Kandidaten)“ die folgende soziale Struktur der SED: Arbeiter (57,8 v.H.); Angestellte (8,5 v.H.); Genossenschaftsbauern (4,7 v.H.); Angehörige der Intelligenz (22,3 v.H.); Sonstige (6,7 v.H.). Dies läßt vermuten, daß nach 1976 die von den Parteistatistikern als „Angestellte“ eingestuften Mitglieder und Kandidaten in den Veröffentlichungen, denen die Zahlen der Tabelle entnommen sind, der Gruppe „Sonstige“ zugeschlagen wurden.
Für den westlichen Analytiker ist die Aussagekraft solcher Angaben gering; denn es ist nicht bekannt, welche Kriterien für die Zuordnung zu den einzelnen sozialstrukturellen Gruppen verwandt werden und ob diese Kriterien über die Jahre die gleichen geblieben sind (zur Gesamtproblematik Sozialstruktur, II., III.).
Für das Selbstverständnis der SED dagegen spielen die Zahlen zur Sozialstruktur und deren Veränderung eine große Rolle. Seit Jahren ist die Parteiführung aus ideologisch-politischen Gründen bemüht, den Arbeiteranteil an der Gesamtmitgliedschaft zu erhöhen. So wurde auf dem X. Parteitag (1981) berichtet, daß unter den Neuaufnahmen seit dem IX. Parteitag, neben den Angehörigen der Intelligenz, vor allem Arbeiter aus der „Sphäre der materiellen Produktion“ gewesen wären. Auch nach dem X. Parteitag ist die Aufnahmepolitik offensichtlich in diesem Sinne fortgesetzt worden (vgl. die 1984er Zahlen in der obigen Tabelle). Unter dem Gesichtspunkt der sozialstrukturellen Herkunft (also nicht der aktuellen Tätigkeit) sollen 1983 bereits 72,7 v.H. aller SED-Mitglieder und -Kandidaten Arbeiter gewesen sein (Einheit, Heft 9/1983, S. 833).
Die Altersstruktur zeigt folgende Entwicklung:
Ca. 55 v.H. der Mitglieder der SED waren 1966 älter als 40 Jahre, d.h. vor 1926 geboren. Die restlichen SED-Mitglieder, also fast die Hälfte, waren 40 Jahre alt und jünger, d.h. hatten bei Kriegsende bestenfalls ihr 19. Lebensjahr erreicht. Aus den spärlichen Angaben, die für die Jahre ab 1971 vorliegen, ist zu ersehen, daß die Gruppen der bis 40jährigen bzw. über 40jährigen kaum prozentuale Veränderungen erfahren haben.
Über die altersmäßige Zusammensetzung wurde 1976 mitgeteilt, daß 12,2 v.H. aller Mitglieder und Kandidaten jünger waren als 25 Jahre; 20,1 v.H. jünger als 30 Jahre und 43,4 v.H. jünger als 40 Jahre. Soweit ein Vergleich mit früheren Jahren möglich ist, scheint der Anteil der Mitglieder unter 25 Jahren stark angestiegen zu sein, während die Gruppe der 26- bis 30jährigen zurückgegangen und die der 31- bis 40jährigen relativ konstant geblieben ist. Auf dem X. Parteitag berichtete Honecker lediglich, daß 42,5 v.H. aller Mitglieder und Kandidaten der Partei jünger als 40 Jahre und bei den Neuaufnahmen „jüngere Menschen“ (bis 40 Jahre) stärker vertreten wären.
Unter generationssoziologischem Aspekt hat sich die SED stark verändert. Mehr und mehr starb die Gruppe der Altfunktionäre, d.h. der Mitglieder, die vor 1933 einer der Arbeiterparteien angehört hatten, aus. Im Jahre 1966 betrug ihre Zahl noch ca. 120.000 Personen; 1971 war sie auf 95.000 gesunken; neuere Angaben fehlen (Parteiveteranen). Damit wird die SED nunmehr von einer Generation beherrscht, die ihre politischen Erfahrungen im wesentlichen nach 1945 und vermutlich überwiegend in der SED gemacht hat.
Der Anteil der Frauen in der Partei betrug 1976 31,3 v.H., 1981 waren es 33,7 v.H. (+ 2,4 v.H.). Die Gruppe der Frauen (Anteil an der Gesamtbevölkerung der DDR 1981: 53 v.H.) ist damit in der SED nicht angemessen repräsentiert. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Führungsgremien. Dem Politbüro gehören nach wie vor nur 2 Frauen als Kandidaten an; unter den 15 Ersten Bezirkssekretären befindet sich keine Frau (Frauen).
Der Ausbildungsstand der SED-Mitglieder und -Kandidaten hat sich ständig erhöht. 1981 verfügten, nach offiziellen Angaben, 34,1 v.H. über einen [S. 1187]Hoch- oder Fachschulabschluß. Bereits 1976 hatten alle Sekretäre der BZL und KL sowie 93,7 v.H. der Parteisekretäre in Kombinaten und Großbetrieben einen Hoch- bzw. Fachschulabschluß, wobei offenbar der Besuch von Parteischulen mit eingerechnet ist. Auf dem X. Parteitag berichtete Honecker darüber hinaus: „Seit dem IX. Parteitag stieg der Anteil der Leitungsmitglieder der Grundorganisationen mit einer Parteischulausbildung ab drei Monate von 55,5 auf 66,1 Prozent. In den zentralen Parteileitungen der großen Kombinatsbetriebe der Industrie und des Bauwesens verfügen 82,2 Prozent der Leitungsmitglieder und 88,6 Prozent der Parteisekretäre über eine Parteischulausbildung“ (Prot. des X. Parteitages, s. Lit.-Hinw., Bd. I, S. 134). Im Mai 1984 heißt es im Politbürobericht, daß von den „Leitungskader(n)… 72,6 v.H. eine Parteischule absolviert haben und 52,4 v.H. über einen Hoch- bzw. Fachschulabschluß verfügen“ (ND v. 25. 5. 1984).
XXIII. Partei, Staat und Gesellschaft
A. Die SED als „führende Kraft“
Die SED versteht sich als „führende Kraft der sozialistischen Gesellschaft, aller Organisationen der Arbeiterklasse und der Werktätigen, der staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen“ (Statut von 1976, Präambel). Diese ihre „Suprematie“ ist 1957 in der Präambel des Gesetzes über die örtlichen Organe der Staatsmacht erstmals in einem Satz des positiven Rechts genannt (vgl. S. Mampel, Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Frankfurt/Main 1972, S. 101) und später verfassungsrechtlich verankert worden. In der DDR-Verfassung von 1968 heißt es (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 in der veränderten Fassung vom 7. 10. 1974): Die DDR „ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“.
Ihre führende Rolle gegenüber Staat und Gesellschaft legitimiert die Partei mit Hilfe des Marxismus-Leninismus. Die entsprechenden Argumentationslinien können wie folgt zusammengefaßt werden: Politische Parteien sind gesetzmäßige Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens. Sie sind Ausdruck der Interessen von Klassen oder der Interessen bestimmter Gruppen einer Klasse. — Politische Parteien stellen die Vereinigung der aktivsten Vertreter einer Klasse zur Durchsetzung bestimmter Klasseninteressen dar. Im Vergleich zur Klasse befindet sich die Partei auf einer höheren Stufe der Bewußtheit; Parteien sind zur Führung der Klassen berufen. — Der Partei der Arbeiterklasse (des Proletariats) kommt gegenüber anderen Parteien und gesellschaftlichen Kräften eine besondere Bedeutung zu, da allein sie, der „wissenschaftlichen“ Lehre von der historischen Mission der Arbeiterklasse folgend, die fortschrittlichen Interessen der Gesellschaft vertritt, die Zukunft der Menschheit verkörpert und die Geschichte vollenden kann.
Die SED, so kann die Beweisführung fortgesetzt werden, ist Repräsentant der Arbeiterklasse in der DDR und damit zur Führung dieser Gesellschaft berufen. — Sie übt ihre Führungsrolle (oder Herrschaft) in dem Stadium der historisch-politischen Entwicklung aus, das als „Diktatur des Proletariats“ gekennzeichnet werden muß. Dieses Stadium wurde in der DDR erreicht, nachdem die „antifaschistisch-demokratische Umwälzung durchgeführt“ und „die sozialistische Revolution zum Siege geführt“ worden war. — Der „sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern als eine Form der Diktatur des Proletariats“ ist das „Hauptinstrument“ der SED zur Gestaltung der gegenwärtigen gesellschaftlich-politischen Situation, d.h. der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ (s. oben SED XIV.), und zur endgültigen Herbeiführung des Kommunismus.
Staat und Gesellschaft sind damit im politischen System der DDR der Partei nachgeordnet. Mehr noch: Die herrschende Parteitheorie in der DDR geht von der Vorstellung aus, daß die führende Rolle der SED in der Periode des Aufbaus des Kommunismus wächst (vgl. oben SED XIX.).
B. Die Dominanz des Politbüros
Die politische Willensbildung in der DDR bleibt unter den genannten ideologischen und strukturellen Voraussetzungen prinzipiell auf die Spitzengremien der SED beschränkt. Das entscheidende Organ ist das im Auftrag des Zentralkomitees handelnde Politbüro des ZK der SED. Es beschäftigt sich „mit allen Grundsatzfragen der Politik der Partei, der Staatsführung, der Volkswirtschaft und der Kultur“ (Kleines Politisches Wörterbuch, 3., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1978 S. 683). Hier werden, in anderen Worten, die eigentlichen politischen, d.h. vor allem auch die außenpolitischen, die militär- und sicherheitspolitischen und die gesellschaftspolitischen Entscheidungen gefällt.
PB und ZK werden in ihrer Arbeit unterstützt vom Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED, das die Spitze des ausgedehnten, ressortmäßig gegliederten zentralen Apparates der Partei bildet. Die Mitglieder des Sekretariats, die ZK-Sekretäre, denen jeweils mehrere Abteilungen des ZK zugeordnet sind, gehören in der Regel zugleich dem Politbüro an; der Generalsekretär (ohne „Ressort“) steht sowohl dem PB wie dem ZK-Sekretariat vor.
C. Wissenschaftlichkeit der Führungstätigkeit
Aus der Anerkennung des Marxismus-Leninismus als Weltanschauung und Ideologie ergibt sich, daß die SED ihre Herrschaft „auf der Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Strategie und Taktik“ auszuüben hat. Wissenschaftlichkeit der politischen Führung in diesem Sinne meint in erster Linie die [S. 1188]Ausrichtung der politischen Entscheidung an den Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten, die der Marxismus-Leninismus im Verbund mit den Gesellschafts-, Natur- und technischen Wissenschaften „erkannt“ zu haben beansprucht. Wissenschaftlichkeit meint damit auch die Einbeziehung von Erkenntnissen etwa der Wirtschaftswissenschaften oder der Soziologie.
Um die wissenschaftliche Führungstätigkeit zu garantieren, hat die SED im Laufe der Jahre eine Reihe von Parteiinstitutionen geschaffen, vor allem die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) und das Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZSW). Diese Institutionen dienen zum einen der wissenschaftlichen Beratung der Führungsgremien; sie sind zum anderen aber Leit- und Kontrollinstanzen gegenüber den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen (Akademien; Universitäten und Hochschulen), um sowohl ein „Ausbrechen“ aus dem Marxismus-Leninismus zu verhindern als auch die Konzentration der Forschung auf die von der Partei gesetzten Schwerpunkte zu gewährleisten.
D. SED und KPdSU
Sowohl aus ideologischen wie aus politisch-organisatorischen Gründen (Proletarischer ➝Internationalismus) ist die SED auf die Zusammenarbeit mit der KPdSU, die DDR auf die Zusammenarbeit mit der UdSSR festgelegt. Hier haben sich, wie neuerlich ein Artikel von P. A. Abrassimow (Einheit, 5/83, S. 436 ff.) bestätigt, im Laufe der Geschichte der SED eine Vielzahl von Verbindungen und Kooperationsformen entwickelt. Abrassimow behauptet, daß die Beziehungen zwischen den beiden Parteien „praktisch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, alle Fragen des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus, der internationalen Lage“ einschließen und „sowohl auf zentraler Ebene als auf der örtlicher Parteiorganisationen“ bestehen (S. 436).
Im einzelnen sind für die höchste Ebene von Partei und Staat als Formen der Zusammenarbeit zu nennen: regelmäßige Treffen zwischen den Generalsekretären, zwischen Partei- und Regierungsdelegationen, zwischen Mitgliedern der beiden Politbüros, zwischen Wissenschaftlern, Experten und Militärdelegationen. Daneben wird der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Ideologie, Agitation und Propaganda ebenfalls durch regelmäßige persönliche Kontakte (Ebene der Leiter der Abteilungen der beiden Zentralkomitees), durch die Schulung von DDR-Wissenschaftlern in der Sowjetunion, den Austausch von Wissenschaftlern zwischen beiden Ländern und wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeiten, durch Kooperationen im Publikationswesen u.ä.m. große Aufmerksamkeit geschenkt. Auf der „örtlichen Ebene“, d.h. von den Bezirksleitungen bis hin zu den Betrieben, werden die vielfältigen Beziehungen inzwischen in „Zweijahrplänen“ geregelt (vgl. auch G. Neugebauer, Partei und Staatsapparat …, s. Lit.-Hinw., S. 49).
XXIV. Wie funktioniert das politische System der DDR?
Die Frage, wie im einzelnen politische Entscheidungen im DDR-System zustande kommen, ist bisher wissenschaftlich nicht erforscht (bzw. erforschbar). Vor allem ist unklar, welche Macht konkret dem Generalsekretär des ZK zukommt und wie die KPdSU-Führung ihren Einfluß auf die Politik in der DDR geltend macht.
Bekannt ist dagegen, daß die jeweils zuständigen Abteilungen des zentralen SED-Apparates in Zusammenarbeit mit den ZK-eigenen wissenschaftlichen Institutionen Beschlußvorlagen für die Sitzungen des PB (1mal wöchentlich), die Plenartagungen des ZK (mindestens 2mal jährlich) und die Parteitage (alle 5 Jahre) vorbereiten. Beratend können dabei alle staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen in der DDR herangezogen werden.
Wissenschaftlich weitgehend unerforscht ist ferner, wie die SED ihren politischen Willen im einzelnen durchsetzt. Für diesen Problembereich lassen sich jedoch — unter Verwendung dessen, was im Westen über die formalen Strukturen des DDR-Systems bekannt ist — einige Differenzierungen vornehmen. Die Transformation des politischen Willens von der Partei in die Gesellschaft ist durch die folgenden Einrichtungen des politischen Systems der DDR gesichert:
- durch die allgemein verfassungsmäßig und speziell in Form von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen festgelegte Verbindlichkeit der Beschlüsse von PB, ZK und Parteitagen für den Staat und alle Organisationen, einschließlich der Massenorganisationen und Blockparteien;
- durch die Entsendung von Mitgliedern der SED-Entscheidungsgremien („Vertreter der Partei“) in die „höchsten leitenden Organe des Staatsapparates und der Wirtschaft“, wie es im Statut (Art. 39) heißt, und vergleichbare Regelungen für alle Ebenen von Partei und Staat;
- durch die Tatsache, daß in allen gesellschaftlichen Bereichen die Spitzenpositionen der Kontrolle der SED unterliegen (Nomenklatursystem, Kaderpolitik);
- durch die Strukturierung des SED-Apparates entsprechend dem Staatsapparat und die tatsächliche horizontale, d.h. über die Ressorts gegebene Kontrolle und Anleitung der Bürokratien in der Gesellschaft durch den SED-Apparat auf allen Ebenen;
- durch die in allen gesellschaftlichen Institutionen, einschließlich der gewählten Organe des Staates und der Massenorganisationen, bestehenden Parteiorga[S. 1189]nisationen (Grundorganisationen, APO, Parteigruppen) und Kontrollorgane (z.B. ABI);
- schließlich durch ein Überwachungssystem, das dazu dienen soll, jede Opposition im Keime aufzuspüren und zu integrieren oder, wenn das nicht möglich ist, zunächst zu isolieren und später auszuschalten.
Peter Christian Ludz (†) / Ursula Ludz
Literaturangaben
- (Veröffentlichungen ab 1967; zu den Veröffentlichungen vor 1967 s. Ludz, Parteielite.)
- Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Beschlüsse und Erklärungen … Bd. I (1948) bis Bd. XVIII (1982), Berlin (Ost): Dietz.
- Förtsch, Eckart (i. Zusammenarbeit m. Rüdiger Mann): Die SED. Stuttgart: Kohlhammer 1969.
- Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Abriß. Berlin (Ost): Dietz 1978.
- Honecker, Erich: Aus meinem Leben. Berlin (Ost): Dietz 1980.
- Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. 193.)
- Lippmann, Heinz: Honecker. Porträt eines Nachfolgers. Köln: Wissenschaft und Politik 1971.
- Ludz, Peter C.: Die DDR zwischen Ost und West. Politische Analysen 1961 bis 1976. 4., unveränd. Aufl. München: Beck 1980. (Becksche Schwarze Reihe. 154.)
- Ludz, Peter C.: Parteielite im Wandel. Funktionsaufbau, Sozialstruktur und Ideologie der SED-Führung. Eine empirisch-systematische Untersuchung. 3., durchges. Aufl. Köln/Opladen: Westdeutscher Verl. 1970.
- Neugebauer, Gero: Partei und Staatsapparat in der DDR. Aspekte der Instrumentalisierung des Staatsapparates durch die SED. Opladen: Westdeutscher Verl. 1978.
- Parteiensystem zwischen Demokratie und Volksdemokratie. Dok. u. Mat. zum Funktionswandel der Parteien und Massenorganisationen in der SBZ/DDR, 1945–1950. Hrsg.: Hermann Weber. Köln: Wissenschaft und Politik 1983.
- Programm und Statut der SED vom 22. Mai 1976. Hrsg.: Karl W. Fricke. 2. Aufl. Köln: Wissenschaft und Politik 1983.
- Die Protokolle der Verhandlungen von bis dato 10 Parteitagen und 3 Parteikonferenzen der SED erschienen jeweils im Dietz Verlag und im Jahr der Veranstaltung. In ihnen sind auch die Statuten und Programme der SED, wenn sie neu formuliert oder verändert wurden, abgedruckt.
- Gemeinsam zum Sozialismus. Zur Geschichte der Bündnispolitik der SED. Berlin (Ost): Dietz 1969.
- Ulbricht, Walter: Ausgewählte Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Berlin (Ost): Dietz 1979.
- Voßke, Heinz: Otto Grotewohl. Biographischer Abriß. Berlin (Ost): Dietz 1979.
- Voßke, Heinz: Walter Ulbricht. Biographischer Abriß. Berlin (Ost): Dietz 1983.
- Weber, Hermann: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, 1946–1971. Hannover: Verl. f. Literatur und Zeitgeschehen 1971. (Edition Zeitgeschehen. 16.)
- Weber, Hermann: SED. Chronik einer Partei, 1971–1976. Köln: Wissenschaft und Politik 1976.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1160–1189
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