Zentralkomitee (ZK) der SED (1985)
Siehe auch:
- Zentralkomitee der SED (ZK): 1969
Das ZK der SED ist „zwischen den Parteitagen das höchste Organ der Partei und leitet ihre gesamte Tätigkeit. Es vertritt die Partei im Verkehr mit anderen Parteien und Organisationen“ (Statut der SED von 1976, Pkt. 39).
In den ersten Jahren nach ihrer Gründung stand an der Spitze der SED ein Parteivorstand. Erst mit Umwandlung der SED in „eine Partei neuen Typus“ wurde die Führungsstruktur der Partei an die der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) angeglichen. Der III. Parteitag der SED (20.–24. 7. 1950) wählte erstmals ein ZK.
1. Wahl und Zusammensetzung des Zentralkomittes. Das ZK setzt sich aus Mitgliedern mit vollem Stimmrecht und Kandidaten mit beratender Stimme zusammen. Die Mitgliederzahl ist nicht verbindlich festgelegt und hat sich seit 1950 wie folgt entwickelt:
Die Mitglieder und Kandidaten des ZK werden aufgrund eines zuvor von der amtierenden Parteiführung ausgearbeiteten Vorschlages vom Parteitag gewählt. Die Wählbarkeit ist an eine mindestens 6jährige Mitgliedschaft in der SED gebunden. Ausnahmen von dieser Bestimmung bedürfen der Bestätigung des Parteitages, der formal auch die Zahl der Mitglieder bzw. der Kandidaten des ZK festlegt.
Die Zusammensetzung des ZK kann sich zwischen den Parteitagen verändern. Das ZK hat das Recht, für ausgeschiedene Vollmitglieder aus der Reihe seiner Kandidaten neue Vollmitglieder zu wählen. Das vom X. Parteitag (April 1981) gewählte ZK hatte ursprünglich 156 Mitglieder und 57 Kandidaten. Da in der Folgezeit durch Tod ausgeschiedene Vollmitglieder aus der Reihe der Kandidaten ersetzt wurden, reduzierte sich bis 1984 die Zahl der Kandidaten auf 51.
Im übrigen ist der Status des Kandidaten aber keineswegs Voraussetzung für die Vollmitgliedschaft im ZK. Das auf dem X. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei (SED) gewählte ZK umfaßt 33 Mitglieder, die erstmals diesem Gremium angehören. Von ihnen waren jedoch nur 15 zuvor Kandidaten des ZK. Aus dieser Feststellung ergibt sich ferner, daß der Kandidatenstatus keineswegs mit Sicherheit eine spätere Vollmitgliedschaft im ZK erwarten läßt. So blieb die Zahl der Kandidaten im ZK des IX. Parteitages und des X. Parteitages gleichhoch (57). Von diesen waren 1981 jedoch 23 erstmals gewählt worden. Demnach sind 8 Kandidaten, die 1976 ins ZK aufgerückt waren, ausgeschieden. Insgesamt sind diese Veränderungen als geringfügig anzusehen. Seit Jahren zeichnet sich die Parteiführung der SED (ZK, Politbüro des ZK der SED, Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED) durch Stabilität und kaderpolitische Kontinuität aus.
Das Durchschnittsalter der Mitglieder und Kandidaten des ZK lag 1963 bei 45, 1971 bei 51 und 1981 bei 55 Jahren. Diese Zunahme im Durchschnittsalter ist ein weiterer Beleg für die relativ geringfügigen Veränderungen auf dieser obersten Führungsebene. Dieser Trend steht jedoch im Gegensatz zur Entwicklung der Altersstruktur der Gesamtmitgliederschaft der SED, in der sich z.B. von 1966 bis 1981 der Anteil der Mitglieder zwischen 31 und 40 Jahren von 25,1 auf 42,5 v.H. erhöht hat. 1981 waren 59,7 v.H. aller SED-Mitglieder jünger als 50 Jahre. Eine ähnliche Diskrepanz zeigt sich auch in der Berücksichtigung von Frauen in den Führungsgremien der Partei. Während 1982 34 v.H. aller Mitglieder und Kandidaten der Gesamtpartei Frauen waren, lag ihr Anteil an den ZK-Mitgliedern nur bei 11,5 v.H.
75 v.H. aller Mitglieder und Kandidaten sind Hoch- oder Fachschulabsolventen (einschl. Absolventen von Parteischulen). Die überwiegende Zahl der ZK-Mitglieder und Kandidaten kommt hauptberuflich aus dem zentralen oder territorialen Partei- bzw. Staatsapparat (einschl. Wirtschaftsleitung, Sicherheitsorgane, Nationale Volksarmee [NVA]). Weiter rekrutiert sich das ZK aus dem Führungspersonal der wichtigsten Massenorganisationen sowie den Leitungen wissenschaftlicher bzw. kultureller Institutionen. Auffällig ist [S. 1541]der Rückgang an ZK-Mitglieder bzw. Kandidaten, die Fachleute in Industrie und Landwirtschaft sind. Der Anteil betrug im Zeitraum 1971–1981 zwischen 13 und 15 v.H. Insgesamt gesehen sind im ZK die wichtigsten Institutionen des politischen Systems der DDR mit ihren Führungspersonen vertreten. Dabei dominieren die Vertreter aus dem zentralen Apparat der SED, denen die Ersten Sekretäre der SED-Bezirksleitungen hinzuzurechnen sind. Die Zugehörigkeit zum ZK bestimmt nicht nur den politischen Rang der Personen, die Mitglied bzw. Kandidat dieses Gremiums sind; in ihr kommt auch das politische Gewicht der von dem einzelnen eingenommenen Position bzw. der von ihm geleiteten Institution zum Ausdruck.
2. Aufgaben des Zentralkomittes. Das Parteistatut zählt zahlreiche bedeutsame Aufgaben des ZK auf. Das ZK entsendet „die Vertreter der Partei in die höchsten leitenden Organe des Staatsapparates und der Wirtschaft“; es bestätigt die Kandidaten der SED für die Volkskammer und „lenkt die Arbeit der gewählten zentralen staatlichen und gesellschaftlichen Organe und Organisationen durch die in ihnen bestehenden Parteigruppen“. Diese Aussagen des Statuts müssen jedoch relativiert werden. Zur politischen Leitung der Arbeit der Partei zwischen den Sitzungen des ZK wählt dieses das Politbüro und zur Durchführung der laufenden Arbeiten — „hauptsächlich zur Durchführung und Kontrolle der Parteibeschlüsse und zur Auswahl der Kader“ — das Sekretariat des ZK. Diese beiden Gremien sind faktisch die Träger der Entscheidungsprozesse in der SED und damit in der DDR.
Die gegenüber den Aussagen des Statuts sehr viel bescheidenere Rolle des ZK ergibt sich nicht zuletzt aus der ebenfalls in der Satzung der SED enthaltenen Bestimmung, daß das ZK „mindestens einmal in 6 Monaten eine Plenartagung“ abzuhalten hat.
Zwischen April 1981 (X. Parteitag) und Mai 1984 hat das ZK 8 Tagungen abgehalten. Zwischen Juli 1971 (VIII. [S. 1542]Parteitag) und Mai 1976 (IX. Parteitag) waren es 18 und zwischen Mai 1976 und April 1981 lediglich 14 Plenartagungen. Zwischen dem III. (1950) und IV. (1954), zwischen dem IV. und dem V. (1958), zwischen dem V. und dem VI. (1963) Parteitag fanden jeweils 18 ZK-Sitzungen statt, zwischen dem VI. und dem VII. (1981) gab es 15 und zwischen dem VII. und dem VIII. Parteitag 17 Plenartagungen. Schon diese verhältnismäßig geringe Zahl an Sitzungen macht deutlich, daß das ZK die ihm zugedachten Funktionen nicht wahrnehmen kann. Es hat demgegenüber ganz offensichtlich eine legitimatorische Aufgabe für die Beschlüsse, die die engere Parteiführung faßt.
Dieser Eindruck wird durch den Ablauf der Tagungen weitgehend bestätigt. Das Plenum nimmt jeweils einen Rechenschaftsbericht des Politbüros über dessen Arbeit seit der letzten ZK-Tagung entgegen und diskutiert ihn. Die Diskussion konzentriert sich auf die Erstattung von Erfahrungsberichten und auf Überlegungen über eine optimale Umsetzung der jeweils aktuellen Parteibeschlüsse innerhalb der einzelnen Verantwortungsbereiche der ZK-Mitglieder und Kandidaten, die sich an der Diskussion beteiligen. Ferner werden auf den Plenarsitzungen des ZK Grundsatzreferate von Mitgliedern bzw. Kandidaten des Politbüros zu aktuellen Themen gehalten, die ebenfalls im obigen Sinne diskutiert werden. Zu wichtigen Problemkomplexen können auch Experten und Funktionäre aus betroffenen Bereichen, die selbst nicht ZK-Mitglieder sind, hinzugezogen werden (Neuerung des 4. Statuts von 1963). Von dieser Satzungsbestimmung wurde besonders in den 60er Jahren Gebrauch gemacht. In jüngerer Zeit dagegen haben kaum noch derartige „Externe“ auf ZK-Tagungen gesprochen, was nicht ausschließt, daß sie als Teilnehmer anwesend waren.
Der Politbürobericht, die Referate und Diskussionen werden — zumeist nur in Auszügen — im „Neuen Deutschland“ (Zentralorgan der SED) veröffentlicht. Ferner erscheinen über die ZK-Sitzungen Broschüren. Die jeweiligen „Materialien“ von ZK-Sitzungen müssen von den Parteileitungen und allen Parteimitgliedern für die konkrete Parteiarbeit „ausgewertet“ werden. In ihnen findet sich die jeweils aktuelle Linie der Partei, die für alle Teile des politischen und ökonomischen Systems der DDR verbindlich ist. Personelle Veränderungen, über die das ZK zu beschließen hat, werden in aller Regel nur in ihren Ergebnissen veröffentlicht. Inwieweit es Personaldiskussionen gibt, ist nicht feststellbar.
Der tatsächliche Einfluß des ZK-Plenums auf Personalpolitik und Generallinie der Partei ist nur schwer abzuschätzen. Immerhin lehrt die Geschichte der SED, aber auch die Entwicklung in den „Bruderparteien“, daß das ZK in Krisensituationen durchaus ein kontrovers diskutierendes Führungsgremium von Bedeutung werden kann (z.B. 1956–1958 Ungarnaufstand, XX. Parteitag der KPdSU und seine Folgen, innerparteiliche Opposition um Schirdewan, Oelßner, Ziller, Selbmann, Wollweber). Wichtiger scheint zu sein, daß die ZK-Mitglieder und Kandidaten einen unmittelbaren Zugang zur engeren Parteiführung und zum Apparat des ZK haben und dort sowohl ihre eigenen Auffassungen als auch die Sicht ihrer Institutionen unmittelbar in den Entscheidungsprozeß einbringen können. Darüber hinaus wird man davon ausgehen können, daß sie auch über einen besseren Zugang zu internen Informationen verfügen, die sie befähigen, in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen — besser als andere — politische Situationen einzuschätzen.
Das ZK wählt nicht nur die engere Parteiführung, sondern auch die Zentrale Parteikontrollkommission (Parteikontrollkommissionen der SED). Ferner bedürfen die Redaktionskollegien der Zentralorgane („Neues Deutschland“, „Einheit“, „Neuer Weg“) ebenso wie die Leiter der Abteilungen des ZK-Apparates der Bestätigung durch das ZK. Dieser wird wesentlich vom Sekretariat des ZK angeleitet und bereitet dessen Entscheidungen ebenso vor, wie die des Politbüros.
Darüber hinaus kann das ZK in Parteiorganisationen wichtiger gesellschaftspolitischer Bereiche Parteiorganisatoren einsetzen und/oder Sonderabteilungen einrichten. Inwieweit hier nur in seinem Namen gehandelt wird oder inwieweit das ZK selbst aktiv wird, ist nicht bekannt. Das Recht des ZK, zwischen den Parteitagen Parteikonferenzen einzuberufen, ist in jüngerer Zeit nicht genutzt worden. (Parteitag/Parteikonferenz der SED.)
Ständig oder zeitweilig sind dem ZK bzw. dem Politbüro — gelegentlich zusammen mit dem Ministerrat oder dessen Präsidium — Kommissionen oder Arbeitsgruppen zugeordnet, die einzelne Sachgebiete übergreifende Aufgaben des ZK oder des Ministerrates koordinieren bzw. Beschlüsse zu deren Lösung vorbereiten sollen. Als ständige Kommissionen sind bekanntgeworden: die Kommission für nationale Sicherheit (Egon Krenz, Vors.) und die Kommission für Agitation; zur Vorbereitung des IX. Parteitages (1976) haben außerdem die Kommission für die Überarbeitung des Parteiprogrammes (Erich Honecker, Vors.) und die Kommission zur Überarbeitung des Parteistatuts (Paul Verner, Vors.) gearbeitet.
Ferner sind dem ZK die zentralen Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Partei zugeordnet: die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) (Direktor: O. Reinhold), das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML) (Direktor: G. Heyden), das Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZSW) (Direktor: H. Koziolek), die Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED (PHS) (Direktor: K. Tiedke) sowie weitere Institute und Schulen zur Kaderaus- und -weiterbildung. Andere Institutionen — wie z.B. das Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW) (Direktor: M. Schmidt; das IPW untersteht dem Ministerrat) — arbeiten eng mit einzelnen ZK-Abteilungen zusammen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1540–1542
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