Sport (1985)
I. Entwicklung und Organisation
Im Zuge der juristischen Liquidation des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen und seiner Untergliederungen verfügte die Kontrollrats-Direktive Nummer 23 vom 17. 12. 1945 die Auflösung aller Turn- und S.-Vereine in Deutschland. Der zweite Teil dieser Direktive bestimmte die Zulassung „nicht-militärischer Sportorganisationen lokalen Charakters“. In der von der SMAD in der SBZ verbreiteten deutschsprachigen Fassung der Anordnung hieß es unter Fortlassung der Bestimmung „nicht-militärischer“ nur noch „Sportorganisationen lokalen Charakters“.
Unter Aufsicht der sowjetischen Militärverwaltung und der aus Moskau zurückgekehrten Gruppe Ulbricht begannen 1946 ehemalige Arbeitersportler und zur Mitarbeit bereite Funktionäre der ab 1945 verbotenen S.-Organisationen, darunter zahlreiche ehemalige NSDAP-Mitglieder und HJ-Führer, mit dem Aufbau einer sozialistischen S.-Organisation nach sowjetischem Vorbild. Zunächst wurde das Vermögen der aufgelösten Traditionsvereine durch die Volksbildungsämter der Kreise und Gemeinden verwaltet; sportliche Betätigung war nur auf kommunaler Grundlage zulässig (Kommunal-S.). Im Juni 1948 begann eine breit angelegte Kampagne zur Neuorganisation des S., die vorher in allen ihren Einzelheiten zwischen der SMAD, der SED, der FDJ, dem FDGB und den Verwaltungsstellen des Kommunal-S. vereinbart und vorbereitet worden war. Nach offizieller Zustimmung der SMAD kündigten am 1. 8. 1948 FDJ und FDGB übereinstimmend die Gründung des Deutschen S.-Ausschusses (DSA) an. Die Gründungsfeier des DSA erfolgte am 1. 10. 1948 in Berlin (Ost). Erster Leiter des DSA [S. 1251]wurde Waldemar Borde. In der Gründungsproklamation hieß es u.a.: „Unsere Sportlerinnen und Sportler beteiligen sich an der Aktivistenbewegung für den Zweijahrplan und helfen beim Aufbau der Neubauernhäuser. Es müssen unverzüglich fortschrittliche Sportfunktionäre herangebildet werden. Darum sind in allen Ländern sofort Sportschulen einzurichten.“
Die bisherigen kommunalen S.-Gemeinschaften wurden durch Betriebssportgemeinschaften (BSG) ersetzt. Am 17. 3. 1951 verkündete das ZK der SED die Durchführung von „Aufgaben auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sports“ und forderte darin die planmäßige Ausweitung und Propagierung der vom DSA geleiteten „Demokratischen Sportbewegung“. Sie sollte nicht mehr der Oberleitung durch FDJ und FDGB unterstehen, doch „um so mehr bedarf sie der Unterstützung aller demokratischen Massenorganisationen“. In der Folgezeit galt der DSA als höchstes Leitungsorgan des S. in der DDR. Entsprechend der Organisationsstruktur des FDGB wurden die Betriebssportgemeinschaften in S.-Vereinigungen (SV) zusammengefaßt; folgerichtig wurden „die Leiter der Abteilung Sport bei den Industriegewerkschaften die Leiter der Sportvereinigungen“. Auf „Produktionsbasis“ entstanden 18 S.-Vereinigungen:
SV Aktivist (Bergbau)
SV Aufbau (Bau-Industrie)
SV Chemie (Chemische Industrie)
SV Dynamo (Volkspolizei, Staatssicherheitsdienst)
SV Einheit (staatl. und kommunale Verwaltungen)
SV Empor (Handel und Versorgung)
SV Fortschritt (Textil- und Lederindustrie)
SV Lokomotive (Reichsbahn)
SV Medizin (Gesundheitswesen)
SV Motor (Metallverarbeitende Industrie)
SV Post (Postwesen)
SV Rotation (Presse, graphische Betriebe, Bühne, Film und Funk)
SV Stahl (Hütten-Industrie und Maschinenbau)
SV Traktor (Land- und Forstwirtschaft)
SV Turbine (Energiebetriebe)
SV Vorwärts (Kasernierte Volkspolizei, später Nationale Volksarmee)
SV Wismut (Wismut-Erzbergbau)
SV Wissenschaft (Universitäten und Hochschulen).
Obgleich der FDGB 10 v.H. seines Beitragsaufkommens in die Betriebssportgemeinschaften investierte und damit die materiellen Voraussetzungen für die Anschaffung von S.-Kleidung und S.-Geräten sowie die Errichtung von Trainings- und Wettkampfstätten schuf, übten die Gemeinschaften der neuen „sozialistischen Körperkultur“ nur mäßige Anziehungskraft aus: Im Herbst 1949, ein Jahr nach Gründung des DSA, gab es in den Volkseigenen Betrieben insgesamt nur 800 Betriebssportgemeinschaften mit rd. 16.000 Mitgliedern. 1950 wurde Waldemar Borde als DSA-Vorsitzender abgelöst. Seine Nachfolger waren Ernst Horn (bis 1951) und Fred Müller, ehe 1952 der FDJ-Funktionär Rudi Reichert zum DSA-Vorsitzenden berufen wurde.
„Zur Verbesserung der Tätigkeit und Struktur der Demokratischen Sportbewegung“ erfolgte unter Reicherts Vorsitz am 27./28. 4. 1957 die Umwandlung des DSA in den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB).
In einer Statutsänderung vom 28. 5. 1961 wurden einige politische Aussagen verfeinert, doch blieb die politisch-ideologische Stoßrichtung unverändert.
Als „einheitliche, in sich geschlossene und der territorialen Struktur des Staates angepaßte sozialistische Sportorganisation“ wurde der DTSB ohne Aufgabe seiner zentralistischen Organisationsstruktur in 15 Regionalorganisationen (DTSB-Bezirke) und diese in 220 Kreisorganisationen (jetzt 241 Stadt- und Kreisorganisationen) gegliedert. 14 der obengenannten S.-Vereinigungen gingen in den DTSB-Regionalorganisationen auf; ihre Betriebssportgemeinschaften wurden zu Grundorganisationen des DTSB. Lediglich die SV Vorwärts, Dynamo, Lokomotive und Wismut blieben wegen der besonderen Struktur und Bedeutung ihrer Träger bestehen und erhielten den gleichen Status wie Bezirksorganisationen (seit 1978 nur noch SV Vorwärts und SV Dynamo). 1958 wurde die Organisationsänderung durch die Umbildung der Zentralen S.-Sektionen in Sportverbände des DTSB abgeschlossen. Nur die S.-Schützen sowie die Flug- und Tauchsportler sind nicht im DTSB, sondern bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) organisiert.
Im Mai 1961 wurde Manfred Ewald (SED) Nachfolger von Rudi Reichert als DTSB-Präsident. Unter seiner Führung erlebte der DTSB dank eigener Organisationsleistungen und vielfältiger staatlicher Hilfen einen starken Aufschwung (1961: 1.534.105 Mitglieder, 31. 12. 1983: 3.413.336 Mitglieder). Die Synchronisation von Leistungs-, Wettkampf- und Massen-S. gelang sportorganisatorisch hauptsächlich durch die systematische Heranbildung von Übungsleitern, Schieds- und Kampfrichtern (31. 12. 1983: 293.608 Übungsleiter, 148.715 Kampf- und Schiedsrichter, ca. 300.000 Funktionäre in den Grundorganisationen).
Wichtigste Grundlage der Tätigkeit des DTSB sind der Beschluß des Staatsrates der DDR vom 20. 9. 1968 über „Die Aufgaben der Körperkultur und des Sportes bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik“ und das dritte Gesetz über die Teilnahme der Jugend an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der DDR vom 28. 1. 1974. Im Abschnitt VI dieses Gesetzes heißt es in § 34: „Körperkultur und Sport gehören zum Leben der Jugend in der sozialistischen Gesell[S. 1252]schaft. Die regelmäßige sportliche Betätigung ist Anliegen und Aufgabe jedes jungen Menschen für seine Persönlichkeitsentwicklung. Der sozialistische Staat gewährleistet Körperkultur und Sport in allen Bereichen des Lebens der Jugend und fördert die Tätigkeit des Deutschen Turn- und Sportbundes als Initiator und Organisator des Sports.“
II. Politische und gesellschaftspolitische Verflechtung
Die außergewöhnlich große Förderung des S. durch gesetzgeberische Maßnahmen ist durch die konkreten innen- und außenpolitischen Zielsetzungen des DDR-S. motiviert. Vorrangige innenpolitische Aufgaben des S. sind seine Beiträge zur Erhöhung der Produktivität und der Wehrkraft, zur Gesunderhaltung, zur Ausrichtung der Jugend am Leistungsprinzip und zur allgemeinen Mobilisierung der Bevölkerung. Im Mittelpunkt steht die Erziehung zu patriotisch-klassenbewußtem Denken und Handeln (Leistungs-S.).
Der außenpolitische Auftrag des S. zielt innerhalb der „sozialistischen Staatengemeinschaft“ auf die emotionale Vertiefung der Bündnispolitik (Friedensfahrt u.a.) und weltweit auf die Demonstration der Überlegenheit des sozialistischen Systems der DDR und bis Anfang der 70er Jahre auf die internationale staatliche Anerkennung der DDR (W. Ulbricht: „Sportler der DDR auf Siegespodesten bei Welt- und Europameisterschaften — das ist die beste Antwort an die Adresse der Bonner Alleinvertreter und Revanchisten“).
Die Wertschätzung des S. als Phänomen von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung ist sicherlich zum Teil auf Eigenerfahrungen W. Ulbrichts in einem Arbeiter-Turn- und Sportverein in der Weimarer Republik zurückzuführen. Ulbricht, „dessen Name untrennbar mit dem steilen Aufstieg unseres Sports verbunden ist“ (Deutsches Sportecho, Berlin [Ost], 18. 9. 1964), verkündete 1958 im Ost-Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark den Massensport-Slogan: „Für jedermann an jedem Ort — jede Woche einmal Sport“, der später von ihm selbst in „jede Woche mehrmals Sport“ erweitert wurde. Ulbricht gab auch am 8. 11. 1964 vor Studenten der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig das Kommando für die Mobilisierung der jüngeren Jahrgänge: „Die planmäßige und systematische Ausbildung der Schüler in bestimmten Sportarten — und zwar sowohl im Unterricht als auch außerhalb des Unterrichts — ist die unerläßliche Voraussetzung für die Herausbildung des Lebensbedürfnisses, sich regelmäßig sportlich zu betätigen.“
Der Wichtigkeit der ihm übertragenen Aufgaben entsprechend eng ist die Verflechtung des DTSB mit Staatsorganen, Kontrollinstanzen der SED und mit den Massenorganisationen. „Oberste Instanz auf allen Gebieten der Körperkultur und des Sports in der DDR“ (§ 2 der Verordnung) ist das am 1. 7. 1970 geschaffene Staatssekretariat für Körperkultur und Sport beim Ministerrat der DDR, Nachfolger des am 16. 7. 1952 eingesetzten Staatlichen Komitees für Körperkultur und S. Durch die Verordnung des Ministerrates vom 17. 6. 1970 wurde das vorherige Staatliche Komitee geteilt in a) das Staatssekretariat und b) das Komitee. Das Staatssekretariat hat die Tätigkeit des Komitees für Körperkultur und S. der DDR als gesellschaftliches Organ aktiv und allseitig zu unterstützen und die Bestrebungen des DTSB zu fördern. Es ist u.a. für die Perspektiv- und Jahrespläne der Körperkultur und des S., für die weitere Entwicklung der S.-Wissenschaften und der Forschung, für die Aus- und Weiterbildung der Kader und für den S.-Stättenbau verantwortlich. Derzeitiger Leiter des Staatssekretariats für Körperkultur und S. ist der frühere Rektor der DHfK Leipzig, Staatssekretär Prof. Dr. Günter Erbach.
Als direkte Schaltstelle zwischen der Staatspartei und dem DTSB wirkt die Abteilung S. des Zentralkomitees der SED. Ihr gegenwärtiger (1983) Leiter (Rudolf Hellmann) ist Mitglied des DTSB-Bundesvorstandes und Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der DDR. Die „Aufgaben auf dem Gebiete der Körperkultur und des Sports“ wurden schon am 17. 3. 1951 in einer Grundsatzentschließung des ZK der SED festgelegt.
Die Zusammenarbeit zwischen DTSB und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund und der Freien Deutschen Jugend dient vorrangig der Intensivierung des Massen-S. Im März 1970 faßten DTSB und FDGB ihre schon früher geübte Kooperation im ersten gemeinsamen S.-Programm zusammen, das im November 1972 erweitert wurde.
Im DDR-Gesetzblatt vom 30. 11. 1972 wurde die AO über die Wahrnehmung der Verantwortung der Betriebe und staatlichen Einrichtungen auf dem Gebiet von Körperkultur und Sport im Einvernehmen mit allen entsprechenden staatlichen und Massenorganisationen veröffentlicht. Den Leitern der Volkseigenen Betriebe und staatlichen Einrichtungen wurde die volle Verantwortung für eine regelmäßige und intensive sportliche Betätigung der Arbeitnehmer übertragen. Zur zielstrebigen Verwirklichung der angeordneten Förderungsmaßnahmen wurden S.-Kommissionen gebildet, denen neben DTSB-Funktionären u.a. auch Vertreter der Betriebsgewerkschaftsleitung und der Betriebsbereiche Produktion, Gesundheitswesen, Kader und Bildung angehören müssen. Analog zur Kooperation zwischen DTSB und FDGB beschlossen DTSB und FDJ auf der Grundlage früherer Vereinbarungen im 3 Januar 1973 die Weiterführung der Wettbewerbe um die Wanderpokale der Freien Deutschen Jugend und der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“.
Im Gegensatz zu den ständig erweiterten S.-Aktivitäten des FDGB und der FDJ dienen sportliche [S. 1253]Förderungsmaßnahmen der Nationalen Volksarmee und der Volkspolizei bzw. des Staatssicherheitsdienstes vorwiegend dem Leistungs-S.
Bis Ende 1956 war „auf der Grundlage der militärischen Struktur“ die Organisation der Armeesportklubs (ASK), der Bezirksorganisationen und der Armeesportgemeinschaften (ASG) abgeschlossen. Die ASV „Vorwärts“ zählte im März 1981 ca. 270.000 Mitglieder, darunter 31.000 Kinder und Jugendliche. Einschließlich der Olympischen Spiele 1980 standen 317 Armeesportler in DDR-Olympiamannschaften; sie errangen 84 olympische Medaillen, davon 31 Goldmedaillen. Bis zum 25jährigen ASV-Jubiläum im Oktober 1981 gewannen ASK-Mitglieder außerdem 122 Weltmeister- und 110 Europameistertitel. Die erfolgreichen ASK-Sportler wie Skilanglauf-Weltmeister Gerhard Grimmer, Skisprung-Olympiasieger Hans-Georg Aschenbach, Bob-Olympiasieger Manfred Nehmer, Kugelstoß-Olympiasieger Udo Beyer, Rennschlitten-Olympiasiegerin Margit Schumann oder Diskus-Olympiasiegerin Evelyn Jahl bekleiden alle Offiziersränge.
Parallel zur systematischen Leistungssportförderung mit Hilfe armee-eigener S.-Internate und Trainingszentren (Ende 1981 5.000 jugendliche Nachwuchssportler in 140 ASV-Trainingszentren) verläuft die intensive gesellschaftspolitische Erziehung. ASV-Vorsitzender ist seit 1980 (als Nachfolger von Admiral Waldemar Verner) Generaloberst Heinz Keßler, Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef der politischen Hauptverwaltung der NVA.
Die am 27. 5. 1953 gegründete S.-Vereinigung „Dynamo“ (Vorsitzender Armeegeneral Erich Mielke, Mitglied des Politbüros der SED, Minister für Staatssicherheit) ist die S.-Organisation der Volkspolizei und des Staatssicherheitsdienstes und verfügt als solche über ein eigenes zentrales S.-Forum in Berlin-Hohenschönhausen. Fast jedes elfte DTSB-Mitglied ist in der SV „Dynamo“ organisiert: Sie zählte am 27. 3. 1983 (30. Jahrestag) 272.000 Mitglieder, davon 108.000 Kinder und Jugendliche, und verfügte zu diesem Zeitpunkt über fast 23.000 Übungsleiter und fast 7.000 Kampf- und Schiedsrichter. Organisationsstruktur und Aufgabeninhalte entsprechen denen der ASV „Vorwärts“. Mitglieder der S.-Clubs (SC) der SV „Dynamo“ errangen in 3 Jahrzehnten bis März 1983 58 olympische Gold-, 61 Silber- und 65 Bronzemedaillen sowie 138 Welt- und 68 Europameistertitel. Der BFC „Dynamo“ Berlin wurde 1982 zum 4. Male in Folge DDR-Fußballmeister. Schon der Kinder- und Jugend-S. in der SV „Dynamo“ ist stark leistungsbezogen: Bei den zentralen Kinder- und Jugendspartakiaden in den Winter- und Sommersportarten erzielten „Dynamo“-Mitglieder bis März 1983 mehr als 4.500 Medaillen, davon über 1500 goldene. Besondere Erfolge verzeichnete die SV „Dynamo“ im Frauen-Leistungs-S. Zu den prominentesten „Dynamo“-Sportlerinnen gehören Christa Stubnick, Gisela Birkemeyer, Karin Büttner-Janz, Christine Errath, Monika Zehrt, Christina Brehmer, Barbara Krause, Ilona Slupianek und Maxi Gnauck.
In welchem Maße sich die allgemeine politische und gesellschaftspolitische Einbindung des DTSB in das Herrschaftssystem in staatlichen Finanzzuschüssen niederschlägt, kann nicht mit konkreten Zahlen belegt werden. Weder der Staatshaushalt noch das Statistische Jahrbuch oder die Präsidiumsberichte bei den DTSB-Bundestagen geben Aufschluß über die Gesamthöhe der dem DTSB zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. An Direktzuwendungen aus dem Staatshaushalt erhielt der DDR-S. 1983 unter dem Titel „Ausgaben für die Unterhaltung von Sportstätten wie Stadien, Schwimmhallen, Sporthallen und andere Sportanlagen“ 416,6 Mill. Mark. Dazu kommen jedoch noch Zuwendungen aus den Fonds der örtlichen Volksvertretungen, Zuschüsse aus den Kultur- und Sozialfonds der Volkseigenen Betriebe, Zuwendungen der Trägerbetriebe, die für massensportliche Aktionen zur Verfügung gestellten Gelder des FDGB und der FDJ, Mittel aus den Etats der NVA und des Ministeriums für Staatssicherheit, die dem S. anzurechnenden Personalkosten der Verbindungsstellen in den verschiedenen Ministerien und Regionalbehörden, Prämien bei Ordens- und Titelverleihungen sowie die Überschüsse des VEB S.-Totos. Im Vergleich zu diesen öffentlichen Aufwendungen verfügt der DTSB bei niedrigen Mitgliedsbeiträgen (1,30 Mark für Erwachsene, 0,80 Mark für Lehrlinge, Studenten, Rentner und Hausfrauen, 0,20 Mark für Kinder und Jugendliche monatlich) nur über geringe Eigeneinnahmen, die jedoch durch ständige Spendenaktionen vergrößert werden (1983 Spendendurchschnitt je DTSB-Mitglied 7,39 Mark, demnach ca. 25 Mill. Mark). Zudem werden die Mitglieder aller Grundorganisationen häufig zu freiwilligen Arbeitsleistungen („Subbotniks“) aufgefordert. 1983 wurden im Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden — Mach mit!“, besonders bei der Pflege, Werterhaltung und Verschönerung der S.-Anlagen sowie der im Plan vorgesehenen Erweiterungen und Schaffung neuer Einrichtungen von DTSB-Mitgliedern über 14 Mill. Arbeitsstunden geleistet. Den dabei geschaffenen Wert bezifferte der Bericht zum VII. Turn- und Sporttag des DTSB der DDR (Mai 1984) mit 77.476.618,15 Mark.
III. Wissenschaftlichkeit
Das Erfolgsrezept des S. in der DDR basiert auf der Langfristigkeit seiner Planungen. Das in der DDR praktizierte System der Körperkultur und speziell seiner verschiedenen Formen der Leistungsschulung berücksichtigt Perspektivräume von 10 bis 15 Jahren. Perspektivpläne wie kurz- oder mittelfristige [S. 1254]Maßnahmen werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse formuliert, die insbesondere Methodik und Didaktik, sportmedizinische Forschung und technische Weiterentwicklungen ausloten und zusammenfassen. Die gesamte wissenschaftliche Behandlung des S. geschieht unter dem „Gesetz der Einheit von Theorie und Praxis“.
Als „Zentrales Beratungs- und Koordinierungsorgan für alle staatlichen und gesellschaftlichen Organe der Körperkultur“ wurde am 28. 4. 1961 der Wissenschaftliche Rat des Staatssekretariats für Körperkultur und S. konstituiert, der seit März 1952 bereits als Organ des Deutschen S.-Ausschusses bestanden hatte. Der Wissenschaftliche Rat umfaßt die Sektionen 1. Leistungs-S., 2. Kinder- und Jugend-S., 3. Volks-S., 4. Theorie, Geschichte und Organisation der Körperkultur, 5. Kader-Aus- und -Weiterbildung, 6. S.-Medizin und 7. die Forschungskommission. Seinem Statut gemäß ist der Wissenschaftliche Rat für den Aufbau der sozialistischen Körperkultur verantwortlich. Er hat die Jahres- und Perspektivpläne der Forschung und Kaderausbildung zu erarbeiten, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit der Institute zu kontrollieren, Lehr- und Fachbücher zu begutachten, die schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere für die Praxis des Leistungssports, zu fördern und die Zusammenarbeit der zuständigen sportlichen Stellen und Gremien, wie z. B. der Gesellschaft für S.-Medizin der DDR, mit sämtlichen Zweigen der Wissenschaft zu koordinieren.
Die Deutsche Hochschule für Körperkultur entwickelte sich nach diesem Motto in wenigen Jahren zur zentralen Lehr- und Forschungsstätte der DDR. An ihr werden nicht nur, wie auch an anderen Universitäten und Hochschulen, S.-Lehrer, sondern vor allem hochqualifizierte S.-Wissenschaftler, Hochschullehrer und Spitzenfunktionäre ausgebildet. Auch an anderen Universitäten und Hochschulen der DDR bestehen eigene Sektionen „S.-Wissenschaft“, so an der Humboldt-Universität Berlin (Ost), der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität Rostock sowie den Pädagogischen Hochschulen Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Halle-Kröllwitz und Zwickau. Doch nirgends wird S.-Wissenschaft so intensiv und aufwendig betrieben wie an der DHfK in Leipzig.
Kernstück des der DHfK angegliederten Forschungsinstituts für Körperkultur und S. ist neben dem 1965 vervollständigten sportmedizinischen Zentrum das Institut für technische Weiterentwicklungen. In enger Zusammenarbeit mit Industrie-Instituten wird hier wissenschaftliche Forschung zur Verbesserung von S.-Geräten betrieben. So kooperierten das Forschungsinstitut der DHfK und das (inzwischen aufgegebene) Flugzeugwerk Dresden bereits 1960 bei Experimenten im Hypoxyd- und Polyesterharzverfahren zur Entwicklung von Kunststoff-Ruderbooten, die nur einen Bruchteil des Gewichts konventioneller Holz-Ruderboote und eine bessere Stromlinienform besaßen. Andere wissenschaftliche Programme dienen speziell dem Massen-S., so u.a. ein gemeinsames Forschungsunternehmen mit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut für „die weitere Gestaltung des Sports der Werktätigen“. Die finanziellen Aufwendungen im Wissenschaftsbereich des S. sind beträchtlich, obwohl in der S.-Wissenschaft der DDR kaum Grundlagenforschung betrieben wird. Vielmehr werden die hauptsächlich aus der Bundesrepublik Deutschland und den USA stammenden Ergebnisse der Grundlagenforschung durch Grundlagen-Nachforschung überprüft, durch eigene Forschung erweitert und in die praktische Anwendung umgesetzt. So lieferte z. B. das Forschungsinstitut für Körperkultur und S. in Leipzig die Kriterien der anthropometrischen Vermessung zur sportartspezifischen Talentfindung unter besonderer Berücksichtigung paramaskuliner Typen für die Dauerleistungs- und Kraftdisziplinen des Frauen-S., verfeinerte das Höchstleistungs-Timing, entwickelte Spezialmethoden wie die physiotherapeutische Prophylaxe zur Stabilisierung des Hochleistungszustandes und wies den Weg zur Maximierung der Muskelfaserdicke und zur Erhöhung der Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit durch Vermehrung des roten Blutfarbstoffs.
IV. Leistungssport
Die DDR zählt rd. 17 Mill. Einwohner; die für Wettkampf-S. geeignete junge Bevölkerung ist also viel kleiner als das Potential der USA, der UdSSR oder der meisten sporttraditionsreichen Länder. Die Talentsuche ist deshalb für den DTSB von elementarer Bedeutung. Das durchgängige System der leistungssportlichen Förderung beginnt mit der Suche nach Talenten im Vorschulalter, von der gelegentlich ganze Schulanfängerklassen erfaßt werden. Schulneulinge werden während der ersten Unterrichtsstunden in Turnen, S. und Spiel durch Trainer und Übungsleiter der S.-Clubs und Betriebssportgemeinschaften beobachtet. Die Grund- und Regionalorganisationen des DTSB veranstalten permanent Prüfungskämpfe in Gestalt von Erstlingsrennen oder Anfängerwettbewerben. Die durch die verschiedenen Sichtungen erkannten wettkampfwilligen und -fähigen Talente unterliegen sportmedizinischen Eignungstests. Sie dienen nicht allein der medizinischen Fürsorge, sondern vor allem dem Erkennen besonderer körperlicher Vorzüge für bestimmte Disziplinen (biomechanische Messungen). Diese Eignungstests werden über längere Zeiträume fortgesetzt; wo es zweckmäßig erscheint, erfolgt die „Umschulung“ auf eine andere S.-Art auch noch im [S. 1255]Alter bis zu 20 Jahren. In enger Zusammenarbeit zwischen Schule und dem DTSB gipfeln die nachwuchssportlichen Aktivitäten in der Spartakiadebewegung: Kein anderes S.-System dient in ähnlicher Weise gleichzeitig breiten sportlichen Entwicklungen und der Spitzenleistung wie die Kinder- und Jugendspartakiaden.
Die Systematisierung der Leistungssportförderung in der DDR begann 1954 (Durchbruch zur „Weltspitze“ 1966). Damals bildeten die S.-Vereinigungen — zur Konzentration ihrer besten Sportlerinnen und Sportler in Schwerpunkten — S.-Clubs (SC). Die SC verfügen jeweils für eine oder mehrere S.-Arten über Trainings- und Wettkampfzentren. Die meisten der unverheirateten SC-Angehörigen sind in Internaten untergebracht. Aus wirtschaftlichen Gründen befaßt sich nicht jeder SC mit allen S.-Arten; vielmehr erfolgte im Laufe der Zeit eine sinnvolle Verteilung der verschiedenen S.-Arten auf die S.-Clubs der verschiedenen S.-Vereinigungen. Die Zugehörigkeit zu einem SC erwirbt man nicht durch Beitritt, sondern durch „Delegation“: Aussichtsreiche Mitglieder von Betriebs- oder Hochschulsportgemeinschaften werden auf Anforderung der Zentralen Leitung zum SC der betreffenden S.-Vereinigung delegiert. Bei Nichterfüllung der Normen des individuellen Leistungsplans wird die Rückdelegierung zur Grundorganisation angeordnet. Die gesamtgesellschaftliche Situation in der DDR und zahlreiche den Spitzensportlern zugestandene Privilegien (z. B. Reisen, bevorzugte Belieferung mit hochwertigen Verbrauchsgütern, Befreiung von gesellschaftlichen Verpflichtungen) veranlassen neben dem sportlichen Ehrgeiz zu großen Kraftanstrengungen, um die geforderten Normen zu erreichen. Insgesamt gibt es knapp 30 SC mit zusammen etwa 12.000 Mitgliedern.
SC-Mitglieder besitzen bei den den S.-Clubs zugeordneten Trägerbetrieben Kader-Stellen (K-Stellen). Inhaber einer K 3 werden auf Anforderung der Trainer von Fall zu Fall von der Arbeit freigestellt. Sportler der Kategorie K 2 müssen vom Trägerbetrieb für wöchentlich 16 Stunden Training freigegeben werden. Spitzensportler der Klasse K 1 sind praktisch von jeder Berufsausübung befreit oder erhalten als Studenten Freisemester. Unabhängig vom Umfang ihrer Freistellung beziehen K-Stellen-Inhaber den vollen Arbeitslohn entsprechend ihrer beruflichen Einstufung, die wiederum mit der sportlichen Leistungssteigerung parallel läuft. Der DTSB erstattet den Trägerbetrieben den an K-Stellen-Inhaber gezahlten Arbeitslohn.
Seit Beginn der systematischen leistungssportlichen „Aufrüstung“ 1954 gelang dem S. in der DDR ein beispielloser Aufstieg. Bei den Olympischen Winter- und Sommerspielen von 1956 bis 1980 errangen DDR-Teilnehmer insgesamt 421 Medaillen, davon 148 Gold-, 138 Silber- und 135 Bronzemedaillen. In Mexiko Stadt 1968 und München 1972 belegte die DDR jeweils den dritten, in Montreal 1976 (hinter der UdSSR, vor den USA) und in Moskau 1980 (in Abwesenheit der USA) jeweils den zweiten Platz der inoffiziellen Länderwertung. 1983 errangen DDR-Sportlerinnen und -Sportler bei Weltmeisterschaften 37 Gold-, 27 Silber- und 22 Bronzemedaillen, bei Europameisterschaften 32 Gold-, 35 Silber- und 26 Bronzemedaillen. Bei den XIV. Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajewo rangierte die DDR mit je 9 Gold- und Silber- sowie 6 Bronzemedaillen vor der UdSSR und den USA auf dem ersten Platz der inoffiziellen Länderwertung. Dementsprechend schwer fiel es dem NOK der DDR, dem sowjetischen Boykott der Olympischen Spiele '84 Los Angeles zu folgen. Im Bob-S., Eiskunstlauf, Nordischen Skilauf, Rennschlitten-S., Schwimmen, Rudern, Schießen, Kunstturnen, in der Leichtathletik, im Kanurenn-S., Kanuslalom und Rad-S. zählt die DDR zur leistungssportlichen Weltspitze. Im Fußball dagegen konnte bisher zum Leidwesen der Staats- und S.-Führung trotz größter Anstrengungen nicht mehr als internationale Mittelmäßigkeit erreicht werden. DTSB- und SED-Führung sehen in dieser triumphalen Bilanz weder ein „Wunder“ noch allein das Ergebnis von Organisation, Methodik und Wissenschaft, sondern begründen den steilen Aufstieg auch ideologisch: Nur die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR, d.h. der Sozialismus, hätten die erfolgreiche Entwicklung des S. möglich gemacht. Angesichts dieser Interpretation erscheint die Stagnation in der populärsten S.-Art besonders störend: Wie 1978 konnte sich die DDR-Auswahl auch nicht für die XII. Fußballweltmeisterschaft (1982 in Spanien) und die VII. Fußball-Europameisterschaft (1984 in Frankreich) qualifizieren.
V. Auszeichnungen
Die Erfüllung der Leistungsnormen der verschiedenen S.-Arten bildet die Grundlage der ebenfalls 1954 eingeführten S.-Klassifizierung. Sie soll „zu höheren sportlichen Leistungen anspornen, zu besserer Planung und Arbeit im Leistungs-S. beitragen und die allseitige Entwicklung der Sportler fördern“. Die Klassifizierung umfaßt für die Jugend (14–17 Jahre), für Erwachsene (ab 18 Jahre) und für Kampfrichter jeweils die Leistungsklassen III, II und I, für Erwachsene außerdem noch eine Meisterklasse. Für Erfüllung der Meisternorm wird an Sportler, Trainer und Verbandsfunktionäre der Ehrentitel „Meister des Sports“, für darüber noch hinausragende Leistungen, und speziell internationale Erfolge, der Ehrentitel „Verdienter Meister des Sports“ verliehen. Voraussetzung, für die Verleihung, dieser Titel ist neben dem sportlichen Leistungsniveau die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben. Am 1. 1. 1982 trat eine Modifizierung der bis dahin fast 30 Jahre gültigen „Sportklassifizierung der [S. 1256]DDR“ in Kraft, um „den höheren Anforderungen, wie sie in der Entschließung des VI. Turn- und Sporttages des DTSB der DDR 1978 zur umfassenderen Verwirklichung des Massencharakters und des Niveaus von Körperkultur und Sport formuliert sind“ (Text der Verlautbarung des DTSB-Präsidiums), gerecht zu werden. Die Bedingungen (Wettkampfnorm und Vielseitigkeitsnorm) für die einzelnen Leistungsklassen besagen: Leistungsklasse III — Erfolge im Stadt- und Kreismaßstab, meßbare Normen, festgelegte Punktezahl, Sportabzeichen Bronze; Leistungsklasse II — Erfolge im Bezirksmaßstab, meßbare Normen, festgelegte Punktezahl, Sportabzeichen Silber; Leistungsklasse I — Erfolge im DDR-Maßstab, Siege im Bezirksmaßstab, meßbare Normen, festgelegte Punktezahl, Sportabzeichen Gold; Meisterklasse — Siege im DDR-Maßstab, meßbare Normen, festgelegte Punktezahl, Sportabzeichen Gold. Unter den vorher gültigen Bedingungen erhielten bis zum 31. 12. 1981 2.141 Männer und 1.011 Frauen die Auszeichnungen „Meister des Sports“, 1768 Männer und 443 Frauen die an internationale Erfolge geknüpfte Auszeichnung „Verdienter Meister des Sports“. 1982, im ersten Jahr der Gültigkeit der neuen S.-Klassifizierung, wurden der Titel „Meister des Sports“ an 111 Männer und 59 Frauen und der Titel „Verdienter Meister des Sports“ an 54 Männer und 12 Frauen verliehen. Auf im internationalen Wettkampf oder bei der Weiterentwicklung des S. und seiner Organisation besonders verdiente Aktive, Funktionäre, Wissenschaftler und Trainer wartet eine Fülle von Orden und Ehrenzeichen, so das „Ehrenzeichen für Körperkultur und Sport“, die „Verdienstmedaille der DDR“, die „Friedrich-Ludwig-Jahn-Medaille“, die „Artur-Becker-Medaille“, der Orden „Banner der Arbeit“, der „Vaterländische Verdienstorden“ in Bronze, Silber und Gold und mit Ehrenspange (erster Träger im DTSB: Manfred Ewald) sowie der Nationalpreis für Wissenschaft und Technik. Die Verleihungslisten tragen den Zusatz: „Die Auszeichnungen an die aktiven Sportler werden als Ehrungen ohne irgendwelche materiellen Vergünstigungen verliehen“; tatsächlich jedoch erfolgt die Zahlung der mit einer Ordensverleihung verbundenen Prämie oder lebenslangen Rente auf ein Sperrkonto, das dem betreffenden Sportler nach Beendigung der aktiven Laufbahn zur freien Verfügung steht. Noch während der Wettkampfkarriere erzielte Rekordverbesserungen und besondere internationale Erfolge werden mit Bargeldprämien honoriert.
Nach den Olympischen Spielen 1976 in Montreal verteilten Staats- und Ministerrat der DDR mindestens 1,5 Mill. Mark Olympia-Prämien als Beigabe zu hohen staatlichen Auszeichnungen. Verliehen wurden 2mal der Karl-Marx-Orden, die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold und der Titel „Held der Arbeit“, 5mal der Nationalpreis der DDR, 162mal der Vaterländische Verdienstorden und 133mal der Orden „Banner der Arbeit“. Unter den 326 namentlich genannten Auszeichnungs-Empfängern waren 137 Sportlerinnen und Sportler, 53 Funktionäre des Partei- und Staatsapparates sowie der Sportadministration, 61 Trainer und 75 Wissenschaftler, S.-Mediziner und Techniker. Noch reichlicher floß der Ordensstrom nach den Olympischen Spielen 1980 in Moskau: 2mal der Orden „Großer Stern der Völkerfreundschaft“, 4mal der Orden „Stern der Völkerfreundschaft“ in Gold, einmal der Titel „Held der Arbeit“, 2mal die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold, 243mal der Vaterländische Verdienstorden (33 Gold, 102 Silber, 108 Bronze) und 137mal der Orden „Banner der Arbeit“. Von den 387 namentlich genannten Auszeichnungsempfängern waren 204 Funktionäre, Trainer, Wissenschaftler, Mediziner, Techniker oder Publizisten.
VI. Massensport
Je erfolgreicher der DTSB in zahlreichen S.-Arten bei Olympischen Spielen und internationalen Meisterschaften operierte, um so nachhaltiger propagierte er in seinem inneren Organisationsbereich den Breiten-S. für jedermann. Mit der Förderung des Massen-S. verfolgt der DTSB verschiedene, fast gleichwertige Ziele: Neben dem gesundheitspolitischen Aspekt das Angebot sinnvoller Freizeitgestaltung im Rahmen der Fünftagewoche, vor allem aber die Nutzung des Wechselspiels zwischen Breite und Spitze und das Ausräumen des lange Zeit erhobenen Vorwurfs, der DTSB würde einseitig den Leistungs-S. bevorteilen.
Zu der seit 1959 jährlich im Juni veranstalteten „Woche der Jugend und Sportler“ zur „Mobilisierung einer bewußten schöpferischen Mitarbeit im Kampf für den Sieg des Sozialismus und die Sicherung des Friedens“ kam eine Fülle massensportlicher Veranstaltungen, vornehmlich im Zusammenwirken des DTSB mit FDGB und FDJ. „Körperkultur, Sport und Touristik auf neue, sozialistische Art zur Sache aller Werktätigen zu machen und somit das neue Ziel ‚Jedermann an jedem Ort — jede Woche mehrmals Sport‘ verwirklichen zu helfen, das gehört zu den gewerkschaftlichen Aufgaben“ (Herbert Warnke, Mitglied des Politbüros des ZK der SED und Vorsitzender des Bundesvorstandes des FDGB, verstorben im März 1975).
Auch die Aktivitäten im Breiten-S. besitzen größtenteils Wettbewerbscharakter. Zu den mit besonderem Nachdruck propagierten Aktionen zählen die „Mach mit — bleib fit!“-Wettkämpfe; der „Cross der Jugend“; die „Lauf dich gesund“-Veranstaltungen; „Eile mit Meile“ und daran gekoppelte „Meilenläufe“ über eine anlaßbezogene Distanz (Beispiel: Turnfestmeile 1977 über 1977 Meter); die Urlauber-[S. 1257]Olympiade „Mein Urlaub — kein Urlaub vom Sport“; das Fußballturnier der FDJ-Grundeinheiten; die Kraftsportwettbewerbe „Stärkster Lehrling der DDR“ und „Stärkster Mann der Nationalen Volksarmee“; der Schießwettbewerb um die „Goldene Fahrkarte“; der Familien-Fernwettkampf „Für Dich“; das „TTT — Tischtennis-Turnier der Tausende“ und vor allem das „Gemeinsame Sportprogramm des DTSB der DDR, des FDGB und der FDJ“. Höchste Beteiligungen erreichten dabei 1983 die FDGB-Betriebssportfeste mit 3,186 Mill., die Sportfeste in Wohngebieten und Gemeinden mit 1,558 Mill. und die touristischen und sportlichen Urlaubsprogramme des Feriendienstes der Gewerkschaften und Betriebe mit 4,9 Mill. Teilnehmern.
Hauptsächlich der Verbreiterung der volkssportlichen Basis diente die Einführung leichterer Prüfungsbedingungen für das S.-Abzeichen „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung der Heimat“ zum 1. 1. 1977. Dank der Anfängerkategorie „Start mit Bronze“ steigerte sich die Zahl der im Jahr 1977 bestandenen Sportabzeichenprüfungen auf 2.595.806 (Vergleich: 1972: 313.819). 1983 erfüllten 4.032.461 DDR-Bürger (2.051.124 Erwachsene, 1.257.926 Jugendliche und 1.217.318 Kinder die Sportabzeichenbedingungen. Vergleich: Bundesrepublik Deutschland einschl. Berlin (West) 1983 insgesamt 677.001 erfolgreiche Sportabzeichenprüfungen.
„Für hervorragende Leistungen bei der Erfüllung des Sportplans des DTSB“ speziell auf dem Gebiet des Massen-S. wird jährlich an die beste Bezirksorganisation das „Werner-Seelenbinder-Banner“ verliehen. Außerdem erfolgen Würdigungen durch die Verleihung der „Ehrenurkunde des Präsidiums des DTSB“ an besonders erfolgreiche Bezirksorganisationen und des Titels „Vorbildliche Sportgemeinschaft des DTSB“ an die besten Grundorganisationen.
Gleichermaßen der Demonstration der Leistungskraft und der Breitenarbeit des DTSB dienen die Turn- und S.-Feste in Leipzig, der Stadt des I. Deutschen Arbeiter-Turn-und-S.-Festes (1922). Das I. „Deutsche Turn- und S.-Fest“ der DDR fand 1954 statt. Das bisher letzte „Turn- und S.-Fest der DDR“, so der Name seit 1969, wurde gemeinsam mit der IX. Kinder- und Jugendspartakiade vom 25. bis 31. 7. 1983 veranstaltet. Bei einer Gesamtteilnehmerzahl von 72.000 Aktiven bildeten der Festzug (60.000 Teilnehmer), die „Sportschau des DTSB der DDR“ (32.000 Teilnehmer) und die Abschlußveranstaltung (35.000 Teilnehmer) die Programmhöhepunkte. Am Massenlauf der Sportfestmeile beteiligten sich 30.000 Sportlerinnen und Sportler. Offizielle Beobachter waren 341 ausländische Gäste aus 58 Ländern. Von der Entzündung des Festfeuers am Völkerschlachtdenkmal über den „Eid der Teilnehmer“ bis zu den „lebenden Bildern der Osttribüne“ des Leipziger Stadions mit Parteiparolen tragen die Turn- und S.-Feste der DDR alle Merkmale einer hervorragend inszenierten Propagandaschau.
VII. Kinder-, Jugend-, Schul- und Studentensport
Seit Beginn des Schuljahres 1953/54 gilt der S.-Unterricht an allen Schultypen der DDR als Hauptfach und ist den wissenschaftlichen Fächern gleichgestellt. (Körpererziehung/Kinder- und Jugendsport)
Die Synchronisierung der schulischen Körpererziehung mit den außerschulischen S.-Aktivitäten obliegt der staatlichen Förderung und Lenkung. 1956 wurden die Stellen der Kreisturnräte geschaffen. Ihre Aufgabe ist es, Schulsportunterricht und außerunterrichtlichen S. zu verbessern. Sie überprüfen die Zyklenpläne, Stunden- und wöchentlichen Stundenverteilungspläne und kontrollieren die ordnungsgemäße Durchführung des Unterrichts. Im Pädagogischen Kreiskabinett, einem Gremium der Abteilung Volksbildung beim Rat des jeweiligen Kreises, verantworten die Kreisturnräte in Zusammenarbeit mit den sportlichen Fachkommissionen die pädagogisch-methodische Arbeit der Turn- und S.-Lehrer. Jeder Schulsportlehrer muß mindestens alle 2 Jahre an einem Weiterbildungslehrgang teilnehmen, der Vorlesungen und Seminare zu fachlichen Themen, S.-Praxis und Kurse in Marxismus-Leninismus umfaßt.
Höhepunkte des Zusammenwirkens von DTSB und Schule sind die erstmals 1965 in der gesamten DDR veranstalteten Kinder- und Jugendspartakiaden. Im Stadium der Vorwettkämpfe hauptsächlich auf breitensportlichen Effekt ausgerichtet, sind die Endkämpfe der Kinder- und Jugendspartakiaden wichtiger Bestandteil des Leistungssportsystems (1981: 84 DDR-Rekorde in den verschiedenen Altersklassen). Die Spartakiade-Bewegung stellt ein Muster für die sportliche Aktivierung der Jugend dar. Nahezu alle später im internationalen Maßstab erfolgreichen DDR-Sportler standen vorher in den Siegerlisten der Kinder- und Jugendspartakiaden (Spartakiaden).
Spezielle Ausbildungsstätten für die nachwachsende Sportelite sind die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS). Die ersten 4 KJS nahmen nach dem Erlaß des Ministeriums für Volksbildung vom 29. 8. 1952 in Berlin (Ost), Leipzig, Brandenburg und Halberstadt den Unterricht auf. Derzeit gibt es 21 Kinder- und Jugendsportschulen, gegliedert als Erweiterte Oberschulen. Es werden nur Schüler aufgenommen, die im Turnen die Note 1, mindestens 2 haben und deren Durchschnitt in den wissenschaftlichen Fächern die Note 2,5 nicht unterschreitet. Sie müssen Mitglieder der Thälmann-Pioniere oder der FDJ sein. Die Schüler der KJS sind in Internaten untergebracht. Die S.-Kleidung, vom Trainingsanzug bis zu Skischuhen, und sämtliche S.-Geräte werden von der Schule kostenlos zur Verfügung gestellt. Jeder Schü[S. 1258]ler ist zur Führung eines Leistungsbuches verpflichtet. In der Unterstufe werden 5, in der Oberstufe 7 Stunden S.-Unterricht wöchentlich gegeben, zuzüglich eines obligatorischen Spiel- und S.-Nachmittags und eines wöchentlich zwei- bis dreimaligen Trainings beim Patenschafts-S.-Club in der gewählten Spezialdisziplin. Ein Teil des S.-Unterrichts dient konkret der Erhöhung der Wehrkraft: Zum Leichtathletiktraining gehören Selbstverteidigung, Hindernislauf, Kampfübungen, Marschübungen und Kleinkaliberschießen. Die Tätigkeit in der Pionierorganisation oder der FDJ hinzugerechnet, ist jeder KJS-Schüler wöchentlich mit 60 Ausbildungsstunden belastet; hinzu kommt die Teilnahme an zentralen S.-Festen und Meisterschaften. Die an einer Kinder- und Jugendsportschule erfolgreich bestandene Reifeprüfung bildet die beste Basis für eine Karriere in der S.-Organisation, dem Staatsapparat, der NVA oder der Volkspolizei.
Wie an allen Schultypen nimmt der S. auch an den Universitäten und Hochschulen einen obligatorischen Platz im Lehrprogramm ein: „In Verbindung mit dem Sportunterricht der Studenten sind im Trainings- und Wettkampfbetrieb der Hochschulsportgemeinschaften (HSG) die Prinzipien des modernen Trainings und Wettkampfes durchzusetzen, damit ein maximaler Nutzen zur Formung allseitig gebildeter sozialistischer Persönlichkeiten erreicht wird“ (Entschließung des IV. Turn- und S.-Tages des DTSB, Mai 1970). Die Universitäten und Hochschulen verpflichten die Immatrikulierten im Rahmen der obligatorischen „Studentischen Körpererziehung“ zu sportlicher Aktivität. 4 Semester lang werden wöchentlich 2 Stunden Turn- und S.-Unterricht erteilt. Am Ende des 2. Studienjahres finden Leistungsprüfungen im leichtathletischen Vierkampf, Geräteturnen, Gymnastik, Schwimmen und Spielen statt. Wer die Leistungsprüfung nicht besteht, muß auch im 3. Studienjahr am S.-Unterricht teilnehmen. Zum Staatsexamen wird nur zugelassen, wer den Nachweis erbringt, 4 Semester erfolgreich oder 6 Semester regelmäßig an der „Studentischen Körpererziehung“ teilgenommen zu haben. Trotz aller Bestimmungen, Beschlüsse und Appelle gehörte der Studenten-S. lange Zeit zu den Schwachstellen des DDR-S. Ende 1975 waren lediglich 27,3 v.H. der damals rund 180.000 ein Direktstudium Absolvierenden in der DDR über die Mitgliedschaft in einer Hoch- oder Fachschulsportgemeinschaft im DTSB organisiert. Wie anläßlich der „Zentralen Konferenz des DTSB zur weiteren Entwicklung des Studentensports“ am 28./29. 1. 1977 in Cottbus bekannt wurde, waren vor allem die großen Universitäten für den freiwilligen S.-Betrieb noch weitgehend unerschlossenes Gebiet: Von den damals 12.000 Studenten der Humboldt-Universität Berlin (Ost), den 9.500 Studenten der Karl-Marx-Universität Leipzig und den 7.500 Studenten der Martin-Luther-Universität Halle waren jeweils nur 12 v.H. oder weniger DTSB-Mitglieder. Nach enormen Anstrengungen zur quantitativen und qualitativen Verbesserung des Studenten-S. bestanden 1983 244 Hoch- und Fachschulsportgemeinschaften mit 105.396 Mitgliedern. Damit waren 43,2 v.H. der 212.671 Direktstudenten der DDR im DTSB organisiert. In 20 Sportarten finden regelmäßig DDR-Studentenmeisterschaften bzw. Pokalwettkämpfe statt.
VIII. Internationale Anerkennung und Beziehungen
Obwohl von der UdSSR und den anderen sozialistischen Verbündeten nachhaltig unterstützt, mußte der S. der DDR lange auf seine internationale Anerkennung und seine Zulassung zu internationalen Wettkämpfen warten. Weil beispielsweise die Welt-Fußball-Föderation FIFA die Anerkennung versagte, trat die Fußballnationalmannschaft Ungarns am 9. 10. 1949 im Ost-Berliner Stadion Mitte als „Ungarische Gewerkschaftsauswahl“ zu einem Vergleichsspiel gegen die „Auswahl Sachsen“ an. Der ungarische 2:1-Sieg wird heute als das erste Fußball-Länderspiel-Ergebnis der DDR registriert. Die ersten Fachverbände der DDR (Sektionen) wurden zwar bereits 1950 und Anfang 1951 in die internationalen Föderationen aufgenommen (Schachverband 12. 7. 1950, Tischtennis-Verband 8. 3. 1951, Skiläufer-Verband 10. 4. 1951); die Hauptlast des Ringens um internationale Anerkennung trug jedoch das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR (s.o.).
Am 8. 5. 1951 wurde ein Anerkennungsersuchen des NOK der DDR von der in Wien tagenden 45. IOC-Session abgelehnt. In der Begründung hieß es, daß nach den IOC-Statuten in einem Land nur ein Nationales Olympisches Komitee anerkannt werden kann. Weil das IOC am 7. 5. 1951 bereits das am 24. 9. 1949 gegründete Nationale Olympische Komitee für Deutschland anerkannt hatte, empfahl das IOC den beiden deutschen Komitees, sich miteinander über die Bildung eines gesamtdeutschen Komitees zu einigen, bevor das IOC die zwei deutschen Vertretungen am 21. und 22. 5. 1951 in Lausanne noch einmal hören wollte. Am Ende dieser Konferenz unterschrieben die beiden NOK-Präsidenten Karl Ritter von Halt und Kurt Edel einen Kontrakt, der die Bildung einer gesamtdeutschen Olympiamannschaft vorsah, „bestehend aus den besten deutschen Amateursportlern ohne Berücksichtigung ihres Wohnsitzes“. Auf persönlichen Einspruch Ulbrichts hin erklärte die außerordentliche Mitgliederversammlung, des NOK der DDR am 2. 9. 1951 die Lausanner Abmachung für ungültig und forderte vom IOC ultimativ die Anerkennung des Nationalen Olympischen Komitees der DDR als unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme von DDR-Sport[S. 1259]lern an den Olympischen Spielen 1952. Nachdem ein weiterer Vermittlungsversuch des finnischen IOC-Mitglieds Baron Erik von Frenckell im Februar 1952 wegen Nichterscheinens der Delegation der DDR fehlschlug, nahm an den Olympischen Spielen 1952 nur die Mannschaft des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland teil.
Die provisorische Anerkennung des NOK der DDR erfolgte erst bei der 50. IOC-Session vom 13. bis 18. 6. 1955 in Paris. Der dort gefaßte Beschluß besagte: „Es wird mit 27 zu 7 Stimmen entschieden, daß das Olympische Komitee der Demokratischen Republik von Deutschland (Ost) vorläufig und mit der Maßgabe anerkannt wird, daß diese Anerkennung automatisch erlischt, wenn es sich als unmöglich herausstellen sollte, eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft zu bilden und diese nach Melbourne zu entsenden. Es versteht sich von selbst, daß das IOC nach der Wiedervereinigung nur ein Deutsches Olympisches Komitee für das ganze Land anerkennen wird.“
Parallel zur Teilnahme gesamtdeutscher Mannschaften an den Olympischen Spielen 1956, 1960 und 1964 fanden alle Fachverbände der DDR Aufnahme in die entsprechenden internationalen Verbände, zuletzt am 9. 12. 1965 der Deutsche Pferdesport-Verband. Die selbständige Mitgliedschaft der DDR-Verbände in den internationalen Föderationen und die von der DDR-S.-Führung ständig verstärkten Schwierigkeiten bei der Bildung gesamtdeutscher Olympiamannschaften veranlaßten das IOC am 8. 10. 1965 anläßlich der 63. Session in Madrid zur Modifizierung seiner Entscheidung von 1955, was zur Anerkennung des „ostdeutschen olympischen Komitees mit allen Rechten für das geographische Gebiet von Ostdeutschland“ führte. Bei den Olympischen Winterspielen 1968 und den Olympischen Spielen von Mexiko sollte es dieser Entscheidung zufolge zwei getrennte Mannschaften unter einer Fahne und Hymne geben. Letztmals bei den Olympischen Spielen in Mexiko Stadt trugen alle deutschen Olympiateilnehmer das gleiche Emblem — fünf weiße Ringe auf schwarz-rot-goldenem Untergrund — und erklang für die deutschen Olympiasieger Beethovens Hymne an die Freude. Unter Beibehaltung seiner übrigen Beschlüsse von 1965 entschied das IOC am 12. 10. 1968 bei der 67. Session in Mexiko Stadt, daß von den Olympischen Spielen 1972 an das NOK der DDR eigene Flagge, eigenes Emblem und eigene Hymne zu verwenden berechtigt sei.
Dank seiner leistungssportlichen Weltgeltung verfügt der DDR-S. inzwischen über erhebliches internationales Ansehen. Funktionäre der DDR sind in den meisten internationalen Verbänden Mitglieder von Führungsgremien oder technischen Kommissionen. 1983 übten 114 Vertreter der DDR Funktionen in internationalen Führungsgremien des S. aus, davon 41 als Mitglieder in Präsidien, Vorständen, Exekutivkomitees oder Sekretariaten. Nach der II. Europäischen Sportkonferenz 1975 in Dresden wird 1985 erstmals eine Session (Vollversammlung) des IOC im Zuständigkeitsbereich des DTSB, und zwar in Berlin (Ost), stattfinden.
Der DTSB unterhält zu S.-Organisationen von rd. 100 Ländern Beziehungen. Zwischen dem VI. und VII. Turn- und Sporttag des DTSB der DDR (1978 bis 1983) waren 28.000 Mannschaften und Delegationen mit insgesamt 425.000 Sportlerinnen und Sportlern am internationalen Sportverkehr der DDR beteiligt. In diesem Zeitraum kamen 800 Sportler aus 18 Ländern zu Trainingsaufenthalten in die DDR. In der Praxis sind die internationalen S.-Kontakte des DTSB zum weitaus größten Teil auf die sozialistischen Länder und Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas beschränkt. Dagegen ist trotz vertraglicher Vereinbarungen beispielsweise mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Österreich und Schweden der Wettkampfverkehr mit westlichen Ländern sehr gering.
IX. Innerdeutsche Sportbeziehungen
Die Beziehungen zwischen den beiden deutschen S.-Organisationen, DSA bzw. DTSB und DSB, waren von Beginn an mit erheblichen politischen Spannungen belastet. In seiner Entschließung vom 17. 3. 1951 erteilte das ZK der SED dem DSA den Auftrag zu „politischer Westarbeit“ im Rahmen des gesamtdeutschen Sportverkehrs. Zur Abwehr dieser Agitation und Propaganda beschlossen der DSB und das NOK für Deutschland auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 27. 5. 1951 in Stuttgart für Ost-West-Veranstaltungen einheitliche Richtlinien, die vor allem bei gesamtdeutschen S.-Veranstaltungen „jede Art von politischer Beeinflussung oder Anspielung“ verhindern sollten. Die S.-Führung der DDR begann jedoch am 25. 1. 1952 mit „Offenen Briefen“ an Vereine und Einzelmitglieder des DSB ganz offiziell die Politisierung der gesamtdeutschen S.-Beziehungen. Anlässe für Briefaktionen waren u.a. der „Generalkriegsvertrag“ (25. 1. 1952), die Bildung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (26. 5. 1954), die Pariser Verträge (5. 3. 1955), die Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland (22. 2. 1957), der Vorschlag zur Bildung einer Konföderation beider deutschen Staaten (1. 4. 1958), der Beschluß der DDR-Volkskammer zum Abschluß eines Friedensvertrages (17. 10. 1958), der sowjetische Friedensvertragsentwurf und der Plan für eine Freie Stadt Berlin (23. 1. 1959) und die Kampagne gegen die Bundeswehr (9. 12. 1960) (Deutschlandpolitik der SED). Wegen des „unerträglichen Mißbrauchs des gesamtdeutschen Sportverkehrs und der Sonderbehandlung der West-Berliner Sportler“ verfügte das DSB-Präsidium bei seiner Tagung am 21./22. 9. 1952 in Oberwesel den Abbruch des S.-Verkehrs, [S. 1260]widerrief diesen Beschluß aber wieder am 12. 12. 1952, nachdem Vertreter des DSA und des DSB in Berlin (West) die „Vermeidung jeden Mißbrauchs der olympischen Idee und des Sports zu politischen Zwecken“ vereinbart hatten und insbesondere auch jede Diskriminierung West-Berliner Sportler durch die DDR künftig ausgeschlossen sein sollte.
Trotz dieser Vereinbarungen setzte die S.-Führung der DDR den politischen Mißbrauch des gesamtdeutschen S.-Verkehrs fort. Verhandlungen zwischen den beiden deutschen S.-Organisationen am 25. 4. 1957 (Dortmund) und 8. 7. 1959 (Delecke/Möhnesee) endeten erfolglos. Die Anordnung des Sekretariats des DTSB vom 25. 4. 1960, daß „jetzt alle Mitglieder des DTSB an hervorragender Stelle auf ihrer Sportkleidung das Staatswappen unserer Republik“ zu tragen haben, beantwortete der DSB am 15. 10. 1960 mit der Drohung eines erneuten Abbruchs der Beziehungen. Daraufhin erklärte der DTSB am 22. 10. 1960: Im gesamtdeutschen S.-Verkehr werden nur Clubabzeichen getragen.
Nach einer weiteren ergebnislosen Aufforderung durch den DSB vom 10. 5. 1961 zur Entpolitisierung des gesamtdeutschen S.-Verkehrs beschlossen der Geschäftsführende Vorstand des DSB und das Präsidium des NOK für Deutschland in einer gemeinsamen Sitzung am 16. 8. 1961 in Düsseldorf aufgrund der seit 1959 anhaltenden Blockade des West-Berliner S. durch die S.-Organisationen der DDR, der Errichtung der Berliner Mauer und weiterer Abschnürungsmaßnahmen die Einstellung der S.-Beziehungen. Seitdem verweigerte auch das Allied Travel Board in Berlin (West) Sportlern aus der DDR grundsätzlich die Visaerteilung für die Mitgliedstaaten der NATO. Daher war die DDR bei vielen internationalen Wettkämpfen im westlichen Ausland nicht vertreten. Im April 1964 wurden diese Reisebeschränkungen weitgehend, 1965 völlig aufgehoben.
Die Revision des „Düsseldorfer Beschlusses“ geschah am 30. 10. 1965 in Köln durch den DSB-Hauptausschuß unter Hinweis auf die Madrider Entscheidung des IOC. (In einer Bevölkerungsumfrage des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft Bad Godesberg votierten 65 v.H. der Befragten für die Wiederaufnahme des S.-Verkehrs, 31 v.H. enthielten sich einer Meinungsäußerung und 4 v.H. stimmten gegen Ost-West-S.-Beziehungen.) DTSB-Vizepräsident Rudi Reichert teilte dem DSB am 7. 12. 1965 seine Einwilligung zur Wiederaufnahme des deutsch-deutschen S.-Verkehrs mit.
Diese Zusage wurde nicht eingelöst. Zwischen dem 19. 10. 1966 und dem 10. 2. 1970 richtete der DSB insgesamt 6 Verhandlungsangebote an den DTSB, ehe am 2. 10. 1970 in Halle (Saale) erstmals seit 1959 wieder ein Treffen zwischen Präsidiumsdelegationen der beiden deutschen S.-Bünde stattfand. Weder hier noch bei einer zweiten Begegnung am 20. 11. 1970 in München konnte jedoch eine Einigung erzielt werden, hauptsächlich wegen der Forderung des DTSB, der DSB solle seinen Zuständigkeitsbereich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränken — was die Separierung des Landessportbundes Berlin vom DSB bedeutet hätte. Die Haltung der DDR in dieser Frage belastete auch die nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen [S. 1261]der Bundesrepublik Deutschland und der DDR erneut aufgenommenen S.-Gespräche am 14. 3. 1973 in Dresden, 10. 5. 1973 in Frankfurt (Main) und 2. 7. 1973 in Magdeburg. Die dort (völlig erfolglos) unterbrochenen Verhandlungen wurden nach 8 Monaten aufgrund von Bemühungen der Bundesrepublik auf Regierungsebene fortgesetzt.
Am 20. 3. 1974 präsentierte DTSB-Präsident Manfred Ewald in Frankfurt (Main) einen Vertragsentwurf, in dem die volle Zugehörigkeit des Landessportbundes Berlin zum DSB anerkannt wurde. Im „Protokoll über die Regelung der Sportbeziehungen zwischen dem DTSB und dem DSB“ lautete der Punkt 2: „Beide Seiten werden ihre politischen Beziehungen entsprechend den Bestimmungen und Gepflogenheiten des Internationalen Olympischen Komitees und der Internationalen Sportorganisationen und, was Berlin (West) betrifft, auch in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Viermächte-Abkommens vom 3. 9. 1971 regeln.“ Eine gemeinsame Technische Kommission aus DSB- und DTSB-Vertretern erörterte in 3 Sitzungen Einzelheiten eines geplanten, jährlich aufzustellenden Wettkampfkalenders.
Die formale Beendigung des jahrzehntelangen Spannungszustandes in den deutsch-deutschen S.-Beziehungen erfolgte am 8. 5. 1974. Im Ost-Berliner „Hotel Stadt Berlin“ unterzeichneten der damals amtierende Präsident Hans Gmelin für den DSB und Präsident Manfred Ewald für den DTSB das Protokoll über die S.-Beziehungen, den Jahressportplan 1974 (der jährlich erneuert wird) und ein die sportpolitischen Grundsätze erläuterndes Kommuniqué. Trotz der vertraglichen Vereinbarungen weist die Bilanz der S.-Beziehungen auf fortbestehende grundsätzliche Vorbehalte des DTSB gegen eine wirkliche Normalisierung des deutsch-deutschen S.-Verkehrs hin. Bei den jährlich wiederkehrenden Verhandlungen akzeptierte die DTSB-Führung jeweils nur einen Bruchteil der Wettkampfangebote des Deutschen S.-Bundes; gleichzeitig bestanden die DTSB-Verhandlungskommissionen stets auf die Einbeziehung multilateraler Wettkämpfe des internationalen Veranstaltungskalenders in die deutsch-deutsche Terminliste. DSB-Präsident Willi Weyer sprach vor Abschluß der Vereinbarungen für 1978 von einer „Bilanz des Mangels und des Mißvergnügens“. Noch pessimistischer klang Weyers Kommentar zum zehnjährigen Jubiläum des deutsch-deutschen Sportabkommens am 8. 5. 1984: „Unsere Möglichkeiten sind am Ende.“
Willi Knecht
Literaturangaben
- Kleine Enzyklopädie „Körperkultur und Sport“. Leipzig: Bibliograph. Institut 1979.
- Holzweißig, Gunter: Diplomatie im Trainingsanzug. München/Wien: R. Oldenbourg 1981. (Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., Bonn.)
- Knecht, Willi: Das Medaillenkollektiv. Berlin (West): Holzapfel 1978.
- Sport … (jeweils Jahreszahl). Ein Jahrbuch des DDR-Sports. Berlin (Ost): Sportverl.
- Ullrich, Klaus: Die Urenkel des Spartacus. Berlin (Ost): Sportverl. 1975.
- Voigt, Dieter: Soziologie in der DDR. Köln: Wissenschaft und Politik 1975.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1250–1261