DDR von A-Z, Band 1985

Zahlungs- und Verrechnungsverfahren (1985)

 

 

[S. 1531]1. Systembedingte Besonderheiten des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs. Im Unterschied zu den Marktwirtschaften ist in den sowjet-sozialistischen Zentralplanwirtschaften der inländische Zahlungs- und Verrechnungsverkehr zwischen Lieferanten und Beziehern von Gütern und Dienstleistungen strikt vom Zahlungs- und Verrechnungsverkehr im grenzüberschreitenden Leistungsaustausch getrennt. Diese Trennung ist sowohl Folge der politisch gewollten außenwirtschaftlichen Abriegelung des Inlands als auch Konsequenz der unterschiedlichen Qualität der Währungen in den beiden alternativen Wirtschaftsordnungen (konvertible Währungen in den Marktwirtschaften; nicht-konvertible Binnenwährungen in den Zentralplanwirtschaften).

 

Nachstehend werden die Verfahren beschrieben und analysiert, die innerhalb des Wirtschaftsgebildes der DDR für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs a) zwischen den Betrieben aller Eigentumsformen, b) zwischen den privaten Haushalten und c) zwischen diesen beiden Gruppen von Wirtschaftseinheiten und den Staatsinstanzen und öffentlichen Einrichtungen gesetzlich vorgeschrieben sind.

 

Im Gegensatz zu den Unternehmen in den Marktwirtschaften können die Staatsbetriebe nicht nach eigenem Gutdünken darüber entscheiden, auf welche Weise die zwischen ihnen ausgetauschten Güter und Leistungen bezahlt werden sollen. Sowohl die Festlegung der einzelnen ZuV., welche die Staatsbetriebe benutzen müssen, als auch die Bestimmung der Zahlungsmodalitäten (Zahlungsfristen, Fälligkeit, Höhe der Verzugszinsen) fallen in der DDR in die Zuständigkeit des Staates (Gesetzgeber). Die Vorschriften über die ZuV. sind jetzt in der Zahlungsverkehrs-VO vom 13. 10. 1983 festgelegt (vgl. GBl. I, S. 293 ff.; vgl. für die vorher geltenden Regelungen die VO vom 12. 6. 1968, GBl. II, S. 423 ff., und vom 12. 5. 1969, GBl. II, S. 261 ff.).

 

2. Verrechnungsverfahren und Wirtschaftsreform. Bis zur Mitte der 60er Jahre erfolgte die Begleichung von Geldforderungen innerhalb des Bereiches der staatlichen und der genossenschaftlichen Wirtschaftsbetriebe vorwiegend durch 2 Einkassierungsverfahren.

 

Im Zeitraum von 1952 bis 1961 wurden kommerzielle Geldforderungen in der Regel durch das „Rechnungseinzugs-Verfahren“ (RE-Verfahren) realisiert. In den Jahren von 1961 bis 1964 trieben die Banken die Forderungen ihrer Kunden zumeist mit Hilfe des „Forderungseinzugs-Verfahrens“ (FE-Verfahren) ein. Durch beide Verfahren wurde zwar die gewünschte schnelle Refinanzierung der Verkäufer von Waren und Dienstleistungen erreicht, zugleich jedoch die Stellung der Käufer (Nachfrager) enorm geschwächt. Aufgrund des mit diesen Verfahren gekoppelten Abbuchungsautomatismus konnten die Käufer vor der Zahlung weder die Qualität der angelieferten Waren ausgiebig prüfen noch pflichtvergessene Lieferanten mit Sanktionen bestrafen, indem sie bei festgestellten Liefermängeln die Zahlung verweigerten oder Preisnachlässe verlangten.

 

Die Folge dieser Anbietermacht der Verkäufer auf einem zumeist unterversorgten Binnenmarkt war, daß diese sich nur ungenügend für eine Qualitätsverbesserung ihrer Erzeugnisse einsetzten und sich ferner nur wenig um die Entwicklung neuer Produkte mit einem höheren Gebrauchswert kümmerten. Aufgrund dieser vor allem von den Binnen- und Außenhandelsbetrieben immer wieder heftig beklagten Mängel entschloß sich die Wirtschaftsführung der DDR nach Beginn der Wirtschaftsreform 1965 (Neues Ökonomisches System [NÖS]), den bis dahin bevorzugten Zahlungsautomatismus aufzugeben und grundlegend umgestaltete ZuV. einzuführen. Dies geschah in Form der Umstellung des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs auf das Überweisungs- und das Scheckverfahren. Durch sie wurden die Einflußmöglichkeiten der Nachfrager auf die Struktur und die Qualität des Warenangebotes erheblich verstärkt. Seitdem können die Käufer beim Abschluß von Kaufverträgen innerhalb der ihnen gesetzlich eingeräumten Mitbestimmungsbefugnisse mit darüber entscheiden, an welchem Termin nach Abschluß der Wareneingangskontrolle der geschuldete Kaufpreis gezahlt werden soll. Außerdem befinden sie seitdem auch darüber, ob die erhaltene Lieferung tatsächlich die volle Überweisung der geforderten Preise rechtfertigt oder nicht.

 

3. Die staatlich vorgeschriebenen Zahlungs- und Verrechnungsverkehre. Abgesehen von den Verbindlichkeiten, bei denen der Staat zugestimmt hat, daß sie auch bar beglichen werden können (z.B. Lohn- und Prämienzahlungen, Bagatellrechnungen), stehen den genannten Betrieben, Banken und Einrichtungen insgesamt 4 Verfahren zur Verfügung, um Forderungen ihrer Gläubiger bargeldlos zu begleichen:

  • a) das Überweisungsverfahren;
  • b) das Scheckverfahren;
  • c) das Lastschriftverfahren (Begleichung von Forderungen durch automatische Abzüge vom Sichtguthabenkonto) und
  • d) die Stellung eines Akkreditivs.

 

Alle Produktionsorganisationen und öffentlichen Einrichtungen, für welche die Zahlungsverkehrs-Verordnung gilt, sind verpflichtet, untereinander vertragliche Vereinbarungen darüber zu treffen, welches der 4 Zahlungsverfahren (einschließlich der mit ihm gekoppelten Zahlungsfristen) für beide Vertragspartner am zweckmäßigsten ist.

 

Mit der Vorgabe von standardisierten Verfahren zur Abwicklung des Verrechnungsverkehrs verfolgt die Wirtschaftsführung vor allem folgende Ziele: Sie will 1. die Produktionsorganisationen (VEB, LPG usw.) dazu [S. 1532]zwingen, möglichst alle Forderungen, die sie aufgrund von Warenlieferungen und Leistungen erworben haben, bargeldlos einzuziehen, sie will 2. die obligatorisch bargeldlose Einziehung von Forderungen nutzen, um die Produktionsleistungen der Lieferbetriebe zu kontrollieren, 3. mit Hilfe der normierten Verrechnungsverfahren und Zahlungsfristen eine schnelle Refinanzierung der Gläubiger über das Gironetz der Banken und Postscheckämter herstellen, 4. durch verbindliche Verrechnungsregeln eine pünktliche Begleichung von Verpflichtungen erreichen, 5. trotz des Drucks auf die Schuldner, ihre Verbindlichkeiten schnell und vorschriftsgetreu zu erfüllen, sicherstellen, daß diesen genügend Zeit verbleibt, um die erhaltenen Waren vor der Bezahlung auf die Einhaltung der vereinbarten Qualitäten zu überprüfen.

 

Der Erreichung dieser Ziele dienen vor allem 2 Maßnahmen: erstens die durch den Gesetzgeber festgeschriebene Verpflichtung, daß alle Produktionsorganisationen bei den ihnen als Geschäftspartner zugewiesenen Hausbanken eine bestimmte Zahl von spezifizierten Girokonten unterhalten müssen (Kontenführungspflicht). Zweitens wurden die Geld- und Kreditinstitute gesetzlich verpflichtet, Zahlungen z.B. zur Begleichung von Forderungen aus Warenlieferungen nur zugunsten der Girokonten der Gläubiger zu leisten, nicht jedoch diesen die ihnen geschuldeten Geldsummen bar auszuzahlen.

 

Seit dieser Umgestaltung sind das Überweisungs- und das Scheckverfahren die beiden am häufigsten benutzten Methoden, um auf der Ebene der VEB und Kombinate Geldforderungen zu begleichen, während das Lastschriftverfahren weniger Verwendung findet (siehe die entsprechenden Einzelstichworte).

 

Das Akkreditivverfahren darf dann angewendet werden, wenn der Verkäufer Zweifel hat, ob der Käufer seine Schulden tatsächlich pünktlich bezahlen wird. Außerdem haben die Geld- und Kreditinstitute das Recht, die Stellung eines Akkreditivs zu verlangen, wenn sie zuvor schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsdisziplin eines Geschäftspartners ihres Kunden gemacht haben (Näheres siehe in der Akkreditiv-AO vom 3. 9. 1964, GBl. II, S. 769 ff.).

 

4. Barzahlungen. In der DDR dürfen Betriebe, Produktionsgenossenschaften und Staatsorgane nur dann Verbindlichkeiten bar begleichen, wenn es sich um Forderungen von Privatpersonen handelt. Aus diesem Grunde sind Zahlungen mit Bargeld auf die Auszahlung von Löhnen, Gehältern, Prämien, Lehrlingsentgelten, Stipendien, Renten, Sozialleistungen und auf die Vergütung der Arbeitsleistungen von Genossenschaftsmitgliedern beschränkt. Barzahlungen für Leistungen anderer Betriebe sind nur in Bagatellfällen zulässig, wenn die Nutzung des Giroverkehrs unzweckmäßig ist. Bei Barzahlungen an andere Betriebe soll ein Betrag von 200 Mark nicht überschritten werden.

 

Über die Verwendung der abgehobenen Bargeldmengen müssen die Produktionsorganisationen und öffentlichen Einrichtungen dem für sie zuständigen Geld- und Kreditinstitut Rechenschaft geben.

 

Soweit Bürger der DDR untereinander Barzahlungen über größere Entfernungen durchführen möchten, können sie dies mit Hilfe einer Postanweisung tun (Postscheckdienst). Die an den Schaltern der Deutschen Post zugunsten eines Dritten eingezahlten Barbeträge erhält dieser bar ausbezahlt. Zur Erleichterung und Vereinfachung des Zahlungsverkehrs innerhalb der Bevölkerung können solche Zahlungsanweisungen über die Post auch an die örtlich zuständige Zweigstelle der Sparkasse des Begünstigten weitergeleitet und dort bar ausbezahlt oder seinem Konto gutgeschrieben werden (vgl. Postscheckordnung vom 17. 5. 1968, GBl. II, S. 343 ff.).

 

5. Fälligkeit von Geldverbindlichkeiten. Der Gesetzgeber hat alle VEB, Kombinate und Produktionsgenossenschaften verpflichtet, mit ihren Lieferanten „ökonomisch begründete Zahlungsfristen zu vereinbaren“ (vgl. § 2 der Fälligkeits-AO vom 13. 10. 1983). Bei Warenlieferungen, die nur eine kurze Prüfzeit verlangen, wird vom Gesetzgeber eine Zahlungsfrist von 5 oder 14 Tagen vorgeschrieben. Voraussetzung für die Übernahme dieser Zahlungsfrist in den Wirtschaftsvertrag ist jedoch, daß die Transportzeit für die Anlieferung in der Regel 3 Tage nicht übersteigt. Eine Zahlungsfrist von 21 oder 28 Tagen ist für jene Warenlieferungen zugelassen, bei denen die Funktions- und Qualitätsüberprüfung längere Zeit in Anspruch nimmt. Über 28 Tage hinaus dürfen Wirtschaftspartner jedoch keine Zahlungsfristen vereinbaren. Bei Anwendung des Überweisungs- und des Scheckverfahrens ist der Rechnungsbetrag jeweils am letzten Tag der Zahlungsfrist fällig.

 

In der DDR gibt es somit bei der Zahlung und Verrechnung von Forderungen zwar gewisse Zahlungsziele, die im Interesse einer Leistungskontrolle der Produzenten durch die Nachfrager unentbehrlich sind, diese Zahlungsfristen haben jedoch keine Ähnlichkeit mit den in den Marktwirtschaften üblichen Lieferantenkrediten.

 

6. Formularstrenge innerhalb des Wirtschaftsgebildes. In der DDR ist die Staatsbank mit ihrem weitverzweigten Filialnetz das Verrechnungszentrum für den gesamten Leistungsaustausch innerhalb der Volkswirtschaft. Sie hat zur Vereinfachung und Beschleunigung der technischen Abwicklung des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs dafür zu sorgen, daß alle Geld- und Kreditinstitute, Behörden, gesellschaftlichen Organisationen und Wirtschaftsbetriebe einheitliche Vordrucke (Auftraggeber- und Empfängerbelege), Datenträger, Dokumentenbögen und Sicherungsmittel benutzen. In Übereinstimmung mit dem immer stärkeren Einsatz von EDV-Anlagen in den Banken und Betrieben und der fortschreitenden Automatisierung des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs werden alle schriftlichen Kundeninformationen sowie sämtliche anderen Beleg- und Dokumentenvorlagen immer mehr auf maschinenlesbare Datenträger umgestellt (Information). Vgl. die AO über die Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung im Zahlungsverkehr vom 12. 5. 1970, GBl. II, S. 317 ff.).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1531–1532


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.