x

Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2022

Die dunkle Seite der Perestroika

Autoritäre Strukturen, russischer Nationalismus und imperiales Denken unter Gorbačёv und Elʼcin

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 149-164 | Metropol Verlag

Autor/in: Jan Claas Behrends

Im Jahr 1992 trafen sich nach verrichteter Arbeit in den gerade geöffneten russischen Archiven einige prominente amerikanische Historiker im Hotel Moskau am Manege-Platz. In dem stalinistischen Gebäude befand sich mittlerweile eine spanische Bar, zu dieser Zeit einer der wenigen Orte, an dem im Zentrum der russischen Metropole tolerables Essen angeboten wurde. Die anwesenden Wissenschaftler tauschten sich dort über die Aussicht für die Zukunft des Landes nach dem Ende der Sowjetunion aus. Keiner der Anwesenden sah zu diesem Zeitpunkt noch eine Perspektive für Demokratisierung und Reform in Russland. Man diskutierte vielmehr über Anarchie, einen völligen Zusammenbruch des Staates, einen faschistischen Putsch oder die Rückkehr zur traditionellen russischen Staatsform: der Autokratie. Laut Jonathan Brent, einem Zeitzeugen aus der spanischen Bar, war es Norman Naimark aus Stanford, der die Diskussion mit der Prognose beendete, dass aus dem Chaos ein strong man hervorgehen werde, der versuchen werde, die Überreste der Sowjetunion wieder in einem autoritären Staat zusammenzuführen. Heute wissen wir: Naimark lag mit seiner Prognose von 1992 nahe an der Realität.[1] Als Historiker hatte er die Kräfteverhältnisse in Russland verstanden. Naimark erkannte, dass sich Politik und Gesellschaft Russlands nicht in wenigen Jahren verändern können. Die autoritären Strukturen hatten den Zusammenbruch des Imperiums überdauert.

In der Gegenwart hält sich jedoch ein anderer Blick auf die Epoche Michail Gorbačёvs und Boris Elʼcins. Sie gilt – zu Recht – als Zeit der Annäherung zwischen Moskau und dem Westen.[2] Gorbačёvs Politik der Perestroika wird insbesondere an ihren internationalen Auswirkungen gemessen: das Ende des Kalten Krieges und der Spaltung Europas im Laufe des Jahres 1989 zementierten sein Ansehen im Westen.[3] Mit der Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 verschwand die kommunistische Diktatur und die imperiale Ordnung von Jalta war endgültig Geschichte.[4] Zunächst wog der imperiale Zusammenbruch schwerer als die autoritären Kontinuitäten, die sich bereits in den 1990er-Jahren abzeichneten.[5] Doch der positive Blick auf die Reformen innerhalb der UdSSR sollte einem differenzierten Bild weichen. Innenpolitisch galt lange Liberalisierung als Signum der Epoche: durch Glasnost (Offenheit) fiel seit 1986 die Zensur und eine Auseinandersetzung mit der sowjetischen Geschichte wurde möglich. Ab 1988 suchte Generalsekretär Gorbačёv dann gezielt das Bündnis mit der liberalen Intelligenzija, um die Blockade der Nomenklatura gegen seine wirtschaftlichen und politischen Reformen aufzubrechen.[6] Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildeten die halbfreien Wahlen zum Kongress der Volksdeputierten im Frühjahr 1989, an denen sich auch Regimekritiker wie Andrej Sacharov beteiligen durften.[7] Der Weg in eine pluralistische Zukunft der Sowjetunion schien vorgezeichnet.

Tatsächlich lässt sich jedoch auch eine andere Geschichte der Perestroika erzählen, die bisher eher vernachlässigt wurde. Sie handelt von autoritärer Kontinuität, repressiven Strukturen und Mentalitäten, untergründigen Allianzen, zunehmender Kriminalität und physischer Gewalt. Zudem wäre es eine Geschichte, die weniger den Bruch des Jahres 1985 betont, weniger die Person Michail Gorbačёv und seine Mannschaft in den Blick nimmt, sich nicht am kurzen Sommer der Intelligenzija abarbeitet, sondern stattdessen die Bevölkerung auch jenseits der Metropolen und die Geheimpolizei und Armee analysiert, die von der Reformpolitik nur gestreift wurden. An dieser Kombination von autoritären Mentalitäten und Strukturen scheiterte letztlich die »oktroyierte Zivilisierung« der Sowjetunion unter Gorbačёv.[8] Wie andere Reformvorhaben in Russland war bei der Perestroika die Präsentation wesentlich beeindruckender als die Realität auf der langen Wegstrecke zur Veränderung.

 

 

I. Netzwerke und Apparate: Spätsozialistische Voraussetzungen der Perestroika

 

Michail Gorbačёv prägte durch seine Reden und Schriften von Beginn an die Wahrnehmung seiner Reformen. Nach Machtantritt verkündete er den Ausbruch aus der »Stagnation« der vergangenen Jahrzehnte und beschwor in seinem Buch von 1987 eine »zweite russische Revolution«.[9] Während die außenpolitischen Resultate seiner Politik einfach zu benennen sind, ist es weitaus schwieriger, eine Bilanz seiner Politik innerhalb der Sowjetunion zu ziehen. Um zu verstehen, über welche Handlungsspielräume Gorbačёv verfügte, lohnt es sich, die Gesellschaft zu skizzieren, die er bei seiner Machtübernahme 1985 vorfand. Ein Blick auf die sowjetische Wirklichkeit erlaubt es, die Grenzen der »oktroyierten Zivilisierung« zu verstehen. Schließlich konnten Gorbačёv und seine Reformer nur innerhalb des politischen und sozialen Rahmens agieren, den sie vorfanden.

Die Prägung der Sowjetunion durch dreißig Jahre Stalinismus und die anschließende Herrschaft Nikita Chruščëvs und Leonid Brežnevs reichte tief; als Gorbačёv an die Macht kam, war das sozialistische System bereits in seinem siebten Jahrzehnt. Die sozialistische Wirklichkeit, häufig geprägt von Korruption, Verantwortungslosigkeit und Alkoholmissbrauch, wurde von Teilen der Nomenklatura als problematisch wahrgenommen. Doch ein weitaus größerer Teil fürchtete die Unsicherheit, die sich mit weitreichenden Reformen verband. Die Reformperiode Chruščëvs und ihre Folgen wurden unterschiedlich beurteilt; einigen galten sie als Vorbild, doch unter Brežnev hatte sich ein Konsens herausgebildet, der den destruktiven Einfluss abrupter Veränderungen betonte. Die »Stagnation«, die Gorbačёv anprangerte, wurde nach dem Terror Stalins und der erratischen Führung Chruščëvs jedoch vom Parteiapparat als eine Phase der Berechenbarkeit und Sicherheit wahrgenommen. Doch sowohl im Westen als auch unter Dissidenten und innerhalb der Nomenklatura begannen gegen Ende der Brežnev-Ära die Spekulationen über die Zukunft der UdSSR.[10] Schon in den 1970er-Jahren reichten die Prognosen von anhaltender Agonie über liberale Reformen bis zu faschistischer Gewaltherrschaft.[11] Der Regimekritiker Andrej Amalʼrik nahm an, dass die UdSSR an einem Krieg mit China zerbrechen werde.

Nicht nur die erstarrten parteistaatlichen Strukturen stellten ein Problem für die sowjetischen Reformer dar. Hinzu kam mangelndes Wissen über das eigene Land und seine Gesellschaft. Selbst die sowjetische Führung kannte die Sowjetunion nur in Ausschnitten und verstand die soziale und politische Lage nur partiell. Der KGB war wahrscheinlich am besten im Bilde – seine Überwachung reichte schließlich in sämtliche Sphären des sowjetischen Lebens –, doch er überschätzte die Dissidenten, auf deren Unterdrückung der Geheimdienst mit seinem Chef Juri Andropov einen besonderen Fokus legte.[12] Da Mechanismen zur gesellschaftlichen Selbstverständigung – eine liberale Öffentlichkeit, zivilgesellschaftliche Organisationen oder kritische Sozialwissenschaften – fehlten, war das soziale Leben des Landes auch für die Herrschenden eine Blackbox. Einzelne Bürger konnten in der Regel nur die lokalen, sozialen und politischen Verhältnisse beurteilen, die sie aus eigener Erfahrung kannten.[13] Von den gesellschaftlichen Verhältnissen, den Mentalitäten und informellen Strukturen an anderen Orten der Union hatten sie jedoch bestenfalls eine Ahnung. Die Fragmentierung der Gesellschaft und die Atomisierung des Einzelnen waren Charakteristika des sowjetischen Lebens. Selbst die Nomenklatura existierte weitgehend von ihren Untertanen isoliert in einem eigenen Kosmos. Deshalb lässt sich konstatieren, dass die sowjetische Führung zwar über machtvolle Herrschaftsinstrumente verfügte, es ihr aber gleichzeitig an gesichertem Wissen über das eigene Land fehlte. Dies war eine Konsequenz der Ideologisierung und Zerstörung der Wissenschaften: »Der ideologische Druck führte zur Lähmung der Forschung auf vielen naturwissenschaftlichen Gebieten, und die Geisteswissenschaften wurden schlichtweg erdrosselt.«[14]

Diese Problematik wurde durch die verbreitete Praxis, die Realitäten schönzufärben und Missstände auszublenden, durch ein Berichtswesen, das sich daran orientierte, was die Vorgesetzten hören wollten, noch weiter verschärft. Über Jahrzehnte waren kritische Stimmen im besten Fall ignoriert, in der Regel jedoch unterdrückt worden.[15] Dies galt nicht nur für die politische Opposition, sondern auch innerhalb des immensen Apparates, der Konformität belohnte und Eigensinn bestrafte.[16] Den sowjetischen Funktionär sollten wir uns als argwöhnische und vorsichtige Person vorstellen, skeptisch bis ablehnend gegenüber Veränderungen und darauf bedacht, den eigenen Status zu verteidigen. Damit ähnelte er übrigens dem durchschnittlichen sowjetischen Bürger.[17]

Die kommunistische Diktatur ruhte seit Lenin auf drei Säulen: Partei, Geheimpolizei und Armee.[18] Die Machtverteilung zwischen diesen drei Institutionen musste immer wieder neu austariert werden. Neben ihnen existierten keine anderen Organisationen, die über bedeutende politische Macht verfügten: Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und die Öffentlichkeit wurden kontrolliert und spielten eine untergeordnete Rolle. Innerhalb des sowjetischen Machtapparates waren es stets einzelne Personen oder Clans, die auf lokaler, regionaler Ebene oder auch im Kreml um die Macht rangen.[19] Hinter der opulenten Fassade des Parteistaates mit seinen zahllosen Instanzen und Verästelungen verbargen sich die eigentlichen Stützen kommunistischer Herrschaft: Patronage und Loyalität.[20] Dies galt, wie Yoram Gorlizki und Oleg Chlevnjuk gezeigt haben, nicht nur für die zentralen Machtapparate – Politbüro und Zentralkomitee – in Moskau, sondern bis hinunter in die Provinz, wo sich durch Leonid Brežnevs »Stabilität der Kader« einzelne Clans und Herrschaftsgeschlechter etablierten, die teilweise bis heute an der Macht sind.[21] Dies bedeutete, dass die Macht »vor Ort« – in den Regionen, aber auch in Betrieben oder Instituten – von einzelnen Funktionären ausgeübt wurde, die sich des Partei- und Staatsapparates bedienten, von ihm aber kaum wirksam kontrolliert wurden. Die kommunistische Diktatur im Spätsozialismus war keine Herrschaft eines anonymen Apparates – sie war vielmehr ein kompliziertes Feudalgeflecht, ein weites Netzwerk persönlicher Autorität und Loyalität, das sich KPdSU nannte und über die gesamte Sowjetunion spannte. Somit handelte es sich nicht nur um eine anonyme Diktatur, in der sowjetische Bürger lebten, sondern um ein Geflecht personalisierter Autorität. Für sowjetische Bürger bestanden Erfahrungen mit dem Parteistaat in der Regel in Konflikten mit lokalen Machthabern, die oft willkürlich entschieden und häufig auch für Bestechung offen waren. Daraus speiste sich das Misstrauen gegenüber dem Parteistaat und seinen Repräsentanten. Von der Staatsmacht erwarteten die Bürger nichts Gutes.

Macht und Autorität bedeuteten auch in der sowjetischen Gesellschaft eine materiell privilegierte Stellung. Nach Jahrzehnten der Not und des Mangels waren sowjetische Funktionäre und Bürger dankbar für die Jahre der Sicherheit und des bescheidenen Wohlstands, die unter Leonid Brežnev auf Bürgerkrieg, Terror und Weltkrieg folgten. Doch zugleich wussten sie, dass das Regime noch immer über die Instrumente verfügte, um ihre Karriere, ihre Familie oder auch ihr Leben von einem Tag auf den anderen zu zerstören. Die einzige Möglichkeit, sich dieser Bedrohung zu entziehen, bestand in der Auswanderung. Doch das war ein Weg, der nur wenigen offenstand. Ansonsten blieb nur die Anpassung, der Rückzug ins Private und eben auch die Anpassung und Unterstützung der Parteiherrschaft. Schließlich waren die sozialistischen Ideale keineswegs diskreditiert; die Werte der Gleichheit und Gerechtigkeit spielten für sowjetische Bürger eine wichtige Rolle.[22] Selbst diejenigen, die sich wie Hippies am Rande der sowjetischen Gesellschaft ansiedelten, blieben trotz der äußerlichen Differenzen stark von ihren Werten geprägt.[23] Die Bewegung der Dissidenten, die nach Stalins Tod entstanden war und seit den 1960er-Jahren eine wachsende Anhängerschaft in der urbanen Intelligenzija rekrutierte, war zu Beginn der 1980er-Jahre weitestgehend verstummt. Ihre Protagonisten befanden sich entweder im Exil, in der Psychiatrie, im Straflager oder in der inneren Verbannung, wie das liberale Aushängeschild Andrej Sacharov, der seinen Protest gegen den Afghanistankrieg mit einer Zwangsumsiedlung nach Gorki an der Wolga bezahlte. Die Reformen von Juri Andropov hatten den KGB zu einem schlagkräftigen Instrument innerer Disziplinierung ausgebaut, das in der gesamten Gesellschaft präsent war.[24] Der weitgehende Verzicht auf physische Gewalt und Terror bedeutete keineswegs, dass die Geheimpolizei an Gewicht eingebüßt hatte. Im Gegenteil: Wie eine Krake durchzogen ihre Mitarbeiter und ihre Spitzel die sowjetische Gesellschaft. Dies galt insbesondere für die Opposition.

Während der private Konsum seit Ende der 1970er-Jahren stagnierte, wuchsen die militärischen Ausgaben unter Brežnev weiter. Dies galt sowohl für die nuklearen als auch für die konventionellen Streitkräfte. Zwar litt auch die Armee unter den Ermüdungserscheinungen des späten Sozialismus, unter Korruption und Erstarrung.[25] Doch im Vergleich zu anderen Teilen der Gesellschaft verfügte der militärisch-industrielle Komplex über fantastische Mittel.[26] Die sowjetische Ökonomie war eine Kriegsökonomie – der militärische Sektor hatte stets Vorrang vor zivilen Ausgaben. Auch hier galt, dass es selbst der politischen Führung schwerfiel, den Überblick zu behalten. Längst war der Rüstungsmotor zum Selbstzweck geworden, der das Gros des erwirtschafteten Wohlstands beanspruchte, während Russland, vor der Revolution Exporteur von Nahrungsmitteln, nur noch durch amerikanischen Weizen vor Hunger bewahrt wurde. Mindestens so wichtig wie diese wirtschaftlichen Probleme waren die sozialen Konsequenzen dieser Entwicklung: Millionen sowjetischer Bürger arbeiteten im militärisch-industriellen Komplex. Ihr Auskommen war von den Fabriken und Werkstätten abhängig, die für die Armee und die Sicherheitsorgane produzierten. Darüber hinaus teilten sie vermutlich das Weltbild und die autoritäre Mentalität, die für diesen Teil der sowjetischen Gesellschaft charakteristisch waren. Sie hatten weder an einer Liberalisierung noch an einer Entmilitarisierung der UdSSR Interesse.

Politisch tolerierte die Parteiführung während der Brežnev-Ära autoritäre und nationalistische Ansichten weit stärker als »liberale« Tendenzen. So ließ sich bereits seit Stalins Tod ein Wiederaufleben des russischen Nationalismus beobachten, der von einer einflussreichen Fraktion in der Kommunistischen Partei geteilt wurde.[27] Diese Strömung verfügte über ihre eigenen Zeitschriften und Verlage. Auch in der Belletristik existierte mit den Heimatdichtern und ihrer Dorfliteratur eine völkische Linie, die offiziell gefördert und in der das vormoderne Leben verklärt wurde.[28] Neben dem Feindbild USA, das in der Sowjetunion weiterhin omnipräsent war, stand der als »Antizionismus« verbrämte offizielle Antisemitismus, der weitreichende soziale Konsequenzen hatte. »Antizionismus« führte zur Ausgrenzung jüdischer Bürger vom gesellschaftlichen Leben – an den Universitäten und Akademien gab es Quoten, die ihren Zugang limitierten – und zur Verbreitung eines verschwörungstheoretischen Weltbildes.[29] Gerade in der Öffentlichkeit und Propaganda galt, dass die Topoi und Feindbilder des Spätsozialismus keineswegs mit Beginn der Ära Gorbačёv verschwanden. So erschien noch 1986 in einem Staatsverlag Aleksandr Romanenkos Traktat Über den Klassencharakter des Zionismus, in dem das sowjetische antisemitische Narrativ noch einmal verschärft wurde.[30] Hier wurde weiterhin behauptet, der Zionismus sei ein Vehikel zur Erlangung der »jüdischen Weltherrschaft«.

Diesen Beispielen für die autoritären Strukturen des späten Sozialismus in der UdSSR könnten noch weitere hinzugefügt werden. So sticht beispielsweise ins Auge, dass die orthodoxe Kirche – im Unterschied zu den Kirchen in Ostmitteleuropa – weitgehend vom sowjetischen Geheimdienst kontrolliert wurde. Auf diese Weise konnte sich nur in Ansätzen eine religiös fundierte Opposition gegen den sowjetischen Parteistaat bilden.[31] Zivile Werte und Strukturen waren in der UdSSR nicht nur marginal, sie wurden auch zu Beginn der Perestroika weiter unterdrückt und kriminalisiert. Im Frühjahr 1986 zeigte die offizielle Reaktion auf die Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl, wie tief auch nach einem Jahr Gorbačёv die autoritären Strukturen verankert blieben: Desinformation und Verleugnung der Gefahren zerstörten gerade in der Ukraine das Vertrauen in die neue Moskauer Führung und ihre Reformpolitik.[32] Auch der Abbau innenpolitischer Repressionen ging nur langsam voran. Erst im Dezember 1986 – nach fast zwei Jahren an der Macht – hob Gorbačёv persönlich das innere Exil von Andrej Sacharov auf und lud den Physiker, der über Jahrzehnte im Visier des KGB stand, zurück nach Moskau ein.[33] Während im Verhältnis zum Westen bereits im Oktober 1986 beim Gipfeltreffen von Reykjavík ein Durchbruch erzielt wurde, gingen die Veränderungen im Inneren der Sowjetunion zunächst nur schleppend voran. Der außenpolitische Kurs konnte schneller geändert werden als die Strukturen aus mehr als fünf Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft.

Die aggressive Politik gegenüber der NATO beendete Gorbačёv in seinen ersten Amtsjahren – obwohl es mit dem Afghanistankrieg ein Problem gab, das ihn noch über Jahre beschäftigte.[34] Die autoritären Strukturen im Inneren aufzubrechen erwies sich als wesentlich schwieriger. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Gorbačёv angenommen, dass er die Kommunistische Partei zum Motor der Reformen machen könne.[35] Sie sollte, der Doktrin Lenins folgend, wieder die Avantgarde sein, die revolutionäre Veränderungen vorantreibt. Es dauerte drei Jahre, bis die neue Führung verstand, dass sie mit ihren Reformvorstellungen in der KPdSU in der Minderheit war. Das Gros der mittleren und kleinen Funktionäre hatte kein Interesse an einer Veränderung des Status quo. Selbst in der Elite des ZK blieben die Reformer isoliert.[36]

Die offizielle Bezeichnung zastoj (Stagnation), die von nun an die Zeit vor 1985 beschrieb, zeugte von der Arroganz der Reformer um Michail Gorbačёv. Bis 1953 war die Sowjetunion durch eine Welle dynamischer sozialer Brüche gegangen. Selbst unter Brežnev gingen solche sozialen Makrotrends wie Urbanisierung und Industrialisierung ungebrochen weiter. Für weite Teile der Bevölkerung der Sowjetunion, insbesondere Russlands, war das, was nun pejorativ »Stagnation« hieß, eine Atempause nach Jahrzehnten des Schreckens. Was sollte die Bevölkerung von einem neuen Aufbruch, gar von einer »Beschleunigung« oder »Revolution«, wie Michail Gorbačёv sie versprach, eigentlich erwarten? Im konservativen Hinhalten der Mehrheit manifestierte sich der Primat der Stabilität, die Ablehnung einer weiteren Phase revolutionärer Veränderung, von der man nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts kaum Gutes erwartete.

Die Perestroika war ein Projekt politischer Eliten, das auf die Verbesserung sowjetischer Wettbewerbsfähigkeit im Kalten Krieg zielte. Zur graduellen Liberalisierung der kommunistischen Diktatur kam es erst, als die Reformfraktion innerhalb der Partei an die Grenzen ihrer Macht stieß und sich mit den liberalen Kräften der Intelligenzija verbündete. Es war diese mittlere Periode der Perestroika, die von 1987 bis Ende des Jahres 1989 dauerte, die unser Bild der Epoche bis in die Gegenwart prägt. Sowohl vor 1987 als auch ab 1990 waren die autoritären Züge der Herrschaft Gorbačёvs weitaus deutlicher. Das ist weniger verwunderlich, als es später schien; schließlich war Michail Gorbačёv als Protegé des langjährigen KGB-Chefs und kurzzeitigen Generalsekretärs Juri Andropov nach Moskau gekommen.[37] Er war damit Teil des Netzwerks des Chefs der sowjetischen Geheimpolizei, der sich seine Meriten bei der Niederschlagung der Revolution in Ungarn, beim Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 sowie bei der Ausschaltung der Opposition innerhalb der UdSSR erworben hatte.[38] Andropov hätte den Provinzfunktionär Gorbačёv nicht gefördert, wenn er in ihm einen verkappten Demokraten gesehen hätte. Vermutlich sah der KGB-Chef einen loyalen und durchsetzungsstarken Parteifunktionär, der seine autoritäre Reformagenda teilte, und beorderte ihn deshalb nach Moskau – Andropov sah einen Deng Xiaoping, keinen Alexander Dubček.[39] Seine Karriere in Moskau verdankte Gorbačёv seinem Patron an der Spitze des KGB. Bis heute ungeklärt bleibt die Frage, welche Rolle die Geheimpolizei bei der Konzeption und Durchführung der Reformen in der Sowjetunion spielte.[40] Erst die Öffnung weiterer Archive wird zeigen, wen der KGB eigentlich im letzten Jahrzehnt der UdSSR unterstützte und wie sich seine Spitze konkret politisch positionierte.

 

 

II. Glasnost oder der kurze Sommer der Intelligenzija (1987–1989)

 

Bereits Alexis de Tocqueville erkannte, dass autoritäre Regime sich in dem Moment in Gefahr begeben, wenn sie beginnen, ihre Strukturen zu reformieren. Zugleich behauptete er, dass selbst revolutionäre Umbrüche gesellschaftliche Trends selten umkehren. Im Gegenteil: Häufig verstärkten sie die Entwicklungen, die bereits im Ancien Régime angelegt waren. Der Herrscher einer Despotie, der die Freiheit bringt, begibt sich laut Tocqueville in existenzielle Gefahr: »Il n’y a qu’un grand génie qui puisse sauver un prince qui entreprend de soulager ses sujets après une oppression longue.«[41] Die Erfahrungen der Perestroika bestätigen diese Beobachtung aus dem Zeitalter der Französischen Revolution.

Nachdem die sowjetische Führung um Gorbačёv erkannt hatte, dass die Nomenklatura ihre politischen Veränderungen nicht unterstützte, begann sie, die Funktionäre in der Kommunistischen Partei unter Druck zu setzen. Dazu setzte sie ab 1987 auf eine Entfesselung der Öffentlichkeit (glasnostʼ) durch Lockerung der Zensur, auf halbfreie Wahlen und auf ein Bündnis mit der liberalen Intelligenzija, die damit in Konkurrenz zur Kommunistischen Partei – zur Trägerschicht der Perestroika avancierte. Die Rückkehr Andrej Sacharovs aus der Verbannung Ende 1986 war ein erster Schritt in diese Richtung. Erst der Aufstieg kritischer Medien im Laufe der folgenden Jahre hatte jedoch größere Konsequenzen, da die Dekonstruktion sowjetischer Mythen über die Revolution, den Terror oder den Weltkrieg die Legitimität der Parteiherrschaft untergrub. Im Frühjahr 1988 schlug der Parteiapparat mit dem Brief der Leningrader Chemikerin Nina Andreeva (»Ich kann meine Prinzipien nicht preisgeben«) zurück.[42] Damit gab es erstmals seit den 1920er-Jahren wieder ein öffentliches Zerwürfnis zwischen verschiedenen Fraktionen der Staatspartei.[43] Dies verdeutlichte die prekäre Dominanz der Gruppe um Gorbačёv, deren Autorität sich primär auf das Amt des Generalsekretärs stützte. Mittelfristig schwächten die internen Konflikte die Stellung der KPdSU, die über Jahrzehnte als eisernes Band die UdSSR zusammengehalten hatte. Bereits Lenin hatte verstanden, dass die Bildung verschiedener Strömungen und Fraktionen die Schlagkraft der Partei schmälerte. Nur eine geschlossene Organisation taugte als Instrument autoritärer Herrschaft.

Durch Gorbačёvs Glasnost sanken nun das Ansehen und die Legitimität der Partei, deren Verbrechen und Fehler erstmals öffentlich diskutiert wurden.[44] So endete der Nimbus ihrer historischen Mission und Unfehlbarkeit.[45] Noch dramatischer war jedoch ihre doppelte Desintegration. Im Zentrum verfestigte sich die Spaltung zwischen den Reformern und der großen Mehrheit der skeptischen bis reformfeindlichen Funktionäre. Ähnlich dramatisch war die Lage an der Peripherie, in den einzelnen Republiken der Sowjetunion. Hier wandte sich die Parteielite zunächst im Baltikum und im Kaukasus, dann auch in der Ukraine zunehmend von Moskau ab.[46] Die Auflösung der einstmals monolithischen Partei war sowohl politisch als auch regional-national. Dieser Prozess stellte ihre Funktion als Klammer zwischen den fünfzehn Republiken und als imperiale Herrschaftselite infrage. Ohne eine funktionierende Partei geriet die Sowjetunion selbst ins Wanken. In den Republiken entstanden alternative Machtzentren, die sich mehr und mehr Autorität sicherten und sich auf ihre nationale Legitimität beriefen.

Die politischen und nationalen Bruchlinien der UdSSR manifestierten sich nach den Wahlen vom 26. März 1989 öffentlich in den Sitzungen des Kongresses der Volksdeputierten, die in das ganze Land übertragen wurden.[47] Das halbfreie Wahlsystem und der Einfluss der Partei hatten dafür gesorgt, dass die Reformgegner die Mehrheit der Sitze bekamen. In der russischen Provinz hatte der Parteiapparat zudem die Wahlen und die Auswahl der Deputierten stark kontrolliert.[48] Vertreter nonkonformer Positionen kamen in der Regel aus Moskau, Leningrad oder aus dem Baltikum. Boris Elʼcin und Andrej Sacharov führten das Reformlager im Frühjahr 1989 und drängten den Generalsekretär Gorbačёv damit in eine neue Rolle. Er verkörperte nicht mehr die Speerspitze der Reform, sondern musste nun auch öffentlich – wie zuvor intern im Politbüro – die verschiedenen Lager austarieren. Das verschaffte ihm zwar eine Stellung als Makler, doch es sorgte auch dafür, dass seine eigenen politischen Positionen kaum noch zu erkennen waren. Gorbačёv, das Symbol des Aufbruchs, wandelte sich zur Verkörperung des Kompromisses – und das in einer politischen Kultur, die Ausgleich als Zeichen der Schwäche sieht. Für das »demokratische« Reformlager wandelte sich Gorbačёv im Laufe des Jahres 1989 zunehmend zum Verteidiger jener »aggressiv-gehorsamen Mehrheit« (Juri Afanásʼev), die den Volksdeputiertenkongress dominierte.

Zu einer Schlüsselszene im Kongress kam es beim Zusammenstoß zwischen Andrej Sacharov und den Afghanistanveteranen, die unter den Deputierten zahlreich vertreten waren. Für Sacharov, der seinen Protest gegen den sowjetischen Einmarsch am Hindukusch mit sieben Jahren Verbannung bezahlt hatte, war die Aufarbeitung des Krieges und der Verbrechen in Afghanistan ein persönliches Anliegen. Bereits damals war deutlich, dass es in Afghanistan durch beide Parteien zu Verstößen gegen das Kriegsrecht und willkürlicher Gewalt gekommen war.[49] Sacharov hatte verstanden, dass die Aufklärung des Geschehens im afghanischen Gewaltraum eine Voraussetzung für die zivile Umkehr der sowjetischen Gesellschaft darstellte. Nur die Abkehr vom Kult des Militärs und der Gewalt würde den Weg in ein freieres Gemeinwesen ebnen. Doch genau diese Haltung stieß im Kongress der Volksdeputierten auf scharfe Kritik.

Dass die Debatte über Afghanistan mit einer Demütigung Sacharovs vor den Augen der sowjetischen Öffentlichkeit endete, war eine Machtdemonstration der autoritären Mehrheit. Sie begann mit der Rede eines amputierten Afghanistanveteranen, der sich zunächst vom Rednerpult über die mangelnde Anerkennung für die »Internationalisten« beschwerte.[50] In seinen Augen zeichneten die liberalen Medien zudem ein zu negatives Bild der sowjetischen Armee. Schließlich verlas er einen offenen Brief sowjetischer Fallschirmjäger an Andrej Sacharov, in dem seine »provokativen« Aussagen über den Krieg angeprangert wurden. Diese Rede wurde vom Applaus der Mehrheit getragen; darum attackierte der Veteran schließlich auch Michail Gorbačёv, der den Vorsitz führte, dafür, dass sich der Generalsekretär nicht mehr ausdrücklich zum Kommunismus bekenne. Zu guter Letzt erklärte der Veteran, dass er immer noch drei Werten verpflichtet sei: »Staat, Mutterland, Kommunismus.« Auf diese Proklamation reagierten die Delegierten mit stehenden Ovationen und zwangen auch den Generalsekretär, der zunächst sitzen geblieben war, sich ihnen anzuschließen. Die Isolation der wenigen Abgeordneten, die sich dem Applaus nicht anschlossen, wurde an diesem Tage deutlich.[51] Als Andrej Sacharov versuchte, sich zu verteidigen, wurde er von seinen zahlreichen Widersachern angepöbelt. Nach ihm sprachen eine Reihe von Delegierten, die die Veteranen unterstützten und Sacharov vorwarfen, »das Volk«, »die Armee« und »die Gefallenen« zu beleidigen. Im Volksdeputiertenkongress konstituierte und konsolidierte sich das Lager der Reformgegner.

Die Offensive der autoritären Kräfte beschränkte sich nicht auf den Kongress der Volksdeputierten. Vielmehr wurde sie auch in den Medien und auf den Straßen und Plätzen der Sowjetunion fortgesetzt. Publikationen wie Naš Sovremennik oder Molodaja Gvardija profilierten sich als Verteidigerinnen national-bolschewistischer Ideen. In der Öffentlichkeit traten rechtsradikale Organisationen wie Pamjatʼ offen auf.[52] Pamjatʼ vertrat eine imperial-antisemitische Agenda, die aus ideologischen Versatzstücken des Zarenreiches und der Brežnev-Zeit zusammengesetzt war. Zum ersten Mal seit den »Schwarzhunderten«, die um 1900 im Russischen Reich erheblichen Einfluss besaßen, gab es wieder eine rechtsradikale Massenbewegung in Russland, die auf Demonstrationen Tausende von Bürgern mobilisieren konnte. Pamjatʼ forderte die »Rettung Russlands« aus der »Versklavung« durch die »Zionisten« und betonte die enge Verbindung der Bewegung mit der russisch-orthodoxen Kirche. Ansonsten vertrat Pamjatʼ eine antiliberale Agenda, deren Modernekritik sich auf antisemitische Stereotype stützte. Zugleich national-russisch, völkisch und imperial lief das Programm auf eine gewaltsame Russifizierung der UdSSR hinaus.[53] Letztlich verebbte die rechtsradikale Mobilisierung seit Ende der 1980er-Jahre in Russland, weil sie über keine charismatische Führerpersönlichkeit und keine funktionierende Organisation verfügte. Dennoch gelang es der russischen Rechten in dieser Zeit, zahlreiche Themen zu setzen und Positionen zu etablieren, die von nun an in der Politik eine Rolle spielten und sukzessive auch den postsowjetischen Mainstream erreichten. Konkret zeigte die beschleunigte Auswanderung jüdischer Bürger, wie sehr die Angst vor Diskriminierung, aber auch vor gewaltsamen Ausschreitungen und Pogromen während der Perestroika um sich griff. Denn die neuen gesellschaftlichen und politischen Möglichkeiten für Juden in der Perestroika hatten einen hohen Preis: Das Gefühl relativer Sicherheit ging verloren, die Angst vor Gewalt nahm zu und die Zahl der Emigranten stieg. Der amerikanische Journalist David Remnick berichtete, dass jüdische Moskauer in der Erwartung kommender Pogrome lebten.[54] Der Aufstieg der nationalistischen Rechten vergiftete das gesellschaftliche Klima.

Ein nüchterner Blick auf die Zeit von 1987 bis 1989 verdeutlicht die Gleichzeitigkeit von partieller Demokratisierung und autoritärer Radikalisierung. Nicht nur die Unterstützer der Perestroika, sondern auch ihre Gegner nutzten die Möglichkeiten, die Glasnost nun eröffnete. Im Zuge der Reformen verschlechterte sich seit 1987 die ökonomische Lage in der Sowjetunion kontinuierlich und die Autonomiebestrebungen am Rande des Imperiums stellten die politische Stabilität zunehmend infrage.[55] In der zweiten Hälfte des Jahres 1989 musste Gorbačёv nach einer Reihe friedlicher Umbrüche die sowjetische Einflusssphäre in Ostmitteleuropa aufgeben.[56] Zugleich erodierte die Autorität Moskaus im Baltikum und im Kaukasus, der sich mit dem Erdbeben 1988 in Armenien und dem Ausbruch von Feindseligkeiten in Nagornyi Karabach zu einer Krisenregion entwickelte, die von Gewalt und Krieg geprägt ist. Diese Faktoren begünstigten das Ende der liberalen Phase der Perestroika.

Dem Tod Andrej Sacharovs am 14. Dezember 1989 kommt im Nachhinein eine symbolische Bedeutung zu. Bei seiner Beerdigung am 19. Dezember wurde nicht nur der Repräsentant der Liberalisierung, sondern, wie sich zeigen sollte, auch die Reformpolitik selbst zu Grabe getragen. Im Unterschied zu Aleksandr Menʼ, dem liberalen Priester und prominenten Kirchenreformer, starb er eines natürlichen Todes. Der charismatische Kirchenmann, der von den Behörden seit langer Zeit verfolgt und drangsaliert wurde, wurde am 9. September 1990 erschlagen aufgefunden; der Mord an Menʼ markiert die Rückkehr zur politischen Gewalt noch zur Zeit der Perestroika.[57]

 

 

III. Zusammenbruch und Gewalt: Das Ende der Perestroika (1990–1993)

 

In den Medien, im Kongress der Volksdeputierten und auf der Straße machten die Gegner der Perestroika seit 1990 öffentlich mobil. Auch das Milieu der »Demokraten«, geführt von früheren Dissidenten wie Andrej Sacharov, neuen Oppositionellen wie Juri Afanásʼev und abtrünnigen Apparatschiks wie Boris Elʼcin, suchte die offene Auseinandersetzung und Debatte über den Kurs der Reformen und die Zukunft des Landes.[58] In ihren Schriften manifestierten sich die unterschiedlichen Ansätze des Reformlagers, in dem sich die Standpunkte immer weiter auseinanderbewegten und der reformsozialistische Konsens 1989 zusammenbrach. Damit verkleinerte sich weiter das Lager Gorbačёvs, der nun von zwei Seiten attackiert wurde.

Durch das temporäre Bündnis mit der Intelligenzija hatte Michail Gorbačёv die Macht der Staatspartei geschwächt. Zugleich machte der KPdSU der Aufstieg nationaler Bewegungen in den einzelnen Republiken zu schaffen. An den Peripherien fand längst ein Kampf um Macht und Ressourcen statt, den Moskau nicht mehr kontrollierte. Die sowjetische Armee war durch den sieglosen Abzug aus Afghanistan und den Verlust des Glacis in Osteuropa – insbesondere der DDR und der Tschechoslowakei als westlichster Vorposten der Ordnung von Jalta – demoralisiert. Es war unklar, welche Rolle die Streitkräfte zukünftig im sowjetischen Staat spielen würden. Die Politik der Abrüstung und Annäherung mit dem Westen, die von der Führung stetig vorangetrieben wurde, bedeutete für die Armee und den militärisch-industriellen Komplex einen ständigen Verlust an Prestige und Ressourcen. Zugleich bedrohten die nationalen Bewegungen und die eskalierende Gewalt im Baltikum und im Kaukasus die Einheit der Truppe. Längst gab es in der UdSSR Gebiete, in denen verschiedene bewaffnete Formationen miteinander konkurrierten. Die parteistaatliche Macht zerbrach zuerst an den Peripherien – mit weitreichenden Folgen für die sowjetische Staatlichkeit. Das Gefühl relativer Sicherheit und eines konstanten Erwartungshorizonts, das den Spätsozialismus prägte, verschwand für Jahrzehnte.

Zu Beginn des Jahres 1990 waren mit der Kommunistischen Partei und der sowjetischen Armee zwei Säulen der Diktatur angeschlagen. Weit weniger wissen wir über die dritte Stütze des Staates, die Geheimpolizei. Bereits seit der Brežnev-Zeit hatte der KGB gezielt an einer Verbesserung seines Images gearbeitet. Fernsehserien wie Siebzehn Augenblicke des Frühlings verbreiteten ein Bild des sowjetischen Agenten als professionellen und heimatliebenden Patrioten, den es nicht zu fürchten, sondern zu bewundern galt. Auch distanzierte sich der KGB von der systemimmanenten Korruption und sorgte dafür, dass er – im Gegensatz zur Partei – in den Medien als professionell, diszipliniert und selbstlos dargestellt wurde. Vor dem Hintergrund des Terrors der Stalinzeit konnte so ein Imagewandel natürlich nur teilweise erfolgreich sein. Dennoch versuchte der KGB gerade während der Perestroika, seine Selbstdarstellung zu verbessern.[59] Das Ziel seiner Führung war es nun, als eine normale Behörde, als ein Dienst wie der CIA oder der Bundesnachrichtendienst gesehen zu werden. Nicht Terror und Unterdrückung, sondern der Schutz der gesellschaftlichen Ordnung stand nun offiziell im Zentrum der eigenen Arbeit. Die Öffentlichkeitsarbeit des KGB sollte jedoch nicht davon ablenken, dass der Dienst weiterhin über ein enges Netz von Spitzeln verfügte, vor dem sich nicht nur Oppositionelle, sondern auch Akteure im Zentrum der Macht fürchteten.[60]

Mit Vladimir Krjučkov stand seit 1988 ein weiterer langjähriger Protegé Juri Andropovs an der Spitze des KGB, dem auch Gorbačёv vertraute. Krjučkov kannte Andropov seit der Niederschlagung der ungarischen Revolution 1956 und hatte seitdem in verschiedenen Positionen für ihn gearbeitet. Aufgrund des verstorbenen Patrons verband ihn eine persönliche Beziehung mit Gorbačёv. Trotz oder wegen dieser engen Bindung unternahm die sowjetische Führung auf dem Höhepunkt der Perestroika keinen Versuch, die innere Sicherheitsarchitektur der Sowjetunion zu verändern. Die Anpassung des KGB an die Perestroika erschöpfte sich in verschiedenen PR-Aktionen, die das Image der Tschekisten verbessern sollten. So berichtete David Remnick über die missglückte Wahl einer »Miss KGB«, die westliche Journalisten von der Harmlosigkeit des Dienstes überzeugen sollte.[61] Tatsächlich hat der KGB seine Aktivitäten weder innerhalb der UdSSR noch im Ausland während der Perestroika eingeschränkt. Überwachung, Spionage und auch »aktive Maßnahmen« liefen ungebrochen weiter.[62] Einzelne Offiziere, die sich wie Oleg Kalugin für Veränderungen starkmachten und den demokratischen Wandel ernst nahmen, wurden vom Apparat bis hinauf zum Generalsekretär harsch bestraft. Die Führung des KGB erwies sich als resistent gegen Reformen im eigenen Haus.[63] Abtrünnige wurden auch während der Perestroika verfolgt – Kalugin verlor nach seiner öffentlichen Kritik am KGB sämtliche Privilegien und wurde von Gorbačёv degradiert.

Das Scheitern des KGB im Putsch des August 1991 sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kontinuität seiner Apparate ungebrochen blieb.[64] Im Herbst 1991 existierte ein kurzes Zeitfenster, in dem man den Geheimdienst hätte zerschlagen können. Doch dazu fehlte der politische Wille – sowohl an der Spitze des Staates als auch bei der Opposition. Im Unterschied zur DDR und zu Ostmitteleuropa blieben deshalb die Strukturen der Geheimpolizei erhalten und ihre Archive geschlossen. So konnte sich die postsowjetische Gesellschaft nicht mit ihrer eigenen Unterwanderung durch die Geheimpolizei beschäftigen, und schon bald war der Weg für ein Comeback des KGB geebnet. Kein Jahrzehnt nach dem Ende der UdSSR kamen Boris Elʼcins letzte drei Ministerpräsidenten – Evgeni Primakov, Sergej Stepašin und Vladimir Putin – aus den Strukturen der Geheimdienste. Mit einem gewissen Abstand lässt sich deshalb behaupten: Nicht die Partei oder die Armee, sondern der KGB war in Russland der Gewinner des Umbruchs. Trotz der Niederlage vom Sommer 1991 und der Selbstzerstörung des sowjetischen Imperiums gelang ihm in Russland bereits Ende der 1990er-Jahre das Comeback.

 

 

IV. Autoritäre Kontinuität und politische Radikalisierung: Die dunkle Seite der Perestroika

 

Die Geschichte der Perestroika lässt sich nicht allein als Liberalisierung des spätsozialistischen Systems beschreiben. Vielmehr war die Entwicklung weitaus ambivalenter. Bereits während der Herrschaft Gorbačёvs formierten sich die Phänomene, die bis in die Gegenwart den postsowjetischen Raum und insbesondere Russland prägen: autoritäre Politik, politische Gewalt und die Dominanz der Geheimdienste. Der illiberale Konsens, der in der Gegenwart russische Eliten prägt, konstituierte sich bereits im Kongress der Volksdeputierten. Radikaler Nationalismus und imperiales Denken dominierten auch während der Perestroika das politische Denken der Eliten. Juri Levada konnte bereits zeitgenössisch zeigen, dass autoritäre Wertvorstellungen den »einfachen sowjetischen Menschen« prägten. Kurzum: Die Voraussetzungen für eine umfassende Liberalisierung der Gesellschaft und Demokratisierung des politischen Systems waren in den 1980er-Jahren nicht vorhanden. Hinzu kamen die Versäumnisse der Reformer, die zwar die Axt an die Parteiherrschaft legten, aber die Geheimdienste und die Armee unangetastet ließen. So blieb der autoritäre Kern sowjetischer Staatlichkeit erhalten. Die Liberalisierung beschränkte sich auf die kulturelle Sphäre, Teile der Wissenschaften und der Medien. Sie umfasste nicht den Staat und seine repressiven Institutionen.

Vor dem Hintergrund der sowjetischen Geschichte und russischen Gegenwart bildet die kreative Zerstörung der Geheimdienste die Voraussetzung für eine erfolgreiche Demokratisierung Russlands. Heute heißen die Stützen des autoritären Staates nicht mehr Partei, KGB und Armee, sondern FSB, Kirche und Business, doch sowohl die Kirche als auch die großen Konzerne werden letztlich von den siloviki (den Angehörigen der Armee und der Geheimdienste) kontrolliert. Sie sind nach 1991 zum entscheidenden Machtfaktor in den Autokratien Russland und Belarus aufgestiegen. Erklärungsbedürftig bleibt der ukrainische Fall: Die Ukraine ist die einzige der slawischen Sowjetrepubliken, die freie Wahlen und Machtwechsel kennt. Die Erfolge der ukrainischen Demokratisierung werden im Westen leider kaum anerkannt.

»Als man den [Sowjet-]Menschen freigelassen hatte, begann er rückwärts zu laufen – nicht mal in den vergangenen, sondern in den vorgestrigen Tag hinein.«[65] Mit diesem Diktum hat der Sozialwissenschaftler Juri Levada die Tragik der Reformen Gorbačёvs umrissen. Doch es gibt Grund zur Hoffnung: Noch während die letzte sowjetische Kohorte – die Generation Putin – den autokratischen Staat verwaltet, wächst eine Generation heran, der die Sowjetunion fremd geworden ist. Auf dieser Jugend ruht die Zuversicht derjenigen, die glauben, dass es in Russland Alternativen zur Autokratie gibt. Eine neue Alterskohorte könnte zur Trägerin einer zukünftigen Reformperiode werden – doch auch sie wird sich mit dem repressiven Erbe der Sowjetunion auseinandersetzen müssen. Es wird großer Anstrengungen bedürfen, die eisernen Ketten zu sprengen, mit denen die Geheimdienste immer noch die russische Gesellschaft fesseln.

 


[1] Siehe Jonathan Brent: Inside the Stalin Archive. Discovering the New Russia, New York 2008, S. 112 f.

[2] Siehe Jonathan Steele: Eternal Russia. Yeltsin, Gorbachev, and the Mirage of Democracy, Cambridge 1994; Archie Brown: The Gorbachev Factor, Oxford/New York 1997; Anthony D’Agostino: Gorbachev’s Revolution, 1985–1991, Basingstoke 1998; Archie Brown: Seven Years that Changed the World: Perestroika in Perspective, Oxford/New York 2007; George W. Breslauer: Gorbachev and Yeltsin as Leaders, Cambridge 2002; Timothy Colton: Yeltsin. A Life, New York 2008; William Taubman: Gorbachev. His Life and Times, New York 2017. Skeptischer: Stephen Kotkin: Armageddon Averted. The Soviet Collapse, Oxford 2000.

[3] Siehe Odd Arne Westad: The Cold War. A World History, New York 2017, S. 527–579; Archie Brown: The Human Factor: Gorbachev, Reagan, and Thatcher and the End of the Cold War, Oxford 2020.

[4] Siehe Serhii Plokhy: The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union, New York 2014.

[5] Siehe Steven M. Fish: Democracy Derailed in Russia. The Failure of Open Politics, Cambridge 2005; Vladimir Gel’man: Authoritarian Russia. Analyzing Post-Soviet Regime Changes, Pittsburgh 2015.

[6] Siehe Robert Horvath: The Legacy of Soviet Dissent. Dissidents, Democratisation and Radical Nationalism in Russia, London 2005, S. 50–149; Guillaume Sauvé: Subir la victoire. Essor et chute de l’intelligentsia libérale en Russie (1987–1993) [Den Sieg ertragen. Aufstieg und Fall der liberalen Intelligenzija in Russland (1987–1993)], Paris 2020.

[7] Siehe Richard Lourie: Sakharov. A Biography, Hanover 2002, S. 355–398.

[8] Zum Begriff siehe: Jan C. Behrends: Oktroyierte Zivilisierung. Genese und Grenzen des sowjetischen Machtverzichts 1989, in: Martin Sabrow (Hg.): 1989 und die Rolle der Gewalt, Göttingen 2012, S. 401–424.

[9] Michail Gorbatschow: Perestroika. Die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987.

[10] Siehe beispielsweise zusammenfassend: Wolfgang Leonhard: Am Vorabend einer neuen Revolution? Die Zukunft des Sowjetkommunismus, München 1975; klassisch aus der Sicht eines Dissidenten: Andrei Amalrik: Will the Soviet Union Survive until 1984, New York 1980 (Originalausgabe: Amsterdam 1970).

[11] Siehe Leonhard: Am Vorabend einer neuen Revolution (Anm. 10), S. 305–403.

[12] Siehe Yevgenia Albats: The State within a State. The KGB and its Hold on Russia. Past, Present and Future, New York 1994, S. 21–69; Christopher Andrew/Vasili Mitrokhin: The Sword and Shield. The Mitrokhin Archive and the Secret History of the KGB, New York 1999, S. 307–336; J. Michael Waller: Secret Empire. The KGB in Russia Today, Boulder 1994.

[13] Zur Verinselung der sowjetischen Bürger, siehe am Beispiel Leningrads: Finn Sivert Nielsen: The Eye of the Whirlwind. Russian Identity and Soviet Nation-Building. Quests for Meaning in a Soviet Metropolis, Oslo 1987.

[14] Sonja Margolina: Russland. Die nichtzivile Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 142.

[15] Siehe Mario Clementi: Storia del dissenso sovietico, 1953–1991 [Die Geschichte des sowjetischen Dissenses, 1953–1991], Rom 2007.

[16] Als Beispiel für die Innensicht siehe Anatolij S. Černaev: Sovmestnyj ischod: dnevnik dvuch ėpoch. 1972–1991 gody [Gemeinsamer Ausweg: Tagebuch zweier Epochen. 1972–1991], Moskau 1998.

[17] Zur psychosozialen Disposition der sowjetischen (russischen) Bevölkerung, siehe als zeitgenössische Annäherung: Juri Lewada: Die Sowjetmenschen, 1989–1991. Soziogramm eines Zerfalls, München 1993.

[18] Zum Begriff der Diktatur und ihrem Wandel im 20. Jahrhundert, siehe Jan C. Behrends: Diktatur: Moderne Gewaltherrschaft zwischen Leviathan und Behemoth, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 20. 12. 2016,

docupedia.de/zg/behrends_diktatur_v2_de_2016 (ges. am 23. August 2021). DOI: dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.754.v2. Zur sowjetischen Armee, siehe William E. Odom: The Collapse of the Soviet Military, New Haven 1998. Siehe auch zeitgenössisch: Thierry Malleret/Murielle Delaporte: L’Armée rouge face à la perestroika [Die Rote Armee im Angesicht der Perestroika], Paris 1991.

[19] Siehe Alena Ledeneva: How Russia Really Works. The Informal Practices that Shaped Post-Soviet Politics and Business, 1991–1999, Ithaca 2006.

[20] Zum Lebensstil der Nomenklatura, siehe Mervyn Matthews: Privilege in the Soviet Union. A Study of Elite Life-Styles under Communism, New York 2011.

[21] Siehe Yoram Gorlizki/Oleg Khlevniuk: Substate Dictatorship. Networks, Loyalty and Institutional Change in the Soviet Union, New Haven 2020.

[22] Siehe Corinna Kuhr-Korolev: Gerechtigkeit und Herrschaft. Von der Sowjetunion zum neuen Russland, Paderborn 2015.

[23] Siehe Juliane Fürst: Flowers through Concrete. Explorations in Soviet Hippieland, Oxford 2021.

[24] Siehe Waller: Secret Empire (Anm. 12), S. 31–50. Zu Andropov siehe Jonathan Steele: Andropov in Power. From Komsomol to KGB, Oxford 1983; Dmitrij A. Volkogonov: »Vožd’« pjatyj. Jurij Andropov [Der fünfte »Führer«. Juri Andropov], in: ders. (Hg.): Semʼ voždej. Galerija liderov SSSR v 2-ch knigach, tom 2 [Sieben Führer. Eine Galerie der Anführer der UdSSR in 2 Bänden, Band 2], Moskau 1995, S. 111–194.

[25] Siehe Odom: The Collapse (Anm. 18), S. 16–87.

[26] Siehe Albats: The State Within a State (Anm. 12), S. 188–192.

[27] Siehe Nikolaj A. Mitrochin: Russkaja Partija. Dviženie russkich nacionalistov v SSSR. 1953–1985 gody [Die russische Partei. Die Bewegung der russischen Nationalisten in der UdSSR. 1953–1985], Moskau 2003; Serhii Plokhy: The Lost Kingdom. A History of Russian Nationalism, London 2017, S. 245–298.

[28] Siehe Kathleen Parthe: Russian Village Prose. The Radiant Past, Princeton 1992.

[29] Zur Entstehung des Antiamerikanismus: Rósa Magnúsdóttir: Enemy Number One. The United States of America in Soviet Ideology and Propaganda, 1945–1959, Oxford 2018. Zur jüdischen Erfahrung in der Sowjetunion, siehe Yaacov Ro’i: Jewish Culture and Identity in the Soviet Union, New York 1991; Zvi Gitelman/Yaacov Ro’i (Hg.): Revolution, Repression, and Revival: The Soviet Jewish Experience, Lanham 2007.

[30] Aleksandr Z. Romanenko: O klassovoij suščnosti zionisma [Über den Klassencharakter des Zionismus], Leningrad 1986.

[31] Siehe Nikolaj A. Mitrochin: Russkaja provoslavnaja cerkov’. Sovremennoe sostojanie i aktualʼnye problemy [Die russisch-orthodoxe Kirche. Zeitgenössischer Zustand und aktuelle Probleme], Moskau 2006.

[32] Siehe Serhii Plokhy: Chernobyl. History of a Tragedy, London 2018, S. 233–344.

[33] Siehe Joshua Rubenstein/Alexander Gribanov (Hg.): The KGB File of Andrei Sakharov, New Haven 2005.

[34] Zum Ende des Kalten Krieges siehe Westad: The Cold War (Anm. 3), S. 475–615.

[35] Siehe Taubman: Gorbachev (Anm. 2), S. 205–250. Siehe auch Jan C. Behrends: Michail Gorbatschow. Reformer aus Leidenschaft, Zerstörer wider Willen, in: Susanne Schattenberg/Martin Sabrow (Hg.): Die letzten Generalsekretäre. Kommunistische Herrschaft im Spätsozialismus, Berlin 2018, S. 248–270.

[36] Siehe Jan C. Behrends: Inside the System: The CPSU Central Committee, Mikhael Gorbachevʼs Komanda, and the End of Communist Rule in Russia, in: Rüdiger Bergien/Jens Gieseke (Hg.): Communist Parties Revisited. Sociocultural Approaches to Party Rule in the Soviet Bloc, 1956–1991, New York 2018, S. 326–351.

[37] Siehe Taubman: Gorbachev (Anm. 2), S. 120–157.

[38] Siehe Volkogonov: Andropov (Anm. 24), S. 122–125.

[39] Siehe Waller: Secret Empire (Anm. 12), S. 35–58.

[40] Siehe Albats: The State within a State (Anm. 12), S. 168–201. Siehe auch Catherine Belton: Putin’s People. How the KGB took back Russia and then Took on the West, London 2020, S. 62–67, die den eigentlichen Beginn der Perestroika unter Andropov sieht.

[41] Alexis de Tocqueville: L’ancien régime et la révolution [dt. Ausgabe: Der alte Staat und die Revolution, Bremen 1959], Paris 1860, S. 292. Zu Tocquevilles Analyse von Staat und Revolution siehe François Furet: Penser la Révolution française [Die Französische Revolution denken], Paris 1978.

[42] Taubman: Gorbachev (Anm. 2), S. 337–375.

[43] Tatsächlich hatten seit Stalin verschiedene Strömungen existiert, die 1970 von dem Dissidenten Andrej Amalʼrik kenntnisreich beschrieben wurden: Amalrik: Will the Soviet Union Survive (Anm. 10), S. 40–43.

[44] Siehe etwa noch reformsozialistisch orientiert: Jurij Afanasjew (Hg.): Es gibt keine Alternative zu Perestroika. Glasnost. Demokratie. Sozialismus, Nördlingen 1988.

[45] Siehe Robert W. Davies: Perestroika und Geschichte. Die Wende in der sowjetischen Historiographie, München 1991.

[46] Siehe am Beispiel Armeniens: Katja Doose: Tektonik der Perestroika. Das Erdbeben und die Neuordnung Armeniens, 1985–1998, Köln 2019, S. 177–254.

[47] Siehe Taubman: Gorbachev (Anm. 2), S. 440–461.

[48] Am Beispiel von Magnitogorsk, der Stahlstadt am Ural: Stephen Kotkin: Steeltown USSR. Soviet Society in the Gorbachev Era, Berkeley 1991, S. 161–203.

[49] Siehe Jan C. Behrends: »Some Call Us Heroes, Others Call Us Killers.« Experiencing Violent Spaces: Soviet Soldiers in the Afghan War, in: Nationalities Papers 43 (2015), H. 5, S. 719–734.

[50] Siehe die Darstellung der gesamten Szene bei Michael Dobbs: Down with Big Brother. The Fall of the Soviet Empire, New York 1996, S. 255–261.

[51] Siehe Pervyj S’’ezd Narodnych Deputatov SSSR, 25.5.–9.6.1989. Stenografičeskij otčet, tom 2 [Erster Kongress der Volksabgeordneten der UdSSR, 25.5.–9.6.1989. Stenografischer Bericht, Band 2], Moskau 1989, S. 344–392.

[52] Siehe Walter Laqueur: Der Schoß ist fruchtbar noch. Der militante Nationalismus der russischen Rechten, München 1995, S. 257–277.

[53] Siehe die Dokumentation: Manifesto of the National-Patriotic Front »Pamyat«, in: Nationalities Papers 19 (1991), H. 2, S. 134–145.

[54] Siehe David Remnick: Lenin’s Tomb. The Last Days of the Soviet Empire, New York 1994, S. 88–93.

[55] Siehe Chris Miller: The Struggle to Save the Soviet Economy, Chapel Hill 2016.

[56] Siehe Mark Kramer: The Demise of the Soviet Bloc, in: The Journal of Modern History 83 (2011), H. 4, S. 788–854.

[57] Siehe Remnick, Lenin’s Tomb (Anm. 54), S. 355–367.

[58] Aus der Innensicht eines Deputierten, der sich der Opposition anschloss: Jurij Afanasjew: Russland – Despotie oder Demokratie, Düsseldorf 1992.

[59] Siehe Remnick: Lenin’s Tomb (Anm. 54), S. 341–356; Dobbs: Down with Big Brother (Anm. 50), S. 330–335.

[60] Selbst Michail Gorbačёv und Boris Elʼcin gingen während des Jahres 1991 davon aus, dass sie vom KGB abgehört wurden.

[61] Remnick, Lenin’s Tomb (Anm. 54), S. 343 f.

[62] Thomas Rid: Active Measures. The Secret History of Disinformation and Political Warfare, New York 2020, S. 231–335.

[63] Siehe Oleg Kalugin: The First Directorate. Former Chief of Intelligence and Major General of the KGB. My 32 Years in Intelligence and Espionage against the West, New York 1994, S. 313–360; Remnick: Lenin’s Tomb (Anm. 54), S. 354–356.

[64] Zum Putsch siehe Plokhy: The Last Empire (Anm. 4), S. 73–132; Ignaz Lozo: Der Putsch gegen Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion, Köln 2014. Siehe auch Olga Kryschtanowskaja: Anatomie der russischen Elite. Die Militarisierung Russlands unter Putin, Köln 2005.

[65] Juri Levada zitiert in: Klaus Gestwa: Der Homo Sovieticus und der Zerfall des Sowjetimperiums. Jurij Lewadas unliebsame Sozialprognosen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 10 (2013), H. 2, zeithistorische-forschungen.de/2-2013/4486 (ges. am 23. August 2021), DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1526, Druckausgabe: S. 331–341.

Copyright:

Eventuell enthaltenes Bildmaterial kann aus urheberrechtlichen Gründen in der Online-Ausgabe des JHK nicht angezeigt werden. Ob dieser Beitrag Bilder enthält, entnehmen Sie bitte dem PDF-Dokument.

Kurzbiografie

Abstract