[0] Das Computerisierungsprojekt im spätsozialistischen Polen unterlag – im Vergleich zu anderen Staaten des Ostblocks – einer besonderen Dynamik. Sie war einerseits geprägt von einem Bedürfnis nach Unterhaltung und Vergnügen seitens der Nutzerinnen und Nutzer und andererseits vom staatlichen Anspruch auf zweckorientierte Verwendung im Sinne des technologischen Zukunftsprojektes. Dabei bildeten sich regionale »Computerisierungsbewegungen«, soziale Akteure, die zusammen eine Koalition bildeten und mit der staatssozialistischen Führung das Anliegen der breiten Förderung von Computern teilten. Sie spielten eine zentrale Rolle im Diskurs über die Legitimität verschiedener Praktiken der Nutzung von Heimcomputern in der sozialistischen Gesellschaft.[1]
Die »Computerisierungsbewegung« (CB) lässt sich als ein Geflecht zentraler gesellschaftlicher Akteure beschreiben, darunter Informatiker, Aktivisten sozialistischer Jugendorganisationen sowie Pädagogen.[2] Sie diskutierten die potenziellen negativen Auswirkungen sowie mögliche erzieherische Werte von Computerspielen in der sozialistischen Gesellschaft und Wirtschaft. Was sie einte, war ihre Überzeugung, dass das Spielen von Computerspielen auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft und Wirtschaft leisten könne.
Dieser Artikel wird einen Überblick über die Debatten zur Entwicklung der »sozialistischen Persönlichkeit« bei Kindern und jugendlichen Computernutzerinnen und -nutzern im Polen der 1980er-Jahre geben. Die meisten liberalen Stimmen zum Thema (Computer-)Spiel erkannten an, dass das Spielen tatsächlich mit einer solchen Persönlichkeit in Einklang gebracht werden könnte. Die Auseinandersetzung mit Computertechnologien betrachteten sie als ersten Schritt im Prozess des Aufbaus technischer Kompetenzen, die weiter genutzt werden könnten, um aktiv zum Entstehen einer kommunistischen Zukunft beizutragen. Ein genauer Blick auf solche Diskurse der »Computerisierung« stellt zugleich einen Beitrag zur Geschichte der Konkurrenz und des Wettbewerbes zwischen dem Osten und dem Westen dar:[3] So wurde das technologiebasierte Modernisierungsprojekt im Staatssozialismus als Wettbewerb mit dem Westen beschrieben. Diese Fallstudie soll zeigen, wie eine Reihe von sozialen Akteuren das Spielen von Computerspielen oder die Nutzung von Computern für »zielgerichtete« Aufgaben als Teil eines solchen Wettbewerbs an der Basis, in Kinderzimmern und Computerclubs, definiert hat.
Eines der entscheidenden Elemente der kommunistischen Ideologie war es, neue Technologien als materielle Infrastruktur, die einen positiven wirtschaftlichen und sozialen Wandel ermöglicht, in die visionäre Zukunft zu integrieren. Paul Josephson untersucht in Would Trotsky wear a Bluetooth die kulturelle Logik der Eingliederung verschiedener Technologien in die kommunistische Ideologie der UdSSR.[4] Beginnend mit der Massenelektrifizierung, über den »Weltraumwettlauf« bis hin zur friedlichen Nutzung der Kernenergie sahen die kommunistischen Länder auch Computertechnologien als nützliches Werkzeug an, das die Effizienz der Staatswirtschaft und -bürokratie steigern helfen würde. Der Begriff der Technologien umfasste dabei weit mehr als nur Maschinen, nämlich die Gesamtheit von Maschinen, Technikern, Anwendern und technischem Wissen. So war eines der entscheidenden Elemente des technologiebasierten Modernisierungsprojekts im Staatssozialismus die aktive Unterstützung der technischen Kultur als eine Form des Humankapitals, die dafür sorgen würde, dass es neue Generationen hochqualifizierter Ingenieure, Techniker und Maschinenbediener geben würde. Dieser Beitrag wird zeigen, in welchem Zusammenhang die Auseinandersetzung über die möglichen positiven und negativen Auswirkungen der Spielkultur zu solchen breiteren Debatten stand.
Der Kontext, in dem sich die öffentliche polnische Diskussion über die Spielkultur entwickelte, war ein spezifischer: Aufgrund des breiten Zugangs zu Computern und Spielen im sozialistischen Polen konnte sich hier eine größere »Szene« entwickeln als in anderen Ländern des Ostblocks. In der kommunistischen Tschechoslowakei etwa waren Computer weniger verbreitet und in den Massenmedien präsent. In Polen, wo die Kontakte zum Westen vergleichsweise eng waren, verbreiteten sich Computer zunehmend. Dies betraf nicht nur die Anzahl bestimmter Geräte in Haushalten, staatlichen Unternehmen und Regierungseinrichtungen. Der fortschreitende Prozess der Computerisierung sowie der aufkommende Markt für Computerhardware und -software wurden darüber hinaus in den Medien breit diskutiert. Insbesondere die zwei beliebten Zeitschriften Bajtek und Komputer begleiteten die zunehmende Nutzung von Heimcomputern. Bei der folgenden Analyse liegt der Fokus in erster Linie auf den Aussagen derjenigen, die sich nicht persönlich, sondern aus der Perspektive ihrer jeweiligen beruflichen Agenden mit dem Spielen als einer kontroversen Form der Computernutzung beschäftigt haben.[5]
Die Auseinandersetzung über die Spielkultur speiste sich vor allem aus dem staatlichen Anspruch, der von den Bürgerinnen und Bürgern eine zweckorientierte Nutzung von Computern erwartete. Das zeitgenössische polnische Vokabular lautete »pożyteczny« – ein Begriff, der mit »nützlich« oder »zweckmäßig« übersetzt werden kann und in den Augen der Staatsmacht der undisziplinierten Unterhaltung, dem vergnüglichen Zeitvertreib am Computer gegenüberstand.[6] Gerade weil die Computertechnologie als zentral für das visionäre Zukunftsprojekt des Kommunismus galt, unterlag die Nutzung einer spezifischen Form der Ordnung der Vernunft.
In einem ersten Schritt wird im Folgenden skizziert, mit welchen konkreten Praktiken die Akteure der »Computerisierungsbewegung« mit ihren eigenen spezifischen Agenden den Diskurs über Computerspiele aktiv mitgestalteten. Sodann werden in einem zweiten Abschnitt die Schlüsselkontroversen im Zusammenhang mit den Praktiken des Spielens dargestellt. Abschließend wird skizziert, welche möglichen Szenarien zur Verwendung von »Edutainment« im staatssozialistischen Bildungssystem zur Diskussion standen.
»Computerisierungsbewegung« und die normative Vision der Computernutzung im Staatssozialismus
Die »Computerisierungsbewegung« ist bisher übergeordnet von Rob Kling und Suzanne Iacono erforscht worden. Sie bildeten Cluster von sozialen Akteuren und definierten sie als spezifische Form einer sozialen Bewegung, die sich für oder gegen eine bestimmte Veränderung der sozialen Ordnung einsetzt.[7] Wie Kling und Iacono anmerken, sind »Computerisierungsbewegungen (…) eine Art Bewegung, deren Befürworter sich auf computergestützte Systeme als Instrumente zur Herbeiführung einer neuen sozialen Ordnung konzentrieren«.[8] Mit ihrer Strategie verfolgen solche Bewegungen ein doppeltes Ziel: Die öffentliche Vermittlung von technischem Wissen soll helfen zu verstehen, was Computer leisten können. Zugleich geht es auch darum, eine bestimmte Ideologie zu teilen: »Computerisierungsbewegungen vermitteln wichtige ideologische Überzeugungen über die Verbindungen zwischen der Computerisierung und einer bevorzugten Gesellschaftsordnung, die dazu beitragen, die Computerisierung für viele potenzielle Anwender zu legitimieren. Diese Ideologien bestimmen auch die Erwartungen der Anwender in Bezug darauf, wofür sie Computer nutzen und wie sie den Zugang zu ihnen organisieren sollen.«[9]
Für die Tschechoslowakei wurde die Computerspielkultur als zentrales Element der wachsenden Computerkultur, die von der CB popularisiert wurde, bereits untersucht. Ähnlich wie in Polen führte das Spielen unter Hobby-Informatikern auch dort zu einer Kontroverse, wie Jaroslav Švelch zeigen konnte: »Nutzer aller Art und jeden Alters – Pädagogen, Tüftler und Spieler – schlossen sich zu einem lockeren, aber komplexen taktischen Bündnis zusammen, das ihnen half, mit den Beschränkungen der Mangelwirtschaft und des restriktiven Regimes fertigzuwerden. Dieses Bündnis hemmte potenzielle separatistische Tendenzen. Debatten über die Definitionen und Werte von Spielen wurden nie vollständig geklärt, und eine Trennung zwischen Spiel- und Hobby-Diskursen wurde erst in den 1990er-Jahren vollzogen. Stattdessen führten Spiel- und Hobbyaktivitäten eine schwierige Koexistenz.«[10]
Mitte der 1980er-Jahre bildete sich mit der wachsenden Zahl von Heimcomputern in polnischen Haushalten, Staatsbetrieben und staatlichen Institutionen eine CB heraus.[11] Diese Bewegung bezeichnete sich selbst als »soziale Bewegung für die Computerisierung« (społeczny ruch computeryzacji). Ihr gehörten hauptsächlich Informatiker, Aktivisten sozialistischer Jugendorganisationen, Computertüftler, die staatlich geförderte Computerclubs organisierten, Journalisten sowie Pädagogen mit einem gewissen Interesse an Computern an.
Als Hauptforen der Bewegung dienten Bajtek (1986–1996), ein Magazin für Einsteiger, das sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche richtete, und die Zeitschrift Komputer (1986–1990), geschrieben vor allem für erwachsene Anwender, die den Computer auch beruflich nutzen wollten. Bajtek und Komputer spielten zusammen mit mehreren anderen, weniger bekannten Computerzeitschriften und Computerclub-Newslettern eine zentrale Rolle bei der Schaffung und Stärkung des öffentlichen Verständnisses und der Akzeptanz von Computertechnologien sowie bei der Gestaltung des Diskurses über den möglichen Einsatz von Computern in der sozialistischen Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus veröffentlichten CB-Anhänger regelmäßig Texte und gaben Interviews in der Przegląd Techniczny, der Zeitschrift der polnischen Ingenieurgemeinschaft »Razem«.
Die CB rief zu konkreten institutionellen und rechtlichen Änderungen auf, die dazu beitragen sollten, Investitionen in die heimische Computerproduktion zu fördern. Ein weiteres Anliegen war der Austausch grundlegender Informationen über die mögliche Nutzung von Computern und deren positive Auswirkungen auf den sozialen und wirtschaftlichen Wandel. Die polnische CB erörterte ausgiebig die mögliche Rolle von Computern als eine »sozial aufgeladene« Technologie, die nicht nur von einer kleinen Gruppe von Computerliebhabern, sondern von der gesamten Gesellschaft schnell übernommen werden müsse. Darüber hinaus waren laut CB alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, sich aktiv um den Erwerb von Computerkenntnissen zu bemühen, um zum Modernisierungsprojekt beizutragen. Die Debatten über einen möglichen sozialen Wandel, der durch den Einsatz von Computern erleichtert werden könne, beinhalteten Äußerungen normativer Stimmen zur aktiven Rolle der Computernutzer. Dennoch lag die Entscheidung darüber, wie sie Computer nutzen wollten – zugunsten des Gemeinwohles oder zur Unterhaltung –, bei den Anwendern selbst, so die CB.
Das wichtigste gemeinsame Ziel der CB war die aktive Unterstützung der flächendeckenden Verbreitung von Computern in Polen, was durch die Vermittlung von Computerkenntnissen und mithilfe von Allianzen mit anderen Entscheidungsträgern vorangetrieben werden sollte. Auch die Publikationen der Koalition sollten dazu beitragen, ihre Expertise zu unterstreichen und das Ziel zu erreichen. Die Anhänger der CB nutzten ihre Autorität, um die Bedeutung von Wissen und Können im Umgang mit Computern im technologischen Modernisierungsprojekt des Staates hervorzuheben. Ein in der Trybuna Ludu, dem Presseorgan der Kommunistischen Partei, veröffentlichter Artikel über das Projekt der Computerausbildung vermittelt einen Eindruck von der verwendeten Rhetorik: »Das Ziel [des Computer-Massenausbildungsprogramms] muss die Vorbereitung der jungen Generation sein, in einer Welt zu leben und zu handeln, in der der Computer ein wichtiges Element des zivilisatorischen Umfelds ist. Beim Eintritt in das Berufsleben müssen Jugendliche in der Lage sein, moderne Technologien zu nutzen, die ihnen helfen, die für eine effiziente Arbeit erforderliche Informationsmenge zu bewältigen. Genauso wichtig ist, sie in die Lage zu versetzen, die Möglichkeiten und Einschränkungen der Massencomputerisierung richtig einzuschätzen.«[12]
In diesen Äußerungen wird der höchst normative Ansatz zur Computerisierung, wie ihn die CB vertrat, deutlich. Eine ähnliche Forderung nach landesweiten Computerbildungsprogrammen findet sich in der Erklärung Wojciech Olejniczaks, Professor der Polnischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied des wissenschaftlichen Beratungsgremiums »Elektronik, Informatik, Robotik, Telekommunikation für die Bedürfnisse der Staatswirtschaft und der nationalen Kultur« (Elektronika, informatyka, robotyka, telekomunikacja dla potrzeb gospodarki i kultury narodowej). Er behauptete: »Heutzutage reicht es nicht mehr aus, Lesen und Schreiben beizubringen, um eine Person auf das Leben in der modernen Gesellschaft vorzubereiten. Sie muss auch das Abc und die Methoden der Informatik erlernen.«[13]
Eine der wichtigsten Kontroversen, die von der CB angestoßen wurden, war jene über die Verwendung von Computern für das Spielen anstelle eines »zweckdienlichen« Einsatzes zugunsten von Bildungs- oder beruflichen Aktivitäten. Exemplarisch zeigt dies ein Interview mit dem Vorsitzenden der Polnischen Gesellschaft für Informatik (Polskie Towarzystwo Informatyczne, PTI):[14] »Ich befürchte, dass die Welle der ›IT-Popkultur‹ die eigentliche Informatik in den Schatten stellt. (…) Es ist jedoch denkbar, dass wir diese Popkultur in etwas Konstruktives verwandeln und derlei Spielzeuge für die Bildung einsetzen, für alles, was einen gewissen intellektuellen Wert hat. Man kann die Frage aufwerfen, ob dies [die Nutzung von Computern zur Unterhaltung, P. W.] nicht eine dekadente Strömung ist – diejenigen, die ›dort‹ [im Westen, P. W.] leben, sind so wohlhabend, dass sie nichts anderes zu tun haben, als den Computer als Spielzeug benutzen.«[15]
Auch in anderen Computerzeitschriften sind ähnlich kritische Stimmen über die Nutzung von Computern zur puren Unterhaltung zu lesen. Typisch ist eine normative Rhetorik, die soziale Disziplin und Unterhaltung gegenüberstellt: »All diese Atari-, Timex- und Amstrad-Computer (...) bilden in der Tat eine neue Generation von Polen aus. (...) Allerdings ist der Einfluss ›unserer Informatik‹ [ein Verweis sowohl auf das Spielen von Computerspielen als auch auf den Mangel an organisierter Informatikausbildung, P. W.] auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität bisher nahe null.«[16] Hiermit erinnert der Autor die Leserinnen und Leser indirekt daran, dass das Ziel der Computernutzung darin bestehen sollte, dass sich die Bürgerinnen und Bürger jederzeit der Verantwortung bewusst sind, ihren beruflichen Aufgaben stets so effizient wie möglich nachzukommen. Der Hinweis auf die »Arbeitsproduktivität« war ein allgegenwärtiges Element des Mediendiskurses im staatssozialistischen Polen. Ziel war es, allen Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen, dass die Zukunft des sozialistischen Staates von ihnen und ihrer Produktivität abhänge. Aleksej Jurčak hat mehrere Elemente dieses hegemonialen Diskurses in der Sowjetunion dekonstruiert.[17]
Unterhaltung oder Erziehung? Kontroversen über Computerspiele
Wie die unterschiedlichen Äußerungen der polnischen Computerisierungsbewegung zeigen, war die Verwendung von Heimcomputern als »Spielautomaten« höchst umstritten. Vielen galt sie als Verschwendung von Zeit und Energie der Jugend. Computer sollten stattdessen nach ideologischen Vorgaben zur Bildung und Erziehung »sozialer Werte« verwendet werden.
Anders als Filmimporte, die oft öffentlichkeitswirksam und lebhaft diskutiert wurden, boten Computerspiele seltener Anlass für vergleichbare Kontroversen. Während des »Videobooms« in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre brachten Kulturkritiker, Beamte, Pädagogen und Parteiideologen regelmäßig ihre Verachtung gegenüber Pornografie, Gewalt und der behaupteten »Verfälschung« des Vietnamkriegs zum Ausdruck, wie sie in Actionfilmen wie Rambo II und der Serie Missing in Action präsentiert wurden,[18] in denen amerikanische Actionhelden den Kampf gegen Horden von grausamen nordvietnamesischen und noch bösartigeren sowjetischen Militärberatern aufnehmen.[19] Computerspiele lösten dagegen weitaus weniger Empörung aus. Vergleichsweise häufig traf sie dann »Raid Over Moscow« (US Gold, 1984) und »Green Beret« (Konami, 1985).[20] Besonders »Raid Over Moscow« war starker Kritik ausgesetzt, denn in diesem Spiel steuert der Spieler ein US-Militärflugzeug, das den laufenden sowjetischen nuklearen Erstschlag gegen die USA stoppen soll. »Green Beret« war ebenso umstritten, da der Spieler ein amerikanisches Kommando kontrolliert, das in militärische Einrichtungen eindringt, um Raketen in einem arktischen Gebiet zu zerstören, sowie in ein Kriegsgefangenenlager, um amerikanische Gefangene zu befreien. Gleichzeitig werden die Mitglieder feindlicher Truppen zu Hunderten getötet. Auch wenn ein ausdrücklicher Verweis auf die Sowjetunion fehlt, war offensichtlich, wer der Feind war. Doch während sich die Diskussionen über Filminhalte in der Medienberichterstattung Bahn brachen, spielten ähnliche Kontroversen über Computerspiele weiterhin eine untergeordnete Rolle. Quellenmaterial deutet darauf hin, dass die Debatten darum sich lediglich in der kurzen Zeit zwischen 1985 und 1987 intensivierten. Im Anschluss wurde das Spielen am Computer scheinbar einfach als ein immanenter und unvermeidbarer Teil der Computerkultur legitimiert.
Die beiden führenden Zeitschriften Bajtek und Komputer veröffentlichten von Anfang an Artikel über Computerspiele, die sich in Ton und Ausrichtung bis 1989 kaum veränderten. Auch andere, weniger populäre Computermagazine und Nachrichtenblätter publizierten ähnliche Beiträge über im Staatssinne nützliche Computerspiele. Meist enthielten sie kursorische Informationen darüber, wie ein Spiel gespielt werden musste – Anleitungen, die als begehrter Ersatz für ein Spielhandbuch fungierten, das für Raubkopien nicht verfügbar war. Dies zeigt die ambivalente Rolle der Zeitschriften, die dem offiziellen utilitaristischen Diskurs entsprechen mussten, aber ihren Lesern auch darüber hinaus etwas bieten wollten. In seiner ersten Ausgabe im Jahr 1985 veröffentlichte Bajtek einen Beitrag über Computerspiele, in dem die wichtigsten Spielgenres kurz erläutert wurden: Arcade, Adventure, Grafik-Adventure, Strategie und Simulation. Interessanterweise wurde dieser Artikel von Jacek Rodek geschrieben, eine der prominentesten Figuren im polnischen Science-Fiction-Milieu. Nachdem er die Merkmale aller Genres erläutert hatte, machte er eine kurze Bemerkung zu »Dragonʼs Lair«, einem Spiel, das die Spieler tief in eine virtuelle Welt eintauchen lässt und als richtungsweisend angesehen wurde. Rodek zufolge würde das Eintauchen in die Welt von Computerspielen jedoch dazu führen, dass Kinder den Kontakt zur Realität verlören. [21] Letztlich handelte es sich bei seinem Artikel aber eher um einen futurologischen Essay als um eine soziale Kritik an zeitgenössischen Spielen.
Auch wenn es schwierig ist, dies mit konkreten Beispielen zu belegen, scheinen sich die Redakteure von Bajtek und Komputer darauf konzentriert zu haben, vorwiegend »nützlichere« Spielgenres wie Adventure, Strategie und Simulation zu präsentieren. Dies galt vor allem für Komputer, das sich an ein erfahreneres Publikum richtete. In der ersten Komputer-Ausgabe wurde neben Artikeln über zwei komplexe Action-Adventures (»Knight Lore«, »Dragontorc«) und ein abstraktes 3-D-Puzzlespiel (»Gyron«) auch ein langer Artikel veröffentlicht, in dem die Elemente von Adventure-Spielen diskutiert wurden. Der Autor ermutigte die Leser darin, auch ihre eigenen Text-Adventure-Spiele auf Polnisch zu schreiben.[22] Er argumentierte dabei explizit, dass das Erlernen des Schreibens von Adventure-Spielen nach der kurzlebigen Faszination für die »verblüffenden Arcade-Spiele« den Aufstieg auf eine höhere Ebene der Computernutzung bedeute.[23] Beide Zeitschriften sowie mehrere andere computerorientierte Magazine veröffentlichten Spieletests und Leitfäden für Computerspiele und ermutigten junge Computernutzer dabei stets, mit dem Code von Computerspielen zu experimentieren, um die Grundprinzipien der Programmierung zu erlernen.[24]
Das Spielen in Computerclubs
Bei der Verbreitung von Computerkenntnissen unter Kindern und Jugendlichen sollten insbesondere Computerclubs eine zentrale Rolle spielen, da ein landesweites Computerbildungsprogramm in den Lehrplänen der Schulen fehlte. Angeleitet und diszipliniert wurden sie dabei von sogenannten Clubausbildern. Gewöhnlich erlaubten diese den jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Computerkursen auch, in gewissem Umfang Spiele zu spielen. Während die Mitglieder der CB auf die Praxis der Computernutzung bei Kindern und Jugendlichen zu Hause keinen direkten Einfluss nehmen konnten, herrschte in den Räumen solcher Clubs eine soziale Kontrolle.
Eine besonders aktive Rolle als Medienforum für die CB spielte Bajtek. Hier wurden Clubadressen veröffentlicht und über Clubaktivitäten berichtet. Dazu gehörte die kurze Vorstellung des jeweiligen Clubprofils, das vom Vorsitzenden des Clubs verfasst wurde. Einige dieser Profile enthielten explizite Aussagen zur Politik der begrenzten Spielfreigabe. So findet sich beispielsweise in der ersten Bajtek-Ausgabe eine Erklärung des Gründers des populären Abakus-Clubs in Warschau zu den Zielen des Clubs: »Unser Ziel war es, das öffentliche Bewusstsein für Mikrocomputer in der polnischen Gesellschaft zu erhöhen und es mit Bildung zu verbinden, anstatt mit albernen Computerspielen.«[25] Darüber hinaus wies diese Selbstdarstellung auf einige produktive, spielbezogene Aktivitäten hin – auf die Präsentation von Computerschachprogrammen sowie auf Wettbewerbe zur Gestaltung von Lernspielen unter Clubmitgliedern.
In mehreren Profilen wird ausdrücklich betont, dass der jeweilige Club das Spielen in den eigenen Räumlichkeiten nicht erlaube oder zumindest erheblich einschränke. Eine typische Selbstbeschreibung eines großen Clubs namens Maniak in Warschau greift das Thema wie folgt auf: »Wir verstehen die Popularisierung der Informatik als eine Form, die Jugend mit den Prinzipien der Bedienung und Nutzung von Computern vertraut zu machen. Wir legen Wert auf solche Formen der Aktivität, da wir andere ›Clubs‹ kennen, in denen die Mikroinformatik mit Computerspielen ›popularisiert‹ wird. Natürlich organisieren wir auch einige spielbezogene Veranstaltungen, aber das ist nur ein Randbereich unserer Tätigkeit.«[26]
Die Computerzeitschrift Informik (1985–1989), die von Roland Wacławek, einer der prominentesten Persönlichkeiten in Heimcomputerkreisen, herausgegeben wurde, bot Computerclubs eine Schirmherrschaft an, die die Möglichkeiten, weitere Ressourcen für Clubaktivitäten zu schaffen, erheblich erweiterte. Um eine solche Schirmherrschaft zu erhalten, mussten die Clubs jedoch ein bestimmtes Profil haben, wie Wacławek erklärte: »Das zweite Prinzip ist der wissenschaftliche und kreative Charakter des Clubs. Eine Videospielhalle hat nicht das Recht, den Namen ›Informik‹ zu verwenden. Solche Clubs bieten Raum für diejenigen, die den Computer als eine Gelegenheit zum kreativen Ausdruck, zum Lernen und zur persönlichen Entwicklung betrachten.«[27]
Die damaligen Äußerungen veranschaulichen die eher negative Einstellung gegenüber Computerspielen unter den privaten Nutzern und decken sich mit den von Švelch für die Tschechoslowakei diskutierten Meinungen von Hobby-Informatikern.[28] Es gab jedoch Clubs, die laut ihrer Profile in Bajtek begrenzte Möglichkeiten zum Spielen in ihren Räumen explizit als eine Form der Ermutigung für jüngste Computerbegeisterte nutzten: »Es gilt die Regel, dass nur die erste Stunde im Club zum Spielen von Computerspielen genutzt werden darf. Die restliche Zeit sollte für das Erlernen des Umgangs mit dem Computer, der Verwendung von Programmen und der Programmierung genutzt werden.«[29]
Das spezifische Vokabular, wie »Spielhalle« (salon gier), »Computer-Casino« oder »Computer-Spielhöhle« (computerowa jaskinia hazardu), konnte sich nicht nur auf einen staatlich geförderten Computerclub beziehen, dem es an der angemessenen Aufsicht fehlte. Es bezeichnete auch kommerzielle Videospielhallen, die als Computerclubs getarnt betrieben wurden. Leider gibt es keine zuverlässigen Quellen, die helfen, die Zahl solcher verdeckter Spielhallen zu schätzen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass ihre Betreiber nicht daran interessiert waren, Clubprofile bei Bajtek einzureichen oder dort Informationen preiszugeben.
2009 veröffentlichte das populäre polnische Retro-Computermagazin Commodore & Amiga Fan eine Reihe von Interviews mit Personen, die zur Computerkultur beigetragen haben, indem sie z. B. ihre eigenen Programme schrieben, die in der Hobby-Community populär wurden. Solche Interviews geben auch einen Einblick in die polnische Gaming-Kultur der 1980er-Jahre. Hier die Beschreibung einer kommerziellen Videospielhalle: »In dem örtlichen Kulturzentrum in meinem Wohnviertel war eine Videospielhalle aufgetaucht. Sie bot keine Arcade-Maschinen, sondern vier ZX-Spektrum, die zum Spielen von Spielen verwendet werden konnten (natürlich gegen eine bestimmte Gebühr). Der Eigentümer dieses ›Salons‹ hatte einen Raum im Kulturzentrum gemietet, was ihn eigentlich verpflichtete, einen Computerkurs als eine Form der kulturellen/pädagogischen Aktivität zu organisieren.«[30]
Die Versuche, den spielerischen Einsatz von Computern zu kontrollieren, verweisen auf die Spannung zwischen der Idee der Sozialdisziplinierung und der Unterhaltung. Die Mitglieder der CB sahen im Spielen eine umstrittene Praxis der Computernutzung und versuchten, diese durch die Kontrolle der Ausbilder in Computerclubs einzuschränken bzw. für ihre pädagogischen Zwecke zu nutzen.
»Edutainment« im staatssozialistischen Stil
Abgesehen von der Überwachung der Computernutzung in Computerclubs setzte sich die CB für die zielgerichtete Nutzung von »Lernspielen« ein. Dieses Format sollte als sinnvolle Alternative zu verfügbaren importierten Spielen dienen, die, wie die CB-Aktivisten behaupteten, keine Lerninhalte böten. Der Drang, eigene Lernspiele zu entwickeln, wurde zum Kernelement in der Vision der computergestützten Bildung. Kling und Iacono merken dazu an, dass eines der wichtigsten Elemente der Computerisierungsideologie die positive Auswirkung der Computer auf die Bildung war: »Befürworter der computergestützten Bildung fördern ein utopisches Bild von Schulen, die Computer benutzen, als Orte, an denen Schüler in einer fröhlichen, kooperativen Umgebung lernen und an denen alle Lehrkräfte unterstützende, begeisterte Mentoren sein können.«[31]
Eine der Hauptaufgaben der polnischen CB war es daher, die Einführung der landesweiten Computerbildungsprogramme im Schulsystem zu fördern. Begleitet wurde dieses Vorhaben von dem weithin diskutierten Konzept einer Lernsoftware in Form eines Computerspiels. Die Rolle des »Unterhaltungsfaktors« bei der pädagogischen Anwendung von Heimcomputern im staatssozialistischen Polen lässt sich mit dem weit verbreiteten Slogan »Der Computer lehrt und unterhält« (komputer uczy i bawi) veranschaulichen.[32] Die Förderung von Lernspielen war ein Versuch der CB, insbesondere von Pädagogen und kommunistischen Jugendaktivisten, das Konzept des »Spaßes« vom Spielen westlicher Spiele, denen nach ihrer Ansicht jeglicher pädagogischer Inhalt fehlte, auf das Modell »Der Computer lehrt und unterhält« zu übertragen.[33]
Im Westen, insbesondere in den USA, hatte sich bereits Anfang der 1980er-Jahre ein boomender Sektor der Software-Industrie entwickelt, der »Edutainment«-Software (»Education« und »Entertainment«) produzierte.[34] Solche Programme, die manchmal auch als kidware, examware oder challengeware bezeichnet werden, zielten darauf ab, die Anwendung von Computern als pädagogische Hilfsmittel sowohl im privaten als auch im schulischen Umfeld zu unterstützen. Die privaten Importeure von Software aus dem Westen konzentrierten sich auf die Einfuhr von Computerspielen – hier war die Nachfrage am größten.[35] Daneben gab es einen zweiten, kleineren, aber höchst lukrativen Markt für Produktivitätssoftware (wie Datenbanken, Textverarbeitungsprogramme und Tabellenkalkulationen), die an »Geschäftskunden« verkauft werden konnte, darunter Manager in staatlichen Unternehmen, Privatunternehmen, Universitäten und staatlichen Institutionen. »Edutainment«-Software wurde aufgrund der Sprachbarriere in Polen nur sporadisch eingeführt. Anders als die Mehrzahl der Computerspiele erforderten praktisch alle »Edutainment«-Programme eine gewisse Interaktion durch Sprache. Für die Mehrheit der polnischen Computernutzer, die die englische Sprache nicht beherrschten, waren solche Programme daher schlicht nutzlos. Aber selbst wenn sie in Umlauf gebracht wurden, begegneten ihnen die Pädagoginnen und Pädagogen eher ablehnend, weil sie, wie einer von ihnen in der Zeitschrift Komputer behauptete, auf keinem spezifischen »didaktischen Konzept« basierten und daher für das polnische Bildungssystem nicht akzeptiert werden könnten.[36]
Gleichzeitig unterstützten praktisch alle Anhänger der CB die Idee, eigene Bildungssoftware zu programmieren, die sowohl in Schulen als auch zu Hause eingesetzt werden sollte. Unter Bezug auf Goriunova könnte dieser Ansatz als eine spezifische soziale Handlung interpretiert werden, die darauf abzielte, das Konzept des »Spaßes« zu definieren.[37] Eine solche Definition ging einher mit der weitverbreiteten Formulierung vom »Bildungsprogramm mit Spaßfaktor« (program do nauki posiadający element zabawy).[38] Der Begriff des »didaktischen Konzeptes« wurde regelmäßig von Pädagoginnen und Pädagogen verwendet, die mit dem Computerausbildungsprogramm eine Reihe von Prinzipien verbanden, die alle in Bildungssystemen verwendeten Materialien erfüllen mussten. Eine solche Sammlung von »didaktischen Leitlinien« war ein komplexes normatives System, um Bildungsinhalte genau zu evaluieren. Damit sollte bestimmt werden, inwieweit Inhalte mit dem aktuellen Bildungscurriculum für ein bestimmtes Fach und den ästhetischen Vorgaben für audiovisuelle Inhalte, die als »ästhetische Empfehlungen« bezeichnet wurden, übereinstimmten.[39]
Trotz einer langen und ausgiebigen Debatte über staatssozialistisches »Edutainment« existierte bis in das Jahr 1989 kein einziges Programm, das landesweit im Bildungssystem eingesetzt wurde. Zwar gab es mehrere »Edutainment«-Programme, die informell herausgegeben und in Umlauf gebracht worden waren, z. B. Programme zum Testen polnischer Rechtschreibkenntnisse oder Programme zur Unterstützung von Studenten hinsichtlich ihrer Grundlagenkenntnisse in Mathematik und Physik. Wurden solche Programme jedoch in Schulen eingesetzt, dann nur auf Initiative einzelner Lehrerinnen und Lehrer, die versuchten, Computer in ihren Unterricht zu integrieren. Erst nach 1989 setzte auch in Polen ein Boom für »Edutainment«-Programme ein, die von privaten Unternehmen im Land entwickelt wurden. Solche Programme wurden vor allem als Hilfsmittel bei der Aneignung von Kenntnissen populär, die in der neuen Welt der aufstrebenden Marktwirtschaft notwendig waren. Besonders beliebt waren dabei »Edutainment«-Programme, die zum Erlernen von Fremdsprachen, vor allem Englisch, eingesetzt wurden.
Der Mangel an Wissen und Ressourcen zur Herstellung solcher Programme in allen Bildungseinrichtungen im staatssozialistischen Polen führte dazu, dass sich insbesondere Redakteurinnen und Redakteure von Przegląd Techniczny sowie CB-Mitglieder, die ihre Artikel in dieser Zeitschrift veröffentlichten, für den Einsatz von »Edutainment« starkmachten. Das große Problem blieb jedoch, dass es keinerlei staatliche Bildungseinrichtung gab, die solche Programme tatsächlich produzieren konnte, auch wenn man sie dazu ermutigte. In den späten 1980er-Jahren wurden mehr als ein Dutzend »Wettbewerbe für ein Lernspiel« initiiert. In einer Ankündigung des bereits erwähnten Abakus-Clubs wird gleichzeitig die allgemeine zukünftige Rolle von Lernsoftware hervorgehoben: »[D]as wichtigste Entwicklungsproblem für Polen und für die Welt ist die Bildungsbarriere, und im Jahr 2000 wird einer der wichtigsten Indikatoren für die Entwicklung die Quantität und Qualität der Bildungsprogramme sein. Die Abakus-Vereinigung schlägt die Zusammenarbeit bei der Erstellung solcher Programme vor.«[40]
In ähnlicher Weise beschrieb ein prominenter Aktivist des Verbandes der Sozialistischen Jugend Polens (Związek Socjalistycznej Młodzieży Polskiej, ZSMP) dessen normativen Ansatz für die Ziele der Vermittlung von Computerkenntnissen: »Unser Ziel ist es, ein Ausbildungsprogramm im Bereich der Informatik aufzubauen, das drei Stufen enthält. Der erste Schritt besteht darin, sich mit der Hardware vertraut zu machen. Der zweite: das Erlernen des Umgangs mit Hardware als Arbeits- und Lehrmittel. Der dritte: Versuche, bestimmte Probleme im Bildungs- und Arbeitsumfeld durch das Schreiben eigener Programme zu lösen.«[41]
Die Zeitschrift Przegląd Techniczny arbeitete bei der Förderung des Schreibens von Lernsoftware mit der PTI zusammen. Wie eine der Herausgeberinnen des Magazins erklärte, bestand das Ziel der PTI darin, »die Gewohnheiten [doskonalenie nawyków] bei der Gestaltung und dem Verfassen von Bildungsprogrammen unter Kindern zu verbessern«.[42]
In den 1980er-Jahren wurden immer mehr Beiträge veröffentlicht, um polnische Jugendliche zu ermutigen, ihre eigenen Programme zu schreiben und nicht einfach nur Software zu verwenden, die von einer bestimmten Institution aus dem Bildungssystem oder sogar von einem privaten Auftragnehmer erstellt wurde. Letztlich wurde die Aktion, die das Schreiben von Lernspielen als »Spaß« definierte, also von der Notwendigkeit angetrieben, diese Spiele zu produzieren.
Fazit
Die Debatten darüber, ob Computerspiele zugelassen oder verboten werden sollten, waren in Polen eng mit der Diskussion über die Rolle der Jugend im Modernisierungsprojekt verknüpft. Die CB hat dabei erfolgreich die Dringlichkeit der flächendeckenden Verbreitung von Computern und des Erlernens ihrer effizienten Nutzung in Heim-, Bildungs- und Arbeitsumgebung als staatliche Angelegenheit definiert. Auf diese Weise wurde nicht nur ein neues Feld für den Wettbewerb zwischen dem staatssozialistischen Polen und dem Westen beschrieben, sondern die Computerisierung zugleich zu einem kollektiven Projekt erklärt. Die polnische Bevölkerung, egal ob Erwachsene, Jugendliche oder Grundschulkinder mit einem gewissen Interesse an Computern, sollte in einen groß angelegten Prozess der Computerisierung einbezogen werden. Auf einer diskursiven Ebene resultierte die Einbettung der Computernutzung in den Wettbewerb in einer binären Opposition von legitimen »produktiven« und illegitimen »unproduktiven« Praktiken. Die hier vorgestellten Debatten über die Legitimität von Computerspielen zeigen, wie diese spezifische Kontroverse mehr Licht auf die übergreifende Frage nach Spannungen zwischen sozialer Disziplinierung und Unterhaltung im Staatssozialismus werfen kann.
[0] Die Arbeit wurde durch ein Stipendium des Narodowe Centrum Nauki [Nationales Wissenschaftszentrum] unter der Nr. 2016/23/D/HS3/03199 gefördert.
[1] Rob Kling/Suzanne Iacono: The Mobilization of Support for Computerization. The Role of Computerization Movements, in: Social Problems 35 (1988), H. 3, S. 226–243.
[2] Frauen wirkten nur sehr selten aktiv an diesem Prozess mit.
[3] Siehe Katalin Miklóssy/Melanie Ilic (Hg.): Competition in Socialist Society, London/New York 2014, S. i.
[4] Paul R. Josephson: Would Trotsky Wear a Bluetooth? Technological Utopianism under Socialism, 1917–1989, Baltimore 2010. Zur Rolle von Technologien in imaginierten Zukünften/Zukunftsvisionen siehe Gert Verschraegen u. a. (Hg.): Imagined Futures in Science, Technology and Society, London/New York 2017.
[5] Siehe dazu Jaroslav Švelch: Gaming the Iron Curtain. How Teenagers and Amateurs in Communist Czechoslovakia Claimed the Medium of Computer Games, Cambridge/London 2018, S. 99–122.
[6] Olga Goriunova: Introduction, in: dies. (Hg.): Fun and Software Exploring Pleasure, Paradox and Pain in Computing, New York u. a. 2014, S. 1–19, hier S. 5.
[7] Für den umfassendsten Überblick über das Konzept »soziale Bewegung« siehe: Donatella Della Porta/Mario Diani: Social Movements. An Introduction, 2. Aufl. Malden u. a. 2006. Für einen Überblick über die Rolle von sozialen Bewegungen bei der Unterstützung oder Abwehr von Technologien siehe: David J. Hess: Technology- and Product-Oriented Movements. Approximating Social Movement Studies and Science and Technology Studies, in: Science, Technology & Human Values 30 (2005), H. 4, S. 515–535.
[8] Kling/Iacono: The Mobilization (Anm. 1), S. 228. Diese und weitere Übersetzungen von Zitaten erfolgten durch den Übersetzer.
[9] Ebd., S. 227.
[10] Švelch: Gaming (Anm. 5), S. 100 f.
[11] Siehe Patryk Wasiak: Playing and Copying. Social Practices of Home Computer Users in Poland During the 1980s, in: Gerard Alberts/Ruth Oldenziel (Hg.): Hacking Europe. From Computer Cultures to Demoscenes, London 2014, S. 129–150.
[12] Magda Sowińska: Nauczyciel kontra maszyna [Lehrer gegen Maschine], in: Trybuna Ludu vom 29. Oktober 1988, S. 5.
[13] Wojciech Olejniczak: Lawina [Lawine], in: Komputer (1986), H. 2, S. 4 f., hier S. 5.
[14] Die PTI, gegründet 1982, war eine Organisation von Informatikern, deren Mitglieder regelmäßig den Standpunkt vertraten, dass ein Land wie Polen, das in der technologischen Entwicklung hinter dem Westen zurückliege, es sich einfach nicht leisten könne, Computer als »Spielzeug« zu benutzen.
[15] Andrzej Brezicki u. a.: Matchbox dla szofera [Matchbox für den Chauffeur], in: Bajtek (1985), H. 1, S. 3 f., 26, hier S. 4, 26. Zitierter Abschnitt beginnt auf S. 4 und wird auf S. 26 fortgesetzt.
[16] Waldemar Siwiński: Poza priorytetem [Keine Priorität], in: Bajtek (1989), H. 3, S. 2.
[17] Alexei Yurchak: Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton/Oxford 2005.
[18] George Pan Cosmatos: Rambo II – Der Auftrag, USA 1985; Joseph Zito: Missing in Action, USA 1984–1988.
[19] Siehe Patryk Wasiak: The Video Boom in the State-Socialist Poland, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung (2012), H. 1, S. 27–50.
[20] Marek Młynarski: Komputery i polityczka [Computer und Politiker], in: Komputer (1986), H. 2, S. 4.
[21] Jacek Rodek: Demon gry [Dämon-Spiele], in: Bajtek (1985), H. 1, S. 25.
[22] Andrzej Kadlof: Gry przygodowe po polsku [Adventure-Spiele auf Polnisch], in: Komputer (1986), H. 1, S. 26 f.
[23] Ebd., S. 27.
[24] Švelch: Gaming (Anm. 5), S. 109–112.
[25] Leszek Wilk: Pierwszy był Abakus [Zuerst war Abakus], in: Bajtek (1986), H. 1, S. 28 f., hier S. 29.
[26] Klaudiusz Dybowski/Michał Silski: Maniak [Verrückter], in: Bajtek (1986), H. 5, S. 30.
[27] Informik (1985), H. 1, S. 3.
[28] Švelch: Gaming (Anm. 5), S. 99–102.
[29] Klub Komputerowy LOK: LOK w Nowym Sączu [LOK in Nowy Sącz], in: Bajtek (1987), H. 9, S. 27.
[30] Ramos: Wywiad z Pampamʼem [Interview mit Pampam], in: Commodore & Amiga Fan (2009), H. 5, S. 57–59, hier S. 57.
[31] Kling/Iacono: The Mobilization (Anm. 1), S. 232.
[32] Krzysztof Kuryłowicz/Dariusz Madej/Krzysztof Marusek: Spectrum. Uczy i bawi [Spectrum. Lehrt und unterhält], in: Komputer (1986), H. 1, S. 8 f., hier S. 8, übertragen den Slogan auf den britischen Importcomputer »Spectrum«.
[33] Siehe für das Konzept Goriunova: Introduction (Anm. 6), S. 10.
[34] Mizuko Ito: Engineering Play. A Cultural History of Children’s Software, Cambridge/London 2009.
[35] Gleb J. Albert: »Subkultur, Piraterie und neue Märkte. Die transnationale Zirkulation von Heimcomputersoftware, 1986–1995«, in: Frank Bösch (Hg.): Wege in die digitale Gesellschaft. Computernutzung in der Bundesrepublik 1955–1990, Göttingen 2018, S. 274–299.
[36] Krzysztof Mamcarz: Nauczyciele i komputery [Lehrer und Computer], in: Komputer (1986), H. 4, S. 5 f., hier S. 6.
[37] Siehe Goriunova: Introduction (Anm. 6), S. 10.
[38] Władywsław Majewski: Software, in: Przegląd Techniczny vom 29. Juni 1986, S. 22, 30, hier S. 30.
[39] Przegląd Techniczny vom 21. September 1986, S. 30.
[40] Przegląd Techniczny vom 26. April 1987, S. 18.
[41] Grzegorz Onichimowski: Komputerowe lobby [Computerlobby], in: Bajtek (1987), H. 2, S. 3.
[42] Ludmiła Libizowa: Komputer jak dziecko [Ein Computer wie ein Kind], in: Przegląd Techniczny vom 4. Oktober 1987, S. 14–18, hier S. 18.