Verkehrswesen (1985)
Siehe auch:
[S. 1417]
I. Verkehr in der Gesamtwirtschaft
Das V. (im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Verkehrswesen [MfV]) faßt alle Zweige des öffentlichen Transports sowie der mit ihnen verbundenen industriellen Betriebe, Handelsbetriebe und Kombinate zusammen, die dem MfV leitungsmäßig unterstellt sind: Eisenbahnverkehr, Seeverkehr, Binnenschiffsverkehr, Wasserstraßen, Kraftverkehr, Kraftfahrzeuginstandhaltung, städtischer Nahverkehr, Straßenwesen, zivile Luftfahrt, Rohrleitungsverkehr, verkehrstypische Dienstleistungen u.a. (vgl. Statut des Ministeriums für V. — Beschluß des Ministerrats — vom 14. 8. 1975, GBl. I, S. 233). Das einheitliche sozialistische Transportsystem gilt (nach Marx) als „Vierte Sphäre der materiellen Produktion“, das zur Entstehung des Nationaleinkommens beiträgt (Gesamtprodukt, Gesellschaftliches). Der Individualverkehr und der Werkverkehr zählen im engeren Sinne nicht dazu. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Personen- bzw. Güterverkehr und ihres zunehmenden Einflusses auf die gesamte Verkehrsstruktur werden beide Bereiche jedoch üblicherweise dem V. zugerechnet. Im Wirtschaftsgefüge der DDR erweist sich der Transportsektor immer wieder mit erheblichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen als Schwachpunkt. Obwohl durch Eisenbahn und Post, städtischen Nahverkehr, Luftfahrt und Hafenwirtschaft die staatlichen Unternehmen schon immer vorherrschend waren, gab es vor dem Kriege daneben ausgeprägte Schwerpunkte mittelständischer Privatunternehmen, insbesondere im Straßenverkehr, der Binnenschiffahrt, bei den Speditionen und Lagereien sowie den Reisebüros. Auch diese Bereiche wurden weitgehend verstaatlicht, so daß die Verkehrsleistungen gegenwärtig fast ausschließlich (98 v.H.) von volkseigenen Unternehmen bzw. Betrieben mit staatlicher Beteiligung erbracht werden.
Trotz der durchgreifenden Steuerungsmöglichkeiten, die diese Vergesellschaftung beinhaltet, ist eine befriedigende Arbeitsteilung zwischen den Transportzweigen bisher nicht erreicht worden. Sie wird zudem erschwert durch — je nach aktueller wirtschaftlicher Opportunität — häufig wechselnde Verordnungen und Orientierungslinien, die das bisher Geltende abändern, aufheben oder gar ins Gegenteil verkehren. Wurden beispielsweise in den 60er und 70er Jahren devisenwirtschaftlich wichtige Verkehrsträger (z.B. Lkw) besonders gefördert, so heißt es heute, den Transportaufwand zu senken und vor allem Energie einzusparen. Daraus folgt eine stärkere Förderung des Eisenbahnverkehrs. Eine optimale Arbeitsteilung würde jedoch die Lösung des Wegekostenproblems (Ermittlung der Gesamtkosten, einschließlich der zurechenbaren Wegekosten, und Zurechnung auf Verkehrsarten und -mittel nach einheitlichen Kriterien) voraussetzen, die — wie in marktwirtschaftlichen Industriestaaten auch — aber bisher nicht erfolgt ist.
Das V. (ohne Post- und Fernmeldewesen) war 1983 mit etwa 3 v.H. am gesamten Nettoprodukt der Volkswirtschaft beteiligt. Dieser Anteil ist z.B. als Folge von Strukturveränderungen der Produktion sowie des Vordringens des Individual- und Werkverkehrs seit Jahren leicht rückläufig. Der Beitrag des Wirtschaftsbereichs Verkehr (einschl. Post- und Fernmeldewesen) wird wie in westlichen Ländern mit einem überdurchschnittlich hohen Einsatz an Produktionsfaktoren (Beschäftigte 7 v.H.; Grundmittel etwa 10 v.H.) erbracht.
II. Leitungsstruktur im Verkehrswesen
Das oberste Leitungsorgan ist das Ministerium für V. (MfV). Es ist im Auftrage des DDR-Ministerrates für die einheitliche Leitung und Planung des gesamten Transportwesens verantwortlich. In der Leitungspyramide folgen die Zwischenleitungsorgane (Direktionen), die Abteilungen Verkehr bei den Räten der Bezirke, Kreise und Städte sowie Kombinate, Betriebe und Dienststellen, die je nach Aufgabenbereich den vorgenannten Leitungsebenen unterstehen.
Zentral geleitet vom MfV werden vor allem die Transportzweige, deren Schwerpunkte im Fernverkehr oder im internationalen Verkehr liegen oder die eine besondere strategische Bedeutung haben: die Deutsche Reichsbahn (DR) als Träger des öffentlichen Eisenbahnverkehrs (unmittelbare Leitung durch den Minister für Verkehr); die Seeschiffahrt (HV Seeverkehr im MfV, der das VEB Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft — mit VEB Deutfracht/Seereederei als Stammbetrieb —, das Seefahrtsamt der DDR und die DDR-Schiffsrevision und -klassifikation [DSRK] unterstellt sind); die Binnenschiffahrt (HV Binnenschiffahrt u. Wasserstraßen im MfV, der u.a. das VEB Kombinat Binnenschiffahrt und Wasserstraßen, das Wasserstraßenaufsichtsamt, das Wasserstraßenhauptamt, Berlin, unterstellt sind); das Straßenwesen (HV Straßenwesen im MfV, der z.B. der staatliche Straßenunterhaltungsbetrieb Autobahnen unterstellt ist) und der Luftverkehr (HV zivile Luftfahrt im MfV, der z.B. die staatliche Luftfahrtinspektion und das Luftfahrtunternehmen INTERFLUG unterstellt sind). Die HV im MfV werden von je einem stellv. Minister aus dem Kreis der 9 Stellvertreter des Ministers geleitet.
[S. 1418]Dezentral geleitet werden Transportzweige mit überwiegend territorialer Bedeutung (wie Kraftverkehr und städtischer Nahverkehr). Deren Kombinate (z.B. VEB ➝Kombinat Kraftverkehr) und Betriebe sind den Räten der Bezirke, Kreise und Städte unterstellt, die allerdings — entsprechend dem Prinzip der „doppelten Unterstellung“ (Anleitung und Kontrolle) — ebenfalls der Anleitung, der Kontrolle und den Weisungen des MfV unterliegen.
Der Werkverkehr wird durch die zentralen und territorial verkehrsleitenden Organe sowie die bezirklichen Kraftverkehrskombinate mittels der Transportplanung, -bilanzierung und anderer Koordinierungsmaßnahmen in die Erfüllung der gesamtstaatlichen Transportaufgaben einbezogen.
Eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der Transportdurchführung sowie der Zusammenarbeit aller Leitungsorgane, Kombinate und Betriebe haben die Transportausschüsse, die aus den 1946/49 gebildeten Verkehrsausschüssen bei den Ländern hervorgingen (1954) und mit der Herausgabe der ersten Transport-VO (TVO — 1961) ihren heutigen strukturellen Aufbau erhielten. Sie sind beratende Organe der jeweiligen Leitungsorgane des Transportsektors und sind u.a. für die rationellste Organisation der Transportketten, für die Kooperation aller am Transportprozeß Beteiligten sowie für die Organisation des Berufsverkehrs verantwortlich. Sie bestehen auf 3 Ebenen: Zentraler Transportausschuß (ZTA) als beratendes Organ des Ministers für Verkehrswesen (er ist zugleich dessen Vorsitzender); Bezirkstransportausschüsse (BTA) als beratendes Organ der für Verkehr zuständigen Bezirksräte; Kreis- bzw. Stadttransportausschüsse (KTA bzw. STA) als Beratungsorgane für die zuständigen Räte der örtlichen Volksvertretungen (Örtliche Organe der Staatsmacht). Sie arbeiten nach Statuten, die für den ZTA in der Anlage zur GTVO vom 2. 2. 1982 (vgl. GBl. I, S. 22 f.) und für die BTA, KTA und STA im Tarif- und Verkehrsanzeiger veröffentlicht sind. Mitglieder sind Mitarbeiter von Staatsorganen, Wirtschaftsbetrieben und Kombinaten sowie der Verkehrsträger.
Die Transportausschüsse beraten und entscheiden über Maßnahmen zur Verbesserung des Berufsverkehrs, über methodische Fragen der Transportbedarfsermittlung, -planung und -bilanzierung, die Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern, die Entwicklung und Ausnutzung der Transportkapazitäten (einschl. des Werkverkehrs) sowie über kurzfristig operative Maßnahmen der Transportdurchführung. Jeder Transportausschuß hat für die Lösung operativer Aufgaben im Berufs- und im Güterverkehr ein Berufsverkehrsaktiv bzw. eine Operativgruppe Güterverkehr. Bei akuten Transportproblemen wird der operative Dienst der Transportbüros beim ZTA bzw. bei den BTA tätig.
III. Transportplanung
Wie die übrigen Bereiche der Volkswirtschaft wird auch der Verkehrsbereich — und hier vor allem der Güterverkehr — dirigistisch vom Staat gelenkt und geplant. Hierfür hat die DDR eine Vielzahl von operativen (Quartals-, Monats-, Dekaden-, Tagespläne), kurzfristigen (Jahrespläne), mittelfristigen (Fünfjahrpläne) und langfristigen (Generalverkehrsschema für das Verkehrswegenetz der DDR, Generalverkehrspläne für Bezirke, Kreise, Städte und Ballungsgebiete) Plänen entwickelt.
Die langfristigen Pläne beinhalten für einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren die Entwicklungslinien des Transports für das Gesamtterritorium der DDR oder für kleinere territoriale Einheiten (Bezirke, Städte) und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das jeweilige Verkehrswegenetz. Sie werden vom MfV unter Mitwirkung der örtlichen (Räte der Bezirke und Kreise) und zentralen Organe des V. erarbeitet. Aus diesen werden die Schwerpunkte für die mittelfristige Planung, die Fünfjahrpläne (u.a. Personen- und Güterbeförderungsbedarf; wissenschaftlich-technische Entwicklung und Grundfondsreproduktion; Planung des Arbeitskräfte-, Energie- und Materialeinsatzes; Kennziffern für den Transportaufwand; Maßnahmen zur ökonomischen Integration mit den sozialistischen Ländern) abgeleitet und per Beschluß der Volkskammer zum Gesetz erhoben. Auf dieser Grundlage werden die bilanzierten Jahrespläne, die wesentlich präziser und detaillierter sind, ausgearbeitet. Diese enthalten die Ziele (Transportleistungen für alle Transportzweige und -betriebe) sowie die zu deren Verwirklichung notwendigen Mittel (u.a. wissenschaftlich-techn. Entwicklung, Arbeitskräfteeinsatz, Grundmittel, Energie, Material) in Natural- und Wertkennziffern. Der Jahresplan wird zwecks unmittelbarer Umsetzung und Durchführung der Transportaufgaben unter Berücksichtigung der Schwankungen des jährlichen Transportbedarfs in operative Pläne (für Quartale, Monate, Tage, Brigaden usw.) zerlegt. Diese spielen vor allem bei der DR eine große Rolle.
Die Hauptforderung für die 80er Jahre auf allen Planungsebenen ist, den Transportaufwand zu senken und Energie einzusparen. Die Transport-VO (TVO — vom 28. 3. 1973 — GBl. I, S. 233) als die in den 70er Jahren wichtigste Rechtsvorschrift genügte hinsichtlich ihrer Gesamtzielstellung sowie den Rechten und Pflichten aller am Transportprozeß Beteiligten nicht mehr diesen Anforderungen und wurde deshalb im Jahre 1982 durch die Gütertransport-VO (GTVO — vom 10. 12. 1981 — GBl. I, S. 13) ersetzt. Dieses Gesetz umfaßt die Grundsätze für die Planung, Leitung und Organisation des öffentlichen Gütertransports, für die Aufgabenteilung und das Zusammenwirken von Eisenbahn, Binnenschiffahrt und Kraftverkehr sowie Grundsätze für [S. 1419]die Kooperation von Verkehrsträgern und Transportkunden.
Ein wichtiges Planungsinstrument ist die Transportbilanzierung (Transportbilanz-AO — TBAO — in der Neufassung vom März 1982). Die TBAO enthält Bestimmungen über die Bilanzierung der erforderlichen Transportleistungen mit den Transportkapazitäten der einzelnen Verkehrsträger. Die Ausarbeitung der in den Jahres- und Fünfjahrplänen enthaltenen staatlichen Plankennziffern Tonnen (t) und Transportleistungen (tkm — Tonnenkilometer) basiert auf diesen Transportbilanzen, die auf folgenden Leitungsebenen erstellt werden: Das MfV erstellt die Transportbilanz der DDR, die Räte der Bezirke die für die Bezirke (einschl. DR und Binnenschiffahrt), die Räte der Kreise für die Kreise, jedoch nur für den Straßentransport.
Im Personenverkehr werden nur die Bereiche des öffentlichen Verkehrs in die konkrete Planung einbezogen. Der Individualverkehr, der in der DDR inzwischen dominiert, ist offensichtlich auch in einem sozialistischen Land einer Planung nicht zugänglich und wird deshalb ausgeklammert. In den längerfristigen Planungen (Generalverkehrsplan, Generalverkehrsschema), die mit den Bebauungsplänen für Städte und Gemeinden abgestimmt werden, wird er zwar berücksichtigt, indes nicht mehr in den Fünfjahr- und Jahresplänen. Hier werden zwar Leistungskennziffern für die Produktion von Pkw-Reifen sowie für die Kfz-Instandhaltung vorgegeben, Angaben zur Pkw-Bestandsentwicklung oder andere den Individualverkehr betreffende Orientierungsrichtlinien sucht man vergebens. Dies ist um so erstaunlicher, als dieser mittlerweile der größte Energieverbraucher im V. ist und sich somit am ehesten für Maßnahmen zur Energieeinsparung anbieten würde. Appelle an das „sozialistische Bewußtsein“ der DDR-Bürger, das Auto wenigstens im Stadtverkehr nicht übermäßig zu nutzen, können eine integrierte Verkehrspolitik, die Einzelmaßnahmen für die Transportzweige an einem alle Verkehrsträger umfassenden Gesamtkonzept ausrichtet, nicht ersetzen.
IV. Verkehrsangebot
Kriegszerstörung und Demontagen hatten das Verkehrswegenetz der SBZ/DDR erheblich in seiner Leistungsfähigkeit geschwächt. Die DDR-Führung sah es nach der Teilung Deutschlands in 2 Staaten zunächst als ihre Hauptaufgabe an, eine eigene Grundstoff- bzw. Schwerindustrie aufzubauen. Eine Modernisierung bzw. Erweiterung der Verkehrswege unterblieb. Diese Entscheidung erwies sich in der Folge nicht zuletzt deshalb als besonders nachteilig, weil durch den Aufbau neuer Industriezentren sowie das Entstehen neuer Wohn- und Siedlungsschwerpunkte sich nicht nur das Verkehrsaufkommen beträchtlich erhöhte, sondern sich auch die Verkehrsströme zunehmend in eine Nord-Süd-Richtung verlagerten. Bis zum Kriegsende dominierten die Verkehrsströme in Ost-West-Richtung mit einem entsprechend ausgebauten Verkehrswegenetz. Die gegenwärtige Struktur und Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur wird noch weitgehend von dieser Ausgangssituation geprägt.
Die ersten umfangreichen Investitionen — Bau des Havel-Kanals bzw. des Berliner Außenrings zur Umgehung West-Berlins — wurden von politischen Zielstellungen bestimmt, die trotz völlig unzureichender Kapazität wesentlich wichtigerer Hauptverkehrsverbindungen absolute Priorität hatten. Für den Ausbau Rostocks als Überseehafen sprachen neben dem Wunsch nach Unabhängigkeit im Seeverkehr von Hamburg oder Stettin devisenwirtschaftliche Überlegungen, aber auch nationale Prestigegesichtspunkte. Erst Ende der 60er bzw. in den 70er Jahren begann man mit der Rekonstruktion und der Erweiterung wichtiger Hauptverbindungen im Eisenbahn- und Straßenbereich, was z.T. nur durch die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung (für die Transitstrecken) möglich wurde (Innerdeutsche Beziehungen; Westgeldeinnahmen).
Das Verkehrswegenetz ist zwar — selbst im Vergleich mit westlichen Industrieländern — relativ dicht, genügt in seiner strukturellen Zusammensetzung und seinem qualitativen Ausbauzustand jedoch nicht den Anforderungen, die Bevölkerung und Wirtschaft stellen. Die relativ hohen Anteile der Eisenbahn (zwei Fünftel) und des Straßenwesens (Staats- und Bezirksstraßen: ein Drittel) am gesamten Grundmittelbestand des Transportsektors spiegeln zwar in etwa die Bedeutung beider Bereiche für die Verkehrsabläufe in der DDR wider, sie sind jedoch kein Beleg für einen — etwa mit der Bundesrepublik Deutschland — vergleichbar guten Ausbauzustand. Die insgesamt nach wie vor sehr knappen Investitionsmittel für den Verkehrsbereich zwingen die Verkehrsplaner, diese auf Schwerpunktbereiche wie die Eisenbahn (bisher knapp 50 v.H.) und den Straßenbereich (20–25 v.H.) zu konzentrieren.
A. Eisenbahn
Die Dichte des Eisenbahnnetzes der Deutschen Reichsbahn (DR) entspricht mit 13,1 km/100 qkm annähernd derjenigen in der Bundesrepublik. Entsprechend der Wirtschafts- und Bevölkerungsdichte weisen die südlichen Bezirke Karl-Marx-Stadt, Dresden und Leipzig die höchsten und die nördlichen Bezirke Potsdam und Neubrandenburg die niedrigsten Flächendichten auf. Die Anteile zwei- und mehrgleisiger (ca. 30 v.H.) sowie elektrifizierter Strecken (15 v.H.) — einschl. Berliner S-Bahn — an der Gesamtbetriebslänge von 14.226 km liegen weit unter dem europäischen Durchschnitt. Dieser man[S. 1420]gelhafte Ausbauzustand wirkt sich deshalb besonders gravierend aus, weil die Eisenbahn nach wie vor das Rückgrat des V. bildet — die mittel- und langfristigen verkehrskonzeptionellen Vorstellungen verstärken sogar noch deren Position — und sie pro Kilometer Netzlänge vergleichsweise wesentlich höhere Verkehrsleistungen erbringen muß.
Auch energiewirtschaftliche Gesichtspunkte waren maßgebend für die Zielstellung, die Eisenbahnen noch stärker als bisher in die binnenländischen Gütertransporte einzubeziehen. Zu diesem Zweck sind viele flankierende Maßnahmen ergriffen worden. Ehemals für unrentabel gehaltene und deshalb stillgelegte Nebenstrecken werden z.T. wieder in Betrieb genommen. Auch das Netz der Schmalspurbahnen (rd. 300 km) wird daraufhin überprüft, ob es unter den veränderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen rentabel im Güterverkehr genutzt werden kann. Wegen eines zu geringen Ladungsaufkommens geschlossene Güterbahnhöfe, Zugangs- und Anschlußstellen sind z.T. ebenfalls wieder eröffnet worden. Alle Großkunden der DR erhalten einen Gleisanschluß. Für Elektrifizierung, Ausbau des Hauptnetzes und der Rangierbahnhöfe, Ausstattung mit moderner Sicherungstechnik, verstärkte Einführung von Mikroelektronik und Robotertechnik u.a.m. werden im laufenden Fünfjahrplan (1981–1985) über 50 v.H. des Investitionsfonds des gesamten Transportwesens aufgewendet.
B. Straßen
Im Straßennetz wurden die bereitgestellten Mittel überwiegend dazu verwendet, das Wegenetz von gegenwärtig 1881 km Autobahnen (einschl. Autobahnanschlußstellen), 11.258 km Fernverkehrsstraßen, 34.242 km Bezirksstraßen (Landstraßen 1. und 2. Ordnung) sowie rd. 73.000 km Gemeindestraßen zu erhalten und zu erneuern. Angesichts der Ressourcenknappheit gelang dies aber nur sehr unvollkommen. Der Zustand der Fahrbahndecken, die Ausbauprofile der Fernverkehrsstraßen sowie die vergleichsweise hohe Anzahl der straßengleichen Schienenübergänge entsprechen nicht den Erfordernissen des heutigen Straßenverkehrs. Die auch in der DDR rasch zunehmende individuelle Motorisierung bewirkt vor allem im stark industrialisierten und bevölkerten Süden immer häufiger Engpässe, obwohl dort die Netzdichte (km/100 qkm) bei Fernstraßen bis zu viermal größer als im Norden ist (1982: Bezirk Dresden 754; Bezirk Neubrandenburg 209). Fernstraßenprojekte von nennenswerter Bedeutung waren nach dem Kriege der Autobahnabschnitt Dresden–Leipzig (74 km) — Fertigstellung 1971, die Autobahn Berlin-Rostock (228,5 km) mit Bedeutung auch für den Transitverkehr der skandinavischen Länder — Fertigstellung 1978, sowie die Schließung des Berliner Ringes (28 km) im Westen der Stadt — Fertigstellung 1979. Schließlich wurde Ende 1982 auch der Neubau der Autobahnverbindung zwischen Berlin und Hamburg auf DDR-Gebiet abgeschlossen (Neubaustrecke ab Rostocker Autobahn, Abzweig Wittstock bis Zarrentin, Grenzübergangsstelle zur Bundesrepublik 128 km, zuzüglich Autobahnzubringer vom Berliner Ring (Velten) nach Stolpe-Dorf, Grenzübergangsstelle nach West-Berlin 12 km). Den größten Teil der Kosten für dieses Bauvorhaben trug die Bundesrepublik Deutschland (1,2 Mrd. DM). Ebenfalls mit erheblicher finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung wurde die Haupttransitstrecke Berlin-Helmstedt zwischen Berliner Ring, Abzweig Leipzig, und Marienborn (127 km) von Grund auf erneuert und der Berliner Ring zwischen Abzweig Leipzig und Abzweig Drewitz (12 km) gleich[S. 1421]zeitig sechsspurig ausgebaut. Diese Baumaßnahmen wurden zwischen 1976 und 1980 vorgenommen. An den Gesamtkosten (405 Mill. M) beteiligte sich die Bundesregierung mit etwa ⅔ (260 Mill. DM). Die genannten Neubaustrecken waren fast ausnahmslos schon vor dem II. Weltkrieg geplant.
Das insgesamt stark überalterte und dringend reparaturbedürftige Straßennetz kann nur sehr schleppend rekonstruiert werden. Von den Gesamtinvestitionen des Transportwesens gingen in den 60er und 70er Jahren etwa 20–25 v.H. in den Straßenbereich. Der Anteil dürfte jetzt geringer sein, da 70 v.H. aller Verkehrsinvestitionen im laufenden Fünfjahrplan allein von der Bahn und der Seeschiffahrt absorbiert werden. Ob bei durchschnittlich jährlich 6 v.H. mehr Individualverkehr das bestehende Straßennetz in der Substanz erhalten und eine bessere Befahrbarkeit als bisher gewährleistet werden kann, ist sehr fraglich.
C. Nahverkehr
Im innerstädtischen Verkehr ist die Straßenbahn der Hauptverkehrsträger. Die langfristige Zielstellung für den Stadtverkehr, auch hier den elektrisch betriebenen Nahverkehrsmitteln absoluten Vorrang zu geben, hat nach jahrzehntelang zurückgestellten Erneuerungsmaßnahmen dazu geführt, die Straßenbahnnetze etappenweise zu rekonstruieren. In einigen Städten werden sie durch die Schaffung eigener Trassen zu einem Schnellstraßenbahnnetz ausgebaut. Dies geschieht ebenso wie der Einsatz moderner Großraumwagen (TATRA — aus der ČSSR) nur sehr langsam.
Lediglich in Berlin (Ost) existiert eine U-Bahn, der O-Bus nur in einigen Städten. Im Rahmen des gesamten Verkehrssystems spielen beide Verkehrsmittel bisher jedoch keine Rolle, obwohl der O-Bus-Betrieb zwecks Einsparung von Dieselkraftstoff erweitert werden soll.
Ausbau- bzw. Erweiterungspläne für das Schnellbahnnetz sind von der DR in Dresden, Halle, Leipzig, Magdeburg, Rostock und Berlin verwirklicht worden. Außerdem soll die Eisenbahn in Städten und Ballungsgebieten zunehmend Aufgaben des Nahverkehrs — vom Omnibus — übernehmen, obwohl ihre Strecken schon heute durch den Güter- und Fernreiseverkehr vielfach völlig überlastet sind. Das Angebot im öffentlichen Linienbusverkehr wird zu verkehrsschwachen Zeiten reduziert, ebenso dann, wenn ein alternatives Angebot der Bahn vorhanden ist.
Die für den Nahverkehr im laufenden Fünfjahrplan ohnehin geringen zur Verfügung stehenden Investitionsmittel werden überwiegend für die verkehrstechnische Erschließung neuer Wohnviertel benötigt, die fast ausschließlich in Stadtrandlage errichtet werden. Für die grundlegende Modernisierung der vorhandenen Infrastruktur bleibt kaum etwas übrig.
D. Wasserstraßen und Binnenschiffahrt
Das schon 1945 gut ausgebaute Wasserstraßensystem von derzeit 2.319 km Länge — davon 1675 km Hauptwasserstraßen — verlor wegen der veränderten Stellung Berlins und wegen der Tatsache, daß Oder und eingeschränkt auch die Elbe zu Grenzflüssen der DDR wurden, erheblich an Bedeutung. Da die Ursprungsregionen der wichtigsten Massengüter, wie das sächsische Industriegebiet, nicht durch leistungsfähige Wasserstraßen erschlossen sind, wurde der Hafen Rostock auch nach seinem Ausbau zum Überseehafen nicht an das Wasserstraßennetz (bei Wittenberge in die Elbe) angeschlossen. Dieser mehrfach geplante Nord-Süd-Kanal würde gleichzeitig eine allgemeine Netzerweiterung in den Industriegebieten und eine Niedrigwasserregulierung von Elbe und Oder voraussetzen, wenn die Binnenschiffahrt eine größere Bedeutung innerhalb des Massengüterverkehrs erreichen soll.
Der Anfang der 50er Jahre aus politischen Gründen gebaute 32 km lange Havelkanal zur Umgehung West-Berlins war bisher die einzige nennenswerte Baumaßnahme im Infrastrukturbereich der Binnenschiffahrt. Für die Erfüllung der aktuellen verkehrspolitischen Forderung, die Binnenschiffahrt als energiegünstigsten Transportzweig stärker in den binnenländischen Gütertransport einzubeziehen — sie soll z.T. Transporte von der Bahn, vor allem aber vom Kraftverkehr übernehmen —, reichen die vorhandenen Wasserstraßen, trotz Niedrigwasser im Sommer und Vereisung im Winter, aus. Die am stärksten belasteten Streckenabschnitte des Netzes sind die in Ost-West-Richtung; selbst diese weisen einschl. des West-Berliner Verkehrs derzeit nur eine Auslastung von unter 50 v.H. aus. Allerdings ist eine Modernisierung und Erweiterung der Binnenhäfen erforderlich. Das gleiche gilt für die Zugangsstellen zum Wasserstraßennetz und die Umschlaganlagen in den Häfen. Die wichtigsten Binnenhäfen sind: Magdeburg, Frankfurt/O., Dresden, Berlin (Ost), Potsdam und Halle.
Das am 1. 1. 1979 gebildete VEB Kombinat Binnenschiffahrt und Wasserstraßen, Sitz Berlin, ist zuständig für alle Transport-, Umschlag- und Reparaturprozesse, für Bauarbeiten an den Wasserstraßen sowie deren Betrieb und technische Einrichtungen wie Schleusen und Hebewerke. Das Verkehrsangebot dieses Kombinats ist in jüngster Zeit um einen Containerdienst und zwei regelmäßige Stückgutlinien erweitert worden. Um noch mehr Transporte von der Straße auf den Wasserweg verlagern zu können, wurde im Bezirk Brandenburg die Holzflößerei wieder eingeführt.
Die Flotte ist durch den verstärkten Einsatz der Schubschiffahrt bereits in den 60er Jahren modernisiert worden. Der Binnenschiffsbestand von 1161 Einheiten (1982) müßte jedoch von der Zahl oder von der Tragfähigkeit (601.500 t) her erhöht werden, [S. 1422]wenn die Leistungen im laufenden Fünfjahrplan wie vorgesehen um mindestens 25 v.H. steigen sollen. Gewisse Kapazitätsreserven bestehen derzeit allerdings noch in einer besseren Auslastung sowie in einer Beschleunigung des Umschlagverfahrens.
E. Seehäfen und Seeschiffahrt
Die durch Kriegseinwirkungen zerstörten Seehäfen Rostock, Wismar und Stralsund wurden wiederaufgebaut und erheblich erweitert. Mit Hilfe von Investitionen von fast 700 Mill. Mark (von 1957–1970) hat Rostock unter allen Ostseehäfen hinsichtlich der jährlichen Umschlagsmengen einen vordersten Platz erlangt. Rostock ist vor allem ein Eisenbahnhafen mit einem der größten Verschiebebahnhöfe der DDR. Die 1978 fertiggestellte Autobahn nach Rostock sowie die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Berlin-Rostock (Fertigstellung Ende 1984) sollen dazu dienen, die Bedeutung dieses Hafens weiter zu erhöhen. Durch gezielte Investitionen ist Rostock zu einem Universalhafen mit Ölhafen, Schütt- und Stückgutbereich ausgebaut worden. Bis zu 80.000 BRT-Schiffe können über einen 7 km langen Verbindungskanal das Hafenbecken anlaufen. Derzeit werden ein Chemiehafen gebaut, ein Getreidehafen fertiggestellt sowie die Ro/Ro-Container-Umschlaganlagen beträchtlich erweitert. Werden bis 1985 die Planziele erreicht, dann hat Rostock in etwa die gleiche Größenordnung (hinsichtlich der jährlichen Umschlagleistungen) wie heute Bremen-Bremerhaven, der zweitgrößte Hafen der Bundesrepublik. Die Häfen Wismar und Stralsund sind Spezialhäfen für Kali und Getreide bzw. Holz und Schüttgüter und gegenüber Rostock relativ bedeutungslos. Alle drei DDR-Seehäfen arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Die im laufenden Fünfjahrplan geplanten Steigerungen der Hafenumschlagsleistungen, vor allem um den gegenwärtig noch hohen — mit Valutaausgaben verbundenen — Fremdhafenumschlag (z.B. via Hamburg) zu verringern, lassen sich nur mit einem entsprechenden Ausbau der Kaianlagen verwirklichen.
Parallel zum Ausbau der Seehäfen wurde die Handelsflotte beträchtlich erweitert, nachdem in den 50er Jahren in den durch Reparationsmaßnahmen weitgehend dezimierten DDR-Werften überwiegend Schiffe für die UdSSR repariert wurden (Schiffbau).
Unter den insgesamt 174 Handelsschiffen im Jahre 1983 waren 6 Tanker mit 8 v.H. Anteil an der Gesamttonnage; die 103 Stückgutfrachter hatten einen Anteil von 59 v.H., die 17 Massengutschiffe einen von 20 v.H., während Container-, Ro/Ro-, Erz-, Öl-, Frucht- und Küstenmotorschiffe demgegenüber bedeutungslos sind. Die Handelsflotte der Bundesrepublik ist etwa sechsmal größer.
Das dem MfV direkt unterstellte VEB Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft --- Deutfracht/Seereederei (Gründung am 1. 1. 1974), Sitz Rostock, mit seinen Kombinatsbetrieben ist für Transport, Umschlag und Lagerung sämtlicher Außenhandelsgüter der DDR und ausländischer Kunden sowie für die gesamten Bauarbeiten in den Häfen verantwortlich.
F. Luftverkehr
Für den Luftverkehr wurde Berlin-Schönefeld als internationaler Großflughafen ausgebaut und durch S-Bahn-, Fernbahn- und Autobahnanschluß in das Verkehrsnetz eingefügt. Der Inlandsflugverkehr ist 1980 aus energiewirtschaftlichen Gründen vollkommen eingestellt worden.
Das Flugliniennetz der Interflug umfaßte 1983 einschließlich der nichtständigen Fluglinien 60 Strecken [S. 1423]mit einer Gesamtlänge von 122.189 km. Regelmäßig angeflogen werden vor allem die Metropolen und größeren Städte fast aller sozialistischen Länder (bis auf China und Nordkorea) sowie die meisten arabischen Hauptstädte (Kairo, Khartum, Addis Abeba, Beirut, Damaskus, Tripolis, Tunis, Algier, Bagdad). Daneben bemüht sich die Interflug auch stark um regelmäßige Liniendienste mit westlichen Ländern, vor allem in Europa. Lt. Sommerflugplan 1983 wurden Kopenhagen, Stockholm, Helsinki, Brüssel, Rom, Wien, Athen, Mailand, Madrid, Lissabon und Amsterdam mindestens einmal wöchentlich angeflogen. Darüber hinaus bestehen Verbindungen nach Istanbul, Ankara, Karatschi, Larnaca, Lagos, Maputo, Luanda und einige Charterverbindungen für Touristen aus West-Berlin. Daneben werden von Dresden, Erfurt und Leipzig noch Budapest, Leningrad, Moskau und Sofia regelmäßig angeflogen. — Eingesetzt wird ausnahmslos sowjetisches Fluggerät, die IL 62 vorwiegend auf überseeischen Flugrouten, die TU 154 (ähnlich der Boeing 727–100) und die TU 134 (ähnlich der älteren frz. Caravelle) hauptsächlich im europäischen Raum. Auf besonders kurzen Strecken (Routen in die benachbarten RGW-Länder) kommen z.T. auch noch Turbo-Propellerflugzeuge vom Typ IL 18 zum Einsatz.
Träger des Luftverkehrs ist die 1958 gegründete Interflug GmbH (IF), die dem MfV unterstellt ist. Sie ist zuständig für den gesamten Flugbetrieb (einschl. Wirtschaftsflug), die Unterhaltung, den Betrieb und Ausbau der Verkehrsflughäfen sowie die Flugsicherung der DDR. Die IF gliedert sich in die Betriebe Verkehrsflug, Agrarflug, Flughäfen, Flugsicherung und Bildflug. Sie wird von einem Generaldirektor (gleichzeitig Stellvertreter des Ministers für V. — derzeit Dr. Klaus Henkes, SED) geleitet.
Die IF hat rd. 50 staatliche Luftverkehrsabkommen abgeschlossen und ist Mitglied in mehreren internationalen Luftverkehrsorganisationen. Neben der Mitgliedschaft in Organisationen der RGW-Länder gehört sie seit 1958 der Internationalen Vereinigung der Nachrichtenverbindungen der zivilen Luftfahrt (SITA) an. 1969 ist der Flughafen Schönefeld der Internationalen Vereinigung der Zivilflughäfen (ICAA) beigetreten. Der IATA gehört die IF, wie die meisten RGW-Fluggesellschaften (bis auf LOT und CSA), nicht an.
G. Rohrleitungsnetz
Für den verstärkten Ausbau der Petrochemie (Chemische Industrie), den erhöhten Treibstoffbedarf sowie einen allgemein steigenden Energieverbrauch der Wirtschaft und der Bevölkerung ist in der DDR ein Fernleitungsnetz von rd. 1300 km Länge gebaut worden. Es umfaßt u.a. die Leitungen von Leuna (Chemie), Rostock (Ölhafen) und Berlin (Produktenpipeline) nach Schwedt/O., dem Zentrum der Petrochemischen Industrie in der DDR, und dem Endpunkt einer Fernleitung aus der UdSSR sowie die Erdgaspipeline DDR-ČSSR (dort Anschluß an die Sojus-Erdgasleitung aus der Sowjetunion). Gegenüber der Bundesrepublik (2.100 km) ist die Netzlänge relativ hoch. Die Rohrleitungen liegen nicht im Verantwortungsbereich des MfV, sondern des Ministeriums für Chemische Industrie.
V. Verkehrsleistungen
A. Güterverkehr
Die Güte des Transportsystems wurde bis Ende der 70er Jahre in erster Linie daran gemessen, ob die in den jeweiligen Jahres- und Fünfjahrplänen vorgesehenen Leistungssteigerungen realisiert werden konnten, und weniger daran, ob die Transportdurchführung volkswirtschaftlich effizient war. Ein derartiges Vorgehen wurde durch die Tatsache begünstigt, daß die Investitionsmittel nicht ausreichten, die in ihrer Grundsubstanz vom ehemaligen Deutschen Reich übernommenen Verkehrsanlagen den gestiegenen sowie gegenüber früher erheblich veränderten Transportaufgaben anzupassen. Auch die Entwicklung der Transportkapazitäten im öffentlichen Güterverkehr entsprach nicht dem steigenden Bedarf. Dieser Mangel bewirkte eine starke Ausweitung des Werkverkehrs mit Lkw, einer Verkehrsart, die sich auch in einem sozialistischen Staat bislang weitgehend der zentralen Planung entzog. Der Werkverkehr ist wegen der besseren Verfügbarkeit von Transportraum für die Betriebe vorteilhaft; aufgrund einer geringeren räumlichen und zeitlichen Auslastung und des zum Teil daraus folgenden höheren spezifischen Energieverbrauchs volkswirtschaftlich jedoch teurer als der Schienenverkehr, die Binnenschiffahrt oder der öffentliche Güterkraftverkehr.
Ein weiteres Problem für die Planungsbehörden der DDR resultierte daraus, daß die Betriebe einen überhöhten Transportbedarf anmeldeten, um angesichts des ständig knappen Transportraums eine gewisse Reserve zu haben. Da eine übergeordnete Prüfung in der Regel nicht erfolgte, konnten die zur Verfügung stehenden Transportkapazitäten kaum entsprechend den wirklichen Bedürfnissen der Betriebe und Wirtschaftszweige verteilt werden. Diese Besonderheiten führten zu überhöhten Kosten je transportierte Leistungseinheit (Mark/t bzw. tkm). Daneben wird in der DDR auch der hohe Transportumfang (t bzw. tkm je Einheit des Bruttosozialprodukts) kritisiert.
In allen neueren Plänen, Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien u.ä. wird diesen Gegebenheiten Rechnung getragen. So heißt es im Gesetz über den Fünfjahrplan 1981–1985: „Zur Senkung des gesellschaftlichen Aufwandes in der Volkswirtschaft so[S. 1424]wie aus energieökonomischen Gründen ist der spezifische Transportaufwand aller Wirtschaftszweige durch Optimierung der Liefer- und Transportbeziehungen systematisch zu senken“ (Gesetz über den Fünfjahrplan … 1981–1985 vom 3. 12. 1981 — GBl. I, S. 412), und zwar um mindestens 20 v.H. Die Verringerung des Transportaufwandes soll demnach vor allem zur Energieeinsparung beitragen. Der Verkehrssektor ist — wie in der Bundesrepublik — nach Industrie und Haushalten der drittgrößte Energieverbraucher. Die Überlegungen im Güterverkehr konzentrieren sich dabei auf 2 Punkte:
1. Wie kann bei den einzelnen Verkehrsträgern mit weniger Energie mehr transportiert werden?
2. Wie kann durch eine andere Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern Energie eingespart werden?
Nach DDR-Berechnungen verhält sich der spezifische Energieverbrauch (Kilojoule je Bruttotonnenkilometer) bei Binnenschiffahrt, Eisenbahn und Kraftverkehr wie 0,6–0,8:1:3. Die gegenwärtige Verkehrsteilung und auch die Entwicklung in den 60er und 70er Jahren sind deshalb als nicht optimal zu bezeichnen. Die Bedeutung der Binnenschiffahrt ist seit Jahren unverändert gering. Wie in den anderen RGW-Staaten dominiert die Eisenbahn, die rd. 7/10 der Verkehrsleistungen (tkm) im binnenländischen Güterverkehr erbringt (Bundesrepublik: ¼). Trotz jährlich steigender Transportmengen (t) verlor die Bahn jedoch bis 1980 gegenüber dem Straßengüterverkehr an Bedeutung, dessen Anteil an den Leistungen auf rd. ¼ (Bundesrepublik: ca. 50 v.H.) anstieg. Auch der Rohrleitungstransport wurde in den vergangenen Jahren kräftig ausgedehnt, während der Luftverkehr im binnenländischen Gütertransport keine Rolle spielt. Die konsequente Durchsetzung des obersten Gebots, den Transportaufwand zu senken und Energie einzusparen, führte seit Beginn des lfd. Fünfjahrplanes zu einer kontinuierlichen Verringerung von Transportmengen und -leistungen sowie einer Verkehrsverlagerung vom Straßengüterverkehr zu den energiewirtschaftlich günstigeren Transportzweigen Eisenbahn und Binnenschiffahrt.
Die Gründe für die Vorrangstellung der Eisenbahn liegen in erster Linie darin, daß die staatliche Planung eine noch stärkere Ausweitung des Straßengüterfernverkehrs durch gesetzliche Regelungen verhindert hat. Nach der 1973 in Kraft getretenen Transport-VO (TVO) — 1982 durch die Gütertransport-VO (GTVO) ersetzt —, die die Aufgabenteilung zwischen Eisenbahn, Binnenschiffahrt und Kraftverkehr regelt, durften Transporte außerhalb des 50 km-Luftlinienumkreises in der Regel nur von der Bahn oder der Binnenschiffahrt durchgeführt werden. Ein verstärkter Lkw-Einsatz im Binnengüterverkehr — wie in der Bundesrepublik — hätte einen mit Devisenausgaben verbundenen Import von Lkws und/oder den Aufbau einer eigenen Lkw-Produktion sowie eine durchgreifende qualitative Verbesserung des Straßennetzes erfordert. Aus Mangel an Devisen bzw. Investitionsmitteln konnte dieser Weg nicht eingeschlagen werden. Weil die Binnenschiffahrt sehr ungünstige Angebotsbedingungen — die Wasserstraßen erschließen die Industriegebiete kaum und verlaufen in Ost-West-Richtung, während die Hauptgüterströme in einer Nord-Süd-Richtung verlaufen — aufweist, mußte zum [S. 1425]größten Teil die DR die Ferngütertransporte übernehmen.
Die DR hat 1983 rd. 325 Mill. t Güter befördert. Die Verkehrsleistung betrug etwa 55 Mrd. tkm (Bundesrepublik: 300 Mill. t bzw. 56 Mrd. tkm einschließlich der nichtbundeseigenen Eisenbahnen). Kohle, Koks und Baumaterialien haben einen Anteil von über 50 v.H. am Gesamttransportaufkommen der DR. Bei Transporten von Baumaterialien, Fertigwaren und Stückgut erbringt die Bahn Leistungen, die in westlichen Ländern zum größten Teil von der Binnenschiffahrt bzw. dem Lkw übernommen werden. Wenn die erschwerten Bedingungen — hinsichtlich des zweigleisigen und elektrifizierten Ausbauzustandes — berücksichtigt werden, sind diese Leistungen sehr beachtlich.
Beim Straßengüterverkehr (einschl. Nah- und Werkverkehr) sind Transportaufkommen und -leistungen bis 1980 kräftig gestiegen, ab 1981 jedoch stark rückläufig. Gegenüber der Bundesrepublik ist die Struktur völlig verschieden. Aufgrund der gesetzlichen Restriktionen hat der Lkw-Fernverkehr (mehr als 50 km Transportweite) nur einen Anteil von 3 v.H. (1982) am gesamten Transportaufkommen (Bundesrepublik: rd. 10 v.H.). Bei den Verkehrsleistungen beträgt der Anteil des Fernverkehrs 8 v.H. (Bundesrepublik: ⅓). Besonders problematisch ist in der DDR die Abstimmung zwischen öffentlichem Kraftverkehr und Werkverkehr, der fast die Hälfte aller Güter im binnenländischen Güterverkehr befördert. Die Werkfuhrparks haben eine wesentlich geringere zeitliche und räumliche Kapazitätsauslastung als die Lkws der öffentlichen Kraftverkehrsbetriebe. Sie stehen allerdings den Betrieben ständig zur Verfügung und sind daher im Einsatz wesentlich flexibler. Angesichts der ständigen Engpässe im Transportsektor — besonders im Bausektor — ist es seit einigen Jahren üblich, den Betrieben die unmittelbare Verfügungsgewalt über ihre Lkws in Teilbereichen zu entziehen. Durch bezirkliche Transportausschüsse und Kraftverkehrskombinate — Kraftstoffkontingentierung, Einbeziehung in die Erfüllung überbetrieblicher Transportaufgaben, Koordinierung und Genehmigung von Fernfahrten — sowie unter anderem auch durch die Bildung von Werkfahrgemeinschaften wird angestrebt, den Werkverkehr in das einheitliche sozialistische Transportsystem einzubeziehen.
Das Verkehrsaufkommen der Binnenschiffahrt steigt seit 1980 an. Mit einem Anteil von 3 v.H. bei den Leistungen und noch nicht einmal 2 v.H. beim Aufkommen ist sie allerdings nach wie vor der unbedeutendste Verkehrsträger im binnenländischen Güterverkehr. Auch der verstärkte Einsatz der Schubschiffahrt — gegenwärtig werden ¾ aller Binnenschiffstransporte auf diese Weise durchgeführt — sowie die sie begünstigenden Regelungen der TVO konnten hieran nichts ändern. Im Transportaufkommen dominieren Baumaterialien (rd. 50 v.H.), Abfallprodukte (16 v.H.) sowie Kohle und Koks (13 v.H.).
Obwohl bei den Transporten von Mineralöl und Mineralölprodukten die Substitution der traditionellen Verkehrsträger durch Rohrfernleitungen fast 10 Jahre später als in der Bundesrepublik einsetzte, haben diese heute einen Anteil von 6 v.H. an den gesamten Transportleistungen im binnenländischen Güterverkehr (Bundesrepublik: 4 v.H.).
Parallel zum Ausbau der Ostseehäfen — hier vor allem Rostock — wurde auch der Schiffsbestand der Handelsflotte beträchtlich erweitert, so daß in der Seeschiffahrt erhebliche Leistungssteigerungen erreicht werden konnten. 1983 wurden etwa 12 Mill. t Güter mit der DDR-Handelsflotte befördert. Der Seeverkehr stagniert in den letzten Jahren — auch die Flotte wurde leicht reduziert —, so daß die im lfd. Fünfjahrplan (1981–1985) vorgesehene Steigerung der Transportmengen um rd. 15 v.H. voraussichtlich nicht verwirklicht werden kann.
Beachtlicher noch waren die Leistungssteigerungen in den Seehäfen der DDR. 1983 wurden insgesamt 23,1 Mill. t in Rostock (77 v.H.), Wismar (20 v.H.) und Stralsund umgeschlagen (Bundesrepublik: 130 Mill. t, Hamburg 49 Mill. t). Der weitere Ausbau der Seehäfen (Rostock und Wismar) soll weitere Steigerungen der Umschlagleistungen (1985/1980: 46 v.H.) bewirken. Allein im Seehafen Rostock sollen 1985 etwa 24 Mill. t (50 v.H. des gegenwärtigen Umschlags im Hamburger Hafen) umgeschlagen werden. Wichtige Ziele dabei sind die Beseitigung des gegenwärtig noch hohen Fremdhafenumschlags in westlichen Häfen, um Devisen einzusparen, und die Steigerung des Umschlags für Dritte, um Valuta zu erwirtschaften.
Künftige Entwicklungslinien. Die Hauptforderungen für die 80er Jahre heißen Senken des Transportaufwandes im Binnengüterverkehr und Einsparung von Energie. Eine Vielzahl von Maßnahmen und ökonomischen Stimuli sind bereits eingeleitet worden, um den Gütertransport effizienter, auf kürzestem Weg und mit weniger Energie durchzuführen. Die Optimierung der Transport- und Lieferbeziehungen, die Verfeinerung der Transportplanung und -bilanzierung, die Vorgabe von Planungs- und Abrechnungskennziffern (Transportnormative = Limite zur Inanspruchnahme von Transportleistungen für Ministerien, Kombinate und Betriebe), Veränderungen der Produktions- und Standortstruktur (PTO = Produktions-Transport-Optimierung), sowie Maßnahmen in der Produktion, die den Transportbedarf senken (PTI = Produktions-Transport-Integration) und ein neuer Binnengütertarif sollen den Transportaufwand senken.
Die 1982 in Kraft getretenen neuen Binnengüterverkehrstarife verteuerten die Transporte für die verladende Wirtschaft um durchschnittlich 60–70 v.H. [S. 1426]Die Tarifanhebungen, als ökonomischer Anreiz zur Vermeidung unnötiger Transporte und Leerfahrten, trafen alle Verkehrsträger, wenn auch unterschiedlich stark.
Die Preisveränderungen sollten nämlich gleichzeitig — aus energiewirtschaftlichen Gründen — Transportverlagerungen zwischen den Verkehrsträgern bewirken. Verteuerten sich die Straßengütertransporte um rd. 80 v.H., stiegen die Preise für Transporte der Binnenschiffahrt nur um 47 v.H.
[S. 1427]Konkretes Ziel aller Maßnahmen ist, die gesamten Binnengütertransportmengen (t) und -leistungen (tkm) trotz steigender wertmäßiger Warenproduktion bis 1990 konstant zu halten, nach Möglichkeit sogar zu senken. Der Lkw-Einsatz soll noch rigoroser als bisher auf den Nahbereich, den grenzüberschreitenden Verkehr, den Zubringerverkehr (von/nach Bahnhöfen, Gleisanschlüssen, Binnenschiffahrtsumschlagplätzen) und auf Spezialtransporte beschränkt werden. 5–6 Mill. t jährlich sollen bis 1990 auf die Eisenbahn verlagert werden. Analog hierzu ist bei Massengütern eine Verlagerung von Transporten der Bahn und der Straße zur Binnenschiffahrt von jährlich 1 Mill. t beabsichtigt. Damit stiege der Anteil der Bahn an den Transportleistungen im Binnengüterverkehr auf fast ⅘ und der der Binnenschiffahrt auf fast 5 v.H., während sich die Verkehrsleistungen auf der Straße im Anteil fast halbieren würden.
Diese Verlagerungen könnten zusammen mit der forcierten Elektrifizierung der Eisenbahn zu erheblichen Einsparungen an Dieselkraftstoffen führen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob sich diese Verkehrsverlagerungen in vollem Umfange verwirklichen lassen. Schon heute fehlen der DR mehr als 10.000 Arbeitskräfte, was zu einer Vielzahl von Überstunden führt. Trotz Elektrifizierung, Rationalisierung und weiterer Automatisierung würden sich bei dem Volumen der geplanten Verlagerung die Schwierigkeiten bei der DR eher noch vergrößern. Die bisher erreichten Erfolge sowohl in der Aufwandssenkung als auch bei den Transportverlagerungen — soweit aus den bisher für 1981, 1982 und 1983 veröffentlichten Statistiken erkennbar — zeigen, daß die vorhandenen Möglichkeiten von den DDR-Verkehrsplanern und -Politikern ganz sicher überschätzt werden.
B. Personenverkehr
Auch im Personenverkehr gelten als Hauptleitlinie der Verkehrspolitik Energieeinsparung und Senkung des Transportaufwandes. Während im Güterverkehr zur Verwirklichung dieser Ziele wie gezeigt ein breitgefächertes Instrumentarium eingesetzt werden kann, sind die Möglichkeiten im Personenverkehr weitaus geringer: Mehr als die Hälfte der Verkehrsleistungen entfällt auf den Individualverkehr, einen Bereich, der sich auch in der DDR weitgehend der staatlichen Planung entzieht. Wie in der Bundesrepublik Deutschland neigt in der DDR der öffentliche Personenverkehr zunehmend zur Stagnation. Der Individualverkehr weist demgegenüber hohe Zuwachsraten auf. Diese Feststellung überrascht, wenn man bedenkt, daß bislang in allen kurz-, mittel- und langfristigen Verkehrsplanungen der Eisenbahn-, Omnibusüberland- und städtische Nahverkehr uneingeschränkte Priorität hatten. Der Individualverkehr wird demgegenüber in den Jahres- und Fünfjahrplänen nicht einmal erwähnt.
Für eine integrierte Verkehrspolitik, die Einzelmaßnahmen an einem Gesamtkonzept ausrichtet, fehlen in der DDR überdies die Grundlagen. Eine amtliche Statistik, die auch den Individualverkehr umfaßt, existiert nicht. Die umfassendsten Untersuchungen auf diesem Gebiet fanden bisher ausschließlich im Rahmen des Systems repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV) statt. Das SrV wurde erstmals 1972 in 16 Städten der DDR durchgeführt und bei 2 weiteren Neuauflagen erheblich ausgedehnt. Die Ergebnisse dieser Befragungen gestatteten es immerhin, mit Hilfe weiterer Einzelangaben in DDR-Veröffentlichungen ein Gesamtbild des Personenverkehrs zumindest für einige Jahre zu ermitteln.
Entwicklung und Struktur des Personenverkehrs in der DDR sind von der Zunahme des Lebensstandards, der damit einhergehenden wachsenden individuellen Motorisierung und den gestiegenen Zahlen der Erwerbstätigen, Schüler und Studierenden beeinflußt worden. Daneben haben aber auch andere Faktoren wie zunehmende Freizeit, partielle Verbesserungen der Verkehrswege, Verlagerung von Wohnungen in Stadtrandlagen, Konzentrationsprozesse im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen sowie im Handel und in der Industrie eine Rolle gespielt. Diese Veränderungen hatten zur Folge, daß heute nahezu doppelt so viele Wege je Einwohner mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Auto oder dem Motorrad zurückgelegt werden als vor 20 Jahren. Unter Berücksichtigung der zurückgelegten Entfernungen war der Anstieg der Mobilität (Personenkilometer je Einwohner) sogar noch größer.
Am gesamten Personenverkehr der DDR war der individuelle Verkehr 1983 beim Aufkommen (beförderte Personen) zu fast der Hälfte (Bundesrepublik: ⅘) und bei den Leistungen (Personenkilometer) sogar schon zu ⅗ beteiligt (Bundesrepublik: ⅘) Gegenüber 1960 ist der Individualverkehr damit etwa auf das Fünffache gestiegen.
Innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) hat die DDR inzwischen den mit Abstand höchsten Motorisierungsgrad. Gegenwärtig besitzen ⅖ aller Privathaushalte in der DDR ein Auto. Unter Einbeziehung der etwa 300.000 Dienst- und Geschäftsfahrzeuge teilten sich in der DDR fast 6 Einwohner (Bundesrepublik: 2,5) in einen Pkw. Das durchschnittliche monatliche Netto-Arbeitseinkommen im Jahr 1982 betrug 800 Mark. Das billigste Auto [Trabant] kostet rd. 9.000 Mark, der Wartburg rd. 20.000 Mark. Importautos sind noch wesentlich teurer.) Während die Kfz-Steuer (18 Mark je angefangenen 100 cm³ Hubraum) höher als in der Bundesrepublik (14,40 DM) ist, sind die Beitragssätze für die Haftpflichtversicherung (z.B. 50-PS-Auto: 153 Mark) deutlich niedriger. Dafür ist der Betrieb eines Autos wiederum teurer. Ein Liter Superbenzin kostet, seit Jahren allerdings unverändert, 1,65 Mark (Normalbenzin: 1,50 Mark).
[S. 1428]
Ein weiteres zentrales Problem für Autobesitzer ist die Kfz-Instandhaltung. Als Folge der langen Wartefristen und der hohen Preise bei fabrikneuen Pkw werden die vorhandenen Pkw außerordentlich lange genutzt und sind entsprechend reparaturanfällig (durchschnittliche Nutzungsdauer 15 Jahre oder mehr). Die Kfz-Instandhaltungskapazitäten hinken aber dem gestiegenen Bedarf weit hinterher. Selbst wenn die im laufenden Fünfjahrplan vorgesehenen Leistungssteigerungen (knapp 50 v.H.) in diesem Dienstleistungsbereich erreicht werden sollten, dürfte es auch künftig noch Engpässe geben. Trotz dieser Erschwernisse eilt die Nachfrage nach Pkw dem Angebot nach wie vor weit voraus. Gegenwärtig müssen 10 Jahre Wartezeit und mehr in Kauf genommen werden.
Das Beförderungsaufkommen der öffentlichen Verkehrsmittel betrug 1983 etwa 4,1 Mrd. Im Durchschnitt fuhren täglich 11 Mill. Personen (Bundesrepublik: 21 Mill.) mit der Eisenbahn, dem Omnibus, der Straßenbahn, dem O-Bus oder der U-Bahn. Sicher auch als ein Ergebnis der Stillegung unrentabler Nebenstrecken bei der DR in den 60er Jahren entfällt davon auf die Bahn nur noch 1/7 (1960: ¼), während im gleichen Zeitraum der Omnibusverkehr (Überland- einschl. Werkverkehr) seinen Anteil von knapp ⅕ auf mehr als ⅓ steigerte. Gemäß der Hauptforderung, Energie einzusparen, soll der in dieser Beziehung ungünstigere Busverkehr über größere Entfernungen nach Möglichkeit reduziert und durch die Eisenbahn ersetzt werden. Auch im städtischen Nahverkehr hat der Busverkehr erheblich an Bedeutung (⅓) gewonnen. Dennoch ist die Straßenbahn mit einem Anteil von 56 v.H. weiterhin das Hauptverkehrsmittel. Der O-Bus und die U-Bahn Berlin (Ost) spielen im gesamten Nahverkehrssystem derzeit keine Rolle. Die Entwicklung hin zum Bus wird künftig gestoppt zugunsten der energetisch günstigeren Straßenbahn; in diesem Zusammenhang soll der Einsatz von O-Bussen, deren Betrieb fast gänzlich eingestellt wurde, wieder verstärkt werden.
Als Fazit bleibt festzuhalten, daß auch sozialistische Staaten wie die DDR keine alternativen Verkehrskonzeptionen verwirklichen konnten. Lediglich die Preis- bzw. Tarifgestaltung für öffentliche und individuelle Verkehrsmittel genügt dem verkehrspolitischen Ziel einer Priorität des öffentlichen Verkehrs. Die Fahrpreise im Binnenverkehr mit der Eisenbahn, dem Bus oder den städtischen Nahverkehrsmitteln sind seit Jahrzehnten konstant und sehr niedrig. So kostet eine Straßenbahnfahrt in der Regel 0,20 Mark, teilweise sogar noch weniger. Die einem Nulltarif gleichkommenden Tarife vor allem im Nahverkehr bedingen ständig steigende Subventionen (1983: über 3 Mrd. Mark). Diese Preisgestaltung wird als bedeutender Bestandteil der Sozialpolitik der DDR besonders herausgestellt. Dennoch ist auch in der DDR der Pkw zu einem täglichen Gebrauchsgegenstand geworden und hat den Charakter eines Massenverkehrsmittels angenommen. Diesem Phänomen stehen die sozialistischen Planer [S. 1429]offensichtlich mit der gleichen Ohnmacht gegenüber wie westliche Verkehrspolitiker. Sie beschränken sich darauf, in Städten und Ballungsgebieten den öffentlichen Verkehr zu fördern und ihn effizienter zu gestalten.
Die bessere Koordinierung des öffentlichen Verkehrs (Eisenbahn, Bus und städtischer Nahverkehr), die Abstimmung der Strecken- und Liniennetze, die Beseitigung von Parallelverkehr, integrierte Erschließungs- und Bedienungssysteme zwischen Fern- und Regionalverkehr, Werkfahrgemeinschaften für die Personenbeförderung, die Schaffung von Fußgängerzonen und anderes mehr zielen in diese Richtung. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus, um die ursprünglich angestrebten Ziele im Verhältnis von Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr zu verwirklichen. Der Bau neuer Wohnsiedlungen fast ausschließlich an der Peripherie der Städte hat zur Folge, daß viele Wege, die vorher zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden konnten, nunmehr die Benutzung eines Verkehrsmittels erfordern. Die Frage, wie ohne nennenswerte Investitionen im städtischen Nahverkehrsangebot der öffentliche Verkehr auch nur stabilisiert, bzw. die in allen Ein- und Fünfjahrplänen immer wiederkehrende Forderung nach einem „sicheren, pünktlichen und zuverlässigen Berufsverkehr“ erfüllt werden kann, wird von Verkehrspolitikern der DDR substantiell nicht beantwortet. Das noch bis Ende der 70er Jahre propagierte Ziel, dem öffentlichen Verkehr absoluten Vorrang vor dem Individualverkehr zu geben, ist offenkundig verfehlt worden.
Luftverkehr. Obwohl der Inlandsflugverkehr 1980 vollständig eingestellt wurde, wurden von der Interflug 1983 rd. 1,3 Mill. Passagiere befördert. Auch die Beförderungsleistungen (Pkm) sind beträchtlich gestiegen. Die DDR bemüht sich seit Jahren, vor allem auch den Luftverkehr mit westlichen Metropolen zu verstärken, um Devisen zu erwirtschaften. Einzelne Landerechte wurden der Interflug gewährt (s. Vw. IV. Luftverkehrsangebot), andere, vor allem in den spanischen Feriengebieten, bisher verwehrt, zumeist mit dem Argument, sie würde durch Dumping-Preise den Wettbewerb verfälschen. Von der Konkurrenz Schönefelds fühlt sich besonders der West-Berliner Flughafen Tegel bedrängt. Etwa 200.000 West-Berliner bzw. Bundesbürger dürften derzeit jährlich Berlin-Schönefeld als Ziel- und/oder Abgangsflughafen benutzen. Kostengesichtspunkte sowie die geringe Anzahl der Direktverbindungen ab B.-Tegel dürften die wichtigsten Ursachen hierfür sein.
VI. Ausbildung
Der wissenschaftliche Nachwuchs für das V. kommt zum größten Teil von der 1952 gegründeten Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ in Dresden. Die Hochschule gliedert sich in 6 wissenschaftliche Sektionen: Marxismus-Leninismus; Verkehrs- und Betriebswirtschaft; Fahrzeugtechnik; Technische Verkehrskybernetik; Verkehrsbauwesen; Mathematik, Rechentechnik und Naturwissenschaften. Seit 1971 ist der Hochschule eine Sektion Militärisches Transport- und Nachrichtenwesen angegliedert (Aus- und Weiterbildung von Offizieren der Nationalen Volksarmee [NVA]; Lehre und Forschung in dieser Sektion werden vom Ministerium für Nationale Verteidigung bestimmt). Das Leitinstitut für Verkehrssicherheitsforschung in der DDR gehört ebenfalls zur Hochschule. Seit Gründung der Hochschule (1969) wurden (bis 1982) mehr als 16.000 wissenschaftliche Nachwuchskader für das Transport- und Nachrichtenwesen der DDR ausgebildet, etwa 1200 haben promoviert. Derzeit studieren an der Hochschule einschl. der Ausländer im Direkt- und Fernstudium und in allen Studienformen rd. 3.600 Studenten. Der Lehrkörper besteht aus etwa 700/800 Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Daneben gibt es noch die Ingenieurhochschule für Seefahrt in Warnemünde/Wustrow (gegr. 1969; rd. 1100 Studenten und 300 Professoren, Dozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter) sowie die Sektion Seeverkehrswirtschaft (Abschluß: Ingenieurökonom) an der „Wilhelm-Pieck-Universität“ in Rostock. Außerdem existieren noch zahlreiche Fachschulen, die Führungskräfte für untere und mittlere Leitungsfunktionen in allen Bereichen des Transportwesens ausbilden.
Von den etwa 470.000 Beschäftigten im Verkehrssektor (ohne Post- und Fernmeldewesen) haben etwa 15.000 (3,2 v.H.) einen Hochschul- und knapp 30.000 (6 v.H.) einen Fachschulabschluß.
Rainer Hopf
Literaturangaben
- Arndt, Otto: Die Aufgaben des Verkehrswesens der DDR im Fünfjahrplanzeitraum, in: DDR-Verkehr, Zeitschrift für komplexe Fragen der Planung und Leitung des Verkehrswesens. H. 6/1981, S. 185 ff. Berlin (Ost): transpress 1981.
- Buck, Hannsjörg F.: Rationalisierungsschwerpunkte im DDR-Verkehrswesen bis 1985, in: Deutschland Archiv, Nr. 5/1981, S. 487 ff. Köln: Wissenschaft und Politik 1981.
- Eisenbahn. Berlin (Ost): transpress 1981. (transpress Lexikon.)
- Hopf, Rainer: DDR: Individualverkehr nimmt weiter zu, in: Wochenbericht des DIW, Nr. 15/1982.
- Hopf, Rainer: DDR: Güterverkehr zurück zur Schiene, in: Wochenbericht des DIW, Nr. 8/1981.
- Hopf, Rainer: Transport- und Nachrichtenwesen, in: DDR und Osteuropa — Ein Handbuch. Opladen: Leske + Budrich GmbH 1981.
- Kramer, Erwin: Die Entwicklung des Verkehrswesens in der DDR. Berlin (Ost): transpress 1978.
- [S. 1430]Mieth, G., G. Teßmann u. J. Matthäi: Transportpreise. Berlin (Ost): transpress 1981.
- Ökonomie des Transports. Bd. 1 u. 2. Autorenkollektiv u. Ltg. v. Hermann Wagener. Berlin (Ost): transpress 1979.
- Paetzold, W., u. D. Hahn. Die Entwicklung der Verkehrsleistungen und die Proportionierung der Zweige, in: DDR-Verkehr, …, H. 2/1983, S. 34 ff. Berlin (Ost): transpress 1983.
- Reproduktion und Verkehr, in: DDR-Verkehr, …, H. 2/1982, S. 42. Berlin (Ost): transpress 1982.
- Reproduktion und Verkehr. Berlin (Ost): transpress 1982.
- Transport. Hrsg.: Günter Teßmann und Hermann Wagener. Berlin (Ost): transpress 1981. (transpress Lexikon.)
- Weymar, Thomas: Das Auto — Statussymbol auch im Sozialismus, in: Deutschland Archiv, Nr. 3/1977, S. 271 ff. Köln: Wissenschaft und Politik 1977.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1417–1430