DDR von A-Z, Band 1985

 

Sozialstruktur (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1979

 

I. Begriff

 

 

Die soziale Struktur oder S. einer Gesellschaft wird entweder unter Verwendung von Konzepten wie Stand, Klasse und Schicht oder mit Hilfe sozialstatistischer Merkmale (Beruf, Einkommen usw.) und Merkmalskombinationen bestimmt. Gleichfalls umfaßt der Begriff S. Untergliederungen von gesellschaftlichen Teilbereichen nach sozialstatistischen Merkmalen (S. des Betriebes, der Jugend, aber auch der Arbeiterklasse). Diese formalen Bedeutungen von S. gelten in West wie in Ost.

 

Inhaltlich gesehen gibt es demgegenüber Unterschiede. Der marxistisch-leninistische Begriff der S. ist an die Lehre von den Klassen und vom Klassenkampf (Klasse/Klassen, Klassenkampf) gebunden, d.h. er erhält seine Definitionsmerkmale aus dem Gesamtzusammenhang der marxistisch-leninistischen Geschichts- und Gesellschaftsphilosophie (Marxismus-Leninismus, III. C. und III.). Dies impliziert, daß die Klassenstruktur als „Kern“ der sozialen Struktur und beide als sich entwickelnd gedeutet werden; daß die (Wechsel- oder Macht-) [S. 1219]Beziehungen der isolierten Strukturelemente im Sinne der Klassentheorie zu interpretieren sind; daß folglich — vgl. den Artikel „Sozialstruktur“ im „Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie“ (2., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1977, S. 592) — „die Qualität der gegenseitigen Beziehungen“ zu einem entscheidenden Kriterium wird.

 

Die Besonderheiten der marxistisch-leninistischen Auffassung von der S., die „quantitative“ Gesichtspunkte den spezifisch geprägten „qualitativen“ unterordnet, kommen in der Definition, die Hans Röder in dem maßgeblichen Lehrbuch „Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie“ (hrsgg. von G. Aßmann und R. Stollberg, Berlin [Ost] 1977, S. 153) formuliert, zum Ausdruck: „Wir verstehen … unter Sozialstruktur ein relativ stabiles, gesetzmäßig determiniertes Gefüge sowohl zwischen als auch innerhalb der Klassen, Schichten und sozialen Gruppen, das die Gesamtheit der wesentlichen sozialen Gliederungen der Gesellschaft, die Qualität ihrer Beziehungen und die quantitative Ausprägung sozialer Unterschiede zwischen ihnen beinhaltet.“

 

S. als Kategorie des Marxismus-Leninismus ist gleichzeitig einer der Schlüsselbegriffe der politischen Planung und Leitung in der DDR: „Im Prozeß der allseitigen Gestaltung des Sozialismus und der Schaffung der Grundlagen des Kommunismus nimmt die Veränderung der S. eine zentrale Stellung ein“ (Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a.a.O., S. 595).

 

II. Theoretische Vorstellungen und Probleme

 

 

A. Klassen und Schichten

 

 

Das besondere Interesse der S.-Forscher in der DDR gilt der eigenen Gesellschaft, von der behauptet wird, daß sie die kapitalistische Eigentumsform und damit den „antagonistischen Klassengegensatz von Ausbeutern und Ausgebeuteten“ hinter sich gelassen habe und sich auf dem Weg zur kommunistischen Gesellschaft befinde (Gesellschaftsordnung). In dieser sich entwickelnden Gesellschaft, deren Grundlage das sozialistische Eigentum an Produktionsmitteln (Eigentum) sei, gebe es sowohl „Klassen“ wie „soziale Schichten“. Beide Begriffe allerdings sind nicht eindeutig festgelegt: Beim Begriff „Klasse“ steht die Leninsche Definition zwar im Hintergrund, wird aber durchaus kritisch aufgearbeitet (Klasse/Klassenkampf); beim Begriff „soziale Schicht“ ist nach wie vor kontrovers, wieweit er dem der Klasse unter- oder nebengeordnet ist. Zu letzterer Annahme veranlaßt vor allem die Bestimmung der sozialistischen Intelligenz als „Schicht“ (s. weiter unten).

 

Als „wesentliche soziale Gliederungen“ oder „Hauptgruppen“ in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR werden unterschieden: die Arbeiterklasse, die Klasse der Genossenschaftsbauern, die Schicht der sozialistischen Intelligenz und andere „Schichten des Volkes“.

 

Arbeiter und Genossenschaftsbauern bilden die „Grundklassen“. Sie unterscheiden sich im Sinne der Klassentheorie einmal durch die Form des Eigentums an Produktionsmitteln (Volkseigentum als höhere, genossenschaftliches Eigentum als niedere Form sozialistischen Eigentums), zum anderen durch ihr Verhältnis zur Macht (Arbeiterklasse als die machtausübende oder herrschende, Genossenschaftsbauern als die an der Macht beteiligte Klasse) und schließlich durch das Gesamt ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen (Arbeiterklasse als industriell produzierende und in städtischer Umwelt lebende, Genossenschaftsbauern als agrikulturell produzierende und auf dem Lande lebende Klasse).

 

Die soziale Schicht der Intelligenz, durch das Kriterium „geistige Arbeit“ zwar ausgesondert, steht grundsätzlich nicht außerhalb der Klassen. „Jenseits der Klassen kann die Intelligenz keine eigenständige geschichtliche Rolle spielen“ (M. Lötsch, in: Die Intelligenz in der sozialistischen Gesellschaft, s. litsost Lit.-Hinw., S. 98). Diese Aussage gilt nicht nur historisch (Indienstnahme der Intelligenz durch die jeweils herrschende Klasse), sondern auch aktuell. Die Angehörigen der Intelligenz in der DDR, die ihrer Herkunft nach ohnehin überwiegend aus einer der beiden Grundklassen stammen, werden in deren Auftrag tätig, vertreten deren Interessen. Dabei stehen sie der Arbeiterklasse, als der machtausübenden, näher als der Klasse der Genossenschaftsbauern.

 

Auch wenn sie somit nicht als „freischwebend“ angesehen oder als „Zwischenschicht“ bestimmt wird, bleibt die Intelligenz in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft „eine besondere soziale Schicht“: „Die sozialen Unterschiede, die aus einem jahrhundertealten Typ der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit hervorgehen, lassen sich in drei Jahrzehnten nicht aus der Welt schaffen. Die komplizierte geistige Arbeit bleibt für einen längeren Zeitraum Basis eines weitverzweigten Komplexes sozialer Besonderheiten, von den Arbeitsbedingungen bis hin zu den Besonderheiten der Interessen, Bedürfnisse und Lebensstile“ (M. Lötsch, a.a.O., S. 115).

 

Die vierte sozialstrukturelle „Hauptgruppe“ ist als Gesamt nur negativ bestimmbar, d.h. sie enthält alle sozialen Gruppen und Schichten, die nicht in die Hauptgruppen 1 bis 3 einzuordnen sind. Es finden sich hier 1. die Mitglieder von Produktionsgenossenschaften des Handwerks, die in ihrem Verhältnis zur Arbeiterklasse ähnlich eingeordnet werden wie die Genossenschaftsbauern. 2. gehört dazu jene soziale Gruppe, die die im Handel und Hotel- oder Gaststättengewerbe tätigen Pächter oder Eigentümer mit Kommissionsverträgen (Binnenhandel; Hotel- und Gaststättenwesen) umfaßt. Sie wird als [S. 1220]eine Sondergruppe in der Nähe der Arbeiterklasse angesehen; denn ihre sozialökonomische Stellung bestimmt sich aus einer Form des Eigentums, die der des sozialistischen angenähert ist. Von diesen beiden Gruppen sind 3. die privaten Einzelhändler und Handwerker (Kleinbürgertum) sowie 4. die freiberuflich Schaffenden, besonders nicht angestellten Angehörigen der künstlerischen Intelligenz (Freie Berufe) zu unterscheiden. Die beiden letztgenannten Gruppen sind, streng genommen, theoretisch als Residuen der kapitalistischen Gesellschaftsformation einzustufen. Die Diskussion in der DDR läßt hier allerdings eine Neubewertung erkennen. Die Einbindung auch dieser Gruppen in die sozialistische Gesellschaft und ihre entsprechende Neuorientierung werden positiv hervorgehoben. Die Form des „Privateigentums“, dem sie zuzurechnen seien, könne nicht mehr als „fremd“ oder „feindlich“ bezeichnet werden; sie sei vielmehr in die allgemeinen Leitungs- und Planungsprozesse integriert und habe eine neue Qualität gewonnen. Die so unterschiedenen vier „Hauptgruppen“ werden als in bestimmten „Beziehungen“ zueinander stehend gedacht. Dabei handele es sich nicht wie in den Klassengesellschaften um Beziehungen der Ausbeutung und Unterdrückung (Besitzer versus Nichtbesitzer von Produktionsmitteln). Auch Beziehungen der Über- und Unterordnung im Sinne westlicher Stratifikationsansätze (Ober-, Mittel-, Unterschicht) gibt es, gemäß der marxistisch-leninistischen Theorie der S., in der DDR-Gesellschaft nicht. Vielmehr wird für die DDR-Gesellschaft davon ausgegangen, daß die Beziehungen zwischen den Klassen und Schichten durch „kameradschaftliche und schöpferische Zusammenarbeit“ gekennzeichnet seien. Dabei werden Interessenunterschiede (Interessen/Interessenübereinstimmung; Widerspruch) sowie Unterschiede in den Bedürfnissen und Lebensstilen nicht geleugnet; die durch die „führende Rolle der Arbeiterklasse“ gegebene Herrschaftsbeziehung bleibt jedoch außerhalb der Betrachtung.

 

Gemäß der geschichtsphilosophischen Ausrichtung des Marxismus-Leninismus wird die S. der DDR als sich entwickelnde begriffen. Zwei für den „reifen Sozialismus“ typische Grundtendenzen werden, in Übereinstimmung mit dem Programm der SED von 1976, hervorgehoben: die konkrete Verwirklichung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und die soziale Annäherung der Klassen und Schichten.

 

Die Klassen und Schichten befinden sich, so wird behauptet, in einem Prozeß der „Annäherung“. Dieser tendiere zur Aufhebung der „quantitativen Ausprägung sozialer Unterschiede“, zur „sozialen Gleichheit“ als Voraussetzung für eine volle Entfaltung der Persönlichkeit (Sozialistische ➝Persönlichkeitstheorie; Sozialistische ➝Lebensweise). Soziale Gleichheit in diesem Sinne sei in der klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft erreicht, d.h. in einer Gesellschaftsordnung, „in der die Produktionsmittel einheitliches Volkseigentum und alle Mitglieder der Gesellschaft sozial gleichgestellt werden, in der alle Mitglieder der Gesellschaft ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten allseitig entwickeln und zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen“ (Programm der SED von 1976).

 

Die „Annäherung“ wird als Prozeß der „Höherentwicklung“ gedacht, dessen Dynamik auch die Arbeiterklasse erfaßt. Eine zunehmende Einsicht in die „Triebkräfte“ und „Gesetzmäßigkeiten“ der geschichtlich-gesellschaftlichen Entwicklung, also die Ausprägung des Gesellschaftlichen ➝Bewußtseins, ist hier ebenso gemeint wie die Hebung des Qualifikations- und Ausbildungsniveaus. Die Arbeiterklasse entwickele sich zur „körperlich und geistig tätigen“ Klasse. Theoretisch gesehen erhält die Intelligenz in diesem Prozeß — neben der Arbeiterklasse oder als deren Teil — eine Schlüsselrolle.

 

In jüngerer Zeit wird dieses Konzept der „Annäherung“, direkt oder indirekt, zunehmend diskutiert. Nachdem die S.-Forscher immer mehr „Beweise“ für soziale Unterschiede in der DDR-Gesellschaft (s. Kap. S. II. B.) beigebracht und die SED-Politiker sich die „These von der Triebkraftfunktion sozialer Unterschiede zu eigen“ gemacht haben (vgl. K. Belwe, in: Die DDR vor den Herausforderungen der achtziger Jahre, Köln 1983, S. 106 ff.), erfahren die Vorstellungen von der Annäherung der Klassen und Schichten eine gewisse Relativierung. Nicht nur wird der Prozeß der Annäherung nunmehr als sehr langwierig begriffen; es wird auch behauptet, daß das Ziel: soziale Gleichheit, auf durchaus unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann: durch die „Reduzierung sozialer Unterschiede“ ebenso wie durch die „leistungsfördernde, volle Ausprägung eigentümlicher Eigenschaften und Wesenszüge der Klassen und Schichten“ (vgl. M. Lötsch, in: Informationen zur soziologischen Forschung in der DDR, Heft 6/1981, S. 24).

 

Für die behauptete Vier-Gliederung ihrer Gesellschaft sowie ihre zusätzlichen Annahmen haben die S.-Forscher in der DDR bisher keine stringente theoretische Begründung vorgelegt. Der referierte gegenwärtige Stand der Diskussion macht das nur allzu deutlich. Neben Elementen der Marxschen, Leninschen und „bürgerlichen“ Klassen- und Schichtungstheorien stehen mehr oder weniger systematisch aufgearbeitete und lediglich in die Sprache des Marxismus-Leninismus gekleidete empirische Befunde. Außerdem wird das theoretische Bemühen immer wieder von ideologischen und gesellschaftspolitischen Postulaten überlagert. Die Ausklammerung von Herrschaftsbeziehungen aus der Analyse der sozialistischen Gesellschaften erklärt sich auf diese Weise ebenso wie die neuerlich verstärkte Akzentuierung der sozialen Unterschiede.

 

[S. 1221]Die S.-Forscher geben theoretische Unzulänglichkeiten durchaus zu und diskutieren ausgewählte Probleme zum Teil recht lebhaft. Dazu gehören neben der Frage, wie die einzelnen sozialen Gruppen theoretisch-empirisch zu definieren und statistisch zu erfassen sind, zwei gewichtige Einzelprobleme. Einmal handelt es sich um die sozialstrukturelle Bestimmung der Angestellten. Der Begriff „Angestellte“ liegt sozusagen quer zur — mehr oder weniger ideologisch begründeten — sozialstrukturellen Gliederung. Angestellte können sowohl Arbeiter wie LPG-Mitglieder wie Angehörige der Intelligenz sein. Zum anderen ist die Frage der Zuordnung von Familien zu bestimmten Klassen problematisch. Bisher sind Sozialstatistik und Soziologie in der DDR so verfahren, daß der Beruf des Haushaltungsvorstands (in vollständigen Familien der des Mannes) den sozialstrukturellen Standort der Familie bestimmte. In der neueren Diskussion wird gefordert, alle von den Mitgliedern einer Familie ausgeübten Berufe bei der Zuordnung zu berücksichtigen. An entsprechenden Konzeptionen, die notgedrungen die angenommene Vier-Gliederung der Gesellschaft modifizieren würden, wird offensichtlich gearbeitet; einschlägige empirische Daten sind allerdings im Westen nicht bekannt.

 

B. Soziale Differenzierungen

 

 

Angesichts der Schwierigkeiten einer empirischen Einlösung der Begriffe „Klasse“ und „Schicht“ sowie der Notwendigkeit, konkrete Strukturen und Prozesse in der eigenen Gesellschaft zu erfassen, erhält der von den S.-Forschern in der DDR seit einigen Jahren zunehmend verwandte Begriff „soziale Differenzierungen“ ein besonderes theoretisches Gewicht. Unterhalb der Abstraktionsebene des Historischen Materialismus angesiedelt, führt er näher an die Wirklichkeit heran und erlaubt die genauere Erfassung von sozialen Strukturen. Mit „sozialen Differenzierungen“ oder „sozialen Unterschieden“ sind Gliederungen der Gesellschaft oder einzelner Klassen, Schichten und Gruppen nach bestimmten statistischen oder empirisch-soziologischen Merkmalen oder Merkmalskombinationen („social stratifications“) gemeint.

 

Natürlich müssen Begriff und Konzept der „sozialen Differenzierungen“ in den Marxismus-Leninismus eingebunden und auf diese Weise legitimiert werden. Das geschieht jedoch, so läßt sich behaupten, zum großen Teil lediglich pro forma; Hauptargument in diesem Zusammenhang ist, die „sozialen Differenzierungen“ seien durch die komplexen sozialen Gliederungen, die mit den Begriffen Klasse und Schicht erfaßt werden, determiniert. Das Konzept „soziale Differenzierungen“ bleibt, insgesamt gesehen, dennoch offener als das Klassen- und das ihm zugeordnete Schichtkonzept. Ferner werden „soziale Differenzierungen“ ideologisch dadurch abgesichert, daß man zwei traditionelle marxistisch-leninistische Problembereiche in den Vordergrund rückt: den Unterschied zwischen Stadt und Land sowie den zwischen körperlicher und geistiger Arbeit.

 

Darüber hinaus werden die „sozialen Differenzierungen“ entsprechend den geschichtsphilosophischen Postulaten für die sozialistische Gesellschaft der DDR typologisiert: in solche, die als historisch überwunden angesehen werden können, in solche, die als Überbleibsel kapitalistischer Gesellschaftsformation eine begrenzte Zeit fortbestehen (und bekämpft werden müssen), und in solche, die auf dem Weg zur kommunistischen Gesellschaft weiterführen (und deshalb zu fördern sind). Die Einordnung konkreter Erscheinungen in diese Typologie wandelt sich mit der ideologisch-politischen Gesamtlinie (Linie). Gegenwärtig werden in der Diskussion über die weiterführenden „sozialen Differenzierungen“, etwa von M. Lötsch und D. Wittich (Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik, 1982, S. 68), die „konsequente Durchsetzung des Leistungsprinzips“, einschließlich der Anerkennung „sozialer Besonderheiten der Intelligenz“ und „sozialer Mobilität als Bedingung für eine effektive Gestaltung aller Begabungen“, genannt.

 

Einen Katalog „gegenwärtig unvermeidlicher“ sozialer Unterschiede stellten T. Hahn und L. Niederländer (Deutsche Zeitschrift für Philosophie. 30. Jg., 1982, H. 6, S. 767) zusammen, wobei sie die Frage, ob diese überwunden werden können und müssen, allerdings ausgeklammert haben:

  • Proportionen der Entwicklung und Standortverteilung der Produktivkräfte,
  • der gegenwärtig erreichte Stand der Arbeitsteilung (körperliche — geistige Arbeit, unterschiedlich komplizierte Arbeitsbedingungen),
  • die Existenz unterschiedlicher Eigentumsformen an Produktionsmitteln,
  • Wirkungen des Prinzips der Verteilung nach der Leistung,
  • Qualifikations- und Bildungsstrukturen,
  • Enkommensstrukturen,
  • Unterschiede der materiellen Wohnbedingungen,
  • Unterschiede zwischen Stadt und Land,
  • territoriale Differenzierungen,
  • sozialdemographische Differenzierungen (Unterschiede zwischen den Geschlechtern und lebenszyklischen Altersgruppen, sofern sie sozialer Art sind).“

 

Wenn „soziale Differenzierungen“ empirisch festgestellt werden, geschieht dies am häufigsten hinsichtlich einzelner gesellschaftlicher Teilbereiche. Für den Industriebetrieb etwa werden folgende „Bestandteile“ einer im Sinne des Konzepts „soziale Differenzierungen“ bestimmten S. angegeben: die Gliederung der Beschäftigten nach Haupttätigkeits[S. 1222]gruppen, die Berufs- und Qualifikationsstruktur, die Einkommensstruktur, die sozialdemographische Struktur, die Gliederung nach Arbeitskollektiven und deren innere soziale Struktur, die Beschäftigtenstruktur nach Betriebszugehörigkeit und -verbundenheit (vgl. H. Brand und P. Glotz, s. litsost Lit.-Hinw.). Untersucht werden darüber hinaus LPGs, wissenschaftliche Institutionen, Krankenhäuser und Verwaltungen. Ferner gilt das Augenmerk etwa „sozialen Differenzierungen“ innerhalb der großen Gruppe der Arbeiter und Angestellten, bei denen z.B., wie im Betriebsbereich, nach Tätigkeitsmerkmalen und der Stellung in der Leitungsstruktur unterschieden wird. Auch die S. der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) (XXII.) und der Massenorganisationen liegt, trotz forschungsmäßiger Tabus, prinzipiell nicht außerhalb des Horizonts.

 

„Soziale Differenzierungen“ oder „soziale Unterschiede“ in der Gesellschaft einerseits und „Annäherung“ der Klassen und Schichten, d.h. Tendenzen zur „sozialen Gleichheit“, andererseits werden von den marxistisch-leninistischen S.-Forschern als in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehend gedacht. Damit ist gewährleistet, daß das Ziel, soziale Gleichheit, trotz bestehender und sich in Zukunft entsprechend der gegenwärtigen SED-Politik voraussichtlich entfaltender sozialer Unterschiede nicht aufgegeben zu werden braucht. Mit dem Rekurs auf die Dialektik bleibt jedoch das Problem, welches Maß an sozialer Differenziertheit für die gegenwärtige Gesellschaft akzeptabel und welches für die Zukunft als „produktiv“ anzustreben ist, ungelöst. Es beschäftigt die S.-Forscher ebenso wie die S.-Planer.

 

III. Die S. der DDR-Gesellschaft

 

 

A. Gesamtstruktur

 

 

Die S.-Forschung geht von der Annahme aus, daß sich in der DDR „auf der Basis der sozialistischen Eigentums-, Produktions- und Machtverhältnisse“ die für die entwickelte sozialistische Gesellschaft „notwendige“ S. inzwischen „stabil“ herausgebildet habe (R. Weidig, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 28. Jg., 1980, H. 1, S. 5 ff.).

 

Damit ist gemeint, daß sich die „Hauptgruppen“ der S. auf einem bestimmten quantitativen Niveau eingependelt haben. Das Wachstum der Arbeiterklasse ist, so wird behauptet, abgeschlossen. Je nach Sichtweise (Intelligenz ist eine selbständige Schicht oder Teil der jeweiligen „Grundklasse“) wird der Anteil der Arbeiterklasse (statistisch: Arbeiter und Angestellte) mit Prozentzahlen zwischen 75 und 90 angegeben. Die Klasse der Genossenschaftsbauern ist nach anfänglichem Wachstum zurückgegangen, vor allem infolge der Einführung industriemäßiger Produktionsmethoden in der Landwirtschaft. Ihr Anteil liegt gegenwärtig bei 6,5 v.H., und man geht davon aus, daß er sich nicht wesentlich verändern wird. Die Handwerker (genossenschaftlich und privat) und übrigen Berufstätigen sind in dieser quantitativ-statistischen Betrachtungsweise — auch wenn sie in jüngster Zeit eher zunehmen — so gut wie zu vernachlässigende Gruppierungen (ca. 4 v.H. der Gesamtbevölkerung).

 

Als Belege für diese Sicht der S. der DDR werden die in den „Statistischen Jahrbüchern“ veröffentlichten, auf der offensichtlich jährlich durchgeführten Berufstätigenerhebung basierenden Angaben herangezogen. Dabei setzt man, wie auch G. Aßmann und R. Stollberg in ihrem soziologischen Lehrbuch (a.a.O.), die S. mit der „sozialökonomischen Struktur der Berufstätigen“ gleich. Tabelle I zeigt das Ansteigen der beiden „Grundklassen“ (einschließlich der ihnen zugerechneten Mitglieder der PGH) zuungunsten aller anderen sozialen Gruppierungen. Fast 20 v.H. der Bevölkerung (oder 1579,2 Tausend) waren 1955 weder Arbeiter/Angestellte noch Genossenschaftsbauern bzw. -handwerker; 1982 sind es nur noch 2 v.H. (oder 179,1 Tausend). Tabelle I weist zugleich, indirekt, auf einige der ungelösten Probleme der S.-Forschung hin. Die statistischen „Hauptgruppen“ sind mit den theoretisch fixierten (s. o. Kap. S. II. A.) nicht voll identisch. Die theoretisch durchaus lokalisierte Schicht der Intelligenz ist hier in der statistischen Untergliederung nicht enthalten; außerdem wird die „Arbeiterklasse“ nicht als solche, sondern als „Arbeiter und Angestellte“ ausgewiesen. In der Tat tun sich die S.-Forscher in der DDR schwer mit der statistischen und empirischen Bestimmung der Intelligenz und der Angestellten. Erst in der Volkszählung von 1981 scheint man einen Schritt vorwärts gekommen zu sein. Einem Bericht eines Mitarbeiters des Instituts für marxistisch-leninistische Soziologie an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) (vgl. Informationen zur soziologischen Forschung in der DDR, Heft 1/1983, S. 22 ff.) ist zu entnehmen, daß bei dieser letzten Volkszählung eine Zweigliederung der Arbeiter wie der Angestellten vorgenommen wurde. Man hat unterschieden nach: „Arbeitern in Produktionsberufen“, „Arbeitern in anderen Berufen“, „Geistesschaffenden“ und „Leitungs- und Verwaltungspersonal“. Die entsprechenden Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

 

 

Innerhalb des stabilen, durch die „Hauptgruppen“ definierten sozialstrukturellen Rahmens gibt es, nach Auffassung der S.-Forscher in der DDR, ein Element der Dynamik oder Mobilität, nämlich die Veränderung der Qualifikationsstruktur der Berufstätigen. Vor allem die Zahl der Hoch- und Fachschulkader, als „Ausdruck und Triebkraft von Wirtschaftswachstum und wissenschaftlich-technischem Fortschritt“, ist ständig gestiegen und wird, so nimmt man an, weiter steigen. Der Anteil der Be[S. 1223]rufstätigen mit Hoch- und Fachschulabschluß an der Gesamtzahl der in der sozialistischen Wirtschaft Tätigen lag 1971 noch unter 12 v.H., im Jahrzehnt bis 1981 ist er auf über 19 v.H. gestiegen (vgl. Tabelle II). Auch 1982 hat er sich weiter erhöht, auf 19,6 v.H. Die Schicht der Intelligenz und in ihr besonders die Gruppe der wissenschaftlich-technischen Intelligenz vergrößert sich also. Die Grenzmarke von 20 v.H. soll jedoch, gemäß den Vorstellungen der sozialstrukturellen Planer, nicht überschritten werden (vgl. Weidig, a.a.O., S. 8).

 

In der Wirklichkeit sind alle unterschiedenen Klassen und Schichten in sich stark differenziert (Arbeiterklasse; Genossenschaftsbauern; Intelligenz). Dies wird von den S.-Forschern in der DDR durchaus registriert und diskutiert (vgl. oben Kap. S. II. B. und unten S. III. B.). Doch führen entsprechende Wahrnehmungen bisher nicht dazu, das ideologisch vorgegebene S.-Gerüst der „Hauptgruppen“ aufzubrechen und grundsätzlich von der geschichtsphilosophischen Vorstellung der zunehmenden Annäherung der Klassen und Schichten abzurücken. Überlegungen von K. Braunreuther am Ausgang der 60er Jahre zu einem Schichtenmodell für die S. der DDR sind seinerzeit abgelehnt und seitdem nicht weiterverfolgt worden (Soziologie und Empirische Sozialforschung, IV. B.).

 

B. Teilstrukturen

 

 

Einige Teilstrukturen der DDR-Gesellschaft können über die Jahre hinweg anhand der Angaben in den „Statistischen Jahrbüchern“ verfolgt werden. Für die große Gruppe der Arbeiter und Angestellten etwa differenziert das „Statistische Jahrbuch“ nach Wirtschaftsbereichen und Eigentumsformen der Betriebe. Der überwiegende Teil ist, wie Tabelle III [S. 1224]zeigt, in der Industrie, die zu fast 100 v.H. sozialistisch ist, tätig, während ein geringer Prozentsatz (3,4) aller Arbeiter und Angestellten in Privatbetrieben arbeitet (Betriebsformen und Kooperation). Weitere Differenzierungen, nunmehr für alle wirtschaftlich Tätigen, erfolgen beispielsweise nach dem Ausbildungsstand (vgl. oben Kap. S. III. A. und Tabelle II) sowie nach Berufsgruppen und -abteilungen. Die vollständigste, allgemein zugängliche Quelle für Daten zur Berufsstruktur sind nach wie vor die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. 12. 1964. Für diese Totalerhebung war eine spezielle „Systematik der Berufe und Tätigkeiten“ mit insgesamt 487 Berufen, die zu 170 „Berufsordnungen“, 39 „Berufsgruppen“ und 8 „Berufsabteilungen“ zusammengefaßt wurden, ausgearbeitet worden. Sie sollte einer genaueren Bestimmung der Klassen und Schichten in der DDR dienen — eine Absicht, die offensichtlich bald fallengelassen wurde; denn in den nachfolgenden Volkszählungen ist dieser Ansatz nicht weiterverfolgt worden.

 

 

 

Die Berufsstruktur 1964 der DDR, die aus Tabelle IV ersichtlich ist, wich — wie vergleichende Untersuchungen ergeben haben (s. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1971, Tz. 152) — nur wenig von der Berufsstruktur der Bundesrepublik Deutschland zum gleichen Zeitpunkt ab. Berufe im Bereich der Bildung usw. waren in der Bundesrepublik vergleichsweise weniger, Berufe der Wirtschaftsleitung vergleichsweise mehr vertreten.

 

 

Auch zu weiteren Teilstrukturen sind mehr oder weniger vollständige Angaben erhältlich (Bau- und Wohnungswesen; Einkommen; Lebensstandard). Ähnliches gilt für einige sozialstrukturell wichtige Sektoren der Gesellschaft, unter ihnen der des Betriebes (Soziologie und Empirische Sozialforschung, IV. C.; IV. E.) und der der Freizeit. Sozialstrukturelle Daten über bestimmte Großgruppen der Bevölkerung (vor allem Frauen und die Jugend [Jugendforschung]) fließen besonders reichlich.

 

IV. Die S.-Forschung

 

 

Die Analyse der Klassenstruktur oder der S., ihrer Entwicklung und Differenzierung ist zentrales Anliegen des Marxismus-Leninismus. So heißt es schon bei Lenin in einem Artikel aus dem Jahre 1911 (Werke, Berlin [Ost], Bd. 17, S. 127): „Die soziale Struktur der Gesellschaft und der Staatsmacht ist durch Veränderungen charakterisiert, ohne deren Klarstellung kein einziger Schritt vorwärts auf irgendeinem Gebiet gesellschaftlichen Wirkens getan werden kann.“ Die sozialstrukturelle Analyse ist unmittelbar politisch relevant — auch in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Sie wird, so Brandt/Glotz (s. litsost Lit.-Hinw., S. 9), „immer mehr zum unentbehrlichen Leitungs- und Planungsinstrument“.

 

Die S. und die sie begründende Klassenstruktur sind Gegenstand verschiedener Teilgebiete des Marxismus-Leninismus (II. C. und III.) und der Politischen Ökonomie sowie verschiedener Einzeldisziplinen. Die Soziologen beanspruchen dabei eine besondere Zuständigkeit: „Durch den historischen Materialismus wird die Klassenstruktur und ihre die gesamte Sozialstruktur determinierende Funktion behandelt, aber nicht die gesamte Vielfalt sozialer Strukturen in ihrem empirischen Reichtum in den Gegenstand einbezogen. Auch die politische Ökonomie und der wissenschaftliche Kommunismus, die sich ebenfalls mit der klassengesellschaftlichen und mit anderen Strukturen verschiedener Art befassen, vermögen in ihrer Summierung nicht die Wechselbeziehungen und das Gesamtsystem sozialer Strukturen abzudecken. Es ist u. E. ein spezifisch soziologischer Gegenstand, der um so komplizierter zu erfassen und wissenschaftlich zu erkennen ist, je weiter der Vergesellschaftungsprozeß fortgeschritten ist“ (H. Berger und H. Steiner, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik, 1982, S. 42).

 

In der Soziologie gehört die S.-Analyse zu den Schwerpunktgebieten der theoretischen Reflexion und empirischen Forschung, ja, sie mag als das Kerngebiet der Soziologie überhaupt bezeichnet werden. Zunehmend wurde sie in einen Zusammenhang mit der Erforschung der Sozialistischen ➝Lebensweise und der Bedingungen der Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit (Persönlichkeitstheorie, Sozialistische) gestellt. Eine enge Verbindung besteht ferner zur Demographie (Bevölkerung, IV.). Im „Zentralen Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR 1981–1985“ ist die herausragende Bedeutung der S.-Analyse klar erkennbar (Soziologie und Empirische Sozialforschung, I. B.).

 

Im Vordergrund des gegenwärtigen Interesses stehen folgende Problembereiche:

  • die Annäherung der Klassen und Schichten, einschließlich der Reduzierung der Unterschiede zwischen körperlicher und geistiger Arbeit und zwischen Stadt und Land;
  • die Dialektik von sozialer Gleichheit und sozialen Unterschieden (sozialer Ungleichheit) mit dem explizit aufgenommenen Problem, wieweit soziale Unterschiede als „Wachstumsfaktoren und Triebkräfte des ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ anzusehen sind;
  • die Veränderungen der S. im Zuge der Wissenschaftlich-technischen Revolution (WTR) und deren ideologisch-philosophische Aufarbeitung;
  • die Identifikation der einzelnen Klassen und Schichten; wer gehört warum zur Arbeiterklasse, zur Klasse der Genossenschaftsbauern usw.?;
  • die Strukturierungen innerhalb der Klassen, vor allem in der Arbeiterklasse (als deren Kern wohl unbestritten die Arbeiter in den industriellen Großbetrieben gelten), einschließlich der Fragen der Abgrenzung von Arbeitern, Angestellten und Intelligenz oder der Entwicklung der Arbeiterklasse zur „körperlich und geistig tätigen“ Klasse.

 

Die Diskussion zu diesen Problemen wird intensiv (vgl. oben Kap. S. II.) und international geführt. Vorstellungen, wie sie in der Sowjetunion entwickelt wurden, und empirische Ergebnisse aus länderübergreifenden Untersuchungen im RGW-Bereich finden Berücksichtigung. Eine sehr kritische und letztlich ablehnende Behandlung erfahren demgegenüber westliche Ansätze der S.-Forschung (vgl. im einzelnen dazu den Art. „Stratifikation, soziale“, in: Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a.a.O., S. 643 ff.).

 

Die Hauptzentren für theoretische Fragen und empirische Forschungen zum Thema S. sind das Institut für marxistisch-leninistische Soziologie an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG), das Institut für Soziologie und Sozialpolitik an der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und das Institut für marxistisch-leninistische Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Rahmen des Wissenschaftlichen Rates für soziologische Forschung befassen sich vier der, soweit bekannt, sechs Problemräte mit der S. der DDR (Soziologie und Empirische Sozialforschung, III., IV. D., IV. H.). Vorsitzender des Problemrats „Sozialstruktur in der sozialistischen Gesellschaft“ ist Prof. Dr. Manfred [S. 1226]Lötsch, Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED.

 

V. Abschließende Bemerkungen

 

 

Die S.-Forschung in der DDR hat bisher kein auch nur annähernd vollständiges und wirklichkeitsnahes Bild der S. der DDR und ihrer Entwicklung entworfen. Darüber hinaus hat man sich mit der Frage, ob und wie die sozialistische (Industrie-)Gesellschaft der DDR im sozialstrukturellen Bereich von der deutschen Gesellschaft der Vorkriegszeit oder von der Gesellschaft der Bundesrepublik zu unterscheiden wäre, kaum befaßt.

 

Die Gründe hierfür sind komplex. In der Hauptsache sind sie politisch-ideologischer Natur. Die Theoretiker des Marxismus-Leninismus, die SED-Ideologen und -Propagandisten sehen im Wandel der DDR-Gesellschaft nach wie vor ein brisantes Thema, und damit wird die sozialstrukturelle Analyse in den Dienst der Politik gestellt.

 

So ist es nicht verwunderlich, daß die Probleme, denen die S.-Forschung ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden hat, von den jeweiligen politischen Erfordernissen diktiert werden — derzeit von dem gesellschaftspolitischen Programm der „sozialistischen Intensivierung“. Die Aufgaben, die im Zusammenhang der wissenschaftlich-technischen Revolution zu meistern sind, machen — so wird offensichtlich angenommen — eine Politik der Förderung spezifischer Gruppen, besonders der wissenschaftlich-technischen Intelligenz, und damit die theoretisch-empirische Identifikation bestimmter förderungswürdiger sozialer Unterschiede erforderlich.

 

Ebenso wenig erstaunt, daß sowohl im Theoretischen wie im Empirischen Tabuzonen für die S.-Forschung bestehen. Zudem sind Kontrollen in diesem Bereich besonders stark; Veröffentlichungen zu sozialstrukturellen Themen werden geprüft und zensiert, so daß es für den westlichen Beobachter schwer ist, den wirklichen Wissensstand einzuschätzen.

 

Aufschlußreiche Daten und Publikationen liegen hingegen über bestimmte Teilbereiche vor. Wie vor allem die „Materialien zum Bericht zur Lage der Nation“ 1971 und 1974 gezeigt haben, sind sie auch in der vergleichenden Deutschlandforschung sinnvoll verwertbar.

 

Peter C. Ludz (†) / Ursula Ludz

 

Literaturangaben

  • Veröffentlichungen ab 1970, zu den Veröffentlichungen vor 1970 vgl. den Hinweis bei den Literaturangaben zu Soziologie und Empirische Sozialforschung.
  • Körperliche und geistige Arbeit im Sozialismus. Eine soziologische Analyse. Autorenkoll. u. Ltg. v. R. Winzer. Berlin (Ost): Dietz 1980.
  • Arbeiterklasse und wissenschaftlich-technische Intelligenz in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Autorenkoll. u. Ltg. v. K. Hartmann u. St. Widerszpil. Berlin (Ost): Dietz 1978.
  • Brandt, H., u. P. Glotz: Die Sozialstruktur des Kombinates. Leitung, Planung, Analyse. Leipzig: Deutscher Verl. f. Grundstoffindustrie 1983.
  • Zur Entwicklung der Arbeiterklasse und ihrer Struktur in der DDR. Autorenkoll. u. Ltg. v. R. Weidig. Berlin (Ost): Dietz 1976.
  • Zur Entwicklung der Klassen und Schichten in der DDR. Autorenkoll. u. Ltg. v. W. Schneider. Berlin (Ost): Dietz 1977.
  • Erbe, G.: Arbeiterklasse und Intelligenz in der DDR. Soziale Annäherung von Produktionsarbeiterschaft und wissenschaftlich-technischer Intelligenz im Industriebetrieb? Opladen: Westdeutscher Verl. 1982.
  • Genossenschaftsbauern, gestern, heute, morgen. Die Klasse der Genossenschaftsbauern im Prozeß der Gestaltung der industriemäßig produzierenden Landwirtschaft in der DDR. Autorenkoll. u. Ltg. v. K. Krambach. Berlin (Ost): Dietz 1977.
  • Grundmann, S., M. Lötsch u. R. Weidig: Zur Entwicklung der Arbeiterklasse und ihrer Struktur in der DDR. Berlin (Ost): Dietz 1976.
  • Die Intelligenz in der sozialistischen Gesellschaft. Berlin (Ost): Dietz 1980.
  • Naturwissenschaftlich-technische Intelligenz im Sozialismus. Autorenkoll. u. Ltg. v. K. Römer. Berlin (Ost): Deutscher Verl. d. Wissenschaften 1980.
  • Messing, M.: Industrie-Bauarbeiter in beiden Teilen Deutschlands. Ein empirischer Vergleich. Köln: Wissenschaft und Politik 1981.
  • Röder, H.: Abschied vom Klassenbegriff? Ein Beitrag zur Analyse der marxistischen Soziologie in der DDR. Opladen: Westdeutscher Verl. 1972.
  • Voigt, D.: Literaturbericht „Sozialstrukturforschung in der DDR“, in: Deutschland Archiv, H. 5, 1975, S. 476 ff.

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1218–1226


 

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Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.