
Standardisierung (1985)
Siehe auch:
St. bezeichnet alle Maßnahmen, die der Ausarbeitung und Einführung von Standards, ihrer Kontrolle und Überarbeitung dienen. St. werden entwickelt für:
a) die Beschaffenheit von Produktions- und Konsumgütern (Maße, Material- und Oberflächeneigenschaften);
b) die Verfahren zur Fertigung, Konstruktion, Prüfung, Lagerung und zum Transport von Gütern;
c) Begriffe, Formeln und Zeichen (Kommunikationsmittel).
Standards sind rechtsverbindliche Vorschriften zur Vereinheitlichung von Erzeugnis- und Verfahrensmerkmalen. Verbreitet ist hierfür auch die Bezeichnung Technische Normen. Prüfstandards ermöglichen die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Qualität von Erzeugnissen, indem sie verbindliche Prüfmethoden und die Prüfbedingungen festlegen.
I. Arten der Standards
Der Auflösung des einheitlichen deutschen Wirtschaftsgebietes in der Nachkriegszeit und der Umorientierung der Wirtschaftspolitik und des Außenhandels der DDR folgte auch die Umwandlung der [S. 1307]reichsdeutschen — und in der Bundesrepublik Deutschland weiterentwickelten — DIN-Normen in Standards der DDR (DIN [Deutsche Industrie-Norm]). Die 1964 vorerst abgeschlossene Zusammenstellung eines eigenen Normenwerkes folgte in mehrerlei Hinsicht der DIN-Systematik. Zugleich fanden in einigen Industriebranchen mit intensivem Handelsaustausch zwischen der DDR und der UdSSR auch Annäherungen an die technischen Normen der Sowjetunion (GOST, d.h. Staatlicher Unionsstandard) statt.
Entsprechend den verschiedenen Gegenständen der St. werden Beschaffenheitsstandards von Verfahrens- und Verständigungsstandards unterschieden. Entsprechend dem unterschiedlichen Geltungsbereich bestehen gegenwärtig folgende Standards:
a) DDR-Standards. Sie enthalten volkswirtschaftlich bedeutsame Festlegungen zur Entwicklungsrichtung wichtiger Erzeugnisse und Verfahren, über Sortimente und zu Fragen der technischen Sicherheit und des Gesundheitsschutzes.
b) Fachbereichstandards. Sie bestehen aus einer für den Fachbereich erforderlichen Auswahl von DDR-Standards sowie aus ergänzenden Bestimmungen für die jeweilige Erzeugnisgruppe und Fertigungsmethode. Beide Arten tragen das Symbol TGL (ursprünglich für „Technische Normen, Gütevorschriften, Lieferbedingungen“) und werden im Gesetzblatt vom Amt für St., Meßwesen und Warenprüfung bekanntgegeben.
c) Werkstandards. Sie stellen eine Auswahl wiederum aus DDR- und Fachbereichstandards dar, erweitert um werkspezifische Bestimmungen staatliche Standards. Sie werden vom jeweiligen Werkdirektor bekanntgegeben. Während DDR und Fachbereichstandards für die gesamte Wirtschaft verbindlich sind und damit z.B. automatisch zum Inhalt der Wirtschaftsverträge werden, gelten Werkstandards nur innerhalb des jeweiligen Betriebes.
d) Internationale Standards. Sie gelten für mehrere Länder. Die wichtigsten sind die RGW-Standards, die von der Ständigen Kommission für St. im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bestätigt werden. Sie werden als Empfehlung in der Ständigen Kommission für St. sowie in den Ständigen Fachkommissionen des RGW auf der Grundlage von Vorschlägen der RGW-Mitgliedsländer und als Teil des „Plans der RGW-Organe zur Ausarbeitung von RGW-Standards“ erarbeitet und von den Organen des Rates angenommen. Nach ihrer Bestätigung durch staatliche Organe der DDR sind RGW-Standards entweder als ins Deutsche übersetzte RGW-Standards oder als DDR-Standards im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht worden. Als RGW-Standards ersetzen sie entweder bisher bestehende DDR-Standards oder stellen eine völlig neuartige Form dar, für die es in der DDR noch keine Vorschriften gab. RGW-Standards erhalten stufenweise Geltung, insofern ihre verbindliche Einführung in die Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR mit RGW-Mitgliedsländern von der binnenwirtschaftlichen Einführung getrennt wird.
II. Aufgaben der Standardisierung
Aufgabe der St. ist es:
a) das Qualitätsniveau der Produktion zu sichern und zu erhöhen,
b) die Paßfähigkeit, Austauschbarkeit und Kopplungsfähigkeit von Einzelteilen, Baugruppen und Aggregaten zu gewährleisten,
c) zur Kostensenkung beizutragen,
d) den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz zu gewährleisten,
e) die Verwendung von „bevorzugten Zahlen“ zur leichteren Größenstufung zu sichern.
Wichtigste Aufgabe der St. ist es, zur gesamtwirtschaftlichen Arbeitsteilung beizutragen. Indem sie die inner- wie überbetriebliche Konzentration der Fertigung, die Spezialisierung der Betriebe und den Aufbau von Kooperationsverbänden und -ketten ermöglicht, stellt St. eine Hauptform der Rationalisierung dar. Indem sie ferner eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Baueinheitssystemen („Baukastenprinzip“) und „optimalen“ Sortimenten schafft, wirkt sie der — für entwickelte Industriestaaten typischen — Tendenz zur Sortimentsdifferenzierung und -ausweitung entgegen. Gerade diese Auf[S. 1308]gabe wird seit der Konferenz des Zentralkomitees (ZK) der SED und des Ministerrats zum Thema der „Sozialistischen Rationalisierung und St.“ im Juni 1966 immer wieder betont. Dies hängt damit zusammen, daß die kostengünstige Großserien- bzw. Massenproduktion in der Volkswirtschaft der DDR mit ihren relativ kleinen Beschaffungs- und Absatzmärkten nur durch eine gezielte Sortimentspolitik erreicht werden kann. Als ein Teilgebiet der St. gilt daher die Typung, durch die die Produktionsprogramme der Betriebe und Fertigungszweige auf die erforderliche Anzahl der Typen beschränkt wird. In einigen Fertigungszweigen der Regelungstechnik, der Geräteindustrie, des Werkzeugmaschinen- und des Schiffsbaus sowie der Nachrichten- und Meßtechnik konnten so Kostensenkungen durch St. und die Bildung von Baugruppen erzielt werden.
Ferner soll die St. zur allgemeinen Anwendung neuester technischer Kenntnisse führen, indem aus verschiedenen technisch-wirtschaftlichen Lösungsmöglichkeiten die fortgeschrittenste zur Norm erhoben werden soll. Dies setzt voraus, daß die St. der fortgeschrittensten Lösung schon im Stadium der Neu- und Weiterentwicklung von Erzeugnissen, Verfahren und Verständigungsmitteln durch die Forschung einsetzen muß. Dies setzt ferner voraus, daß die Standards in Abständen überprüft und dem neuesten Entwicklungsstand angepaßt werden. Zugleich werden Überprüfungen zur wirtschaftspolitischen Steuerung benutzt. Z.B. sind bis Ende 1977 alle Standards auf die Frage hin überprüft worden, wie der Einsatz von importierten Roh-, Werk- und Hilfsstoffen gesenkt werden kann. Dem folgte ein kontrollierender Vergleich des Material- und Energieaufwands anhand von — in der Regel internationalen — „Bestwerten“. Ziel ist es, durch möglichst weitgehende Anpassungen des Standards an Bestwerte den Fertigungsaufwand in den Wirtschaftsbereichen der DDR zu senken.
Seit 1971 hat die Bedeutung der St. auch für die internationale Arbeitsteilung zugenommen. Enthielt der Plan zur Ausarbeitung von RGW-Standards 1974 erst 240 Themen, so waren es 1980 2100 Themen. Wichtige Bereiche der internationalen RGW-St. sind die Nutzung der Atomenergie und das „Einheitliche System der Elektronischen Rechentechnik (ESER)“. Weitere Themen liegen auf den Gebieten der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen, der automatischen Mittelpufferkupplung, der einheitlichen Rastermaße im Bauwesen, der Einheitssysteme der Hydraulik und Pneumatik sowie der Konstruktions- und Maßvereinheitlichung. Bedeutsam für die Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ) sind die Standards des „Einheitlichen Systems der Konstruktionsdokumentation“ (ESKD) und des „Internationalen Einheitensystems“ (SI), mit denen Zeichnungen, Schaltpläne u.ä. sowie physikalische Größen vereinheitlicht werden und denen die DDR 1977 bzw. 1978 beitrat.
Mit der Sowjetunion wurde Anfang 1973 ein Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit zur Vereinheitlichung der staatlichen Standards geschlossen, dem 1974 ein Abkommen über die Vereinheitlichung der Methoden und Mittel des Meßwesens für Erzeugnisse des bilateralen Handelsaustauschs folgte. Nachdem der gegenseitige Austausch von Investitionsgütern und technischen Konsumgütern zwischen der DDR und der Sowjetunion zugenommen hat, wird nunmehr an einer größeren Übereinstimmung der Verfahren und der Kennwerte der Rohstoffe und Ersatzteile durch St. gearbeitet. Weitere Impulse lassen internationale Bemühungen um den Abbau von Handelsschranken erwarten. Zum Beispiel schlägt die KSZE-Schlußakte vom 1. 8. 1975 eine stärkere Internationalisierung der St. vor (Abschnitt „Bestimmungen, die Handel und industrielle Kooperation betreffen“).
III. Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung (ASMW)
Die Kompetenz zur Einführung von Standards ist je nach deren Geltungsbereich auf mittlere und Großbetriebe, Kombinate und die zentrale Verwaltungsebene verteilt. Generell zuständig für die Planung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der St. ist das dem Ministerrat unterstellte ASMW. Es ging am 1. 1. 1975 aus dem Zusammenschluß des Amtes für St. (gegründet 1954) mit dem Deutschen Amt für Meßwesen und Warenprüfung hervor. Seine wichtigsten Aufgaben auf dem Gebiet der St. sind:
a) die Entwicklung und Durchsetzung einheitlicher Richtlinien und Zielsetzungen der St. unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher und gesamtstaatlicher Interessen,
b) die Forderung der schnellen Ausbreitung des technischen Fortschritts,
c) die Bestätigung der DDR- und der Fachbereichstandards,
d) die Überprüfung der technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der St. und
e) die Zusammenarbeit mit der Staatlichen Plankommission, den Ministerien und Kombinaten, der Technischen Kontrollorganisation (TKO) in den Betrieben, ferner mit der Deutschen Gesellschaft für St. in der Kammer der Technik (KDT), dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen sowie mit den Institutionen für St. in den Ländern des RGW.
So arbeitet das ASMW vor allem mit der sowjetischen Parallelinstitution GOSTANDART zusammen. In der Ständigen Kommission des RGW für St. lag das Schwergewicht der internationalen Mitwirkung bisher bei der Zusammenstellung von langfristigen RGW-Plänen zur St. im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit.
[S. 1309]Der Organisationsbereich St. des ASMW entwickelt selbständig Standardentwürfe und überprüft alle zur Veröffentlichung vorgeschlagenen DDR- und Fachbereichstandards. Externe und interne Standardentwürfe werden in Prüfungsausschüssen beraten. Sie setzen sich aus Mitarbeitern des ASMW und Vertretern der Ministerien, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und der KDT zusammen. Gegenwärtig gibt es neben dem Hauptprüfungsausschuß, der Entwürfe von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung und Fragen der Normenvereinheitlichung mit der Sowjetunion behandelt, Prüfungsausschüsse für die Wirtschaftsbereiche und für Querschnittsgebiete. Den Fachabteilungen sind Prüfdienststellen in den Industriezentren zugeordnet. In den Volkseigenen Betrieben und Kombinaten sind die Büros für Standardisierung (BfS.) für die Durchführung der St. zuständig. Die BfS. arbeiten eng mit der Technischen Kontrollorganisation, den Büros für die Neuererbewegung sowie den Abt. Arbeitsstudium und -normung zusammen. Präsident des ASMW ist Prof. Dr. Helmut Lilie (SED).
Ralf Rytlewski
Literaturangaben
- Qualitätssicherung und Standardisierung. Handbuch. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1979.
- Sozialistische Rationalisierung und Standardisierung. Konferenz des ZK der SED und des Ministerrats der DDR v. 23.–24. 6. 1966. 3 Bde. Berlin (Ost): Dietz 1966.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1306–1309
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