DDR von A-Z, Band 1985

Straßenverkehrsrecht (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1969 1975 1979


 

Die wichtigsten rechtlichen Regelungen zur Ordnung, Sicherheit und Flüssigkeit im Straßenverkehr enthalten die VO über das Verhalten im Kraftverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung) — StVO — i. d. F. vom 26. 5. 1977, GBl. I, S. 257) sowie die VO über die Zulassung zum Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung — StVZO — i. d. F. vom 26. 11. 1981, GBl. I, 1982, S. 6) mit den jeweiligen DB.

 

1. StVO. Die StVO legt die Grundregeln für das Verhalten der Teilnehmer im Straßenverkehr fest: Verantwortungsbewußtsein, Disziplin, Aufmerksamkeit, Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Ferner sind in ihr die für jeden Verkehrsteilnehmer geltenden Verkehrsbestimmungen, die Verkehrsregelungsvorschriften, die Verkehrszeichen und -leiteinrichtungen (Anlage 2 zur StVO) sowie die Voraussetzungen für das Führen von Fahrzeugen und über das Verhalten der Fahrzeugführer und Fußgänger enthalten.

 

Die StVO in ihrer grundlegenden Form vom 26. 5. 1977 wurde durch 3 weitere VO ergänzt und abgeändert. Mit der letzten, 4. VO (vom 2. 4. 1982, GBl. I, S. 353), ist eine weitgehende Anpassung an international übliche Verkehrsvorschriften erreicht. Somit gelten in der DDR und Berlin (Ost) nunmehr im wesentlichen die gleichen Verkehrsregeln, -zeichen und -bestimmungen, wie in der Bundesrepublik Deutschland.

 

Wichtige Abweichungen bestehen u.a. nach wie vor in folgenden Punkten:

  1. Fahrzeugführer dürfen bei Antritt und während der Fahrt nicht unter Einwirkung (auch geringster Mengen) von Alkohol stehen (Bundesrepublik: 0,8 Promille).
  2. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt innerhalb geschlossener Ortschaften 50 km/h (wie in der Bundesrepublik), außerhalb von Ortschaften 80 km/h und auf Autobahnen 100 km/h. Für größere Fahrzeuge (über 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht) sowie Pkw mit Anhängern gelten wie in der Bundesrepublik z. T. andere Bestimmungen. Die Benutzung der Autobahnen ist nur mit Kraftfahrzeugen gestattet, deren zugelassene Höchstgeschwindigkeit über 50 km/h (Bundesrepublik: 60 km/h) beträgt.
  3. Kraftfahrzeuge dürfen die Autobahn nur bis zum nächsten Parkplatz oder zur nächsten Anschlußstelle benutzen, falls während der Fahrt ein Mangel am Fahrzeug oder dessen Ladung auftritt, der nur eine Geschwindigkeit unter 50 km/h ermöglicht. Dies gilt auch für Fahrzeuge, die wegen technischer Defekte abgeschleppt werden müssen. Im Transitverkehr ist für den weiteren Transport des Fahrzeuges vom Parkplatz oder der Autobahnausfahrt zum Grenzkontrollpunkt ein von der DDR anerkanntes, offizielles Abschleppunternehmen zu beauftragen. In Ausnahmefällen kann die Volkspolizei von diesen Auflagen Befreiung erteilen.
  4. Halten und Parken ist untersagt 10 m vor bis 10 m hinter Kreuzungen sowie Fußgängerüberwegen (Bundesrepublik: 5 m).
  5. An Bahnübergängen beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit ab letzter Bake 50 km/h.
  6. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beim Abschleppen beträgt 50 km/h, auf Autobahnen 70 km/h.
  7. In der DDR gibt es bei Ampeln zusätzlich die Schaltphase Grün-Gelb. Sie bedeutet, daß die Verkehrsrichtung noch freigegeben ist und der Wechsel auf Gelb bevorsteht.
  8. Linksabbieger sollen grundsätzlich voreinander (amerikanisch) abbiegen.
  9. Ein Wechseln auf die linke Fahrspur einer Autobahn, um einem einfahrenden Fahrzeug das Einfädeln zu ermöglichen, ist untersagt.
  10. Wenn nach Halten oder Parken geradeaus weitergefahren oder wenn auf Autobahnen eingefahren wird, ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers untersagt.
  11. Alle Kraftfahrzeuge müssen bei Annäherung von Fahrzeugen, die sich durch Sondersignale — wie Blaulicht, Martinshorn oder Sirene — bemerkbar machen, unverzüglich soweit wie möglich rechts heranfahren und anhalten.
  12. Beim Wechsel der Fahrspur ist das Hineinfahren in den Sicherheitsabstand zwischen zwei Fahrzeugen verboten, um das „Kolonnenspringen“ zu unterbinden.
  13. Das Nicht-Anlegen von Sicherheitsgurten auf den Vordersitzen wird mit Ordnungsstrafen geahndet.

 

Zwar nicht Bestandteil der StVO, jedoch für den Transitverkehr von und nach Berlin (West) von grundlegender Bedeutung: die Auf- oder Mitnahme von Personen auf den Transitstrecken ist verboten — ebenso Übergabe bzw. Austausch von Waren oder Geschenken jeder Art. Auch dürfen ohne besondere Umstände (Unfall, Krankheit) die vorgesehenen Transitwege nicht verlassen werden (Art. 16 des Transitabkommens).

 

2. StVZO. Diese VO regelt die Zulassung von Personen und Fahrzeugen für den öffentlichen Straßenverkehr sowie über den Bau und Betrieb von Fahrzeugen. In ihr sind die Anforderungen festgelegt, die den Bedingungen des modernen Straßenverkehrs entsprechen und zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit beitragen. So dürfen Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr nur gefahren werden, wenn sie von der Deutschen Volkspolizei zugelassen sind und der Fahrer im Besitz des für das Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Zulassungsscheines (Bundesrepublik: Kraftfahrzeugschein) und des Führerscheins ist. Die Voraussetzungen für den Erwerb eines Führerscheines ähneln denen in der Bundesrepublik.

 

Auch hinsichtlich der technischen Überprüfung der Fahrzeuge ist in der jetzt gültigen StVZO eine Annäherung an die in der Bundesrepublik geltenden Bestimmungen erreicht. Alle zulassungspflichtigen Fahrzeuge sind vom Fahrzeughalter periodisch technisch überprüfen zu lassen. Die Vorschrift allerdings, wie in der Bundesrepublik das Fahrzeug turnusmäßig alle 2 Jahre durch den TÜV überprüfen zu lassen, besteht nicht. Von der Volkspolizei werden die Zeiträume, innerhalb [S. 1346]derer die technischen Überprüfungen vorzunehmen sind, bekanntgegeben. Ein überprüftes Fahrzeug wird mit einer Bestätigungsmarke (früher: Prägemarke) versehen, die auf dem Nummerschild angebracht ist.

 

Die Ordnungsstrafbestimmungen (§ 47 StVO bzw. § 23 StVZO) sehen, je nach Schwere des Vergehens, Ordnungsstrafen von 10 Mark bis 1000 Mark vor. Zusätzlich können die Teilnahme am Verkehrsunterricht angeordnet, Eintragungen im Führerschein vorgenommen bzw. der Führerschein befristet oder unbefristet entzogen werden.

 

Bürger der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins haben die Ordnungsstrafen in DM zu zahlen. Wer in der DDR als Allein- oder Mitschuldiger an schweren Verkehrsunfällen betrachtet wird, muß mit Festnahme und Untersuchungshaft rechnen, es sei denn, die DDR-Behörden akzeptieren eine hohe Kautionssumme.

 

Der Fahrzeugbestand (Pkw, Lkw, Busse usw.) hat sich in den vergangenen Jahren in der DDR beträchtlich erhöht. Trotzdem gelang es, durch Verkehrsunterrichts- und Verkehrserziehungsmaßnahmen sowie rigorose Überwachung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften von StVO und StVZO die Zahl der Unfälle in den vergangenen 5 Jahren zu verringern, und zwar sowohl hinsichtlich der Zahl der beschädigten Fahrzeuge als auch der getöteten und verletzten Personen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1345–1346


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.