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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2013

Das Sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 273-280 | Aufbau Verlag

Autor/in: Steffi Töpfer

Zur prekären Lage eines prominenten sowjetischen Erinnerungsortes im geteilten Berlin 1945–1990

Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR befinden sich ungefähr 850 sowjetische Gedenkstätten und Friedhöfe. Neben der zweifellos bekanntesten Anlage dieser Art, dem Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow,1 ist nach der Friedlichen Revolution von 1989 und der Wiedervereinigung Berlins auch ein anderes Monument der ehemaligen sowjetischen Besatzer wieder verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Das bereits im November 1945 in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tores eingeweihte Ehrenmal im Berliner Tiergarten wurde zwar bewusst im Zentrum der ehemaligen Reichshauptstadt errichtet. Nach der faktischen Teilung der Stadt in die sowjetische und die drei westlichen Besatzungszonen und endgültig nach dem Mauerbau geriet die Anlage am östlichen Rand des britischen Sektors aber in Vergessenheit.

Der folgende Beitrag beleuchtet die Entstehung des Ehrenmals sowie seine Wirkungsgeschichte zwischen 1945 und 1990 als Denkmal der sowjetischen Besatzer in West-Berlin und untersucht damit einen interessanten Aspekt der Teilungsgeschichte der Stadt. Es wird zu zeigen sein, dass dieses Denkmal – ungeachtet verschiedener Bemühungen der sowjetischen Besatzer – von Anfang an ein sowjetisches war und weder in der Erinnerungslandschaft der DDR noch West-Berlins einen Platz finden konnte.

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Der »unbekannte Soldat« der Kriegsdenkmäler bleibt stets an eine im Kern monarchische Denkmaltradition zurückgebunden, so die bekannte These Reinhart Kosellecks.2 Illustriert wird dieser Befund durch die Tatsache, dass sich in vielen europäischen Hauptstädten der »unbekannte Soldat« in der Nähe von bzw. unmittelbar zusammen mit alten monarchischen Denkmalorten nachweisen lässt. Auch der Standort des Sowjetischen Siegesdenkmals im Tiergarten ist dafür exemplarisch. 1945 wurde es im zerstörten Tiergarten exakt an der Kreuzung der durch die nationalsozialistische Stadtplanung ausgebauten Ost-West- und Nord-Süd-Achse erbaut. Die Ost-West-Achse – die heutige »Straße des 17. Juni« – führte dabei vom Brandenburger Tor Richtung Charlottenburg, während die nie fertig gestellte und heute gänzlich verschwundene Nord-Süd-Achse als verbreiterte und umgestaltete ehemalige »Siegesallee« geplant war. Diese als persönlicher Ausdruck dynastischer Repräsentation maßgeblich durch Kaiser Wilhelm II. selbst konzipierte und finanzierte Allee säumten bis zur Umgestaltung 1938 32 Denkmäler, welche die Fürsten Brandenburgs und Preußens von Markgraf Albrecht dem Bären (1134–1170) bis Kaiser Wilhelm I. (1861–1888) sowie bedeutende Zeitgenossen darstellten. Der Standort des Sowjetischen Ehrenmals nahm diese ältere Denkmaltradition wieder auf, die durch die Nähe des Brandenburger Tores und des niedergebrannten Reichstages – einem der wichtigsten Symbole für den Sieg der Sowjetunion – aus Sicht der Roten Armee zusätzliche Plausibilität gewann. Hierzu trug auch die bereits von den Zeitgenossen verbreitete Legende bei, das Ehrenmal sei zum Teil aus dem Marmor der Neuen Reichskanzlei, dem Regierungssitz Hitlers in der Voßstraße erbaut worden. Aussagekräftige Belege existieren hierüber jedoch nicht.3

Genaue Aussagen über Motivation und Entscheidungsfindung bei der Wahl des Standortes sind ebenfalls nicht möglich, da weder der Befehl zur Erbauung der Anlage auffindbar ist, noch Verhandlungen zwischen der sowjetischen und britischen Militärregierung über die Wahl des Standortes dokumentiert sind. Der Befehl wurde wahrscheinlich noch im Mai 1945 von Marschall Georgij K. Žukov gegeben, noch bevor die sowjetischen Truppen den für die Briten vorgesehenen Sektor zu räumen begannen. Als Architekt des Denkmals fungierte Nikolaj V. Sergievski, als Bildhauer waren Lev E. Kerbel und Vladimir E. Zigal beteiligt. Die Errichtung selbst übernahmen in erster Linie deutsche Arbeiter, wobei der Erbauungszeitraum mit gut zwei Monaten äußerst knapp bemessen und bei der Einweihung des Ehrenmals am 11. November 1945 die Anlage folglich noch nicht fertig war. Vor allem die zentrale Denkmalsfigur fehlte, weshalb zunächst nur eine bronzierte Gipsfigur des Soldaten aufgestellt wurde und die gärtnerischen Arbeiten erst im November 1946 abgeschlossen werden konnten.

Die gesamte Anlage umfasst ungefähr 27 000 Quadratmeter. Das Hauptmonument – ein ungefähr acht Meter hoher bronzener Soldat der Roten Armee, der auf einem erhöhten Pfeiler steht – ist von einer durch Treppenstufen ebenfalls erhöhten Kolonnade umrahmt. Auf den sechs Pfeilern der Kolonnaden sind die Namen von gefallenen Soldaten sowie die Embleme der Waffengattungen der Roten Armee in vergoldeten Lettern angebracht. Dem Monument vorgelagert sind zwei Kenotaphe, auf denen ebenfalls in vergoldeten Buchstaben die Namen von gefallenen Offizieren zu lesen sind, die 1945 als »Helden der Sowjetunion« geehrt wurden. Synchron vor dem Hauptmonument stehen links und rechts je zwei sowjetische »T 34-Panzer« sowie Geschütze. Die Panzer sollen in den Endkämpfen um Berlin die Stadt als erste erreicht haben.

Geht man unter den Kolonnaden des Hauptmonuments hindurch, sind die ehemaligen Unterkunftshäuschen der von 1945 bis 1990 dort postierten sowjetischen Wachmannschaften sichtbar, an deren Außenwänden seit 2001 Informationstafeln über das Ehrenmal und den historischen Kontext seiner Entstehung angebracht sind. Zudem befinden sich – abgetrennt durch hohe Hecken und ebenfalls synchron links und rechts hinter dem Hauptmonument – zwei Wasserfontänen.

Wie alle Ehrenmale der Sowjetunion lässt auch die Anlage im Tiergarten nur ein weitgehend anonymes und per se heroisches Gedenken an die Gefallenen des Großen Vaterländischen Krieges zu. So sind von den wahrscheinlich im hinteren Teil der Anlage bestatteten 2000 bis 2500 Soldaten der Roten Armee nur ungefähr 100 namentlich auf den Säulen der Kolonnaden sowie auf den Kenotaphen vermerkt. Auch fehlt ein expliziter Hinweis auf die ethnische Vielfalt der Roten Armee, zumal wenn man bedenkt, dass hauptsächlich Soldaten der Ukrainischen und Belorussischen Front bei der Einnahme Berlins kämpften. Hier zeigt sich, dass das individuelle Gedenken an die Gefallenen gegenüber der Monumentalität der Stalin-Architektur völlig in den Hintergrund trat.

Über die Wahrnehmung der Erbauung und Einweihung dieses Siegesdenkmals im Herbst 1945 in der deutschen Bevölkerung existieren kaum Quellen. Der Tiergarten war stark vom Krieg zerstört, der ausgebrannte Reichstag befand sich in unmittelbarer Sichtweite der Baustelle und die Deutschen waren den täglichen Übergriffen der Roten Armee schutzlos ausgesetzt. Allein der Umstand, dass ausschließlich die Tägliche Rundschau, das Sprachrohr der sowjetischen Politik, ausführlich über die Einweihung des Ehrenmals sowie über Sinn und Symbolik der Anlage berichtete, zeigt die ambivalente Resonanz in der Öffentlichkeit. Bei der Einweihung wurde die Sowjetunion durch ihre ranghöchsten Vertreter repräsentiert, allen voran Marschall Žukov. Die Amerikaner, Briten und Franzosen entsandten dagegen nur Vertreter der »Unterabteilungen der alliierten Garnison Berlins«.4 Lediglich der sowjetische Generalleutnant Konstantin F. Telegin, welcher angeblich für die Wahl des Standortes des Ehrenmals und für die Einleitung der Baumaßnahmen verantwortlich gewesen war, hielt eine Ansprache. Immer wieder verweist er darin auf die »entscheidende Rolle der Roten Armee beim Erringen des Sieges«.5 Die Grundtendenz der Rede ist eindeutig: Die Rotarmisten sind die herausragenden Sieger, die Deutschen sind die Besiegten, die übrigen alliierten Truppen haben die Rolle von Zaungästen.

Die Anlage wurde seit 1945 vor allem von Mitgliedern der östlichen Besatzungstruppen ausschließlich an sowjetischen Feiertagen genutzt, etwa dem Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution am 7. November, dem Tag der Sowjetarmee am 23. Februar sowie am 9. Mai, dem sowjetischen Tag des Sieges. Der 8. Mai, als deutscher Gedenktag an das Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde bei der Nutzung des Ehrenmals bis 1990 kontinuierlich umgangen. Seit der politischen Teilung Berlins und endgültig nach dem Mauerbau beschränkte sich der Teilnehmerkreis der sowjetischen Gedenkveranstaltungen von deutscher Seite auf die Mitglieder des West-Berliner Ablegers der SED (SEW). Die allenfalls punktuelle Berücksichtigung des Denkmals in den ost- und westdeutschen Medien, die sich in der Regel auf den Vermerk von Kranzniederlegungen mit ausschließlich sowjetischen und osteuropäischen Teilnehmern beschränkte, unterstreicht, dass die Anlage als ein ausschließlich sowjetischer Ort wahrgenommen wurde.

Ungeachtet der von Beginn an klaren symbolischen Konnotierung als wichtigstes Siegesdenkmal durch sowjetische Vertreter war die administrative Zuständigkeit von Anfang an unübersichtlich. Zwar war der Berliner Magistrat faktisch bereits seit 1946 für den finanziellen Unterhalt der Anlage verantwortlich, aber erst zum 1. April 1948 wurde den deutschen Behörden von der sowjetischen Zentralkommandantur die Administration für das Ehrenmal formal übertragen. Als sich wenige Wochen später mit der Abriegelung der Westsektoren und der Berliner Luftbrücke die Teilung der Stadt abzuzeichnen begann, wurde auch die Stellung des Sowjetischen Ehrenmals prekär. Es lag, bewacht von den Soldaten der Roten Armee im britischen Sektor, während – nach der Teilung der Stadtverwaltung – der Magistrat Ost-Berlins für den finanziellen Unterhalt aufkommen und die Pflege organisieren sollte. Hier wechselte die administrative Zuständigkeit für das Ehrenmal anfangs zwischen Abteilungen des Magistrats sowie dem Rat des Stadtbezirks Mitte, lag jedoch seit 1967 kontinuierlich beim Stadtgartenamt, das dem Magistrat der Stadt unterstellt war. Die Mittel für den laufenden Unterhalt wurden seit 1968 aus dem Haushalt des Stadtgartenamtes gedeckt und waren – gemessen an der seltenen Nutzung des Denkmals durch Vertreter der DDR – vergleichsweise hoch.6 Nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 gestaltete sich vor allem die regelmäßige Pflege der Anlage durch Ost-Berliner Betriebe als überaus schwierig. Für die Arbeiten wurden stets bestimmte Personen ausgewählt, die als Reisekader eingestuft waren. Konkret bedeutete dies, dass die vor Ort tätigen Gärtner mit Reisepapieren ausgestattet waren, die bei Nicht-Nutzung im Stadtbezirksamt Mitte abgegeben werden mussten.

Erste große Sanierungsarbeiten an der Anlage konnten – wahrscheinlich aufgrund der politischen Verhältnisse – erst nach 1967 durchgeführt werden, obwohl sie bereits in den Fünfzigerjahren als notwendig erachtet wurden. Zudem zeigt eine Vielzahl der administrativen Entscheidungen über die Pflege und Sanierung des Ehrenmals, dass sich auch nach 1945 nichts an der faktischen Abhängigkeit der ausführenden deutschen Behörden von sowjetischen Dienststellen änderte. Diese Abhängigkeit wurde vor allem dadurch begünstigt, dass, wie bereits erwähnt, sowjetische Ehrenwachen am Denkmal postiert und in einem Gebäudekomplex unmittelbar hinter dem Hauptmonument untergebracht waren. Die sowjetischen Militärs hatten somit unmittelbare Kenntnis über die Arbeiten ostdeutscher Betriebe vor Ort und gaben dementsprechend konkrete Anweisungen für die Pflege der Anlage. Zudem war das Ehrenmal im Tiergarten Bestandteil von Kontrollen durch die britische Militärpolizei, da sich dessen Umfeld in britischer Obhut befand.

Insgesamt betrachtet nahm das Ehrenmal im Tiergarten innerhalb der Arbeit der zuständigen ostdeutschen Behörden eine quantitativ nachgeordnete, dafür aber politisch-administrativ hoch sensible Stellung ein. Während der unmittelbare Nutzen für das politische Regime der SED aufgrund der beschränkten Zugänglichkeit bis auf wenige Ausnahmen gering ausfiel, war die Anwesenheit der Sowjetunion vor Ort durch Wachmannschaften und sowjetische Kommandeure ein Grund, weshalb selbst unter den Bedingungen der sozialistischen Mangelwirtschaft verstärkt auf die Pflege der Anlage geachtet werden musste.

Ein weiterer Aspekt, der die eigentümliche Stellung des Sowjetischen Ehrenmals im Berliner Tiergarten unterstreicht, ist die Tatsache, dass dieses nicht in die Denkmalliste der DDR aufgenommen wurde. Obgleich die Zuständigkeit formal bei den Behörden der DDR lag, wurde damit wohl Rücksicht auf die Lage des Ehrenmals im britischen Sektor genommen. Daran wird deutlich, dass sich das Ehrenmal nicht nur aus Sicht der westlichen Sektoren, sondern ebenso aus der Perspektive der DDR in einer peripheren Randlage befand, die zwar eine ganze Reihe von Verpflichtungen, aber nur einen geringen öffentlichkeitswirksamen Nutzen mit sich brachte.

Eine entscheidende Ausnahme in der insgesamt betrachtet marginalen Berichterstattung über das Ehrenmal im Tiergarten bildet der 7. November 1970. In der Nacht vor dem Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution verübte ein der West-Berliner Neonaziszene angehörender Mann ein Attentat auf die Wachposten am Ehrenmal, bei dem einer der sowjetischen Soldaten lebensgefährlich verletzt wurde. Der durch zwei Schüsse getroffene Wachposten wurde von einem britischen Krankenwagen in ein sowjetisches Militärkrankenhaus im Osten Berlins gebracht und erfolgreich operiert. Der Täter konnte bereits kurz nach der Tat festgenommen werden. Die Kranzniederlegung am Vormittag des 7. November durch Vertreter der Sowjetunion fand trotz des Vorfalls wie geplant statt. Das Attentat wurde durch die Bundesregierung und den Regierenden Bürgermeister von Berlin verurteilt, ein Vertreter der britischen Militärregierung suchte zudem die sowjetische Botschaft in Ost-Berlin auf, um das »Mitgefühl der britischen Behörden« zu bekunden.7 In der DDR rückte das Denkmal damit schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit. Das Attentat wurde als ein »Anschlag auf Frieden und Entspannung« gewertet, welcher der neonazistischen Szene zuzuordnen war.8 Dem spontanen Zusammenschluss verschiedener Ost-Berliner Bauarbeiter zu einem »Protestmeeting« folgten – wie das Neue Deutschland berichtet – zahlreiche Bekundungen von »Abscheu« gegen die Tat aus allen Bevölkerungsschichten.9

Neben der in ost- und westdeutscher Presse einsetzenden wochenlangen Berichterstattung über diesen politisch hoch brisanten Vorfall und seine Folgen, wurden im Ministerium für Staatssicherheit umfangreiche Akten über den »Mordanschlag« angelegt.10 Auch noch zehn Jahre später hatte das Attentat einen hohen Stellenwert und wurde politisch instrumentalisiert, wie die Veröffentlichung einer Broschüre des Militärverlages der DDR zeigt.11

Nach diesem Vorfall wurde die gesamte Anlage auf Befehl der britischen Militäradministration auf einem 400 Meter langen Abschnitt durch Eisengitter bis zur gegenüberliegenden Straßenseite abgesperrt und erst im April 1987 wieder freigegeben.

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Das Ehrenmal an der »Straße des 17. Juni« nahm nach der Teilung Berlins eine politisch äußerst prekäre Stellung ein. Es stand im britischen Sektor der Stadt als ein genuin sowjetischer Ort der Erinnerung, an einer Hauptstraße, deren Name an die Niederschlagung des größten Volksaufstandes in der DDR durch die Truppen der östlichen Besatzungsmacht erinnert. Was sich seit 1949 hinsichtlich der gesellschaftlichen Nutzung durch die West- und Ost-Berliner Bevölkerung bereits abzeichnete, wurde durch die politischen Ereignisse zusätzlich manifestiert – das Denkmal stand im Schatten der Mauer. Nach der Friedlichen Revolution im November 1989 kehrte das Ehrenmal gleichsam wieder an den bei der Errichtung 1945 intendierten Standort im Zentrum Berlins »zurück«.

Der rechtliche Status der Anlage wurde analog zu allen anderen sowjetischen Ehrenmalen im vereinigten Deutschland in den Jahren 1990 und 1992 durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag, den »Nachbarschaftsvertrag« sowie das »Kriegsgräberabkommen« festgelegt. Zugleich konnte aufgrund des Einigungsvertrages der Denkmalstatus des Ehrenmals erhalten werden. Die Vielzahl und Verflechtung dieser gesetzlichen Grundlagen ist jedoch für die zum Teil bis heute andauernden Kompetenzstreitigkeiten hinsichtlich der Deckung von Unterhalts- und Sanierungskosten verantwortlich. Erst nach Interventionen von Vertretern der Russischen Föderation, waren der Bund und das Land Berlin schließlich zur gemeinsamen Übernahme der Sanierungskosten bereit. Bezüglich seiner Nutzung bleibt es ein genuiner sowjetischer Erinnerungsort, der vor allem von russischen Staatsbürgern für Gedenkveranstaltungen aufgesucht wird. Für die Mehrheit der Tiergartenbesucher ist das Ehrenmal hingegen aufgrund seiner militärischen Attribute und triumphalen Formensprache eine Sehenswürdigkeit und ein Fotomotiv wie viele andere in Berlin.


1 Von 1947 bis 1949 erbaut, wurde der größte Denkmalskomplex außerhalb der damaligen UdSSR am 8. Mai 1949 eingeweiht und war in der DDR das Symbol der »Befreiung Hitlerdeutschlands vom Faschismus durch die Sowjetunion«. Siehe dazu Steffi Töpfer: Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park in Berlin. Anlage, Formensprache und ikonographische Tradition, in: Stefan Troebst/Johanna Wolf (Hg.): Erinnern an den Zweiten Weltkrieg. Mahnmale und Museen in Mittel- und Osteuropa, Leipzig 2010, S. 127–135.

2 Siehe Reinhart Koselleck: Die Transformation der politischen Totenmale im 20. Jahrhundert, in: transit 22 (2001), S. 59–86, hier S. 68.

3 Siehe Helga Köpstein: Die sowjetischen Ehrenmale in Berlin, Berlin 2006, S. 37–39, sowie Hans-Ernst Mittig: Marmor der Reichkanzlei, in: Dieter Bingen/Hans-Martin Hinz (Hg.): 
Die Schleifung. Zerstörung und Wiederaufbau historischer Bauten in Deutschland und Polen, 
Wiesbaden 2005, S. 174–187, hier S. 177.

4 Berliner Zeitung vom 14. November 1945.

5 Tägliche Rundschau vom 13. November 1945.

6 Verglichen mit den Anlagen in Treptow und der Schönholzer Heide wurde für den Unterhalt des Ehrenmals im Tiergarten beispielsweise zwischen 1968 und 1970 der größte Teil der zur Verfügung stehenden Mittel aufgewendet. Siehe Schreiben der Bezirksplankommission an das Bezirksbauamt Berlin vom 29. Juni 1967. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin Abt. I Stadt- und 
Freiraumplanung.

7 Siehe Der Tagesspiegel vom 8. November 1970 sowie vom 10. November 1970; Berliner Telegraf vom 8. November 1970; Berliner Morgenpost vom 8. November 1970.

8 Neues Deutschland vom 8. November 1970.

9 Publik gemacht wurde vor allem der Protest prominenter Repräsentanten des Kulturbereichs, wie z. B. von Schauspielern des Deutschen Theaters, des Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften Professor Dr. Hermann Klare sowie des Rektors der Humboldt-Universität Professor Dr. Karl-Heinz Wirzberger, siehe Neues Deutschland vom 8. November 1970. Auch noch Tage später wurden Protestnoten namhafter ostdeutscher Künstler – wie Helene Weigel oder Bruno Apitz – veröffentlicht, siehe Junge Welt vom 12. November 1970.

10 Siehe Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), MfS, ZAIG, Nr. 10412.

11 In der Reihe »Tatsachenbericht« werden auf fünfzig Seiten die Tat, das Gerichtsverfahren gegen den Attentäter sowie das Leben des Wachsoldaten im erzählerischen Duktus und mit Fotos illustriert wiedergegeben. Das Heft erschien in einer sehr großen Auflage von mehreren tausend Exemplaren und verkaufte sich bei einem Preis von 0,50 DDR-Mark entsprechend gut. Leontij M. Krjučkov: Schüsse im Tiergarten, Berlin 1980.

Inhalt – JHK 2013

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