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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2018

Hermann Weber und die Stalinisierung des deutschen Kommunismus. Eine Rezeptionsgeschichte

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 143-162 | Metropol Verlag

Autor/in: Marcel Bois

Als Hermann Weber am 2. Juli 1968 zum Rigorosum antrat, hatte er gerade einmal fünf Semester lang studiert. Das Promotionsverfahren bei Erich Matthias an der Universität Mannheim schloss er trotzdem mit »summa cum laude« ab, lediglich zwei Jahre später habilitierte er sich hier. Schließlich wurde er im Jahr 1975 zum ordentlichen Professor am Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim berufen. Es war, wie er rückblickend schrieb, wohl »der schnellste Aufstieg eines Erstsemesters zum Ordinarius«.[1]

Allerdings war auch Eile geboten: Weber stand kurz vor seinem vierzigsten Geburtstag, als er die Dissertation einreichte. Bewegte Jahre lagen hinter ihm. Am 23. August 1928 als Sohn eines kommunistischen Arbeiters in Mannheim geboren, hatte er sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst der Politik verschrieben. Im Jahr 1945 war er dem Weg seines Vaters gefolgt und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) beigetreten. Dort machte er schnell Karriere: In der Sowjetischen Besatzungszone studierte er von 1947 bis 1949 an der SED-Parteihochschule »Karl Marx« und wurde später Chefredakteur der FDJ-Zeitung in der Bundesrepublik. Im heraufziehenden Kalten Krieg gerieten er und seine Frau Gerda, die er auf der Parteihochschule kennengelernt hatte, jedoch bald ins Visier des Generalbundesanwalts. Ohne dass Anklage erhoben wurde, saßen sie im Jahr 1953 monatelang getrennt voneinander wegen des Verdachts illegaler kommunistischer Tätigkeit in Untersuchungshaft.

Zu dieser Zeit waren Weber längst schon Zweifel an den hierarchischen Strukturen in der Sowjetunion und der DDR gekommen. Als Marxist widerstrebte ihm der Dogmatismus der KPD und der Stalin-Kult widerte ihn an. 1952 nahmen er und seine Frau mit Erschütterung den Schauprozess gegen Rudolf Slánský und weitere Funktionäre der tschechoslowakischen KP wahr, der »uns jede weitere Mitarbeit unmöglich machte«.[2] Sie gelangten zu der Überzeugung, dass eine »bessere Welt« niemals »durch eine Diktatur zu erreichen ist«,[3] und brachen mit dem Kommunismus sowjetischer Prägung. Hermann Weber wurde daraufhin im Jahr 1954 aus der KPD ausgeschlossen.

Er saß nun sprichwörtlich zwischen den Stühlen. »Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges«, schreibt Klaus Schönhoven, »wetteiferten also die miteinander verfeindeten Lager in Ost und West in einem aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbarem Eifer darum, den 25-jährigen Hermann Weber und seine Frau zu ihren Hauptfeinden zu stilisieren«.[4] Der junge Mannheimer stand zudem vor einer ungewissen Zukunft, war erwerbslos und hatte finanzielle Sorgen: »Ich hatte kein Abitur, hatte keinen Beruf gelernt, mußte also ganz von vorne anfangen.«[5] Als Autodidakt eignete er sich daraufhin journalistische und wissenschaftliche Kenntnisse an.

Das Thema Kommunismus ließ Weber dabei nicht mehr los. Schon bald begann er, sich publizistisch mit dem Stalinismus und der Geschichte der KPD zu beschäftigen. Er schrieb kleine Artikel, referierte in politischen Bildungseinrichtungen und war einige Jahre lang »gewissermaßen als ein Wanderredner« in der Bundesrepublik unterwegs.[6] Im Jahr 1958 erschien sein erstes Buch Schein und Wirklichkeit in der DDR.[7] Es sollten bald weitere folgen: Als Weber eine Dekade später seine Dissertationsschrift einreichte, konnte er bereits auf mehr als einhundert Publikationen zurückblicken, darunter ein knappes Dutzend Bücher.[8]

Selbstverständlich untersuchte Weber auch in seiner Doktorarbeit die Geschichte des deutschen Kommunismus. Sie trug den Titel Veränderungen der innerparteilichen Struktur der Kommunistischen Partei Deutschlands (1924–1929).[9] Aufbauend auf früheren eigenen Arbeiten analysierte er die Transformation der KPD der Weimarer Republik von einer demokratischen, diskussionsfreudigen und halbwegs eigenständigen Organisation in eine dogmatische, undemokratische und von Moskau abhängige Partei.[10] Wieder ein Jahr später vertiefte er diesen Ansatz und bündelte seine bisherigen Forschungen in der zweibändigen Abhandlung Die Wandlung des deutschen Kommunismus.[11] Es handelt sich hierbei um Webers bedeutendste Publikation – eine, die, so Kevin McDermott, »die Forschung zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und zur Kommunistischen Internationale (Komintern) revolutionierte«.[12]

Diese »Revolutionierung« der Forschung soll im Folgenden nachgezeichnet werden: Wie beeinflusste die Stalinisierungsthese die deutsche und internationale Geschichtswissenschaft? Wie wurde sie aufgenommen, kritisiert und weiterentwickelt? Im Zentrum dieses Aufsatzes steht also die Rezeptionsgeschichte von Die Wandlung des deutschen Kommunismus.[13] Es wird gezeigt, warum das Buch noch fünfzig Jahre nach Erscheinen ein Standardwerk der historischen Kommunismusforschung ist. Zugleich soll aber auch untersucht werden, auf welche Kolleginnen und Kollegen sich Weber bezog, inwiefern er sich von ihnen abgrenzte – und wie er sich ihnen schließlich wieder annäherte. [[Fotos im gedruckten Exemplar: Februar 1950: Im Präsidium der FDJ-Konferenz (v.l.n.r.: Hermann Weber, Max Reimann, Heinz Lippmann; Hermann Weber (Aufnahme von 1952)]]

 

Die Wandlung des Kommunismus

Nach seinem Ausschluss aus der KPD war Weber auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat und fand sie schließlich in der SPD. Da er sich als Antistalinist, aber keineswegs als Antikommunist verstand, nahm er auch Kontakt zu oppositionellen Akteuren aus der KPD der Weimarer Zeit auf. Er tauschte sich beispielsweise mit dem Trotzkisten Georg Jungclas, mit Heinrich Brandler, dem Gründer der »rechtskommunistischen« KPO, und mit der ehemaligen Parteilinken Ruth Fischer aus. An diese Gespräche anknüpfend entwickelte er die Idee, eine Geschichte der verschiedenen dissidenten Gruppen des Weimarer Kommunismus zu schreiben.

»Das interessiert doch keinen Menschen mehr, laß die Finger davon«, versuchte Jungclas ihm dieses Vorhaben auszureden.[14] Doch Weber ließ sich nicht abhalten und sammelte Material. Dabei stand er vor der Herausforderung, dass sich die wichtigsten Aktenbestände wie das Zentrale Parteiarchiv der KPD jenseits des »Eisernen Vorhangs« in Moskau und Ost-Berlin befanden. Deshalb durchkämmte der Mannheimer Historiker diverse Archive der Bundesrepublik und des westeuropäischen Auslands, wo er Polizeiberichte und zahlreiche kommunistische Publikationen fand. Des Weiteren wertete er Nachlässe wie den des ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ernst Meyer aus. Vor allem aber griff er auf die Methode der Zeitzeugenbefragung zurück – und zwar »Jahrzehnte bevor ›oral history‹ sich als wissenschaftliche Methode etablierte«.[15] Viele der ehemals dissidenten Akteure der Weimarer KPD lebten noch und standen ihm bereitwillig Rede und Antwort.

Im Lauf der Zeit entschied sich Weber, die Perspektive zu erweitern. Anstatt nur die oppositionellen Gruppen zu untersuchen, wollte er nun analysieren, wie sich die gesamte KPD in den 1920er-Jahren verändert hatte. Mit Die Wandlung des deutschen Kommunismus legte er schließlich eine umfangreiche Untersuchung dieses Prozesses vor. Er unterschied hier zwischen »der von Rosa Luxemburg gegründeten radikal marxistisch-sozialistischen Partei« der ersten Jahre und der »stalinistische[n] Apparatpartei« der späten Weimarer Republik, »die sich nach den Interessen Moskaus richtete«.[16] Zwischen diesen beiden Phasen habe die »Stalinisierung« der KPD stattgefunden. Dieser Prozess habe für sie »den Wandel von einer Partei mit einem hohen Maß an innerer Demokratie […] in eine disziplinierte Partei mit zentralisierter Befehlsgewalt« bedeutet.[17] »Stalinisierung«, schrieb Weber später, »hieß Veränderung des inneren Aufbaus, Entstehung einer monolithischen, straff durchorganisierten, hierarchischen Partei.« An die Stelle von »Pluralismus, Selbständigkeit, Diskussion und Autonomie« seien »Unterordnung, Gläubigkeit, Disziplin und Kommandoherrschaft« getreten.[18] Dieser Wandlungsprozess habe das Entwicklungspotenzial eines in der Anfangsphase der Partei noch dominanten »demokratischen Kommunismus« luxemburgischer Prägung verschüttet. Gleichwohl sei die Stalinisierung »schwerlich als notwendiger und unumgänglicher, ja wohl nicht einmal als folgerichtiger Werdegang des deutschen Kommunismus zu begreifen«.[19]

 

Frühere Forschungen

Bei seiner Untersuchung konnte Weber an frühere Forschungen anknüpfen. Bereits 1933 hatte der Historiker und ehemalige Kommunist Arthur Rosenberg eine Geschichte des Bolschewismus verfasst, in der er auf die Wandlung der gesamten kommunistischen Bewegung hingewiesen hatte. Deren Voraussetzung sei die Entwicklung eines »dogmatischen Absolutismus« in der Sowjetunion gewesen, »der jedes selbständige kritische Denken über Marxismus und Sozialismus verbietet«. Ferner habe eine »endgültige Trennung der sowjetrussischen Entwicklung von der Weltrevolution« stattfinden müssen. Dies habe dazu geführt, dass die kommunistischen Parteien des Auslands »von allen unbequemen selbständigen Kritikern befreit« worden seien und die Bürokratie nun, also Anfang der 1930er-Jahre, »uneingeschränkt das Feld« beherrsche.[20]

Diese These griff Ossip K. Flechtheim in seinem 1948 veröffentlichten Buch Die KPD in der Weimarer Republik auf. Er betonte, dass das politische Niveau der deutschen Partei kontinuierlich abgenommen habe und die KPD schließlich »zum gefügigen Werkzeug der Bürokratie der Sowjetunion« geworden sei.[21] Im selben Jahr brachte die ehemalige KPD-Vorsitzende Ruth Fischer ihre Erinnerungen Stalin und der deutsche Kommunismus auf den Markt. Das Werk war zwar höchst umstritten, doch es zeichnet sich dadurch aus, ausführlich die Unterwerfung der KPD unter die Interessen der Sowjetunion nachzuverfolgen.[22] Ebenfalls detailliert widmete sich der Politikwissenschaftler Richard Löwenthal dieser Entwicklung. Er zeigte auf, dass die KPD »durch einen nachträglichen Prozeß der Transformation zu einem Instrument sowjetischer Politik« geworden war. Er verwendete hierfür den Begriff von der »Bolschewisierung der deutschen Kommunisten«.[23]

Hatten diese Arbeiten vor allem die Unterordnung der KPD unter die Interessen des sowjetischen Staats betont, zeichnete Hermann Weber nun ein vielschichtigeres Bild von der Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD führte er auf das Zusammenspiel von verschiedenen endogenen und exogenen Faktoren zurück. Auch er benannte die ideologische und materielle Abhängigkeit der KPD von Moskau als eine »wichtige und augenfällige Voraussetzung« für den Wandlungsprozess.[24] Die spezielle Situation in der Weimarer Republik während der Jahre der »relativen Stabilität« habe ebenfalls ein wesentliches Merkmal dargestellt. Daher habe die KPD nach 1923 vor dem Problem gestanden, eine »revolutionäre Politik in nichtrevolutionärer Zeit« umzusetzen.[25] [[Coverabbildungen im gedruckten Exemplar von „Die Wandlung des deutschen Kommunismus]]

Zugleich hätten aber – das habe die bisherige Forschung unterschätzt – auch für die KPD »generelle Charakteristiken des Parteiwesens in einer Klassengesellschaft« Gültigkeit besessen.[26] Weber nannte hier zum einen die Tendenz zur Herrschaft des Apparats in modernen Parteien. Dieser »handelt und denkt bürokratisch-organisatorisch; sein Hauptziel ist die Bewältigung der ›Aufgaben‹. Dazu muß die ›Einheit der Partei‹ gewahrt werden […].«[27] Diskussionen über Strategie oder Prinzipien würde der Apparat als störend wahrnehmen und möglichst unterbinden. Zum anderen verwies Weber auf die strukturellen Probleme der KPD. Lange Zeit habe die Partei ihren eigenen ideologischen Standpunkt zwischen Sozialdemokratie und Syndikalismus nicht klar definiert. Diesen zu finden, habe ein Mindestmaß an Einheitlichkeit verlangt. Träger der notwendigen Vereinheitlichung sei wiederum der Apparat gewesen. Zusammenfassend betonte Weber, die Stalinisierung der KPD habe sich »nur so rasch und intensiv vollziehen« können, weil die beiden spezifischen Bedingungen, also die Abhängigkeit von Moskau und die relative Stabilität der Weimarer Republik, mit diesen allgemeinen Tendenzen der Parteientwicklung zusammengefallen seien.[28]

Keineswegs handelte es sich bei Die Wandlung des deutschen Kommunismus, wie gelegentlich behauptet,[29] um eine rein politik- und ideengeschichtliche Untersuchung. Weber wandte, wie schon Flechtheim vor ihm, durchaus auch sozialgeschichtliche Methoden an.[30] Dies gilt vor allem für den zweiten Band, in dem er eine sozialhistorische Analyse des Führungskorps der Partei unternahm. Detailliert zeichnete er nach, wie im Verlauf der 1920er-Jahre große Teile der führenden Kader ausgetauscht wurden.[31] Die KPD der frühen 1930er-Jahre hatte dementsprechend nicht nur ideologisch, sondern auch personell kaum noch etwas mit der Partei zu tun, die um die Jahreswende 1918/19 von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und anderen gegründet worden war. Möglicherweise ist dieser Aspekt von Webers Buch wenig rezipiert worden, da der Verlag im Jahr 1971 eine einbändige, gekürzte Ausgabe von Die Wandlung des deutschen Kommunismus veröffentlichte, die in einer höheren Auflage (8000 Stück gegenüber 2000 Stück) erschien und zugleich einen deutlich niedrigeren Preis (9 DM statt 128 DM) hatte.[32] Hier fehlten die entsprechenden Seiten zur Sozialgeschichte.

 

»Bolschewisierung« oder »Stalinisierung«?

Bei der Suche nach einer passenden Bezeichnung für den Wandlungsprozess der KPD folgte Weber der bisherigen Forschung nicht. Diese hatte meist von »Bolschewisierung« gesprochen und damit einen Begriff übernommen, der ursprünglich aus der kommunistischen Bewegung selbst stammte. Dort bezeichnete er eine Kampagne, die auf Betreiben der russischen Delegation vom V. Weltkongress der Komintern im Sommer 1924 beschlossen worden war. Deren Grundgedanke war, dass sich die Kommunisten in Europa an den russischen Revolutionserfahrungen orientieren sollten. In der Theorie hieß es, man solle diese Erfahrungen »nicht einfach übertragen, sondern differenzieren. Man muss verstehen, sie an die bestehenden Verhältnisse in jedem einzelnen Lande anzupassen.«[33] Doch in der Praxis stellte die Bolschewisierung eine Adaption der mittlerweile äußerst undemokratischen Strukturen der KPdSU durch die Schwesterparteien dar. Nicht von ungefähr erklärte der damalige Kominternvorsitzende Sinowjew: »Eiserne proletarische Disziplin ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Bolschewisierung.«[34] Derweil wies Clara Zetkin im Jahr 1929 darauf hin, dass sich die Internationale »aus einem lebendigen, politischen Organismus in einen todten [sic!] Mechanismus verwandelt hat, der an der einen Seite Befehle in russischer Sprache einschluckt und auf der anderen Seite diese Befehle in verschiedenen Sprachen ausspuckt […].«[35]

Richard Löwenthal war sich bewusst, dass die Kommunisten »erst für bestimmte Ereignisse nach Lenins Tod« von Bolschewisierung gesprochen hatten. Trotzdem wandte er den Begriff schon auf einen früheren Zeitraum an. Denn das, »worum es sich hier handelte, die Umformung der anderen kommunistischen Parteien in Ebenbilde der Bolschewiki«, habe »schon vorher begonnen«, und zwar »in der kurzen Frist zwischen dem zweiten Weltkongreß im Juli/August 1920 und dem Frühjahr 1921«, als Paul Levi aus der KPD ausgeschlossen worden war.[36]

Für Weber setzte der Wandlungsprozess hingegen später ein, nämlich nach dem gescheiterten Deutschen Oktober von 1923 und damit ziemlich genau zu jener Zeit, in der die Komintern auch ihre Kampagne zur »Bolschewisierung« begann. Trotzdem verwendete er diesen Begriff nicht, sondern sprach von »Stalinisierung«.[37] Weshalb er dies tat, erklärt der Mannheimer Historiker an keiner Stelle seines Buches. Allerdings verweist er darin auf die »Entstalinisierung«, die in der Sowjetunion nach Stalins Tod eingesetzt hatte. Ebenso wie die Stalinisierung sei sie ein Beleg für »die ständige Wandlung des Kommunismus«.[38]

Es ist davon auszugehen, dass Weber den Wandlungsprozess begrifflich mit dem Stalinismus in Verbindung bringen wollte und nicht mit den Bolschewiki. Hierfür spricht die Tatsache, dass er im Zusammenhang mit der KPdSU ebenfalls auf einen Wandlungsprozess verwies. So habe in der Sowjetunion eine »Metamorphose des Kommunismus« stattgefunden: »Unter Führung Stalins wurde dort in den zwanziger Jahren das System der Apparatdiktatur errichtet, die auch das Ende der innerparteilichen Demokratie in der Kommunistischen Partei brachte.«[39]

 

Die Rezeption von Webers Werk in den 1970er- und 1980er-Jahren

[[Fotos im gedruckten Exemplar: 1970: Hermann Weber am heimischen Schreibtisch; 1970er-Jahre: Gerda und Hermann Weber in ihrer Wohnung in Mannheim]] Als Die Wandlung des deutschen Kommunismus erschien, wurde es recht unterschiedlich rezipiert. In der DDR galt Weber seit seinem KPD-Ausschluss als »Renegat«. Seine Schriften »wurden wie Zyankali im Giftschrank aufbewahrt«, berichtete der ostdeutsche Historiker Wolfgang Kießling nach der Wende.[40] Beschäftigte man sich doch einmal mit ihnen, dann in polemischer Weise. Wolfgang Ruge warf Weber beispielsweise in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft vor, er liefere eine »verzerrte, von der politischen Situation abstrahierende, bisweilen an eine Klatschchronik erinnernde, oft durch Ignoranz und Überheblichkeit erschreckende Darstellung«.[41] Derweil behauptete Heinz Karl in den Beiträgen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Webers Arbeit sei »ebenso weit von zuverlässiger Quellenforschung entfernt wie von wirklicher wissenschaftlicher Objektivität«. Wie andere »Machwerke« bleibe Die Wandlung des deutschen Kommunismus »den gängigen Dogmen und Klischeevorstellungen verhaftet«. Das sei wenig verwunderlich, denn Weber schöpfe »aus so trüben Quellen wie antikommunistischen Winkelblättchen und stark subjektiv gefärbten ›Erinnerungen‹ von Leuten, die als Angehörige fraktioneller Gruppierungen in der KPD scheiterten«. Außerdem rücke er mit den »diversen oppositionellen Gruppierungen […] bloße Randerscheinungen des historischen (auch des parteihistorischen) Geschehens« in den Mittelpunkt seiner Untersuchung.[42]

Doch auch in der Bundesrepublik war nicht jeder mit Webers Thesen einverstanden. Sein Buch war bei der Europäischen Verlagsanstalt erschienen und damit bei einem Verlag, der zu den wichtigsten Publikationsorten der Neuen Linken zählte.[43] Interessanterweise kam Kritik trotzdem vor allem aus den Reihen dieser eher moskaukritischen Strömung. So versuchten Hans-Dieter Heilmann und Bernd Rabehl in der Sozialistischen Politik »[d]ie Legende von der ›Bolschewisierung‹ der KPD« zu widerlegen. Webers Arbeiten würden, so schrieben sie, »das Dilemma der bürgerlich historischen Wissenschaft« verdeutlichen. Diese sei eben nur in der Lage, »den Prozeß der Bolschewisierung […] als ein organisationssoziologisches Phänomen« zu deuten. Doch »die ökonomischen und politischen Vermittlungen dieser Erscheinung in ihren historischen Abhängigkeiten und Tendenzen« könne sie nicht begreifen.[44] Auch der Abendroth-Schüler Karl Hermann Tjaden kritisierte das Buch aufs Schärfste. Er bemängelte die »soziologische Leere« des Begriffs »Stalinisierung« und unterstellte Weber, »bürgerliche Ressentiments gegen den Kommunismus […] szientifisch« zu reproduzieren. Letztlich handele es sich bei der Wandlungsthese um ein »politisches Instrument des Antikommunismus«.[45] Ähnlich sah es Alexander von Plato. Er meinte, in den Arbeiten Webers und anderer Historiker die »Hauptthesen Trotzkis« wiederzuentdecken. Damit könne der russische Dissident »für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, der Ahnvater der anti-kommunistischen Geschichtsschreibung« zu sein. In Bezug auf die Darstellung der innerparteilichen Säuberung hielt er Weber vor, sich einseitig »mit den ›Opfern‹ der Auseinandersetzung zu identifizieren«.[46]

Im Wissenschaftsbetrieb fristete die historische Kommunismusforschung derweil in den 1950er- und 1960er-Jahren ein Nischendasein.[47] Dementsprechend nahmen etablierte Fachperiodika wie die Historische Zeitschrift oder die Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Webers Buch überhaupt nicht zur Kenntnis.[48] Ohnehin dürften große Teile des wissenschaftlichen Establishments den Arbeitersohn, ehemaligen Kommunisten und spät berufenen Akademiker Weber als Sonderling betrachtet haben – unterschied sich seine Biografie doch deutlich von der der meisten anderen Professoren seines Fachs.

Beachtung fand Webers Werk hingegen in der linksliberalen Presse und in der sich langsam etablierenden Arbeiterbewegungsforschung. Wanda Brońska-Pampuch hob in der Zeit vor allem die mehr als 500 Kurzbiografien des zweiten Bandes hervor. Selbst wenn sich die Frage stelle, wie die Auswahl zustande gekommen sei, habe sich »schon das Experiment einer solchen Biographiesammlung […] gelohnt«.[49] Kurt Klotzbach betonte unterdessen im Archiv für Sozialgeschichte die »imposante, manchmal erdrückende faktologische Dichte« des Buches. Es habe »Maßstäbe gesetzt, die bei der zukünftigen Erforschung des deutschen Kommunismus […] nicht außer acht gelassen werden können«.[50] Im Deutschland Archiv, in dem Weber bereits damals regelmäßig wissenschaftliche Beiträge publizierte, wurde Die Wandlung des deutschen Kommunismus umgehend zum »Standardwerk« erklärt. Mit dieser Arbeit habe Weber seinen Ruf »als bester Kenner der Geschichte der KPD« bestätigt, bescheinigte der Rezensent Günther Nollau. Es sei ihm gelungen, »ein in allen wesentlichen Punkten zutreffendes Bild der Geschichte der KPD von 1919 bis 1933« zu zeichnen. Nollau, zu dieser Zeit Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, prophezeite, das Buch werde »einer Generation von Politikern und Historikern dienen«.[51]

Auch im Ausland wurde Webers Werk vereinzelt rezipiert. In der Historisk Tidsskrift besprach der dänische Historiker Karl Christian Lammers es zwar eher positiv, kritisierte aber, dass die Darstellung und Definition der verschiedenen innerparteilichen Strömungen etwas lückenhaft bleibe. Dies liege aber vermutlich am Gegenstand selbst, räumte Lammers ein.[52] Zustimmung erfuhr Webers Buch derweil auch von zwei international bedeutsamen Sozialhistorikern der Arbeiterbewegung. Jacques Droz lobte in Le Mouvement Social, es bereichere den Forschungsstand.[53] Unterdessen schrieb Eric Hobsbawm über den Zweibänder: »These two volumes are a monument of erudition and patient, thorough research.«[54]

Zum Standardwerk entwickelte sich Die Wandlung des deutschen Kommunismus aber vor allem in der Bundesrepublik.[55] Hier bildete die Arbeit, so urteilt zumindest Hartmut Mehringer, »in mehrfacher Hinsicht einen historiografischen Meilenstein«: »Sie gab der Geschichtsschreibung der deutschen Arbeiterbewegung, die sich in der Folgezeit in breitem Rahmen entwickelte, einen bedeutenden Schub, befruchtete entscheidend die wenig später einsetzende historische Spezialdisziplin Exilforschung 1933–1945 und lieferte – last but not least – der damaligen Studentenbewegung bei ihrer Suche nach historischen Traditionen vor 1945 und vor 1933 wesentliche Orientierungshilfen, ohne allerdings das alsbaldige Abgleiten zahlreicher ihrer Vertreter in unfruchtbares Linkssektierertum verhindern zu können.«[56]

Auch wenn Mehringer Webers Einfluss auf die Studentenbewegung etwas überschätzt haben mag, wurde das Werk in der Forschung tatsächlich zum wichtigen Bezugspunkt. In den 1970er- und 1980er-Jahren kam kaum eine Überblicksdarstellung zur Geschichte der Zwischenkriegszeit oder der Arbeiterbewegung um das Buch herum.[57] Vor allem Heinrich August Winklers dreibändige Geschichte der Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik griff immer wieder auf die Befunde Webers zurück.[58] Ebenso bezogen sich die meisten relevanten Arbeiten, die in der Folgezeit zum deutschen Kommunismus vor 1933 erschienen, auf Weber. Zu nennen ist beispielsweise Sigrid Koch-Baumgartens im Jahr 1986 veröffentlichte Untersuchung über die Märzaktion der KPD von 1921. Allerdings wich die Politikwissenschaftlerin in einem entscheidenden Punkt von Weber ab: Sie datierte den Beginn der Stalinisierung etwas früher. Für sie stellten bereits die Jahre des »Strukturwandels 1921/22« den Wendepunkt dar.[59]

 

Die Öffnung der Archive

Der Zusammenbruch des »Ostblocks« um 1990 führte zu einer Öffnung der Archive – und damit einhergehend zu einem »veritable ›archival gold rush‹«.[60] Sowohl das Zentrale Parteiarchiv der KPD in Berlin als auch (mit Einschränkungen) das Kominternarchiv in Moskau waren nun frei zugänglich, was die Quellenbasis für westliche Historiker enorm erweiterte.[61] Ein regelrechter »Boom« der Forschung war die Folge, zahlreiche neue Arbeiten zur Geschichte der KPD in der Weimarer Republik und zu deren Akteuren erschienen.[62] Auch Hermann Weber nutzte die Situation, um seine Forschungen noch einmal zu intensivieren. Er gab unter anderem einen Quellenband zum »Thälmann-Skandal« von 1928 mit heraus und beteiligte sich an einem Dokumentenband zum Deutschen Oktober von 1923.[63] Zudem überarbeitete und erweiterte er zusammen mit Andreas Herbst die Kurzbiografien aus dem zweiten Band von Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Vorarbeiten hierzu hatte er mit einem viel beachteten Band über die KPD-Opfer der Stalinʼschen Säuberungen geleistet, der wenige Monate vor dem Mauerfall erschienen war.[64] Im Jahr 2004 legten Weber und Herbst schließlich das biografische Handbuch Deutsche Kommunisten mit Einträgen zu 1400 Personen vor. Es folgten eine überarbeitete Zweitauflage und ein Supplementband.[65] Wenige Wochen vor Webers Tod im Dezember 2014 wurde schließlich eine voluminöse Quellenedition zum ambivalenten Dreiecksverhältnis zwischen Komintern, Sowjetstaat und KPD fertiggestellt, an welcher der Mannheimer Historiker noch mitgewirkt hatte. Fast 550 Dokumente aus diversen europäischen Archiven konnten die Herausgeber hierfür zusammentragen.[66]

Bereits in den 1960er-Jahren hatte Weber aufgezeigt, dass es sich bei der Stalinisierung um einen transnationalen Prozess handelte, der alle Parteien der Kommunistischen Internationale erfasste.[67] Außerhalb Deutschlands waren Forscherinnen und Forscher zu ähnlichen Einschätzungen gekommen, beispielsweise Theodore Draper in seinen Arbeiten über die US-amerikanische KP.[68] Doch erst jetzt, in den 1990er-Jahren, nahmen sie direkten Bezug auf Webers Thesen. Zu den ersten zählten die Briten Kevin McDermott und Jeremy Agnew, die 1996 eine Geschichte der Komintern veröffentlichten. Als wichtigste Gründe für die Wandlung der Internationale nannten sie das Scheitern der kommunistischen Revolutionsversuche in Mitteleuropa und den Sieg Stalins in den russischen Fraktionskämpfen. Einerseits sei der Prozess aktiv von der russischen Parteiführung vorangetrieben worden, andererseits auch von den ausländischen Kommunisten ausgegangen. Durch bloße Billigung oder durch vorauseilenden Gehorsam hätten sie die Wandlung der Komintern unterstützt.[69] Im Jahr 2008 erschien ein weiterer englischsprachiger Band, der das Stalinisierungsparadigma auf verschiedene andere kommunistische Parteien anzuwenden versuchte.[70] Gleichzeitig nahmen auch russische Forscher das Konzept an.[71] Dies galt ebenso für einige Wissenschaftler aus der ehemaligen DDR. Doch sie vermieden es, darauf hat Weber hingewiesen, den Begriff »Stalinisierung« zu verwenden.[72]

 

Kritik von Mallmann

Gleichwohl rief die »Archivrevolution« auch Kritiker auf den Plan. Fundamental infrage gestellt wurde Webers Wandlungsthese Mitte der 1990er-Jahre von Klaus-Michael Mallmann, der sie als »Stalinisierungs-Orthodoxie« bezeichnete.[73] In seiner sozialhistorisch ausgerichteten Habilitationsschrift vertrat der damals in Essen tätige Historiker die Ansicht, dass der deutsche Kommunismus von Beginn an von autoritären Strukturen und einer Herrschaft des Apparats geprägt gewesen sei. Die von Weber konstatierte demokratische Frühphase der KPD habe nicht existiert: »Dass Kommunismus nie ein demokratisches Projekt war, zieht sich wie ein roter Faden durch mein Buch.«[74]

Mallmann kritisierte, dass die »Geschichte des deutschen Kommunismus […] überwiegend noch die eines Dogmas ohne Menschen, einer Apparatherrschaft ohne Subjekte« sei.[75] Der Ansatz Flechtheims und Webers könne »zwar scheinbar per se ein repräsentatives Ergebnis vorweisen«, er lasse »jedoch die – in der Regel nicht gestellte – sozialhistorische Frage nach der praktischen Relevanz unbeantwortet«.[76] Dem wollte er eine Geschichte »von unten« entgegensetzen: Anstatt die zunehmende Abhängigkeit der KPD von der Komintern oder die Fraktionsauseinandersetzungen innerhalb der Partei zu untersuchen, stellte er den Widerspruch zwischen KPD-Führung und -Basis ins Zentrum seiner Arbeit. Er ging dabei von einer starken regionalen Autonomie der einzelnen Parteigliederungen aus und vertrat die Ansicht, dass die Entwicklung des deutschen Kommunismus vor allem durch nationale Faktoren beeinflusst worden sei.

Mallmanns Arbeit wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Verschiedene Autoren tadelten den Stil der Abhandlung. Jens Becker und Harald Jentsch bezeichneten das Werk als einen »polemischen Rundumschlag […], der den Granden der westdeutschen KPD-Forschung schlicht die Kompetenz absprach, mit ihrem politik- und organisationszentrierten Ansatz […] adäquat die reale Geschichte der kommunistischen Bewegung und ihrer Mitglieder erklären zu können«.[77] Für Weber stellte Mallmanns Buch »ein Pamphlet gegen die bisherige Forschung« dar: »Meist ist die Polemik nicht argumentativ und einer Habilitationsschrift angemessen, sondern flapsig, eher hämisch und nicht selten arrogant.«[78] Zudem kritisierten einige Rezensenten methodische Fehler bei der Umsetzung des Vorhabens.[79]

Für seinen sozialgeschichtlichen Ansatz erhielt Mallmann jedoch viel Beifall – obwohl er keinesfalls der Erste war, der die Geschichte der KPD mit derartigen Methoden untersucht hatte.[80] Schon bald entstanden weitere ähnlich ausgerichtete Untersuchungen.[81] Allerdings galt es zeitweilig beinahe als Gretchenfrage unter KPD-Forschern, ob man sich der Geschichte der Partei sozialhistorisch oder politikgeschichtlich nähern müsse. Einer der Ersten, der diese Konfrontation auflöste, war Norman LaPorte. In seiner Arbeit über die sächsische KPD betonte er zum einen den Einfluss nationaler und internationaler Entscheidungen auf die regionalen Parteigliederungen und stellte damit Mallmanns These von der Autonomie der unteren Parteiebenen infrage. Zum anderen argumentierte er jedoch, dass regionale politische Traditionen und sozioökonomische Faktoren durchaus Einfluss auf die Haltung der lokalen Gruppen gehabt hätten.[82] Auf diese Weise legte er eine überzeugende Synthese beider Herangehensweisen vor.

Ein weiterer Aspekt von Mallmanns Arbeit, dem viele Rezensenten zustimmten, war die Kritik an der Wandlungsthese. So erklärte Heinrich August Winkler in einer Rezension, Mallmann trage »überzeugende Einwände gegen Einseitigkeiten des Deutungsmusters ›Stalinisierung‹ vor«.[83] Sigrid Koch-Baumgarten lobte, dass er die »Einseitigkeit des bislang dominanten Fremdbestimmungsparadigmas in der Kommunismusforschung« hinterfrage. Damit liefere er »eine überfällige Revision der klassischen These von den erstickten Entwicklungsmöglichkeiten eines alternativen demokratisch-luxemburgischen Frühkommunismus«.[84] Selbst Andreas Wirsching, der ansonsten viel an Mallmanns Werk zu beanstanden hatte, stimmte hier zu. Die Passagen mit der Kritik an der Weberʼschen Stalinisierungsthese gehörten »zu den überzeugendsten des ganzen Buches« und kämen der historischen Realität »weitaus näher als Webers These vom demokratischen, ›luxemburgischen‹ Frühkommunismus«.[85]

Doch auf lange Sicht konnte sich diese Einschätzung nicht durchsetzen. Denn keineswegs alle Historikerinnen und Historiker folgten Mallmanns Thesen. In einer Rezension wies beispielsweise Eric D. Weitz die Behauptung zurück, der Einfluss der sowjetischen Partei auf die Entwicklung der KPD sei weniger maßgeblich gewesen als bisher angenommen.[86] Weber selbst kam nach Durchsicht der neuen Quellen sogar zu dem gegenteiligen Ergebnis, nämlich dass die Abhängigkeit der deutschen Partei von Moskau noch stärker gewesen sei als bisher angenommen.[87] Auch eine Untersuchung über die Auseinandersetzungen zwischen Parteiführung und linker Opposition der KPD unterstützte diesen Befund, indem sie verdeutlichte, dass die russische Führung auf vielfältige Weise Einfluss auf die Ausschaltung dissidenter Strömungen innerhalb der deutschen Partei nahm.[88]

Ebenso wenig hielt Mallmanns These, man könne nicht von einer demokratischen Frühphase der KPD sprechen, einer quellengestützten Überprüfung stand. In seiner Untersuchung über die Jahre 1921/22, als Ernst Meyer an der Spitze der KPD-Zentrale stand, kam Florian Wilde beispielsweise zu dem Ergebnis: »In der Summe muss also Mallmann widersprochen werden, wenn er von einem ›lange vor Stalin angelegten Prozess hin zur Apparatherrschaft‹ schreibt.« Die Politik der Parteiführung um Meyer sei »von dem Bestreben, politische Konflikte durch Diskussionen und nicht durch Reglementierungen zu lösen«, geprägt gewesen. Der Opposition »stand die Parteipresse weitgehend offen, ihre Erklärungen wurden dort selbstverständlich abgedruckt und auf Parteitagen wie auf ZA-Sitzungen konnten sie ihre Positionen in Koreferaten offen vertreten«.[89] Darüber hinaus konnte auch Mallmanns Einschätzung widersprochen werden, das Herausdrängen der starken syndikalistischen Strömung durch Paul Levi während des Heidelberger Parteitages von 1919 müsse als »Modell für den künftigen Umgang mit innerparteilicher Diskussion« angesehen werden. Das Vorgehen der KPD-Führung sei zwar problematisch gewesen, tauge aber keineswegs »als Kronzeuge gegen die Wandlungsthese«.[90]

Ferner bestätigten zwei Regionalstudien über die KPD auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die Stalinisierungsthese.[91] Dies gilt auch für die biografischen Arbeiten von Mario Keßler und Ralf Hoffrogge zu Ruth Fischer und Werner Scholem. Beide Autoren verdeutlichen, dass Fischer und Scholem den Wandlungsprozess mit anstießen, als sie in den Jahren 1924/25 selbst noch der Parteiführung angehörten.[92] Nicht zuletzt setzte sich Kevin McDermott vor einigen Jahren im Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung sehr grundsätzlich mit Webers Ansatz auseinander. Auch er kam zu dem Schluss, dass dessen Grundannahmen noch immer Gültigkeit besäßen und Webers Ansatz »weiterhin das bestimmende Konzept für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der KPD und der Komintern in den 1920er und 1930er Jahren« sei.[93]

Weber selbst nutzte ebenfalls die Existenz neuer Quellen, um seine Thesen aus den 1960er-Jahren zu überprüfen. »An den damaligen Aussagen halte ich im Wesentlichen fest«, resümierte er im Jahr 2007. Trotzdem vollzog er einige Modifikationen. So gelangte er nun zu der Einschätzung, dass er in seinen frühen Schriften den Faktor Apparatherrschaft als wesentliches Merkmal für die Stalinisierung der KPD überschätzt habe. Unterschätzt habe er hingegen die Abhängigkeit der Partei von Moskau. Sie sei nicht nur stärker gewesen als bisher angenommen, sondern habe auch schon früher eingesetzt. Entsprechend datierte er den Beginn des Stalinisierungsprozesses von 1924 auf die Jahre 1921/22 vor.[94] Mit diesen Befunden näherte er sich gegen Ende seines Lebens dann doch wieder den Einschätzungen Löwenthals an, von denen er sich ein halbes Jahrhundert vorher abzusetzen versucht hatte.

 

Fazit und Ausblick

Wie kaum ein Werk hat Die Wandlung des deutschen Kommunismus die deutschsprachige Kommunismusforschung geprägt. Schon bald wurde es zum Standardwerk zur Geschichte der KPD in der Weimarer Republik. Selbst wenn verschiedene Wissenschaftler deutliche Kritik an der Stalinisierungsthese übten, behält die Kernaussage Hermann Webers bis heute Gültigkeit: Die Kommunistische Partei Deutschlands verwandelte sich im Lauf der 1920er-Jahre von einer demokratischen und lebendigen in eine bürokratische und dogmatische Partei. Aus einer gleichberechtigten Partnerin der KPdSU wurde ein Instrument der sowjetischen Außenpolitik. Notwendig hierfür war ein Austausch des Führungskorps der Partei und das Herausdrängen der innerparteilichen Opposition. Nur auf Grundlage dieser Einschätzung lässt sich der Zustand der KPD in der späten Weimarer Republik plausibel erklären.

Aufbauend auf neueren eigenen und fremden Forschungen nahm Weber nach Öffnung der Archive einige Modifikationen an seiner These vor – etwa in der Einschätzung, wie stark der Einfluss der russischen KP auf die deutsche Schwesterpartei war und wann die Einflussnahme begann. Auch wurde in den vergangenen Jahrzehnten deutlich, dass die Stalinisierung keineswegs ein linear verlaufender Prozess war und dass Teile der Parteibasis selbst nach Ausschaltung aller Oppositionsströmungen noch dissidente Meinungen vertreten konnten.

Letztendlich wurde sogar die teilweise recht polemisch geführte Kontroverse um Mallmanns Kritik an der Wandlungsthese fruchtbar genutzt. Nicht nur zahlreiche neue Studien entstanden, um sich in dieser Auseinandersetzung zu positionieren, sondern auch die Frontstellung zwischen Politik- und Sozialgeschichte wurde produktiv aufgelöst. Vor allem Norman LaPorte präsentierte mit seiner Synthese einen Ansatz, der sich wegweisend für künftige Arbeiten zur Geschichte der KPD herausstellen könnte.

Überhaupt ist bislang keineswegs das gesamte Potenzial ausgeschöpft, das die Erforschung der Weimarer KPD auf Grundlage der Wandlungsthese hergibt. Von Bernhard H. Bayerlein stammt beispielsweise die Aufforderung, die »transnationalen Auswirkungen des Stalinismus« in künftigen Forschungen stärker zu berücksichtigen.[95] Derweil hat Kevin McDermott auf das hohe »komparative Potenzial« des Stalinisierungsansatzes hingewiesen, das bislang nur wenige Arbeiten nutzbar gemacht haben.[96] Kulturhistorischen Aspekten der Stalinisierung ist ebenfalls bislang zu wenig nachgegangen worden.[97] Webers Wandlungstheorem liefert also noch immer den Stoff für neue Fragestellungen. Auch nach einem halben Jahrhundert kommt die historische Kommunismusforschung nicht an ihm vorbei.

 


[1] Hermann Weber/Gerda Weber: Leben nach dem »Prinzip links«. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten, Berlin 2006, S. 260.

[2] Ebd., S. 95.

[3] Hermann Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule »Karl Marx« bis 1949, Berlin 2002, S. 409.

[4] Klaus Schönhoven: Zeitzeuge und Zeithistoriker. Würdigung von Prof. Dr. Hermann Weber (1928–2014), in: Deutschland Archiv Online vom 29. Januar 2015, unter www.bpb.de/200031, ges. am 1. Juni 2017.

[5] Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß (Anm. 3), S. 394.

[6] Weber/Weber: Leben nach dem »Prinzip links« (Anm. 1), S. 159.

[7] Hermann Weber/Lothar Pertinax: Schein und Wirklichkeit in der DDR. 65 Fragen an die SED, Stuttgart 1958. Hinter dem Pseudonym »Lothar Pertinax« verbargen sich Heinz Lippmann, Jo Scholmer und Jürgen Rühle. Siehe Weber/Weber: Leben nach dem »Prinzip links« (Anm. 1), S. 165.

[8] Siehe Gunter Ehnert (unter der Mitarbeit von Markus Kohler): Auswahlbibliographie der Schriften Hermann Webers, in: Klaus Schönhoven/Dietrich Staritz (Hg.): Sozialismus und Kommunismus im Wandel. Hermann Weber zum 65. Geburtstag, Köln 1993, S. 639–667.

[9] Hermann Weber: Veränderungen der innerparteilichen Struktur der Kommunistischen Partei Deutschlands (1924–1929), phil. Diss., Universität Mannheim 1968.

[10] Von den eigenen frühen Arbeiten Hermann Webers ist hier vor allem zu nennen: Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht. Wandlungen des deutschen Kommunismus, Hannover 1961.

[11] Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1969.

[12] Kevin McDermott: Hermann Webers Konzept der »Stalinisierung« der KPD und der Komintern. Eine kritische Bewertung, in: Ulrich Mählert u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2008, Berlin 2008, S. 197–206, hier S. 197.

[13] Aus Platzgründen kann eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Webers Thesen nicht erfolgen, wie sie McDermott geleistet hat (siehe Anm. 12). Ebenso wenig ist es möglich, die Geschichte der KPD-Historiografie nachzuzeichnen. Siehe hierzu Richard Croucher: Shifting Sands. Changing Interpretations of the History of German Communism, in: Labour History Review 68 (2003), H. 1, S. 11–31.

[14] Weber/Weber: Leben nach dem »Prinzip links« (Anm. 1), S. 128. Hermann Weber sollte dieses Buch nie schreiben, doch sind mittlerweile verschiedene Untersuchungen über die innerparteiliche Opposition erschienen: Rüdiger Zimmermann: Der Leninbund. Linke Kommunisten in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1978; Otto Langels: Die ultralinke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Zur Geschichte und Theorie der KPD-Opposition (Linke KPD), der Entschiedenen Linken, der Gruppe »Kommunistische Politik« und des Deutschen Industrie-Verbandes in den Jahren 1924 bis 1928, Frankfurt a. M. u. a. 1984; Wolfgang Alles: Zur Politik und Geschichte der deutschen Trotzkisten ab 1930, Frankfurt a. M. 1987; Annegret Schüle: »Für die Arbeitereinheitsfront zur Abwehr des Faschismus«. Trotzkismus in Deutschland bis 1933, Köln 1989; Theodor Bergmann: »Gegen den Strom«. Die Geschichte der KPD (Opposition), Hamburg 2001; Marcel Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Eine Gesamtdarstellung, Essen 2014.

[15] Weber/Weber: Leben nach dem »Prinzip links« (Anm. 1), S. 127.

[16] Weber: Wandlung (Anm. 11), Bd. 1, S. 350 f.

[17] Ebd., S. 8.

[18] Hermann Weber: Aufstieg und Niedergang des deutschen Kommunismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 41 (1991), H. 40, S. 25–39, hier S. 27 f.

[19] Hermann Weber: Einleitung, in: Ossip K. Flechtheim: Die KPD in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1969, S. 5–68, hier S. 52.

[20] Arthur Rosenberg: Geschichte des Bolschewismus. Von Marx bis zur Gegenwart, Berlin 1933. Zitiert ist hier die Neuauflage: Arthur Rosenberg: Geschichte des Bolschewismus. Mit einer Einleitung von Ossip K. Flechtheim, Frankfurt a. M. 1966, S. 226 f. u. 256.

[21] Ossip K. Flechtheim: Die Kommunistische Partei Deutschlands in der Weimarer Republik, Offenbach 1948, S. 223. Zu diesem Buch: Mario Keßler: Ossip K. Flechtheim. Politischer Wissenschaftler und Zukunftsdenker (1909–1998), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 82–92.

[22] Ruth Fischer: Stalin und der deutsche Kommunismus. Der Übergang zur Konterrevolution, Frankfurt a. M. 1949. Zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte siehe Mario Keßler: Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten (1895–1961), Köln/Weimar/Wien 2013, S. 467–491. Keßler meint, das Buch von Fischer litt »sehr unter ihrem Bemühen, sich selbst im besseren Licht darzustellen« (S. 476).

[23] Richard Löwenthal: Rußland und die Bolschewisierung der deutschen Kommunisten, in: Werner Markert (Hg.): Deutsch-russische Beziehungen von Bismarck bis zur Gegenwart, Stuttgart 1964, S. 97–116, hier S. 97.

[24] Weber: Wandlung (Anm. 11), Bd. 1, S. 11.

[25] Ebd., S. 319.

[26] Ebd., S. 10.

[27] Ebd., S. 11.

[28] Ebd., S. 10.

[29] Siehe Klaus-Michael Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996, S. 1 f.

[30] Siehe Keßler: Flechtheim (Anm. 21), S. 87. Dort schreibt Keßler, Flechtheims Arbeit sei in diesem Punkt »ihrer Zeit weit voraus« gewesen, »wenngleich sie natürlich noch nicht Fragen der neueren Kulturgeschichte etwa über männerbündische Verhaltensweisen in den Parteizirkeln, die Rolle von Frauen in einer von patriarchalen Mustern weitgehend geprägten Gemeinschaft oder die Rolle jüdischer Aktivisten innerhalb der Parteiintelligenz aufwarf«.

[31] Siehe Weber: Wandlung (Anm. 11), Bd. 2, S. 5–55.

[32] Siehe Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Gekürzte Studienausgabe, Frankfurt a. M. 1971. Über die Auflagenhöhen gab freundlicherweise die Europäische Verlagsanstalt Auskunft. Demnach geht aus der Herstellungsmappe der zweibändigen Gesamtausgabe (1969) hervor, dass diese in einer Auflage von 2000 Stück produziert wurde. Zur Studienausgabe (1971) seien im Verlagsarchiv keine Herstellungsunterlagen auffindbar, allerdings ein Vertrag, wonach eine Auflage von 8000 Stück geplant gewesen sei. Ob diese Höhe wirklich realisiert wurde, habe sich nicht ermitteln lassen. Der Ladenpreis der zweibändigen Ausgabe sei um das Jahr 1974 von 128 auf 68 DM heruntergesetzt worden. 1979 habe Hermann Weber dem Verlag geschrieben, die zweibändige Ausgabe sei vergriffen, die Studienausgabe aber noch nicht, und um Neuauflage oder Rückgabe der Rechte gebeten. E-Mail von Mareike Fricke, Europäische Verlagsanstalt, an M. B., 2. Juni 2017. Zum Preis der Studienausgabe siehe den entsprechenden Datensatz im Onlinekatalog der Deutschen Nationalbibliothek, d-nb.info/458584398, ges. am 2. Juni 2017.

[33] Einleitendes Referat von Sinowjew, Protokoll der 1. Sitzung der Bolschewisierungskommission, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), RY 5, I 6/3/46, Bl. 6.

[34] Grigori Sinowjew: Über die Bolschewisierung der Parteien, Hamburg 1925, S. 128.

[35] Clara Zetkin an Jules Humbert Droz, 25. März 1929, in: Hermann Weber/Bernhard H. Bayerlein (Hg.): Der Thälmann-Skandal. Geheime Korrespondenz mit Stalin, Berlin 2003, S. 301 f., hier S. 301.

[36] Löwenthal: Rußland (Anm. 23), S. 106.

[37] Diesen Begriff hat Weber nicht erfunden. Gemeinhin wurde er verwendet, um die Unterwerfung der »Ostblock«-Staaten unter Stalins Herrschaft während des beginnenden Kalten Kriegs zu beschreiben. Weber popularisierte den Terminus aber im Zusammenhang mit der KPD.

[38] Weber: Wandlung (Anm. 11), Bd. 1, S. 13.

[39] Ebd., S. 8.

[40] Wolfgang Kießling: Damals und heute kein Konjunkturschreiber, in: Neues Deutschland vom 19. Juni 1998.

[41] Wolfgang Ruge: Annotation zu Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 18 (1970), S. 1656.

[42] Heinz Karl: Rezension zu Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 14 (1972), S. 1025–1028. Zitate von S. 1026–1028.

[43] Zum Verhältnis des Verlages zur Neuen Linken siehe Uwe Sonnenberg: Von Marx zum Maulwurf. Linker Buchhandel in Westdeutschland in den 1970er Jahren, Göttingen 2016, S. 67–70.

[44] Hans-Dieter Heilmann/Bernd Rabehl: Die Legende von der ›Bolschewisierung‹ der KPD (Teil I), in: Sozialistische Politik 2 (1970), H. 9, S. 65–114, hier S. 66. Teil II erschien in: Sozialistische Politik 3 (1971), H. 10, S. 1–38.

[45] K. H. [Karl Hermann] Tjaden: Der Begriff der »Wandlungen des Kommunismus« bei Hermann Weber, in: Das Argument 13 (1971), H. 1/2, S. 42–53, hier S. 44 f. u. 52.

[46] Alexander von Plato: Zur Einschätzung der Klassenkämpfe in der Weimarer Republik: KPD und Komintern, Sozialdemokratie und Trotzkismus, Berlin 1973, S. 11 u. 156.

[47] Siehe Weber/Weber: Leben nach dem »Prinzip links« (Anm. 1), S. 239 f. Es existierten zwar Lehrstühle für Osteuropaforschung, doch spielte die Geschichte des deutschen Kommunismus, in Form von KPD und SED, dort keine Rolle.

[48] Das belegt eine Durchsicht der Jahrgänge 1969–1973 der jeweiligen Fachzeitschriften. In der »Historischen Zeitschrift« erschien zumindest eine Besprechung des ebenfalls 1969 von Weber herausgegebenen Protokollbandes zum Gründungsparteitag der KPD. Siehe Rezension von Ursula Ratz, in: Historische Zeitschrift 213 (1971), S. 203 f. Dieser Band wurde auch in der Wochenzeitung »Die Zeit« besprochen: K. H. J.: »Etwas kindischer Radikalismus«. Ein Protokoll tauchte wieder auf – Rosa Luxemburgs Niederlage in der KPD, in: Die Zeit vom 11. Juli 1969.

[49] Wanda Bronska-Pampuch: KPD – der Verfall einer Partei. Von der innerparteilichen Demokratie zur Herrschaft des Apparates, in: Die Zeit vom 27. März 1970.

[50] Rezension von Kurt Klotzbach, in: Archiv für Sozialgeschichte 12 (1972), S. 675–679, hier S. 677 u. 679.

[51] Günther Nollau: Standardwerk über die KPD, in: Deutschland Archiv. Zeitschrift für Fragen der DDR und der Deutschlandpolitik 3 (1970), S. 378 f.

[52] Karl Christian Lammers: Rezension zu Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus, in: Historisk Tidsskrift, Bd. 12, Reihe 6 (1973), S. 369–371. Ich danke Uwe Lammers für seine Übersetzung aus dem Dänischen.

[53] Jacques Droz: Rezension zu Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus, in: Le Mouvement Social (Juillet-Septembre 1975), H. 92, S. 128–130. Ich danke Reiner Tosstorff für seine Übersetzung aus dem Französischen.

[54] Eric Hobsbawm: Confronting Defeat: The German Communist Party [1970], in: ders.: Revolutionaries, London 1973, S. 50–64, hier S. 50.

[55] Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das Buch – anders als beispielsweise die Arbeiten von Borkenau, Löwenthal und Rosenberg – zwar ins Italienische, nicht jedoch ins Englische übersetzt wurde. Dennoch wurde die Stalinisierungsthese auch im englischsprachigen Raum zur Kenntnis genommen. Siehe beispielsweise Theodore Draper: The Strange Case of the Comintern, in: Survey. A Journal of East & West studies 18 (1972), H. 3, S. 91–137, hier S. 93.

[56] Hartmut Mehringer: Rezension zu Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, in: Sehepunkte 5 (2005), Nr. 10, 15. März 2005, online unter www.sehepunkte.de/2005/10/3821.html, ges. am 20. Dezember 2016.

[57] Siehe Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, 2., durchges. u. erg. Aufl., München 1988, S. 171. Der Autor lobt darin Webers »präzise Prosopographie des Funktionärskörpers der KPD«; Martin Vogt: Parteien in der Weimarer Republik, in: Karl Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen (Hg.): Die Weimarer Republik 1918–1933. Politik. Wirtschaft. Gesellschaft, 3. Aufl., Bonn 1998 (Erstauflage: Düsseldorf 1987), S. 134–157, hier S. 157, bescheinigt Webers Werk, »grundlegend« für die Geschichte der KPD der Jahre 1924–1929 zu sein.

[58] Heinrich August Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin/Bonn 1984; ders.: Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930, Bonn 1985; ders.: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933, Berlin/Bonn 1987.

[59] Sigrid Koch-Baumgarten: Aufstand der Avantgarde. Die Märzaktion der KPD 1921, Frankfurt a. M./New York 1986, S. 443. Exemplarisch zu nennen ist außerdem Siegfried Bahne: Die KPD und das Ende von Weimar. Das Scheitern einer Politik 1932–1935, Frankfurt a. M./New York 1976.

[60] Kevin McDermott: Stalin and Stalinism, in: Stephen A. Smith (Hg.): The Oxford Handbook of the History of Communism, Oxford 2014, S. 72–89, hier S. 78.

[61] Zur Öffnung der Archive siehe Hermann Weber: Historiographie der Arbeiterbewegung in Deutschland nach dem Zusammenbruch des »Realsozialismus«. Archivlage und einige Probleme, in: Bruno Groppo u. a. (Hg.): Quellen und Historiographie der Arbeiterbewegung nach dem Zusammenbruch des »Realsozialismus« (= ITH-Tagungsberichte, Bd. 32), Wien 1998, S. 51–69.

[62] Siehe Marcel Bois/Florian Wilde: Ein kleiner Boom. Entwicklungen und Tendenzen der KPD-Forschung seit 1989/90, in: Ulrich Mählert u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2010, Berlin 2010, S. 309–322. Zu Neuerscheinungen der vergangenen fünfzehn Jahre siehe folgende Sammelrezensionen: Till Kössler: Partei, Bewegung und Lebensform. Neuerscheinungen zur Geschichte des Kommunismus in Deutschland, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 599–614; Norman LaPorte: »Something Old, Something New, Something Borrowed and Something Blue«: Recent Literature in Communist Studies, in: Moving the Social 55 (2016), S. 113–140.

[63] Siehe Weber/Bayerlein: Thälmann-Skandal (Anm. 35); Bernhard H. Bayerlein u. a. (Hg.): Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern, Berlin 2003.

[64] Hermann Weber: »Weiße Flecken« in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung, Frankfurt a. M. 1989.

[65] Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004 (2. Aufl.: 2008); dies.: Deutsche Kommunisten. Supplement zum Biographischen Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2013.

[66] Hermann Weber u. a. (Hg.): Deutschland, Russland, Komintern – Überblicke, Analysen, Diskussionen. Neue Perspektiven auf die Geschichte der KPD und die deutsch-russischen Beziehungen (1918–1943), Berlin/Boston 2014; Hermann Weber/Jakov Drabkin/Bernhard H. Bayerlein (Hg.): Deutschland, Russland, Komintern – Dokumente (1918–1943). Nach der Archivrevolution: Neuerschlossene Quellen zu der Geschichte der KPD und den deutsch-russischen Beziehungen, 2 Teilbände, Berlin/New York 2015.

[67] Siehe Hermann Weber: Die Kommunistische Internationale. Eine Dokumentation, Hannover 1966.

[68] Theodore Draper: American communism and Soviet Russia. The formative period, New York 1960.

[69] Kevin McDermott/Jeremy Agnew: The Comintern. A History of International Communism from Lenin to Stalin, London 1996.

[70] Norman LaPorte/Kevin Morgan/Matthew Worley: Bolshevism, Stalinism and the Comintern. Perspectives on Stalinization, 1917–53, Basingstoke/New York 2008. Siehe außerdem Milos Hájek: Die Beziehungen zwischen der Komintern und der bolschewistischen Partei in den Jahren 1919–1929, in: Hermann Weber u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1995, Berlin 1995, S. 63–99; Gerrit Voerman: Die Unterordnung der KPH unter Moskau 1929/30, in: Hermann Weber u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1998, Berlin 1998, S. 36–50.

[71] Siehe McDermott: Webers Konzept (Anm. 12), S. 197.

[72] Hermann Weber: Die Stalinisierung der KPD – Alte und neue Einschätzungen, in: Hermann Weber u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2007, Berlin 2007, S. 221–244, hier S. 225. Weber verweist hier auf Klaus Kinner: Der deutsche Kommunismus, Bd. 1: Die Weimarer Zeit, Berlin 1999, und auf Elke Reuter u. a. (Hg.): Luxemburg oder Stalin? Schaltjahr 1928. Die KPD am Scheideweg, Berlin 2003.

[73] Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik (Anm. 29). Siehe vor allem das Kapitel »Das neue Paradigma. ›Stalinisierung‹ oder die Geburt der Avantgarde?« (S. 54–83).

[74] Klaus-Michael Mallmann: Gehorsame Parteisoldaten oder eigensinnige Akteure? Die Weimarer Kommunisten in der Kontroverse – Eine Erwiderung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47 (1999), S. 401–415, hier S. 415.

[75] Klaus-Michael Mallmann: Millieu, Radikalismus und lokale Gesellschaft. Zur Sozialgeschichte des Kommunismus in der Weimarer Republik, in: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), S. 5–31, hier S. 5.

[76] Mallmann: Parteisoldaten (Anm. 74), S. 404.

[77] Jens Becker/Harald Jentsch: Divergenzen zur Historiographie über die Rolle der KPD in der Weimarer Republik, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 42 (2000), H. 3, S. 66–74, hier S. 67.

[78] Hermann Weber: Nicht stalinisiert?, in: Die Zeit vom 14. Juni 1996.

[79] Siehe zur Rezeption ausführlich mit Belegen: Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin (Anm. 14), S. 90, Anm. 272 u. 273; Bois/Wilde: Boom (Anm. 62), S. 310–313.

[80] Wie bereits erwähnt, hatten sowohl Flechtheim als auch Weber sozialstrukturelle Methoden in ihre Arbeiten einfließen lassen: Flechtheim: KPD (Anm. 19), v. a. S. 229–267; Weber: Wandlung (Anm. 11), v. a. Bd. 2. Dies gilt beispielsweise auch für Franz Borkenau: World Communism. A History of the Communist International, Ann Arbor 1962, S. 357–375 (Erstausgabe 1939). Explizit sozialhistorisch ausgerichtet war zudem Eve Rosenhaft: Beating the Fascists? The German Communists and Political Violence 1929–1933, Cambridge 1983. Verwiesen sei hier auch auf eine wenig beachtete Arbeit: Gerd Reuter: KPD-Politik in der Weimarer Republik. Politische Vorstellungen und soziale Zusammensetzung der KPD in Hannover zur Zeit der Weimarer Republik, Hannover 1982.

[81] Zu nennen ist hier etwa Eric D. Weitz: Creating German Communism, 1890–1990. From Popular Protests to Socialist State, Princeton 1997; Detlef Siegfried: Das radikale Milieu. Kieler Novemberrevolution, Sozialwissenschaft und Linksradikalismus 1917–1922, Wiesbaden 2004; Ulrich Eumann: Eigenwillige Kohorten der Revolution. Zur regionalen Sozialgeschichte des Kommunismus in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 2007.

[82] Norman LaPorte: The German Communist Party in Saxony, 1924–1933. Factionalism, Fratricide and Political Failure, Bern 2003.

[83] Heinrich August Winkler: Rezension zu Klaus-Michael Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik, in: Historische Zeitschrift 265 (1997), S. 241–243, hier S. 241.

[84] Sigrid Koch-Baumgarten: Eine Wende in der Geschichtsschreibung zur KPD in der Weimarer Republik?, in: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 34 (1998), S. 82–89, hier S. 83.

[85] Andreas Wirsching: »Stalinisierung« oder entideologisierte »Nischengesellschaft«? Alte Einsichten und neue Thesen zum Charakter der KPD in der Weimarer Republik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 449–466, hier S. 463.

[86] Eric D. Weitz: Rezension zu Klaus-Michael Mallmann: Kommunisten in der Weimarer Republik, in: German Historical Institute London Bulletin 19 (1997), S. 64–69, hier S. 68.

[87] Weber: Stalinisierung der KPD – Alte und neue Einschätzungen (Anm. 72), S. 224.

[88] Siehe Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin (Anm. 14), v. a. S. 226–235.

[89] Florian Wilde: »Diskussionsfreiheit ist innerhalb unserer Partei absolut notwendig«. Das Verhältnis des KPD-Vorsitzenden Ernst Meyer zur innerparteilichen Demokratie 1921/22, in: Hermann Weber u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2006, Berlin 2006, S. 168–184, hier S. 181–184.

[90] Marcel Bois/Florian Wilde: »Modell für den künftigen Umgang mit innerparteilicher Diskussion«? Der Heidelberger Parteitag der KPD 1919, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 6 (2007), H. 2, S. 33–46, hier S. 46.

[91] Siehe Klaus J. Becker: Die KPD in Rheinland-Pfalz 1946–1956, Mainz 2001. Zu den Jahren 1919–1933 siehe darin S. 20–56 sowie den Aufsatz: Klaus J. Becker: Zwischen ultralinker Parteiopposition und titoistischer Verfemung. Die Pfälzische KPD 1919–1956, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 103 (2005), S. 343–376, v. a. S. 343–350. Frank Hirschinger: »Gestapoagenten, Trotzkisten, Verräter«. Kommunistische Parteisäuberungen in Sachsen-Anhalt 1918–1953, Göttingen 2005.

[92] Siehe Keßler: Ruth Fischer (Anm. 22); Ralf Hoffrogge: Werner Scholem. Eine politische Biographie (1895–1940), Konstanz/München 2014. Derweil geht Mirjam Zadoff: Der rote Hiob. Das Leben des Werner Scholem, München 2014, auch von einer Wandlung der KPD aus, verwendet hierfür aber den Begriff »Gleichschaltung«.

[93] McDermott: Webers Konzept (Anm. 12), S. 206.

[94] Siehe Weber: Stalinisierung der KPD – Alte und neue Einschätzungen (Anm. 72), S. 221–225.

[95] Bernhard H. Bayerlein: Deutscher Kommunismus und transnationaler Stalinismus. Komintern, KPD und Sowjetunion 1929–1943, in: Weber: Deutschland, Russland, Komintern (Anm. 66), S. 225–400, hier S. 395.

[96] Siehe McDermott: Webers Konzept (Anm. 12), S. 202. Tatsächlich sind erst wenige vergleichende Studien erschienen: Andreas Wirsching: KPD und P.C.F. zwischen »Bolschewisierung« und »Stalinisierung«. Sowjet-Rußland, die Kommunistische Internationale und die Entwicklung des deutschen und französischen Kommunismus zwischen den Weltkriegen, in: Ilja Mieck/Pierre Guillen (Hg.): Deutschland – Frankreich – Rußland. Begegnungen und Konfrontationen, München 2000, S. 277–292. Siehe auch die Beiträge von Ben Fowkes (Jugoslawien und Tschechoslowakei) und von Kerry Taylor/Matthew Worley (Großbritannien und Neuseeland), in: LaPorte/Morgan/Worley: Bolshewism (Anm. 70), S. 206–244.

[97] Eine Ausnahme stellt ein Aufsatz dar, in dem die Entwicklung der Unterwerfungsformen und -methoden der »stalinistischen Persönlichkeit« untersucht werden: Brigitte Studer: Balance Sheet of a Complex Notion, in: LaPorte/Morgan/Worley: Bolshewism (Anm. 70), S. 45–65.

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