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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2018

Leo Koflers Ideologiekritik des Stalinismus und ihre Ursprünge in der frühen DDR

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 111-126 | Metropol Verlag

Autor/in: Christoph Jünke

Die mit dem Ende des einstmals real existierenden Sozialismus einsetzende sogenannte Archivrevolution der 1990er-Jahre hat zu einer umfangreichen Sammlung, Prüfung und Ordnung neuer Quellen und Tatsachen in der internationalen Kommunismusforschung geführt. Der Versuch jedoch, Ordnung auch in das Wesen der Erscheinungen zu bekommen und den historischen Stalinismus in seiner Einheit und Dynamik zu erfassen, ist damit nur unwesentlich vorangekommen. Die anhaltend kontroversen Debatten, ob der Stalinismus nun vor allem ein Ausfluss politischer Macht und Gewalt, ein Akt nachholender Modernisierung, das Produkt einer ambivalenten Moderne, einer asiatischen Despotie oder das zwangsläufige Ergebnis sozialistischer Utopie gewesen ist, sprechen hier eine deutliche Sprache.

Auffallend ist jedoch, vor allem in der deutschen Wissenschaftsgemeinschaft, dass die Erfahrungen und Analysen jener kritischen Sozialisten und Kommunisten kaum berücksichtigt werden, die die Diskussionen früherer Jahrzehnte so nachhaltig geprägt haben. Die Arbeiten dieser linken Kritiker eines bürokratischen Sozialismus stellen aber ein Erbe dar, an dem auch eine sich wertneutral gebende akademische Wissenschaft nicht vorbeigehen sollte, will sie der Geschichte und ihren Opfern Gerechtigkeit widerfahren und sich selbst nicht den Vorwurf der politischen oder berufsständischen Voreingenommenheit gefallen lassen. Daran ändert auch der Befund nicht viel, dass dieses verdrängte Erbe ein in der Regel disparates und an vielerlei Orten verschüttetes Erbe darstellt, das sich nur schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt: »Die Untergrund-Schriften verfolgter Dissidenten stehen neben gelehrten Abhandlungen westlicher Schreibtisch-Analytiker, die philosophische Reflexion neben dem programmatischen Entwurf, die abstrakte Begriffsanalyse neben der leidenschaftlichen Kritik der einst Mächtigen, die heute im Exil leben.«[1]

Die Geschichte des Antistalinismus als Theorie und Praxis ist noch nicht geschrieben.[2] Doch schon der Blick auf einzelne Vertreter dieses zumeist »vergessenen« Antistalinismus erlaubt produktive Einblicke in die Diskussion der Mechanismen, Protagonisten und Widersacher der Stalinisierung kommunistischer Parteien. Im Folgenden möchte ich deswegen an den Gesellschaftstheoretiker und Sozialphilosophen Leo Kofler (1907–1995) erinnern, den aus Österreich stammenden deutsch-deutschen Grenzgänger, dessen in den Jahren 1951 und 1952 veröffentlichte Analysen den im deutschen Sprachraum nach dem Zweiten Weltkrieg ersten systematischen Versuch einer explizit marxistischen Kritik stalinistischer Theorie und Praxis markieren. Ich rekapituliere zuerst den zentralen Ansatz seiner stalinismuskritischen Schriften, um diese dann in den biografischen und zeitgeschichtlichen Kontext zu stellen.[3] Es waren vor allem seine Erfahrungen in der frühen Deutschen Demokratischen Republik und deren theoretische Verarbeitung, die Koflers Stalinismuskritik ihren originellen Stempel aufdrücken. Denn auch wenn sich diese Kritik vorwiegend mit dem sowjetrussischen Stalinismus auseinandersetzt, reflektiert sie doch erstmals auch die persönliche Erfahrung mit einem nichtrussischen Sozialismusmodell innerhalb des in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre sich herausbildenden und stalinisierenden »Ostblock«-Systems und die nun historisch gesicherte Erkenntnis, dass das Problem Stalins und des Stalinismus kein automatisch vorübergehendes und auch kein rein russisches Phänomen gewesen ist. [[Foto im gedruckten Exemplar: Leo Kofler Ende der 1940er-Jahre]]

 

Zur Ideologiekritik des Stalinismus

Bis Ende der 1940er-Jahre waren die  meisten stalinismuskritischen Schriften oppositioneller Aktivisten und politisch unabhängiger Intellektueller davon geprägt, die Gründe für die Machtergreifung Stalins und seines »stalinistischen« Systems zu diskutieren und sich über den sozialgeschichtlichen Gehalt desselben klar zu werden. Nur langsam brach sich dabei die Erkenntnis Bahn, dass es sich um eine historisch neuartige Gesellschaftsform handeln müsse und dass hierbei jenes sozialgeschichtlich neuartige Phänomen einer »sozialistischen Bürokratie« im Mittelpunkt der Analysen zu stehen habe. Auch Leo Kofler teilte diesen Fokus. Doch der eigentliche Ausgangspunkt und die Originalität seiner Analyse stalinistischer Bürokratie liegen vor allem darin begründet, dass und wie er sich von dieser Tradition partiell absetzt. Auch für ihn präsentiert sich die Sowjetunion der 1930er- und 1940er-Jahre als eine nachhaltig blockierte Übergangsgesellschaft zwischen Kapitalismus und Sozialismus, als eine Gesellschaft, die vorsozialistisch-bürgerliche und zum Teil vorbürgerliche Produktions- und Verteilungsmethoden mit gemeinwirtschaftlich-sozialistischen Formen mischt. Diese Mischung aus zaristischem Erbe und postrevolutionärer Planwirtschaft habe zur Herausbildung einer eigenartigen, sozialistischen Bürokratie geführt, die die Tradition einer bürgerlichen Verwaltungsbürokratie mit einer historisch neuartigen Arbeiterbürokratie vermenge und im terroristischen Stalinismus historisch entartet sei. Diese »Entartung«, das macht Kofler immer wieder deutlich, sei keine historisch zwangsläufige gewesen, und doch spiegele sie Probleme einer jeden Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus.

Auf seiner Suche nach »dem letzten Wesen der Erscheinungen«, auf der Suche nach dem von einem bloß anschauenden Auge nicht zu durchschauenden »dynamischen Ganzen«, das den inneren Charakter des Phänomens der sozialistischen Bürokratie offenbare,[4] betont er in seiner 1952 erschienenen Schrift über Das Wesen und die Rolle der stalinistischen Bürokratie, dass der »landläufige Versuch, das Wesen der stalinistischen Bürokratie ausschließlich oder vornehmlich aus deren Hang nach Erwerb und Verteidigung der Privilegien zu erklären,«[5] in Wahrheit nichts erkläre, denn offen blieben damit nicht nur die gesellschaftspolitischen Bedingungen dieser Machtergreifung, sondern mehr noch die Frage, warum es dieser sozialistischen Bürokratie gelinge, diese Macht über Jahrzehnte erfolgreich festzuhalten. Wie andere antistalinistische Marxisten betont auch Kofler, dass es neben der sozialökonomischen Rückständigkeit Sowjetrusslands und dem daraus erwachsenden Widerspruch zwischen neuer Produktionsweise und alter Verteilungsweise vor allem die im Allgemeinen fehlende demokratische Tradition Russlands sowie die im sowjetrussischen Bürgerkrieg von 1918 bis 1921 zerstörten radikaldemokratischen Ansätze gewesen seien, die den Aufstieg einer sich gesellschaftlich festsetzenden sozialistischen Bürokratie bedingten. Über diese klassische Analyse hinaus betont er allerdings, dass die neue Herrschaft getragen und gerechtfertigt werde »durch ein ideologisches Bewusstsein von großer Kraft und Wirkung, so dass diese Bürokratie sich im Rechte fühlen und die Einbildung haben kann, ein unentbehrliches Werkzeug des Fortschritts und der Freiheit zu sein«.[6] Erst wenn man dieses ideologische Bewusstsein »als Ausdruck der für die stalinistische Bürokratie typischen Beschränktheit in die Erklärung des Phänomens dieser Bürokratie als wesentlichen Faktor mit einbezieht«, sei der Weg frei zum richtigen Verständnis ihrer Eigenart. Erst dann werde der merkwürdige Widerspruch verständlich, der aus dem Charakterbild der russischen Bürokratie nicht wegzudenken sei und darin bestehe, »dass diese Bürokratie einerseits zwar über zahlreiche Privilegien verfügt, andererseits aber gerade in ihren führenden und maßgeblichen Schichten sich aus hingebungsvollen und opfermütigen Idealisten zusammensetzt, die subjektiv keineswegs den Eindruck bloßer Privilegienreiter machen. Dies übersehen zu haben, ist der Hauptmangel fast der gesamten bisherigen Versuche, die stalinistische Bürokratie dem westlichen Bewusstsein in ihrer Wesenheit verständlich zu machen.«[7]

Was Kofler hier bietet, ist der damals neuartige Versuch einer Ideologiekritik der stalinistisch-sozialistischen Bürokratie, die dieselbe nicht allein als parasitären oder zynischen Usurpator gesellschaftspolitischer Macht versteht, sondern auch deren historisch eigenständigen Charakter betont und untersucht.[8] Wer zu ausschließlich in Kategorien einer bürokratischen Verschwörung denke, finde keine angemessene Erklärung der subjektiv ehrlichen Befindlichkeit so vieler Stalinisten, verkenne deren Denk- und Seinsweise und damit auch deren hegemoniale Macht.[9] Der bei vielen Stalinisten zu beobachtende Herrschaftszynismus – Zielscheibe der moralischen Kritik so vieler Gegner und Oppositioneller – ist für Kofler eher das Resultat als der Grund einer zutiefst widersprüchlichen Existenz. Bei der strukturell zu beobachtenden bürokratischen Beschränktheit handele es sich vielmehr um eine in der Regel objektive Selbsttäuschung, um das (im Sinne des marxistischen Ideologiebegriffs) falsche Bewusstsein einer sozialen Schicht oder Klasse. Dieses ideologische Bewusstsein bilde einen in sich widerspruchsvollen Komplex, in dem sich bürokratische Privilegien und Verbrechen mit einer spezifisch bürokratischen Pflichtethik mischen, in dem also Elemente der Entartung und Unmenschlichkeit ebenso anzutreffen sind wie Elemente, die fast ethisch zu nennen seien. Und es sei diese spezifische Ideologie, die zu einer wenn auch instabilen, so doch dauerhaften Hegemonie beitrage.[10]

Diese hegemoniale Macht der stalinistischen Bürokratie werde aber nicht durch die Bürokratie als Ganze ausgeübt, sondern (der bürgerlichen Gesellschaftsformation vergleichbar) von einer besonderen Schicht von »Intellektuellen«, die Kofler die »Geistesbürokratie« nennt. Diese »Geistesbürokratie« habe mit dem in der bürgerlichen Gesellschaft vorkommenden, in der Regel frei schwebenden und der objektiven Wahrheit verpflichteten Intellektuellen nur wenig zu tun und sei entsprechend »von besonderem Holze«.[11]

Nicht jeder sei zum Geistesbürokraten geeignet, denn der Geistesbürokrat müsse »vor allem frei sein von der Sucht, wie der Geistesarbeiter sich ausschließlich der geistigen Arbeit zu widmen und der objektiven Wahrheit nachzujagen, denn sie verführt ihn allzu leicht dazu, aus seinem Wissen eine Waffe zu schmieden, die gefährlicher ist als jede andere Waffe, nämlich die Waffe der Kritik. Er muss also sich völlig fernhalten von dem, was man im Osten abfällig den ›Objektivismus‹ nennt. Das fällt einem echten Geistesarbeiter nicht so leicht. Weitaus mehr liegt es im Wesen des Politikers, seine Denkweise den ›praktischen Notwendigkeiten‹ anzupassen und damit dem Denken skrupellos jene Richtung zu geben, deren es bedarf, um einem vorgefassten politischen Ziel zu dienen. Es ist daher kein Zufall, dass der weitaus größte Teil der stalinistischen Geistesbürokraten dem politischen, wenngleich vielfach gleichzeitig mit erzieherischen und propagandistischen Aufgaben betrauten Tätigkeitsgebiet entstammt. Intellektuelle im eigentlichen Sinne sind in ihren Reihen höchst selten anzutreffen. Daraus ergibt sich der Zustand, dass die Geistesbürokraten nur sehr ausnahmsweise selbstständige wissenschaftliche Arbeit leisten, vielmehr sich darauf beschränken, das vorhandene bürokratisch-›marxistische‹ Gedankengut von allen ›idealistischen‹, d. h. nichtbürokratischen Elementen gewissenhaft zu säubern, es zu dogmatisieren, zu propagieren und seine allgemeine Durchsetzung zu erzwingen. Die Geistesbürokratie entwickelt sich auf diese Weise zu einer alles durchdringenden und wegen ihrer ausgezeichneten Kenntnis des Wortlauts der Lehre wie wegen ihrer gleichzeitigen Beschränktheit in der Auffassung dieser Lehre allgemein gefürchteten Gesellschaftsschicht.«[12] Solch dogmatisch beschränkte Geistesbürokratie fungiere nicht nur als »die Inquisition des Stalinismus«, sondern bilde vielmehr noch den »tragende(n) Pfeiler der Beherrschung des Volkes durch die stalinistische Bürokratie«.[13]

Die stalinistische Theorie und Praxis sei deswegen auch kein Ausfluss marxistischer Theorie. Vielmehr sei der Marxismus-Leninismus als spezifisch stalinistische Theorieform der Ausfluss einer notwendig bornierten bürokratischen Praxis, d. h. der Ausfluss eines »engen und geistlosen Praktizismus« einer »in der Zwischenepoche des Übergangs von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaftsordnung« entstandenen und an diese schicksalshaft gebundenen bürokratischen Schicht.[14] Als Trägerin, Nutznießerin und Verteidigerin eines die Bedürfnisse und Rechte der arbeitenden Bevölkerung missachtenden Akkumulationsregimes sei die neue (politische) Bürokratie ebenso bürgerlich-formalistisch gesinnt, wie sie als Trägerin, Nutznießerin und Verteidigerin der neuen, planwirtschaftlichen Produktionsmethoden und aufgrund ihrer proletarischen Herkunft »sozialistisch« denke. Sozialismus und Marxismus gehen deswegen ebenso konstitutiv wie gebrochen in ihre Denk- und Seinsweise ein: Man bediene sich des Marxismus als einer Legitimationsideologie, könne dies aber nicht tun, ohne der marxistischen Theorietradition (wie der sozialistischen Idee) Gewalt anzutun.

Die vom Stalinismus zum »Marxismus-Leninismus« dogmatisierte Legitimationsideologie reduziere den eigentlichen Marxismus auf einen sich an die alte Naturwissenschaft anlehnenden, ebenso mechanistischen wie ökonomistischen Materialismus,[15] »vergesse« den dem Marxʼschen Denken immanenten Humanismus, der darauf aus sei, den Menschen aus jeglicher Entfremdung und Verdinglichung zu befreien,[16] und eliminiere gerade das in der marxistischen Gesellschaftstheorie, was diese in ihrem innersten Kern antreibe und zu einem revolutionären Humanismus mache: die marxistische Subjekt-Objekt-Dialektik. Stalinistisches Denken ist für Kofler immer undialektisch, mechanistisch, antihumanistisch und antiemanzipativ – in ausführlichen Kapiteln verdeutlicht er dies nicht nur an der marxistischen Theorieproduktion als solcher, sondern auch an der realsozialistischen Geschichtswissenschaft und der marxistisch-leninistischen Kunsttheorie. Er legt damit sozusagen die theoretische Grammatik eines pseudosozialistischen stalinoiden Denkens offen und betont, dass solch Ideologie die marxistische Theorie nicht nur bis zur Unkenntlichkeit entstelle, sondern als historisch wirkmächtige Ideologie auch ein besonderes, ebenso emanzipatives wie anti-emanzipatives Eigenleben führe. Kofler hat diese spezifisch widersprüchliche Form in die bemerkenswerten Worte gefasst: »Der Stalinismus verändert das Individuum in seiner traditionellen Einseitigkeit, Unvollkommenheit, Armseligkeit und Zerrissenheit nur so weit, als er es restlos seinen bürokratischen Bedürfnissen unterwerfen muss: er gibt ihm Bildung, soweit er des ›Intellektuellen‹ benötigt; er gibt ihm Idealismus, soweit er dieses Idealismus im Dienste des ›Vaterlandes‹ und des ›Aufbaus‹ bedarf; er macht es mit der Lehre von Marx vertraut, soweit es diese Lehre benötigt, um ein blindgläubiger Diener des Staates zu sein – aber er lässt es im Kern unverändert, damit es all dies sein kann!«[17]

Für Kofler ist also der stalinistische Marxismus ein gleichsam unreifer und von Kinderkrankheit befallener Marxismus, »der sichtbarste und gleichzeitig extremste Exponent des unmarxistischen Marxismus in unserer Zeit«,[18] sein Zugriff auf das Thema ist ein ideengeschichtlicher. Die Geschichte ist für ihn eine ganzheitliche und sollte weder politik- noch sozialgeschichtlich verkürzt werden. Er nimmt deswegen die Geistesproduktion des Stalinismus ernst und formuliert eine ausgiebige Ideologiekritik derselben,[19] die es nicht nur erlaubt, die alte Streitfrage zu beantworten, wie marxistisch das stalinistische Denken wirklich ist. Mehr noch verdeutlicht er damit die gesellschaftspolitische Rolle der marxistisch-leninistischen Ideologie als eines notwendigen Mittels intellektueller Hegemoniebildung und bietet (mit seinem Fokus auf die »Geistesbürokratie«) einen frühen Beitrag zur Intellektuellen-Soziologie des Realsozialismus. Indem er diese Ideologiekritik in den Rahmen der sozialistischen Transformationstheorie einer sich in der »Diktatur des Proletariats« niederschlagenden Übergangsgesellschaft integriert, bietet er schließlich eine sozialgeschichtliche Grundierung seiner ideologiekritischen Analyse, die in ihrer Gesamtheit in der Lage ist, aufzuzeigen, dass und wie sich »stalinistisches Denken« eben nicht auf die Verhältnisse Sowjetrusslands reduziert, sondern in der Lage ist, die gesamte kommunistische Weltbewegung (und auch andere linke Bewegungen) zu affizieren.

Bei aller zu betonenden russischen Spezifik des historischen Stalinismus, so die eigentliche Provokation von Koflers kritischem Ansatz (nicht zuletzt für heutige Leserinnen und Leser), spiegelt sich im stalinistischen Denken auch das objektive Problem eines jeden versuchten Übergangs zu einem gemeinwirtschaftlich-planwirtschaftlichen Sozialismus. Alle entsprechenden Transformationsversuche sind, auf je unterschiedliche Weise, mit dem Problem einer sich in der sozialistischen Bürokratie und ihrer möglicherweise autoritären oder gar despotischen Entartung verkörpernden Verselbstständigung konfrontiert. Stalinismus bezeichnet für Kofler also nicht nur (wie heute üblich) die Theorie und Praxis des sowjetischen Herrschafts- und Gesellschaftssystems, sondern auch die politische Theorie und Praxis der mit diesem verbundenen, nicht aber in ihm aufgehenden kommunistischen Weltbewegung. Und gerade weil der historische Stalinismus einen Gutteil seiner Dynamik aus den objektiven Problemen eines jeden versuchten Übergangs zum planwirtschaftlichen Sozialismus gezogen hat, vermag Koflers Ideologiekritik desselben die Formen und Bedingungen auch seines (scheinbar posthumen) Fortlebens zu thematisieren. Stalinismus ist, so verstanden, nicht nur der Schatten einer fernen Vergangenheit, sondern immer auch ein Schatten, der aus der Zukunft emanzipativer Kämpfe auf uns geworfen wird (nicht als Zwangsläufigkeit, wohl aber als Möglichkeit).[20] Das wirft ebenso nachhaltige Fragen an die linke Theorie und Praxis auf, wie es im Widerspruch zur gegenwärtigen Geschichtswissenschaft steht, die beide den Stalinismus auf die Zeit Stalins reduzieren.

 

Vom »roten Wien« ins »sozialistische« Halle

Ideen müssen von Individuen gedacht und durchdacht werden – doch fallen sie bekanntlich nicht vom Himmel. Koflers originelle Ideologiekritik stalinistischer Theorie und Praxis wurde in den Jahren 1950/51 niedergeschrieben. Sie hat ihre werktheoretische Logik, findet ihren zeitgeschichtlichen Kontext aber in der Frühgeschichte jenes ostdeutschen Sozialismus, in dem Kofler in den Jahren 1947 bis 1950 lebte und arbeitete. Wer also war dieser Leo Kofler und was erlebte er in jenen Jahren in Halle?

Geboren 1907 in Ost-Galizien, im äußersten Nordosten der österreichisch-ungarischen Habsburgermonarchie, floh er als Kind mit seiner im osteuropäischen Judentum beheimateten Familie während des Ersten Weltkrieges nach Wien.[21] In den gesellschaftlichen Aufbruchsjahren des »roten Wien« der 1920er-Jahre geriet der junge Kofler in das Milieu der sozialdemokratischen Bildungspolitik und entwickelte sich schnell zu einem jener sozialistischen Bildungsreferenten der sozialdemokratischen Wiener Bildungszentrale, die sich im Kampf um den »neuen Menschen« an vorderster Front gegen den krisengeschüttelten Zwischenkriegskapitalismus und den aufkommenden Austrofaschismus sahen. Stark beeinflusst von Max Adler (1873–1937), dem linkssozialistischen Vordenker des Austromarxismus, engagierte sich Kofler auf dem linken Flügel der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAP), zog sich aber nach dem Zusammenbruch der österreichischen Republik 1933/34 aus den Kämpfen der nun illegalen österreichischen Arbeiterbewegung zurück und widmete sich, neben der gelegentlichen Lohnarbeit und unter der Ägide Adlers, gänzlich dem Studium des Marxismus.

1938, nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland, floh der damals 31-jährige marxistische Sozialist jüdischer Herkunft über die Berge in die neutrale Schweiz nach Basel, wo er in den für Flüchtlinge angelegten Internierungs- und Arbeitslagern Krieg und Faschismus überleben konnte. Er schaffte es, seine in Wien begonnenen Studien neben der zum Teil schweren körperlichen Arbeit fortzusetzen, und veröffentlichte 1944 ein viel beachtetes Buch über die Methodenlehre der dialektischen Soziologie, mit dem er die marxistische Theoriediskussion nicht nur weiterentwickeln, sondern auch neu zu formulieren versuchte.[22] Vor allem den Mechanismus und Determinismus des bisherigen Marxismus müsse man, so Kofler, überwinden – den vulgärmaterialistischen Marxismus der von Karl Kautsky verkörperten Sozialdemokratie ebenso wie den des von Josef Stalin verkörperten Kommunismus. Es gelte, das tätige Element, den sogenannten subjektiven Faktor zurückzuerobern, und das heißt für Kofler: die Rolle des Bewusstseins im gesellschaftlichen Sein und für die Theorie und Praxis eines erneuerten marxistischen Sozialismus. Seine Erneuerung der marxistischen Theorie und Praxis rekurriert hierbei vor allem auf die philosophische Tradition eines Georg Wilhelm Friedrich Hegel und dessen Subjekt-Objekt-Dialektik sowie auf den damals gerade erst entdeckten jungen Marx und seinen radikalen Humanismus.

Ideengeschichtlich erweist sich der die Denktraditionen von Max Adler und Georg Lukács auf originelle Weise vermittelnde Kofler als ein in vielem typischer Vertreter jener in den 1930er- und 1940er-Jahren aufkommenden intellektuellen Erneuerungsströmung, die man im Nachhinein »Hegel«-Marxismus oder intellektuellen bzw. »westlichen Marxismus« nannte.

Praktisch-politisch hoffte er damals, wie viele andere Zeitgenossen,[23] dass das absehbare Ende von Faschismus und Krieg zur internationalen Ausweitung sozialistischer Revolutionsprozesse, zu neuen Einheitsfronten zwischen den großen Arbeiterparteien, zu Volksfronten mit nennenswerten Teilen des antifaschistisch aufgeklärten Bürgertums sowie zu einer nachhaltigen Entstalinisierung sowohl im sowjetrussischen Sozialismus als auch in der internationalen kommunistischen Bewegung führen würde. Die dieser Hoffnung zugrunde liegende politische Theorie entfaltet er in seinem zweiten Buch, in der 1948 in Halle veröffentlichten, umfangreichen Studie Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Kofler bürstet hier die Geschichte des frühbürgerlichen Humanismus gegen den Strich, zeigt auf, dass und wie die sozialistische Arbeiterbewegung zum historischen Erbe des frühbürgerlichen Radikaldemokratismus geworden sei, und betont gleichzeitig, dass der in die Krise gekommene Sozialismus sich nur erneuern könne, wenn er dieses frühbürgerliche Erbe einer Freiheit zur allseitigen, sowohl individuellen wie kollektiven Entfaltung der menschlichen Gattungspersönlichkeit auch wirklich ernst nehme, wenn er also die anzustrebende soziale Freiheit nicht gegen die »bürgerlich«-politische Freiheit ausspiele, sondern beide Stufen einer sozusagen welthistorischen Freiheit auf einer höheren, dritten Stufe vereinige.

Diese Möglichkeit sah er im ostdeutschen Nachkriegssozialismus und gab sich dabei, wie er 1951 selbstkritisch einräumte, der Illusion hin, »dass unter der Bedingung des Sieges der russischen Macht über Hitler und des Zusammenschlusses der beiden wichtigsten Richtungen der Arbeiterbewegung in Mitteldeutschland ein Experiment gestartet sei, das zu Hoffnungen auf eine Demokratisierung und Entbürokratisierung der kommunistischen Bewegung Anlass gebe«.[24] Mit Begeisterung und großen Hoffnungen reagierte Kofler deswegen auf ein Anfang 1947 erfolgtes Angebot, als Dozent an die ostdeutsche Universität in Halle an der Saale, in die »volksdemokratische« Noch-nicht-DDR zu gehen, wo unbelastete, sozialistische Lehrkräfte gesucht wurden: »Ich dachte: Hier hast Du endlich Sozialismus! Mein Traum schien erfüllt.«[25]

 

Hallenser Erfahrungen …

Mit tatkräftiger Unterstützung von SED und sowjetischer Besatzungsmacht wurde der talentierte Autodidakt Kofler mit seinem Erstlingswerk Die Wissenschaft von der Gesellschaft in Halle zuerst promoviert und dann, mit seiner Ende 1947 eingereichten Arbeit Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, auch zum Professor für Geschichtsphilosophie habilitiert (später erweitert auf die Mittlere und Neuere Geschichte). Mit großem Enthusiasmus engagierte sich der bereits unmittelbar nach seiner Ankunft im Oktober 1947 in die SED eingetretene und nun frisch gebackene Universitätsdozent fortan auch jenseits der Universität, in der Lehrerfortbildung wie in den damals machtvoll aufblühenden außeruniversitären Bildungseinrichtungen von Partei und Gewerkschaft, im Kulturbund oder bei der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft.

Kofler verstand sich, den methodischen Leitlinien des traditionellen deutschen Sozialismus gemäß, nicht nur als Forscher-Lehrer, sondern auch als Erzieher-Lehrer.[26] Und er hatte Erfolg. Mit seinem unorthodoxen Marxismus-Verständnis und mit seiner österreichischen Art wurde er schnell zu einem Sympathieträger und spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle sowohl als linker Brückenkopf in der noch konservativ dominierten Universität Halle als auch bei der »volksdemokratischen« Durchdringung der ostdeutschen Zivilgesellschaft. Kofler verkörperte das etwas andere marxistische Denken und wurde entsprechend immer beliebter, als im Zuge der Formierung zur »Partei neuen Typs« immer dogmatischere Tendenzen auch in Halle um sich greifen sollten. Und weil sich der mit der organisationspolitischen Tradition des deutschen Parteikommunismus reichlich unvertraute Österreicher wie selbstverständlich die Freiheit nahm, auch bürokratische und dogmatische Tendenzen in Universität und Gesellschaft öffentlich anzuprangern, geriet er in den Jahren 1948/49 zunehmend ins Visier der sich stalinisierenden SED.

Schon früh ist Kofler mit einflussreichen SED-Funktionären aneinandergeraten, ohne dass er die Tragweite solcher Auseinandersetzungen abzuschätzen wusste. Erstmals stritt er schon im Sommer 1948, auf dem ersten parteioffiziellen und landesweiten Dozentenlehrgang an der Parteihochschule »Karl Marx«, ausgerechnet mit jenem Kurt Hager, der gerade seinen steilen Aufstieg zum führenden Wissenschaftsfunktionär der ostdeutschen Geistesbürokratie begann. Dort in Kleinmachnow traf sich damals die intellektuelle Elite der Noch-nicht-DDR mit all jenen, die dies noch werden wollten/sollten. Kofler polemisierte dort gegen Hager, weil ihm dieser vorwarf, dauernd den vermeintlich unmarxistischen Begriff der Totalität im Munde zu führen. Kofler war daraufhin auf sein Zimmer gegangen, hatte Karl Marxʼ Schrift Zur Kritik der Politischen Ökonomie geholt und Hager all die Marxʼschen Stellen vorgehalten, in denen dieser wie selbstverständlich von Totalität redete.

Hager sollte Kofler diese Bloßstellung zwar niemals vergeben, doch noch waren die möglichen Dimensionen solcher innermarxistischen Querelen kaum abzusehen. Sichtbar und spürbar wurden sie jedoch mit der zunehmenden stalinistischen Formierung der SED, die im Allgemeinen auf die Zeit zwischen der ersten Parteikonferenz der SED im Januar 1949 und ihrem dritten Parteitag im Juli 1950 datiert wird. Deshalb war es kein Zufall, dass die Vorbehalte gegen Kofler gerade jetzt einen systematischeren Charakter annahmen. Im Prozess der Stalinisierung – und diese bedeutete nicht zuletzt die endgültige soziale, politische und kulturell-ideologische Durchsetzung einer neuen, zumeist aus der Arbeiterschaft sich rekrutierenden Herrschaftsschicht – kam der Erziehung und Schulung der intellektuellen Kader eine zentrale Rolle zu. Gerade hier, auf ideologischem Gebiet, durfte es fortan keine nonkonformistischen Abweichungen und Freiräume mehr geben – doch gerade dafür stand der Name Leo Koflers.

Kofler begann bald, dies zu spüren und sich zu wehren. Nicht nur in Vorlesungen, sondern auch in der zweiten Auflage von Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft polemisierte er öffentlich gegen den »vulgären Mechanismus« und seine sich proletarisch tarnenden »Naseweisen« und »breitmäuligen Faselhänse«.[27] Diese Polemik gegen den frühen sozialistischen Bürokratismus fiel jedoch zusammen mit der politischen Zuspitzung der sich stalinisierenden SED. Mitte März 1949 war mit Wolfgang Leonhard der erste hohe Parteifunktionär geflohen, der nicht in den bürgerlichen Westen ging, sondern in den realsozialistischen Osten, ins dissidente Jugoslawien. Gerade an der Karl-Marx-Parteihochschule, an der Leonhard bis dahin gearbeitet hatte und an der es zu den ersten Dissonanzen auch mit Kofler gekommen war, begann nun eine fieberhaft-hysterische Suche nach Fehlern und Feinden, wie uns beispielsweise Hermann Weber, damals junger Kursant in Kleinmachnow, Jahre später berichtet hat. Die Flucht Leonhards habe, so Weber, einen tiefen Einschnitt im Leben der Parteihochschule bedeutet: »Was uns an stalinistischer Praxis vorher das Leben schwer gemacht hatte, war nichts gegen das, was nun über uns hereinbrach. Es wurde unerträglich. Kritik und Selbstkritik waren gewissermaßen zum ›Hauptfach‹ geworden. Die Suche nach ›Agenten‹ wurde zur Manie und keiner war sicher, ob nicht irgendein Wort, das er früher zu einem andern gesagt hatte, bei einer Selbstkritik-Veranstaltung wieder auftauchen und nun sein Verhängnis sein werde. [...] Es entstand eine unerträgliche Atmosphäre, keiner traute dem andern mehr über den Weg, manche Freundschaft zerbrach. An die Stelle offener Diskussion trat die ›Doppelzüngigkeit‹.«[28]

In genau dieser Zeit geriet auch Kofler endgültig ins Visier. Ende April 1949, unmittelbar nach Leonhards Flucht, bekam er einen offiziellen Brief aus Kleinmachnow, dass auf der bevorstehenden zweiten zentralen Dozententagung im Juni auch über sein Buch Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft kritisch, d. h. »im Sinne der Beschlüsse der Ersten Parteikonferenz für die marxistisch-leninistische Erziehung der Parteimitglieder und für die Reinhaltung und Entwicklung des Marxismus-Leninismus« diskutiert werden solle und dass man deswegen damit rechne, dass Kofler »durch eine gute Vorbereitung Deinerseits zu einem fruchtbaren Ergebnis der Diskussion beitragen« werde.[29] Was Kofler nicht wusste: Parallel zu diesem Brief wurden fast einhundert Persönlichkeiten aus Philosophie, Naturwissenschaft und Geschichte, aus Politik, Publizistik und Rechtswissenschaft, aus der Literatur- und Sprachwissenschaft, der Pädagogik, der Psychologie und der Kunst- und Musikwissenschaft – buchstäblich die gesamte DDR-Intelligenz – angeschrieben und aufgefordert, dass sie doch bitte bis Ende Mai ein schriftliches Gutachten über Koflers in der Diskussion stehendes Buch schreiben sollten. Der größte Teil der Angeschriebenen nahm sich allerdings die Freiheit, nicht zu antworten. Keiner der wenigen namhaften Intellektuellen, die der Bitte nachkamen, ließ sich zu einer Verurteilung des Koflerʼschen Werkes missbrauchen. Stattdessen erschien in der Juni-Ausgabe der zentralen Theorie-Zeitschrift Einheit der erste Beitrag Rugard Otto Gropps, der mit seiner Kritik, dass Koflers Marxismus wirr und idealistisch sei, die Richtung der offiziellen Kritik Koflers vorgab und diesem empfahl, »zur persönlichen Selbstkritik überzugehen und sich erst einmal bescheiden um das Verständnis des Marxismus zu bemühen, ehe er sich zu weiteren Veröffentlichungen entschließt«.[30]

All dies reichte zwar, um auf der Dozententagung 1949 heftige Auseinandersetzungen zu verursachen, doch einmal mehr wusste sich Kofler zu wehren und konnte abermals unbehelligt abziehen. Nun ging die schwierige Aufgabe des als revolutionäre Achtsamkeit apostrophierten ideologischen Klassenkampfes endgültig auf Gropp, Georg Mende und eine Reihe anderer, später berühmt und einflussreich gewordener, junger »Kaderphilosophen« (Norbert Kapferer)[31] über, die den ideologischen Kampf um die Reinheit der Partei mit Verve nach Halle trugen und den Sommer und Herbst 1949 dazu nutzten, ein umfangreiches Dossier der Koflerʼschen Abweichungen und Fehler zusammenzutragen, mit dem der Hallenser »Koflerismus«, von dem man seit Herbst 1949 zu sprechen begann, zu bekämpfen sei. Doch noch konnte sich Kofler fast ein halbes Jahr lang wichtiger Fürsprecher versichern.

Zu Fall gebracht wurde er schließlich im Januar 1950. Vor dem Publikum einer in Berlin abgehaltenen DDR-weiten FDJ-Tagung – Zeichen für die DDR-weite Dimension, die dem »Fall Kofler« damals zugewiesen wurde – nutzte der Hauptredner Fred Oelßner, ZK-Mitglied und Ulbricht-Intimus, die Gelegenheit und kritisierte in scharfem Ton ideologische Abweichungen an den ostdeutschen Universitäten. Vor allem Kofler wurde hier explizit und ausführlich der sowjetfeindlichen Konterbande und des Trotzkismus beschuldigt.[32] Damit war das parteiamtliche Urteil gegen ihn gefällt und es begannen wilde Wochen in Halle, um den Fall Kofler zu »bereinigen«. Nachdem er Ende Januar 1950 für zwei Semester beurlaubt worden war, sollte Kofler noch zum Ende des Semesters demonstrativ und öffentlichkeitswirksam aus der SED ausgeschlossen werden. Als er davon erfuhr, kam er diesem repressiven Ansinnen zuvor und trat – auch dies ein Akt seines bemerkenswert renitenten Nonkonformismus – demonstrativ aus der SED aus. Er zog sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurück, sagte sich von allen Freunden – potenziellen Opfern weiterer Repressalien – los und hoffte weiterhin, nach seiner an sich vorübergehenden Beurlaubung an die Universität zurückkehren zu können. Als ihm jedoch im Herbst mitgeteilt wurde, dass er nicht mehr zurückkehren könne, und er kurz darauf auch noch den Hinweis bekam, dass er zur Verhaftung vorgesehen sei, floh er im September 1950 Hals über Kopf zuerst nach West-Berlin, und dann, zum Jahreswechsel 1950/51, nach Köln.

 

… und ihre theoretische Verarbeitung

Was sich im Halle dieser Jahre innerhalb der noch jungen SED abspielte, war nichts weniger als jener »Kampf zweier Linien«, der nicht untypisch ist für die Stalinisierungsprozesse kommunistischer Bewegungen und Staaten. Der Fall Leo Kofler diente als ein wesentliches Mittel dieser stalinistischen Herrschaftsformierung in Halle und über Halle hinaus – nicht, weil er ein wirklicher Gegner oder gar Feind des neuen Regimes gewesen ist, sondern vielmehr, weil er in der ihm eigenen Mischung aus Loyalität und Nonkonformismus das ideale Feindbild einer sich im Prozess der auf größtmöglichen Konformismus zielenden Herrschaftsformierung befindlichen, neuen sozialistischen Bürokratie gewesen ist. Mit Erfolg: Am 18. November 1950, ein dreiviertel Jahr nach der Tabuisierung Koflers und kurz nachdem dieser ganz aus der DDR geflohen war, notierte Victor Klemperer in sein Tagebuch: »Eigentlich abscheulich. Keiner wagt es, sich zu einer wissenschaftlichen Frage zu äußern, weil er Angst hat, mit der Partei in Konflikt zu kommen. […] Koflers Schicksal.«[33]

Die immanente Zwangsläufigkeit dieses Prozesses hat Kofler selbst, auch später noch, nur partiell verstanden, so wie ihm auch die ganze Tragweite seines Falles zeitlebens nicht wirklich klar geworden ist.[34] Dennoch haben die Hallenser Erfahrungen seinen theoretischen Sinn geschärft und zeitigten nachhaltige Folgen für sein weiteres sozialphilosophisches Werk. Zurückgeworfen auf den eigenen Schreibtisch seiner Hallenser Wohnung, begann er schon zu Beginn des Jahres 1950 mit der Niederschrift eines weiteren marxistischen Grundlagenwerkes. Gedacht als theoretische Verteidigungsschrift gegen seine ostdeutschen Ankläger, die in ihm einen bürgerlichen Idealisten und Trotzkisten sahen, nimmt er in seinem dritten Werk, einer Methodenlehre der dialektischen Geschichtsbetrachtung, den Faden seines Schweizer Erstlingswerkes wieder auf. Einmal mehr kommt er hier auf die das Herz des Marxismus bildende Subjekt-Objekt-Dialektik zurück, denn ohne solcherart Dialektik verkomme die marxistische Theorie zu einem ebenso platten wie vulgären geschichtsdeterministischen Materialismus. Der praktisch tätige Mensch, so Kofler, könne nicht anders gedacht werden als ein mithilfe seines Kopfes tätiger, d. h. also bewusstseinsbegabter Mensch. Die mechanistische Deutung des historischen Materialismus übersehe, »dass trotz der Bestimmtheit der Ideologie durch die Ökonomie der historische Gesamtprozess seine Bewegung nicht anders vollziehen kann als mittels der Ideologie, die eben ein wesentliches, zu seiner Gesetzlichkeit selbst gehörendes Moment dieses Prozesses darstellt (wobei es keinen Widerspruch bedeutet, gleichzeitig zuzugeben, dass zahlreiche Elemente der Ideologie zufälliger, d. h. in ihrer speziellen Erscheinungsform nicht notwendiger Natur sein können)«.[35]

Koflers Hoffnung, dass seine neue Programmschrift dazu beitragen könne, ihn innerhalb der noch jungen DDR zu rehabilitieren, sollte sich natürlich nicht erfüllen. Er musste das noch unveröffentlichte Manuskript bei seiner Flucht in den Westen mitnehmen und viele Jahre warten, bis er es dort endlich veröffentlichen konnte. Marxistische Theoriearbeit stand im sich gerade stabilisierenden westdeutschen Adenauer-Staat nicht sehr hoch im Kurs. Mit Stalinismuskritik jedoch konnte mindestens das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen Politik machen. Dies erlaubte Kofler immerhin, in kurzer Folge die hier thematisierten fünf Broschüren zur Kritik der stalinistischen Bürokratie zu schreiben (und vier davon auch zu veröffentlichen).[36] Die zeitgenössischen linken Sozialdemokraten freute dies ebenso, wie es den deutschen Kommunisten missfiel. Als er sich aber kurz darauf auch noch die Freiheit nahm, den sozialdemokratischen Weg nach Bad Godesberg einer heftigen politisch-philosophischen Kritik zu unterziehen, war es mit der Toleranz der Sozialdemokratie weitgehend vorbei.[37] Kofler wurde zu einem jener heimatlosen Linken, die seit Mitte der 1950er-Jahre für eine Neue Linke stritten, und es bedurfte des gesellschaftspolitischen Aufbruchs der 68er, um ihm eine gewisse Renaissance zu bescheren und auch seinen antistalinistischen Schriften eine zweite Chance zu geben.

Hatte er sich in den 1940er-Jahren die Grundlagen seines »westlichen Marxismus« erarbeitet und den einstmals bürgerlichen Humanismus zu einem sozialistischen Humanismus fortgeschrieben, führten seine Hallenser Erfahrungen und ihre theoretische Verarbeitung Anfang der 1950er-Jahre dazu, dass er seine praxisphilosophische, humanistische Marx-Lektüre um eine marxistisch versierte Ideologiekritik des stalinistischen Marxismus-Leninismus als Produkt einer »entarteten« revolutionären Elite erweiterte. Damit fügte er auch seinem sozialistischen Humanismus die Kritik des undemokratischen und antihumanistischen Pseudosozialismus hinzu. Das Ergebnis war die Geburtsstunde jenes in den 1950er- und 1960er-Jahren aufkommenden sozialistischen Humanismus als einer eigenständigen, historisch identifizierbaren Strömung der politischen Ideengeschichte, als dessen deutscher Pionier der marxistische Solitär Leo Kofler zu gelten hat.[38] Bei dieser ideengeschichtlichen Herausbildung eines sozialistischen Humanisten, der in den 1950er- und 1960er-Jahren zu einer wichtigen Brücke zwischen den linken Generationen, zwischen der alten Arbeiterbewegung und der Neuen Linken werden sollte, spielten die spezifisch ostdeutschen Erfahrungen und ihre theoretische Verarbeitung eine entscheidende Rolle.

 

 


[1] Gerd Meyer: Sozialistische Systeme. Theorie- und Strukturanalyse, Opladen 1979, S. 20.

[2] Am nächsten kommt einer solchen Geschichte das Werk von Marcel van der Linden: Von der Oktoberrevolution zur Perestroika. Der westliche Marxismus und die Sowjetunion, Frankfurt a. M. 1992 (überarbeitete Neuauflage: Western Marxism and the Soviet Union. A Survey of Critical Theories and Debates since 1917, Chicago 2007). Einen einführenden Überblick über die großen Linien der sozialistisch-marxistischen Stalinismuskritik bietet van der Linden in dem Aufsatz »Der Sozialismus, der keiner war: marxistische Kritiken der Sowjetgesellschaft«, in: Prokla (Juni 2009), H. 155, S. 307–323. Siehe außerdem Meyer: Sozialistische Systeme (Anm. 1), René Ahlberg: Die sozialistische Bürokratie. Die marxistische Kritik am etablierten Sozialismus, Stuttgart u. a. 1976; sowie Horst Dieter Beyerstedt: Marxistische Kritik an der Sowjetunion in der Stalinära (1924–1953), Frankfurt a. M. u. a. 1987. Anthologien zum Thema bieten Tariq Ali: The Stalinist Legacy. Its Impact on Twentieth-Century World Politics, London 1984 (Neuauflage Chicago 2007) sowie Christoph Jünke (Hg.): Marxistische Stalinismus-Kritik im 20. Jahrhundert. Eine Anthologie, Köln 2017.

[3] Für eine ausführliche Darstellung und Einordnung von Leben und Werk Koflers siehe Christoph Jünke: Sozialistisches Strandgut. Leo Kofler – Leben und Werk (1907–1995), Hamburg 2007. Darauf aufbauend und über das hier Rekapitulierte hinaus, habe ich Koflers Antistalinismus behandelt, in: Christoph Jünke: Der lange Schatten des Stalinismus. Sozialismus und Demokratie gestern und heute, Köln 2007 (Kapitel 3: »Koflers Stalinismuskritik«) – textgleich eingegangen in Kapitel 2 von Christoph Jünke: Leo Koflers Philosophie der Praxis. Eine Einführung, Hamburg 2015.

[4] Leo Kofler: Das Wesen und die Rolle der stalinistischen Bürokratie, Köln 1952, S. 3.

[5] Ebd., S. 24.

[6] Ebd.

[7] Ebd., S. 24 f. Hervorhebung im Original.

[8] Zwar nicht explizit, aber implizit grenzt sich Kofler hier von der vor allem »trotzkistischen« Stalinismuskritik ab.

[9] In »›Die Kritik ist der Kopf der Leidenschaft‹. Aus dem Leben eines marxistischen Einzelgängers« (ders., Hamburg 1987, S. 51 f.) erinnert sich Kofler an den führenden Hallenser SED-Funktionär Bernhard Koenen: »Er schrie mich einmal während einer heftigen Auseinandersetzung in seiner Wohnung an: ›Ich stehe morgens um 5.00 Uhr auf und komme selten vor 24.00 Uhr ins Bett. Ich opfere mich für die Partei – und da kommst Du und willst uns belehren?‹ Das war sein stärkstes Argument und dieses moralische Argument war zutreffend – aber eben leider nur ein moralisches, kein sachliches Argument. Gerade wegen dieses Idealismus waren und sind diese Funktionäre gefährlich für die Entwicklung des Sozialismus. Denn man kommt an sie durch Kritik nicht heran. Sie sind geschützt durch ihr moralisches Verhalten, durch ihre Integrität und durch ihre asketische Lebensweise; dies alles zusammen macht sie fast unangreifbar.«

[10] Den erst später aufgekommenen Begriff der Hegemonie oder der hegemonialen Macht benutzt Kofler hier natürlich nicht, doch die Sache selbst ist gemeint.

[11] Kofler: Das Wesen und die Rolle der stalinistischen Bürokratie (Anm. 4), S. 50.

[12] Ebd., S. 50 f.

[13] Ebd., S. 51.

[14] Ebd., S. 20.

[15] Anderthalb Jahrzehnte nach Kofler nimmt Oskar Negt den Faden dieser Kritik (ohne Bezugnahme auf Kofler) in seinem einflussreichen Aufsatz »Marxismus als Legitimationswissenschaft. Zur Genese der stalinistischen Philosophie« wieder auf (Einleitung zu Nikolai Bucharin/Abram Deborin: Kontroversen über dialektischen und mechanistischen Materialismus, Frankfurt a. M. 1969, S. 7–48; Nachdruck in Jünke [Hg.]: Marxistische Stalinismus-Kritik im 20. Jahrhundert [Anm. 2]).

[16] Die Verteidigung dieses humanistischen Kerns des Marxʼschen Denkens bildet, ein halbes Jahrzehnt nach Kofler, auch den Mittelpunkt der im Angelsächsischen einflussreichen Stalinismuskritik Edward P. Thompsons; siehe dessen programmatischen Aufsatz »Sozialistischer Humanismus. Eine Epistel an die Philister« von 1957 (deutsche Erstveröffentlichung in Jünke [Hg.]: Marxistische Stalinismus-Kritik im 20. Jahrhundert [Anm. 2], S. 202–252).

[17] Leo Kofler: »Marxistischer oder stalinistischer Marxismus [1954/55], in ders.: Zur Kritik bürgerlicher Freiheit. Ausgewählte politisch-philosophische Texte eines marxistischen Einzelgängers, Hamburg 2000, S. 65.

[18] Ebd., S. 53.

[19] Ein halbes Jahrzehnt nach Kofler veröffentlichte Herbert Marcuse mit »Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus [1957]«, Frankfurt a. M. 1964, eine vergleichbare Analyse, anderthalb Jahrzehnte später Werner Hofmann »Stalinismus und Antikommunismus. Zur Soziologie des Ost-West-Konflikts«, Frankfurt a. M. 1967.

[20] Ausführlich behandelt habe ich diesen langen Schatten in Jünke: Der lange Schatten des Stalinismus (Anm. 3).

[21] Für einen kurzen Überblick zur Biografie Koflers siehe Jünke: Leo Koflers Philosophie der Praxis (Anm. 3) (Kapitel 8: »Ein Grenzgänger des 20. Jahrhunderts«), ausführlich ders.: Sozialistisches Strandgut (Anm. 3).

[22] Siehe Stanislaw Warynski (d. i. Leo Kofler): Die Wissenschaft von der Gesellschaft. Umriss einer Methodenlehre der dialektischen Soziologie, Bern 1944.

[23] Siehe Donald Sassoon: One Hundred Years of Socialism. The West European Left in the Twentieth Century, London/New York 2014, S. 83 ff., sowie Geoff Eley: Forging Democracy. The History of the Left in Europe 1850–2000, Oxford 2000, S. 287 ff.

[24] Jules Dévérité (d. i. Leo Kofler): Marxistischer oder stalinistischer Marxismus? Eine Betrachtung über die Verfälschung der marxistischen Lehre durch die stalinistische Bürokratie, Köln 1951, S. 4. Am Ende dieser Schrift (S. 43 f.) schreibt er: »Es besteht kein Zweifel, dass nach den gesellschaftlichen Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges und unter der Voraussetzung, dass die Sowjetunion Ansätze in der Richtung einer Demokratisierung des nationalen Lebens gezeigt hätte […] die halbe Menschheit, wenn nicht mehr, ihr ihre Sympathien geschenkt hätte. Einer Einigung der Arbeiterbewegung hätte dann nichts mehr im Wege gestanden, und der Sozialismus hätte in der Welt ein anderes Ansehen gewonnen, als es durch die Schuld der Stalinisten tatsächlich der Fall ist. Diese Chance, die genährt wurde durch die Erschütterungen des sozialen Gefüges des Kapitalismus und durch die idealistischen und humanistischen Hoffnungen einer großen Zahl von Geistesarbeitern und Mittelständlern, hat die entartete stalinistische Bürokratie unausgenutzt gelassen. Darin liegt ihre große historische Schuld. Das zerrissene Herz eines Fritz Lieb, der von seinem Katheder zum Volke hinabgestiegen war wie der von der Revolution überraschte Gelehrte im russischen Film, das ist das zerrissene Herz der gesamten, weit über die Reihen der Arbeiterschaft hinausreichenden fortschrittlichen und sozialistischen Menschheit.«

[25] Leo Kofler: »Die Kritik ist der Kopf der Leidenschaft«. Aus dem Leben eines marxistischen Einzelgängers, Hamburg 1987, S. 55.

[26] Zu dieser Unterscheidung siehe Ralph Jessen: Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Die ostdeutsche Hochschullehreschaft in der Ulbricht-Ära, Göttingen 1999.

[27] Leo Kofler: Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Versuch einer ›verstehenden‹ Betrachtung der Neuzeit nach dem historischen Materialismus, Halle/Saale 1948, S. 9 ff. (aus Tarnungsgründen wurde diese Neuauflage vom Frühjahr 1949 ebenfalls auf 1948 datiert).

[28] Hermann Weber: »Fall 5: Hermann Weber«, in: Horst Krüger (Hg.): Das Ende der Utopie. Hingabe und Selbstbefreiung früherer Kommunisten, Freiburg 1963, S. 126 ff. Etwas abgeklärter findet sich Webers Beschreibung der damaligen Stimmung auch in seinen fast vierzig Jahre später veröffentlichten Erinnerungen: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten, Berlin 2002, S. 314.

[29] Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin (im Folgenden: SAPMO-BArch) DY 30/IV/2/9.07/165. Siehe auch Jünke: Sozialistisches Strandgut (Anm. 3), S. 226 ff.

[30] Rugard Otto Gropp: »Unmarxistische Geschichtsdeutung«, in: Einheit (Juni 1949), H. 6, S. 572–574.

[31] Norbert Kapferer: Das Feindbild der marxistisch-leninistischen Philosophie in der DDR 1945–1988, Darmstadt 1990.

[32] Siehe SAPMO-BArch NY 4215/35, Bl 62–66. Siehe Jünke: Sozialistisches Strandgut (Anm. 3), S. 237 ff.

[33] Victor Klemperer: So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945–1959, Bd. 2, Berlin 1999, S. 104.

[34] Dass der Kampf gegen den Hallenser »Koflerismus«, sprich: gegen jene, die sich bis dahin hinter Kofler gestellt hatten, noch den ganzen Sommer 1950 tobte und vom Mittel der innerparteilichen »Kritik und Selbstkritik« bis zu handfesten Foltermethoden, in diesem Falle gegen seinen loyalen Assistenten Rudolf Sauerzapf (1929–2007), reichte, ist Kofler zeitlebens unbekannt geblieben. Siehe Jünke: Sozialistisches Strandgut (Anm. 3), S. 245 ff.; sowie Rudolf Sauerzapf: »Die Vertreibung des Leo Kofler aus Halle«, in: Uwe Jakomeit u. a. (Hg.): Begegnungen mit Leo Kofler. Ein Lesebuch, Köln 2011, S. 36–51.

[35] Leo Kofler: Geschichte und Dialektik. Zur Methodenlehre der dialektischen Geschichtsbetrachtung, Hamburg 1955, S. 192. Hervorhebung im Original.

[36] Außer den beiden, bereits erwähnten Schriften »Das Wesen und die Rolle der stalinistischen Bürokratie« (Anm. 4) sowie »Marxistischer oder stalinistischer Marxismus« (Anm. 17) sind dies Jules Dévérité (d. i. Leo Kofler): Der Fall Lukács. Georg Lukács und der Stalinismus, Köln 1952; sowie Leo Kofler: Marxismus und Sprache. Zu Stalins Untersuchung »Über den Marxismus in der Sprachwissenschaft«, Köln 1952. Die erste Schrift, eine persönlich gehaltene Abhandlung über die Stalinisierung der ostdeutschen Universitäten, bleibt unveröffentlicht. Die beiden Broschüren über »Das Wesen und die Rolle der stalinistischen Bürokratie« und über »Stalins Marxismus in der Sprachwissenschaft« wurden 1970 im Luchterhand Verlag neu aufgelegt, in: Leo Kofler: Stalinismus und Bürokratie. Zwei Aufsätze, Neuwied/Berlin 1970.

[37] Siehe Leo Kofler: Marxistischer oder ethischer Sozialismus?, Bovenden bei Göttingen 1955.

[38] 1953 veröffentlichte Kofler die Schrift »Menschlichkeit, Freiheit und Persönlichkeit. Eine Einführung in den sozialistischen Humanismus« (Düsseldorf 1953), die 1957 in erweiterter Form und unter dem Titel »Perspektiven des sozialistischen Humanismus« in Köln erschien und 1968, in überarbeiteter Fassung, in das bei Rowohlt verlegte Werk »Perspektiven des revolutionären Humanismus« einging (Neuauflage Köln 2007). Zur Einbettung Koflers in die Ideengeschichte des sozialistischen Humanismus siehe Jünke: Leo Koflers Philosophie der Praxis (Anm. 3) (Kapitel 3: »Sozialistischer Humanismus, menschliche Natur und marxistische Anthropologie«), sowie ders.: »Die Geburt des Sozialistischen Humanismus aus dem Geiste des Antistalinismus: E.P. Thompson und Leo Kofler«, in: Mario Keßler/Axel Schildt (Hg.): Westeuropäische Kommunisten als Kritiker des Sowjetkommunismus, Berlin 2018 (im Erscheinen).

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