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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2017

Nikolaj Nekrasov – gescheiterter Staatsmann. Das Schicksal eines Politikers in der Revolutionsepoche

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 185-199 | Metropol Verlag

Autor/in: Aleksandr Nekrasov und Tatʼjana Nekrasova

100 Jahre nach dem Ende des I. Weltkrieges bietet sich Historikern eine besondere Perspektive: Nicht als Beteiligte, sondern als Nachkommen und Erben können sie sich von engen Streitfragen lösen, die Bedeutung des Ereignisses in seiner Gesamtheit begreifen und aus der »Vogelperspektive« ein einheitliches Bild zeichnen. Mit einigem Abstand kann die Geschichte des 20. Jahrhunderts in ihrer Kontinuität verfolgt werden, und die Folgen der Ereignisse können weit außerhalb ihres historischen Zeitrahmens beurteilt werden. Für diese Art der historischen Synthese eignet sich das Genre der Biografie besonders, zeichnet es doch den Wechsel der Epochen und den Einfluss historischer Ereignisse auf das Leben am Beispiel eines einzelnen Menschen nach.

Nikolaj Nekrasov – namhaftes Mitglied der Kadettenpartei (offizielle Bezeichnung: Konstitutsionno-Demokratitscheskaja Partija, Konstitutionell-Demokratische Partei), Hauptwidersacher von Pavel Nikolaevič Miljukov, dem Vorsitzenden der Kadettenpartei und Mitglied von drei Provisorischen Regierungen – steht beispielhaft für die Menschen, die die Russische Revolution vorangetrieben haben, versuchten, ihr eine Richtung zu geben und schließlich doch scheiterten. Nach 1917 steht das Schicksal von Nikolaj Nekrasov ebenso beispielhaft für den Prozess des revolutionären und mühsamen Aufbaus eines neuen Staates, der seine Prägung entsprechend dem Willen der Bolschewiki erhielt. Diese bolschewistische Diktatur nutzte, wie viele andere Diktaturen auch, nun zur Kooperation gezwungene, frühere Widersacher zu Vorzeigezwecken aus: Politiker, die auf die Seite des sowjetischen Regimes wechselten, standen sinnbildlich für den Triumph des neuen Gesellschaftssystems. Die Ausbeutung der Arbeitskraft ehemaliger bürgerlicher Fachleute, denen man erfundene Straftaten zur Last legte, wurde zu einer bequemen Methode, billige Arbeits- und Kreativkräfte in den Aufbau des neuen Staates und die damit verbundenen gewaltigen Modernisierungsaufgaben einzubeziehen.

Trotz aktiver Beteiligung am politischen Leben Russlands und bemerkenswerter politischer Erfolge in der Vorkriegs-, Kriegs- und Revolutionszeit wurde der Lebensweg von Nikolaj V. Nekrasov bisher nur in Grundzügen recherchiert. Weiterhin nicht zugängliche Quellen lassen das Bild Nekrasovs bislang unvollständig erscheinen. Zudem stieß das Erbe von Verwandten, die Repressionen ausgesetzt waren, in sowjetischen Familien bisher auf kein besonderes Interesse, Familienarchive wurden selten aufbewahrt. So wurden auch viele der Habseligkeiten von Nikolaj Nekrasov, die Aufschluss über Details seines Lebensweges hätten geben können, der Vernichtung preisgegeben.[1] Als wichtige Quelle dienen die Ermittlungsakten, die im Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation aufbewahrt werden und 1998 zum größten Teil durch den Historiker Vladimir Vasilʼevič Polikarpov veröffentlicht wurden.[2] Der Charakter dieser Quellen ist jedoch umstritten. Gerade die Aussagen, die Nikolaj Nekrasov gegenüber den Ermittlungsbehörden machte, wurden bereits mehrfach von Historikern angezweifelt. Einige von ihnen sind überzeugt, dass die Aussagen Nekrasovs von den Ermittlungsbehörden gefälscht wurden.[3] Die von den Autoren dieses Artikels in vielen Jahren zusammengetragenen Materialien und Ergebnisse familiärer Forschung beleuchten die wichtigsten Phasen im Leben Nikolaj Nekrasovs und machen es möglich, das Schicksal des Politikers, dessen Leben die Revolution in zwei Abschnitte teilte, näher zu analysieren.

 

Nekrasovs Weg in die Politik

Nikolaj Nekrasov wurde am 1. Februar 1879 als Sohn des Geistlichen Vissarion Nekrasov geboren, der wahrscheinlich ein Neffe des bekannten russischen Poeten Nikolaj Alekseevič Nekrasov war.[4] Vissarion Nekrasov absolvierte das geistliche Seminar in Rjazanʼ, das als eines der besten in Russland galt. Fast zeitgleich mit ihm studierte dort der spätere erste russische Nobelpreisträger, der Physiologe Ivan Petrovič Pavlov. Nach Abschluss der Geistlichen Akademie St. Petersburg lehrte Vissarion Religion an Lehranstalten in Gatčina und anschließend in St. Petersburg. In letzterer war darunter die Handwerksschule des Thronnachfolgers Nikolaj (das spätere Militärinstitut für Mechanik, heute die Technische Ostsee-Universität). Ebenso war er Obergeistlicher der Hochschulkirche des Heiligen Nikolaj sowie des benachbarten 10. Gymnasiums, das später auch Nikolaj Nekrasov besuchen sollte. In einer Chronik des Gymnasiums wird hervorgehoben, dass Vissarion Jakovlevič »Sprachen gut konnte und ein sehr aufgeklärter Mensch war. Zu seinem Fach Religion hatte er kein besonders ernsthaftes Verhältnis; hinter vorgehaltener Hand sagte man, er sei Atheist. Dies können wir nicht unbedingt bestätigen, dass er aber ein Liberaler und ein fortschrittlicher Mensch war, daran besteht kein Zweifel [...] Es war interessant zu sehen, wie der ›orthodoxe Priester‹ mit dem Franzosen lief und sich in wunderbarem Französisch mit ihm unterhielt, mit dem Deutschlehrer sprach er Deutsch und die alten Sprachen – Latein, Griechisch und Althebräisch – beherrschte er ebenfalls gut.« Im Gegensatz zu Vater Vissarion sagte man über seinen Sohn Aleksandr, der dort Mathematik lehrte, er sei ein kluger, pedantischer, aber langweiliger und farbloser Mensch.[5]

Vissarion Nekrasov lebte mit seiner Familie ganz in der Nähe der Schule, an der Ecke des heutigen Moskauer Prospekts, neben der Kammer für Maß und Gewicht. Hier diente Dmitrij Ivanovič Mendeleev, nachdem er als Zeichen des Protestes gegen die Unterdrückung der Studenten durch die Obrigkeit die Universität demonstrativ verlassen hatte. Außer der Tatsache, dass Vissarion Nekrasov sein Nachbar und vom Amt her der Geistliche für die Angestellten der Kammer für Maß und Gewicht war, verband die beiden auch eine zehnjährige enge Freundschaft. Nach dem Tod Mendeleevs im Jahr 1907 veröffentlichte Vissarion in einer wissenschaftlichen Zeitschrift eine kleine, sehr herzliche Notiz über seine Freundschaft zu dem bekannten Chemiker.[6]

Nikolaj Nekrasov war das älteste Kind der Familie, außer ihm gab es noch drei jüngere Brüder (Aleksandr, Michail und Petr) und eine Schwester namens Lidija. Das Studium fiel ihm offenbar leicht. Im Jahr 1897 schloss Nikolaj das Gymnasium mit der Verleihung einer Goldmedaille ab und 1902 beendete er sein Studium am Institut für Verkehrsingenieure mit einem Diplom, das ihm das Recht verlieh, »Projekte zu erstellen und alle Arten von Bauarbeiten durchzuführen und […] den Dienstgrad eines Kollegiensekretärs bei Eintritt in den Staatsdienst« zu tragen.[7] Er wählte jedoch nicht die Laufbahn eines Projektentwicklers oder eines Beamten, sondern die eines Hochschullehrers. Gleich nach dem Studienabschluss hielt er Vorlesungen und bildete an dem vor Kurzem gegründeten (1900) Technischen Institut Tomsk Nikolaj II. auch praktisch aus. Diese Tatsache werteten seine Biografen und andere Historiker später als Indiz dafür, dass Nikolaj Nekrasov durchaus ambitioniert war[8] – er verließ ohne Bedenken das heimatliche St. Petersburg, um an einer aufstrebenden neuen Hochschule relativ leicht Karriere zu machen. In der Tat verhalf ihm Tomsk zu dem erhofften Erfolg: Bereits 1903 wird Nekrasov zum Praktikum nach Deutschland und in die Schweiz geschickt, wo er sich mit dem europäischen Lehrsystem vertraut macht, Großbauprojekte besichtigt und an seiner Dissertation in Ingenieurwissenschaften arbeitet.[9] Schon bald nach seiner Rückkehr aus Deutschland nach Tomsk 1905 erhält Nekrasov im August 1906 den Professorentitel am Lehrstuhl Statik und Brückenbau, dessen Vergabe die Kommission wie folgt kommentiert: »Während seiner Dozententätigkeit zeigte er sich als tiefgründiger und kluger Hochschullehrer [...] Nikolaj V. Nekrasov verdient es völlig, dass ihm ein eigener Lehrstuhl in dem Fach, in dem er ausgebildet ist, anvertraut wird.«[10] Zu diesem Zeitpunkt war Nekrasov erst 27 Jahre alt.

Seine beruflichen Qualitäten und seine hohe Qualifikation, führten dazu, dass Nekrasov in der Staatsduma als Experte zu unterschiedlichsten Fragen auftreten und in einer Reihe von Duma-Ausschüssen mitarbeiten sollte: im Haushaltsausschuss, zu Fragen der Infrastruktur, der Arbeit, Militär- und Marineangelegenheiten, der Volksbildung u.a.[11] Aufgrund der Tatsache, dass viele Persönlichkeiten, die wie Nekrasov der Kadettenpartei angehörten, ebenfalls Akademiker waren oder an Hochschulen lehrten, mangelte es nicht an Konkurrenz. Bezeichnend ist in diesem Zusammhang, dass zum Beispiel Miljukov, der Privatdozent war, über Nekrasov, der einen Professorentitel hatte, in seinen Memoiren lediglich sagt: »Ein junger Ingenieur und Dozent am Technischen Institut Tomsk.«[12] Auch die Mitglieder der Provisorischen Regierung verfügten in der Regel über einen hohen Bildungsgrad: Sie hatten eine Hochschule besucht, einer war Mitglied in der Akademie der Wissenschaften (S. F. Olʼdenburg), andere waren Professoren (A. A. Manujlov. S. S. Salazkin und N. V. Nekrasov) oder Privatdozenten, zu denen auch P. N. Miljukov gehörte, und hatten den wissenschaftlichen Grad eines Doktor habil.[13]

 

Nekrasov als Mitglied der Kadettenpartei

Obwohl sich Nikolaj Nekrasov intensiv dem Unterrichten widmete, mehrere Vorlesungsreihen vorbereitete und wissenschaftliche Projekte leitete, hielt es ihn nicht lange in diesem Bereich. Schon bald engagierte er sich aktiv politisch und unterstützte die Arbeit der Organisation der liberalen Gruppe »Akademischer Bund« (Bund der Professoren) in Tomsk. Im Sommer 1905 fährt er mit seiner erkrankten, ersten Ehefrau Anna Kiričenko[14] zur Erholung nach Jalta, wo er wegen der Ereignisse der ersten russischen Revolution 1905 länger bleibt als geplant. In Jalta tritt er der Kadettenpartei bei und nimmt als deren Deligierter am Gouvernements-Parteitag teil, auf dem er zum Delegierten des III. Parteitages der Partei der Volksfreiheit (zuvor Kadettenpartei) gewählt wird. Auf diesem Parteitag, der vom 21. bis 25. April 1906 in St. Petersburg stattfand, hielt Nekrasov eine Rede zur Agrarfrage. Er trat gegen eine Kollektivierung der Landwirtschaft ein und rief dazu auf, die Bestätigung des endgültigen Standpunktes der Partei in diesem Bereich nicht zu überstürzen. Aus seiner Sicht war die Abschaffung des Privateigentums an Boden zwar wünschenswert, eine Agrarreform sollte aber nicht von der Partei, sondern von der Duma erörtert werden.[15] In seiner Rede, die Forscher in erster Linie als einen Aufruf zur Abschaffung von Privateigentum interpretieren,[16] wird die künftige politische Strategie Nekrasovs deutlich: Bei gemäßigten Sympathien für sozialistische Losungen lehnte er es ab, globale Fragen ohne Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit zu lösen und setzte auf parteiübergreifende Diskussionen im Parlament.

Durch Nekrasovs Rede wird die Parteiführung auf ihn aufmerksam und schlägt ihn als Kandidaten für das Zentralkomitee (ZK) der Partei vor, was aber nicht im ersten Anlauf gelingt. Erst im Jahr 1909 wird Nekrasov schließlich ins ZK der Kadettenpartei kooptiert und avanciert schon bald zum Führer ihres linken Flügels. Vielleicht lässt sich sein eindrucksvolles Debüt damit erklären, dass Nikolaj Nekrasov sich bereits früher politisch engagiert hatte. Fürst V. A. Obolenskij, Politiker und ebenfalls Mitglied der Kadettenpartei (der ihn erst in Jalta kennenlernte) berichtet, dass Nekrasov nach Aussage ehemaliger Kollegen im Institut in seinen Studentenjahren als Rechter galt.[17] Demgegenüber gehörte er bereits ab 1904 dem »Befreiungsbund« an und hatte Verbindungen zu den Sozialrevolutionären (die offenbar während seines Aufenthalts in Deutschland zustande kamen) und anderen Vertretern linker Kreise. Dennoch wählte er die liberal-zentristische Kadettenpartei und nicht die Partei der Sozialrevolutionäre oder der Bolschewiki, ebensowenig agierte er im Untergrund. Von Zeitgenossen wird seine Wandlungsfähigkeit hervorgehoben, obgleich darin die »Doppelzüngigkeit eines habsüchtigen Karrieristen« gesehen wird. Obolenskij beschreibt die Taktik Nekrasovs so: »Bei Tagungen der Fraktion und des ZK war er Führer der radikalen Opposition, der Miljukov teils offen, teils in privaten Gesprächen ständig wegen dessen gemäßigter Position attackierte, in der Duma aber ausschließlich über sachliche Fragen sprach und in seinen Reden jegliche Zuspitzungen nach rechts bzw. nach links vermied. Das ermöglichte es ihm, in rechten Kreisen der Duma als gemäßigt und gleichzeitig in linken Kreisen als geheimer Revolutionär zu gelten.«[18]

15 Jahre später beurteilte Vladimir Dmitrievič Nabokov, bekanntes Mitglied der Kadettenpartei und eine zeitlang Geschäftsführer der Provisorischen Regierung, die Tätigkeit Nekrasovs auffallend objektiv und wiederholte die in Kreisen der Kadettenpartei verbreitete Bezeichnung »böses Genie der Russischen Revolution«. Dennoch erkannte er an, dass Nekrasov »einer von wenigen großen Menschen war, die in den letzten Jahren in die politische Arena aufgerückt sind. Er war ein talentierter Geschäftsmann und verfügte über einen bemerkenswerten politischen Spürsinn, eine hervorragende Allgemeinbildung und eine außerordentliche praktische Auffassungsgabe.«[19] Interessant ist, dass der nicht zur Fraktion gehörende Sozialdemokrat und spätere Menschewik N. N. Suchanov, der 1917 auf Nekrasov traf, ihn ähnlich charakterisierte: »Er konnte die Lage trefflich erfassen und sich in sie hineinversetzen, anschließend aber auch mit harter Hand vorgehen. In ihm paarten sich die praktische Schule der Politik und ein scharfes Auge mit Energie und Sachlichkeit.«[20]

Gleich nach seiner Rückkehr aus Jalta nach Tomsk (1906) verlieh Nikolaj Nekrasov der örtlichen Leitung der Kadettenpartei neuen Schwung und wurde 1907 im Alter von 28 Jahren Abgeordneter der III. Staatsduma. Er wurde zu einem der aktivsten Abgeordneten, betrat die Rednertribüne der Duma über hundert Mal, arbeitete in Duma-Ausschüssen, hielt Reden und verschaffte sich von Beginn an Respekt bei Tagungen der Fraktion, auf denen er die Partei dazu aufrief, nach links zu rücken. Stets wusste er vor allem mit seinem Analysegeschick und seinen profunden Kenntnissen im Bereich der Ingenieurwissenschaften zu überzeugen. Später, nach 1912, zog Nekrasov in die Tverskaja ulica 13, nicht weit entfernt vom Duma-Gebäude (dem Taurischen Palais).

Nekrasovs politische Ansichten zu bestimmen, ist nicht einfach. Er handelte oft taktisch, zum Beispiel wenn es um die Billigung des Verteidigungshaushalts oder um Methoden im Umgang mit der Regierung ging. Insgesamt war er sicher gut über die Herausbildung einer Zivilgesellschaft in Russland informiert und beteiligte sich lange vor dem Krieg an der Gründung sibirischer gesellschaftlicher Organisationen. Als regionaler Vertreter von Tomsk in der Staatsduma setzte sich Nikolaj Nekrasov für die Gleichberechtigung Sibiriens gegenüber Zentralrussland ein und machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Urvölker Sibiriens bei dessen intensiver Kolonisierung zu unterstützen.[21] Außerdem beteiligt sich Nekrasov an der Erarbeitung eines Plans für den sibirischen Eisenbahnbau. Wichtig war ihm jedoch vor allem, Landstände in Sibirien einzurichten und Genossenschaften zu entwickeln. [22] Genossenschaften waren in Russland bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt und erlebten seit Beginn des 20. Jahrhunderts gerade in Sibirien eine Renaissance. Nekrasov entdeckte dieses Thema nach der Oktoberrevolution für sich und machte sich in den Landständen mit den unterschiedlichsten politischen Ansichten vertraut – sowohl linken, als auch rechten. Dabei wurde ihm recht schnell klar, dass es im Falle einer erfolgreichen Volksrevolution für die liberale Kadettenpartei, der soziale Rhetorik fern lag, Themen geben würde, zu denen sie naturgemäß keinen Zugang hätte. Dies war jedoch kein Grund für ihn, zu den Sozialisten überzulaufen – und zwar nicht, weil er illegale Methoden ablehnte (später wird er den Sturz des Zaren vorbereiten und sich für die Einführung einer Militärdiktatur im Lande einsetzen[23]). Vielmehr sah er die Macht bei den Parlamentariern, die bei allen spontanen Erhebungen als regierungsnahe Elite erheblich höhere Chancen hatten, die Initiative zu übernehmen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang Nekrasovs Verhältnis zu Miljukov, der über die erste Provisorische Regierung sagte: »Ich hatte damals bereits Veranlassung, Nekrasov einfach für einen Verräter zu halten.«[24] Eine Aussage, die verwundern kann, denn es war nie zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Politiker gekommen. Die Autorität Miljukovs und dessen führende Rolle in der Partei wurde von niemandem angezweifelt, auch nicht von Nekrasov – zumindest ist keine einzige Situation bekannt, in der die beiden um die Parteiführung konkurrierten oder über Streitgespräche, die über den kritischen Meinungsaustausch hinausgingen. Letztlich schlug sich das ZK immer auf die Seite Muljukovs, hatte aber durchaus auch Sympathien für Nekrasov als jungen und leidenschaftlichen Redner, der den Sorgen der Bevölkerung eine Stimme gab. Nekrasov überredete Miljukov zu kühnerem Handeln und schlug vor, der Partei für den Fall eines Volksaufstandes, der seiner Meinung nach unausweichlich war, einen markanteren Anstrich zu geben. Aber noch Anfang 1914 war die Partei nicht bereit, sich dieser Meinung anzuschließen und sah »keinerlei reale Entwicklung im Land im Sinne einer möglichen Revolution«.[25] Miljukov gehörte zu den wenigen, die Nekrasov zustimmten, indem er die Richtigkeit seiner Worte unterstrich: Die Kadetten würden sich von den Stimmungen im Lande entfernen.[26] Gleichzeitig bemängelte er jedoch auch, dass in der linksextremen Demagogie Nekrasovs keine konkreten Vorschläge enthalten seien, die Perspektiven für die Partei in ihrem Bestreben, eine konstitutionelle Partei zu bleiben, aufzeigten oder für Miljukov persönlich, der für die Rolle eines radikalen Zerstörers früherer Grundpfeiler kaum geeignet war.

 

Schicksalsmonate: Februar bis Oktober 1917

Als persönliche Strategie plante Nekrasov die Teilnahme am Umsturz und bereitete zusammen mit A. I. Gučkov eine Verschwörung vor, mit dem Ziel, den Zaren abzusetzen. Nach der Abdankung von Nikolaj II., stand die Frage nach dem weiteren Schicksal der Monarchie und der Herrschaft von Michail im Raum. Dabei stellte sich heraus, dass die Kadettenpartei nach wie vor keinen Minimalkonsens hinsichtlich der künftigen Staatsform erzielen konnte. So verfasste Nekrasov in der Nacht zum 3. März 1917 gleichzeitig mit dem Schreiben eines »ungefähren Textes« für die Abdankung von Michail einen Gesetzesentwurf,[27] der Russland zur Republik erklärte. Miljukov wandte sich allerdings entschlossen gegen ein solches Vorhaben.[28]

Die innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten waren für niemanden ein Geheimnis. Insbesondere seit 1910 wurden immer wieder Debatten über eine Abänderung der Zusammensetzung des ZK der Kadettenpartei geführt, dem es an frischem Wind fehlte und in dem, wie Nikolaj Nekrasov feststellte, die linke Flanke, die im Land insgesamt und in der Partei erheblich stärker vertreten war, unterrepräsentiert sei. Im Grunde war er jedoch einfach bestrebt, sich eine breitere parteiliche Unterstützung zu sichern. Die langen Diskussionen über die Notwendigkeit, einen Parteitag einzuberufen, lösten sich 1916 zu seinen Gunsten, nachdem Nekrasov versucht hatte, aus dem ZK der Partei auszuscheiden. Vorwürfe wegen der Übermacht der Rechten im Zentralkomitee wurden laut und wegen der widerrechtlichen Machtanmaßung durch die Parteispitze unter Umgehung der Parteimehrheit. Dennoch führte die Neuwahl des ZK nicht zu einer Stärkung des linken Flügels,[29] und Nekrasov blieb wie schon seit Januar 1915, nachdem sein »linker« Kampfgefährte A. M. Koljubakin an der Front ums Leben gekommen war, bis zu seinem Parteiaustritt im Sommer 1917 isoliert.

Gleichgesinnte fand Nikolaj Nekrasov allenfalls unter einzelnen Funktionären anderer Parteien. Diese Zusammenarbeit außerhalb des Parteikreises mit Mitgliedern sowohl liberaler als auch revolutionärer Parteien führte zum Streit über die Rolle der Freimaurer in der Februarrevolution und zur Wiederbelebung des Interesses an Nekrasovs Person in den 1960er- und 1970er-Jahren. Wahrscheinlich gehörte er zusammen mit Vertretern unterschiedlicher Parteien zur Duma-Freimaurerorganisation »Rose«, die sich das Ziel gesetzt hatte, »sich um die Entschärfung von Konflikten und Widersprüchen unterschiedlicher Art zwischen den Fraktionen der Staatsduma zu kümmern und ihr gemeinschaftliches Auftreten zu gewährleisten.«[30] Häufig ist auch zu lesen, dass Nikolaj Nekrasov ab 1910 zusammen mit A. I. Konovalov, M. I. Tereščenko, A. F. Kerenskij und I. N. Efremov die »Freimaurer-Fünf« bildete.[31] Zwischen 1910 und 1912 soll er zudem einer der Initiatoren für die Reformierung der Freimaurer-Organisation in Russland gewesen sein und im Sommer 1912 auf dem Gründungskongress der neuen Organisation – Loge des Großen Ostens der Völker Russlands – als Sekretär des Obersten Rates fungiert haben.[32] Allerdings werden die von vielen Autoren für ihre Forschungen zu diesem Thema genutzten sogenannten Hefte von Boris Ivanovič Nikolaevskij, die im Hoover-Institut (Stanford-Universität, Kalifornien, USA) aufbewahrt werden, nicht von allen als unstrittige Quelle anerkannt.[33]

Die Freimaurer-Thematik, stets geheimnisvoll und nebulös, was die Perspektiven einer gemeinsamen Lösung der staatlichen Probleme anging, war für die russische politische Elite im Vorfeld der Revolution durchaus attraktiv. Die Zusammenkünfte von Mitgliedern der Freimaurerlogen können jedoch nicht als bedeutsamer Faktor in Bezug auf die politischen Ereignisse in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesehen werden. Zum einen gibt es keine ausreichenden Beweise, die das Vorhandensein konkreter Pläne und Vereinbarungen bestätigen. Die Aussagen, die Nekrasov gegenüber den sowjetischen Ermittlern über seine Beteiligung an Freimaurerorganisationen machte, können aufgrund der Umstände ihrer Entstehung nicht als glaubwürdig angesehen werden. Zum anderen können Verhandlungen zwischen Politikern (auch nicht öffentlich geführte) auch außerhalb von Freimaurerlogen stattgefunden haben. Die parteiübergreifenden Verbindungen Nekrasovs waren weithin bekannt. Später vermerkte Miljukov nicht ohne Bitterkeit in seinen Erinnerungen an die Ereignisse des Jahres 1917: »N. V. Nekrasov und M. I. Tereščenko, die zwei Minister, denen es beschieden war, eine besondere Rolle in den Revolutionskomitees zu spielen, erhielten sowohl aufgrund ihrer unmittelbaren persönlichen Nähe zu A. F. Kerenskij als auch wegen ihrer besonderen Nähe zu konspirativen, die Revolution vorbereitenden Zirkeln, die Ministerien für Transport und für Finanzen.«[34] Wie V. V. Polikarpov schreibt, waren die »Brüder« bei Zusammenkünften bemüht, Diskussionen über »die innere Lage« und über die »Stimmungen des werktätigen Volkes« zu vermeiden, seien sie doch nicht in der Lage gewesen, sich in den stürmischen Ereignissen des Jahres 1917 zu orientieren und in vollem Umfang ihre intellektuellen und moralischen Ressourcen zu nutzen.[35]

Außerdem legten die Kontakte zu den Freimauerern die Grundlage für die politische Taktik Nekrasovs: Im Laufe seiner gesamten politischen Tätigkeit rief er offen zu überparteilicher Zusammenarbeit auf. Formal ging es darum, zu verhindern, dass sich die Erfahrungen von 1905 wiederholten, als die oppositionellen Kräfte getrennt waren und einzeln zerschlagen wurden. Einige aktive Politiker versuchten tatsächlich, eine erfolgreiche Taktik für einen Regimewechsel zu entwickeln, die dessen Sturz nicht ausschloss. So arebitete auch Nekrasov mit linken Kreisen (z.B. nahm er an Tagungen des Kongresses des Rates der Arbeiter- und Soldatendeputierten teil) und mit Politikern der Provisorischen Regierung außerhalb der Kadettenpartei zusammen, insbesondere mit Kerenskij.

Davon abgesehen, hatten die neuen Machthaber nach dem Sturz des zaristischen Regimes mit innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten zu kämpfen. Ebensowenig gelang es auch Nekrasov, zuerst Minister für Transportwesen und anschließend für Finanzen, heftige Kontroversen in der Regierung zu vermeiden (vor allem mit P. N. Miljukov). Seine Strategie, den Eisenbahnern weitgehende Vollmachten zu erteilen (Nekrasov gab ein Rundschreiben über das Recht der Eisenbahnergewerkschaft heraus, die Tätigkeit des Transportressorts administrativ zu kontrollieren ), führte zu Auseinandersetzungen, obwohl gerade Miljukov im Zusammenhang mit dem erfolglosen Versuch des Zaren, am 1. März 1917 aus dem Hauptquartier wegzufahren, anerkannte, dass »unsere Ingenieure Nekrasov und Bublikov [Mitglied der Fortschrittspartei] zusammen mit den Linken Verbindung zur Eisenbahngewerkschaft aufnahmen und sich auf dem gesamten Eisenbahnnetz als Herren der Bewegung erwiesen«.[36] Nekrasovs Teilnahme an den Verhandlungen über eine Autonomie der Ukraine – er war der einzige Minister der Kadettenpartei, der Zugeständnisse an die Zentralna Rada (Zentralverwaltung) befürwortete – führte im Juli 1917 zu einer Regierungskrise und zum Austritt Nekrasovs aus der Kadettenpartei. Am 3. Juli trat er in die kleine Radikal-Demokratische Partei (Radikal’no-Demokratitscheskaja Partija) ein (ihr Programm unterschied sich kaum von der Kadettenpartei), von der er als Finanzminister und gleichzeitig als Stellvertreter des Regierungschefs in der ersten Regierung von Kerenskij eingesetzt wurde.

Manche Historiker erklären Nekrasovs Austritt aus der Kadettenpartei und die Zusammenarbeit mit Kerenskij mit der Suche nach einem stärkeren Führer.[37] Gleichwohl ist in dieser Situation kein starker Widerspruch zu seinen früheren Ansichten zu erkennen – immer wieder und bis zum Schluss hatte er die Partei zur Änderung der Taktik aufgerufen. Ohne deren Unterstützung beschloss er, besser auf die eigenen Kräfte zu setzen. Als junger, aktiver, erfahrener und die Menschen für sich einnehmender Politiker hatte Nekrasov alle Chancen auf Erfolg auch außerhalb der Kadettenpartei und Miljukovs Einflussbereich, der die Führung zügelte. Jede politische Taktik ist ein ständiges Lavieren zwischen festen Prinzipien, die sich in einer revolutionären Epoche unweigerlich weiterentwickeln, und dem Zugang zur Macht, die es ermöglicht, diese Prinzipien umzusetzen. Im Sommer 1917 neigte sich die Macht nach links – dafür hatte Nekrasov lange gekämpft.

Außerdem verfügte Nekrasov bereits über langjährige Verbindungen zu Kerenskij. Die Chance, politisch an Einfluss zu gewinnen, war nun größer als je zuvor: Der Kornilov-Putsch bedeutete den Wendepunkt für seine Karriere. Anfangs trat er noch für Kerenskij ein, versprach ihm seine volle Unterstützung. Sein Fernschreiben an die Eisenbahner mit dem Aufruf, keine meuternden Truppen zu befördern, trug dazu bei, den Aufstand einzudämmen. Dabei ist bezeichnend, dass der zu diesem Zeitpunkt amtierende Minister für Transportwesen, P. P. Jurenev, sich weigerte, den Aufruf Kerenskijs an die Eisenbahner, sich den Befehlen L. G. Kornilovs nicht zu unterwerfen, zu übermitteln. Später unterstützte Nekrasov jedoch auch den Vorschlag der Minister M. I. Tereščenko und A. S. Zarudnyj, Kerenskij als Regierungschef abzusetzen, um einen Konflikt mit dem Militär zu vermeiden. Wäre es Kerenskij nicht gelungen, sich im Amt zu halten, wäre er automatisch von Nekrasov als Stellvertretender Vorsitzender abgelöst worden.

Wie Miljukov schreibt, war Nekrasov »natürlich klüger als Kerenskij und bearbeitete ihn zu seinen Gunsten«,[38] während das Mitglied der Kadettenpartei Iosif Vladimrovič Gessen die führende Rolle Kerenskijs als zufällig bezeichnete.[39] Kerenskij hielt jedoch durch und schickte Nekrasov sofort in den Ruhestand – in die ehrenvolle Verbannung als Generalgouverneur nach Finnland. Nachdem er von dort in die Hauptstadt zurückgekehrt war, stellte er am 17. Oktober in einem ersten Überblick die Lage in Finnland auf einer Versammlung der Regierung vor.[40] Der nächste, detailliertere Bericht war für den 25. Oktober vorgesehen, kam aber aufgrund des bolschewistischen Umsturzes nicht mehr zustande. Bemerkenswert ist, dass Nekrasov nach den revolutionären Ereignissen im Herbst 1917 eine zeitlang gemeinsam mit Mitgliedern der Kadettenpartei in der Provisorischen Untergrundregierung tagte,[41] was bedeuten kann, dass er außerhalb seiner Partei keine engen Verbindungen mehr hatte, auch nicht zu den Linken, und der gewünschte parteiübergreifende Konsens unter den realen Bedingungen einer revolutionären Politik nicht erreichbar war.

 

Wiederaufstieg und Untergang unter der Sowjetmacht

Das weitere Schicksal Nekrasovs unterscheidet sich von jenem anderer Mitglieder der »bürgerlichen« Provisorischen Regierung. Nach den Oktoberereignissen emigrierte er nicht ins Ausland wie zum Beispiel Kerenskij, Konovalov und Tereščenko, beteiligte sich nicht an der weißen Bewegung und verzichtete auf eine weitere politische Tätigkeit. Leider fehlen Quellen, um dieses Verhalten näher zu analysieren. Seine eigene, im Ermittlungsverfahren abgegebene Erklärung kann kaum zufriedenstellen. Bereits bei der ersten Verhaftung zeigte er, dass er die ganze Kompromisslosigkeit der Revolution verstanden hatte – »entweder Sowjetmacht oder Reaktion, die gröbste und ungezügeltste«.[42] Dafür spricht auch, dass er sich wirklich als Sozialisten[43] sah und mit den Bolschewiki sympathisierte. Im Sommer 1917, als sich der Skandal um die Finanzierung Lenins durch die Deutschen entlud, trat er als einer der Teilnehmer an der Kommission zur Überprüfung dieser Information gegen eine Veröffentlichung der Materialien in dieser Angelegenheit ein.[44] Möglich, dass sich Lenin später gerade deswegen an Nekrasov erinnerte.

Nekrasovs Rückzug aus der Politik spricht jedoch auch dafür, dass er keine Zukunft mehr für sich in der revolutionären Bewegung sah. Vielmehr sah er seine Chance im Genossenschaftssystem, das ihm noch aus Vorkriegszeiten bekannt war. Hier konnte er sich am Aufbau eines neuen Staates beteiligen, ohne Ansehen und Leben auf dem Gipfel des politischen Olymp zu verlieren. Streitgespräche über zulässige Genossenschaftsformen wurden in den ersten Jahren der Sowjetunion überall geführt, bis in der Arbeit Lenins О kooperacii (Über das Genossenschaftswesen) einer strengen Zentralisierung der Vorzug gegeben wurde. In den ersten Jahren des Bürgerkrieges unterstützten starke, u.a. auch sibirische Organisationen die Bewegung der Weißen aktiv, sodass sich schwer sagen lässt, ob Nekrasov diesen Weg gewählt hat, um Alternativen oder aber von Anfang an Lenins Weg zu verfolgen.[45] Möglich ist auch, dass die Tätigkeit von Boris Zёrnov, dem Bruder seiner dritten Frau, der im Genossenschaftssystem arbeitete, zu dieser Wahl beigetragen hat.

Bis zum Frühjahr 1918 blieb Nekrasov in Petrograd und arbeitete dann als Leiter des Moskauer Kontors der Union sibirischer Kreditverbände (»Sinkredsujuz«) und Statistiker im Volkskommissariat für Lebensmittel. Die Lage schien ihm jedoch nicht ungefährlich – er bemühte sich, die Hauptstadt zu verlassen. Im Sommer 1918 war er in Omsk, wo ihm nach eigener Aussage das Angebot gemacht wurde, in die Regierung einzutreten, was er jedoch ablehnte.[46] Der Historiker Michail Viktorovič Šilovskij bezweifelt diese Version und führt als Beispiel eine ganze Reihe negativer Stellungnahmen der Omsker politischen Elite an, die gegen eine Einbeziehung Nekrasovs in die Regierungsarbeit eintrat.[47] Möglicherweise strebte Nekrasov von sich aus eine Zusammenarbeit mit den Sozialrevolutionären an. Nach den Auseinandersetzungen mit Kerenskij blieb ihm ein solcher Weg jedoch versperrt. Zёrnov beschaffte ihm schließlich Dokumente auf den Namen Vladimir Golgofskij, mit denen er im Genossenschaftssystem von Ufa und später in Kazanʼ arbeitete. Er wurde zunächst Abteilungsleiter der Konsumgenossenschaft Kazanʼ, nach kurzer Zeit in den Vorstand des Bundes des Gouvernements Kazanʼ und im Frühjahr 1921 zum Vorstandsmitglied des Bundes der Konsumgenossenschaften der Tatarischen Republik (Tatsojuz) gewählt.[48]

Aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten und der ungewollten Preisgabe von Informationen über seine früheren Berufserfahrungen kommt im März 1921 heraus, dass es sich bei Golgofskij um Nekrasov handelt. Denunziation und Verhaftung waren die Folge. F. E. Dzeržinskij, Politiker und Gründer der Allrussischen außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage (Tscheka), schickte ein Fernschreiben an die örtlichen Behörden, dass der Untersuchungshäftling gut behandelt und nach Moskau geschickt werden solle.[49] Möglicherweise hat im Mai 1921 ein Treffen des Verhafteten mit Lenin stattgefunden, in dessen Verlauf sich Letzterer auch über die Fähigkeiten des Verkehrsingenieurs äußerte und sich für eine Zusammenarbeit aussprach.[50] Glaubhafte Bestätigungen für ein solches Treffen gibt es allerdings nicht. Dennoch könnte es Gründe für ein solches loyales Verhältnis der bolschewistischen Machthaber gegenüber Nekrasov gegeben haben: Erstens die Absicht zu zeigen, dass die bürgerlichen Politiker, die »an Linksradikalismus litten«, auf den richtigen Weg gebracht wurden; zweitens die Weitsicht Lenins, der den Bedarf des neuen Staates voraussah, professionelles Personal, das in der Lage wäre, die Modernisierung des Landes auf hoher Ebene zu planen, zu leiten und zu erhalten.[51]

1921 wurde Nekrasov freigelassen und konnte in den 1920er-Jahren weiter Karriere machen: Er wurde Vorstandsmitglied des Zentralverbands der Konsumgenossenschaften der RSFSR und der UdSSR und arbeitete an der Staatlichen Universität Moskau und im Moskauer Institut der Konsumgenossenschaft, hielt Vorlesungen und schrieb Bücher über das Genossenschaftssystem, die in unterschiedliche Sprachen übersetzt wurden.[52] Auf diese Weise kam in einem so empfindlichen Bereich wie dem im Aufbau befindlichen sowjetischen Genossenschaftssystem ein ehemaliger Minister der Provisorischen Regierung als Fachmann zum Einsatz. Vor allem Nekrasovs Arbeit im System der Hochschulbildung, in das politisch unzuverlässige Leute nur schwer hineinkommen, zeugt von einem hohen Grad an Vertrauen seitens des Regimes und gleichzeitig auch vom akuten Bedarf an kenntnisreichen und fähigen Fachleuten.

Im November 1930 wird Nekrasov wegen der »konterrevolutionären Organisation« des Unionsbüros des ZK der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands der Menschewiki (zu denen er bezeichnenderweise gerade keine Verbindung hatte) verhaftet und im April 1931 zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe auf den Solovki-Inseln verurteilt. Doch schon ab Juni 1931 ist er an Planung und Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals beteiligt und arbeitet in einem Sonderkonstruktionsbüro in Moskau in der Bolʼšaja-Lubjanka-Straße direkt neben dem Gebäude der OGPU [Vereinigte staatliche politische Verwaltung]. Dass er es zwischen April und Juni zu den Solovki-Inseln und zurück geschafft hat, ist unwahrscheinlich. Möglicherweise war von Anfang an die Inhaftierung in Moskau geplant.[53] Im Sonderkonstruktionsbüro traf er auf den ebenfalls repressierten Ingenieur O. V. Vjazemskij (Sprössling einer Familie mit bekannten Verkehrsingenieuren), der in seinen Erinnerungen schrieb: »Wir wurden nach ganz oben geführt in einen gewaltigen Saal mit Parkettfußboden, in dem leicht 120 Menschen untergebracht werden konnten. Eine Hälfte war Schlafsaal, Betten mit Federmatratzen, die andere Hälfte mit Tischen. Man erklärt uns, dass wir in ein Sonderkonstruktionsbüro – OKB – gekommen seien. Der Älteste – ein alter Professor – versammelte die Neuankömmlinge und hielt eine Rede, in der er die technische Aufgabe darlegte. An der Wand hing eine Karte, auf der die künftige Wasserstraße eingezeichnet war.«[54] Wie der Historiker des Eisenbahntransportwesens L. I. Korenev später schrieb, »stellte es sich heraus, dass der Älteste dort der ehemalige Professor des Technischen Instituts Tomsk Nikolaj Vissarionovič Nekrasov war. Er war damals um die 60 Jahre alt [in Wirklichkeit war er nur etwas über 50, Anm. der Autoren]. Später baute er nicht nur den Weißmeer-Ostsee-Kanal, sondern auch den Moskau-Wolga-Kanal.«[55] Im Herbst 1931 wurde das OKB in ein Lager an der Bahnstation Medvežʼja gora (Karelien) verlegt, wo der später bekannte Wissenschaftler und Akademiker Dmitrij Sergeevič Lichačёv auf Nekrasov traf.[56]

Im März 1933 wurde Nikolaj Nekrasov nach Erlass seiner Vorstrafen vorzeitig aus der Haft entlassen und arbeitete in Dmitrov (»Dmitlag«) als Angestellter weiter am Bau des Moskau-Wolga-Kanals – als Mitarbeiter der Verwaltung Bauwesen und Leiter eines der Baubezirke. Man baute ihm ein Haus,[57] das bis heute erhalten ist, und stellte ihm einen Fahrer zur Verfügung. Für die vorzeitige Inbetriebnahme des Moskau-Wolga-Kanals wurde Nekrasov mit dem Rotbannerorden der Arbeit ausgezeichnet – erneut verlief seine Karriere steil nach oben.

Im Jahr 1939 leitete Nekrasov die Arbeiten von Volgostroj, einem dem NKWD unterstehenden Bautrust in der Gegend um Kaljazin und konstruierte hydrotechnische Anlagen. Doch schon bald wird er erneut verhaftet und ihm ist klar, dass er dem System dieses Mal nicht lebend entkommen wird.[58] Der Charakter der Verhöre hat sich verändert – Nekrasov wendet sich aufgrund seines Gesundheitszustands mehrfach im Lazarett. Außerdem lebt sein Bruder Michail, ein Chirurg, unter ähnlichen Bedingungen und findet schließlich in den Folterkellern den Tod (er verstarb an einer Herzruptur während der Folterungen). Nekrasov wusste, dass gegen den Bruder ermittelt wurde und dieser Aussagen über ein Attentat auf Lenin machte.[59] Diese Verhaftungswelle, die auch Nikolaj Nekrasov erfasste, hatte mit dem Ende der Bauarbeiten der sowjetischen Kanäle zu tun, die unter Leitung von Genrich Griorʼevič Jagoda entstanden und deren Bauch mithilfe von Gefangenen realisiert wurde. Zusammen mit Jagoda fielen alle in Ungnade, die Verantwortung für die Verwirklichung hydrotechnischer Großprojekte trugen. Darüber hinaus machten Nekrasovs Verbindungen zur Freimauerer-Bewegung ihn für die Geheimdienste interessant. Die Aufdeckung von Freimaurerverbindungen diente den Geheimdiensten als bequeme Legende zur Entlarvung verborgener »Spezialkräfte« und subversiver Mitglieder der Bourgeoisie.[60] Im Ergebnis erfolgte die Anklage wegen der Organisation einer Kampfgruppe, die 1918 versucht hatte, Lenin zu töten sowie der Teilnahme an der antisowjetischen Organisation Jagodas beim Bau des Moskau-Wolga-Kanals, in deren Auftrag Sabotage durchgeführt worden sei. In beiden Punkten bekannte sich der Gefangene schuldig.[61] Am 14. April 1940 wurde Nekrasov zum Tod durch Erschießen verurteilt. Versuche, das Urteil des Angeklagten zu mildern, hatten keinen Erfolg. Am 7. Mai 1940, dem Tag, an dem sein Gesuch auf ein milderes Urteil in einer nicht-öffentlichen Sitzung abgelehnt worden war, wurde auch das Urteil vollstreckt und Nekrasov anschließend heimlich auf dem Donskoj-Friedhof begraben.

Zusätzliche Details zum Schicksal Nikolaj Nekrasovs könnten am ehesten die in den FSB-Archiven vorhandenen Dokumente, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden können, liefern. Jedoch ist eine ganze Reihe von Akten nach wie vor nicht zugänglich. Es bleibt zu hoffen, dass Archivbeschränkungen aufgehoben werden und die Geschichte der Russischen Revolution in komplizierteren Kategorien als der der Teilung in Rechte und Linke, in Bourgeoisie und Proletariat erfassbar, und die Rolle jedes einzelnen Menschen im stürmischen Verlauf der Geschichte in den Blick genommen wird – wie das Leben Nikolaj Nekrasovs, spiegeln auch andere die Wechselfälle der russischen Geschichte anschaulich und einprägsam wider.

Aus dem Russischen übersetzt durch das Bundessprachenamt

 


[1] Der Beschluss über die Vernichtung von persönlicher Korrespondenz und Dokumenten, darunter auch Fotos, enthält eine detaillierte Beschreibung der vernichteten Habseligkeiten Nikolaj Nekrasovs: Beschluss vom 10. Dezember 1939, Centralʼnyj archiv FSB Rossii/Zentralarchiv des FSB Russlands (im Folgenden: ZA FSB), D. R-45579, Bd. 1, Bl. 21 f., 31 f.

[2] Siehe Vladimir Vasilʼevič Polikarpov: Aus den Ermittlungsakten von Nikolaj Nekrasov 1921, 1931 und 1939, in: Voprosy istorii (1998), H. 11–12, S. 10–48 (ebenso die Nachauflage des Einführungsartikels: Politische Konzeptologie (2009), H. 2, S. 243–250).

[3] Neben Vladimir Polikarpov bestritten auch E. D. Čermenskij, V. M. Ševyrin, V. I. Bovykin, V. I. Starcev, N. N. Berberova, I. I. Minc, A. Ja. Avrech, O. F. Solov’ev, V. V. Šelochaev und D. A Andreev die Glaubwürdigkeit insbesondere der Beweise zur »Freimaurerei« (siehe dazu auch später im Text).

[4] Insgesamt hatten die Eltern des Poeten 14 Kinder, Vissarion war vermutlich der Sohn von Jakov, einem der jüngeren Brüder.

[5] Dmitrij Andreevič Zasonov/Vladimir Iosifovič Pyzin: Iz žizni Peterburga 1890–1910-ch godov. Zapiski očevidcev. [Das öffentliche Leben in St. Petersburg 1890–1910. Aufzeichnungen von Augenzeugen], Leningrad 1991, S. 140 f.

[6] Vissarion Jakovlevič Nekrasov: D. I. Mendeleev, in: Žurnal Russkogo fiziko-chimičeskogo obščestva, Bd. 39, Teil 1, St. Petersburg 1907, S. 245 f.

[7] Valentin Valentinovič Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov, in: Voprosy istorii (1998), H. 11–12, S. 81.

[8] Ebd., S. 90.

[9] Die Dissertation »K teorii ferm s žestkimi soedinenijami v uzlach. Opyt sravnitel’nogo analiza metodov racheta« [Zur Theorie von Stützkonstruktionen mit starren Verbindungen an den Verzweigungsstellen. Erfahrungen der vergleichenden Analyse von Berechnungsmethoden] wurde im Jahr 1907 von Nikolaj Nekrasov verteidigt.

[10] Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (Artikel über Nikolaj V. Nekrasov auf der Seite »Heimatkunde Tomsk« der wissenschaftlichen Universalbibliothek »A. S. Puškin« des Gebietes Tomsk), in: tomskhistory.lib.tomsk.ru/page.php, ges. am 6. September 2016.

[11] Siehe Gosudarstvennaja duma Rossijskoj imperii: 1906–1917 [Die Staatsduma des Russischen Reiches: 1906–1917], Moskau 2008, hier der Artikel »Nekrasov Nikolaj Vissarionovič«, S. 406.

[12] Pavel Nikolaevič Miljukov: Vospominanija [Erinnerungen], Bd. 2, Moskau 1990, S. 227.

[13] Siehe Vladlen Semёnovič Izmosik: Vremennoe pravitelstvo. Ljudi i sudʼby [Die Provisorische Regierung. Menschen und Schicksale], in: Voprosy istorii (1994), H. 6, S. 164 f.

[14] Nikolaj Nekrasov war viermal verheiratet. Mit Anna Kiričenko hatte er einen Sohn, über dessen Schicksal nichts bekannt ist), seine zweite Frau war Vera Aleksandrova, seine dritte Vera Zёrnova (mit ihr hatte er einen Sohn) und zuletzt war er mit Vera Krellenberg, geb. Krugovaja verheiratet (er adoptierte ihren Sohn aus erster Ehe).

[15] Siehe Parteitage und Konferenzen der Konstitutionell-Demokratischen Partei, 1905–1907, Bd. 1, Moskau 1997, S. 320 f.

[16] Siehe Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (Anm. 7), S. 81 f.

[17] Vladimir Andreevič Obolenskij: Moja Žiznʼ. Moi sovremenniki [Mein Leben. Meine Zeitgenossen], Paris 1988, S. 444.

[18] Ebd.

[19] Vladimir Dmitrievič Nabokov: Vremennoe pravitelʼstvo (vospominanija) [Die Provisorische Regierung (Erinnerungen)], Moskau 1991, S. 52.

[20] Nikolaj Nikolaevič Suchanov: Zapiski o revoljucii [Aufzeichnungen einer Revolution], Bd. 1, Moskau 1991, S. 303 f.

[21] Siehe Michail Viktorovič Šilovskij: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (k 130-letiju so dnja roždenija) [Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (zum 130. Geburtstag)], in: Vestnik Omskogo universiteta (2009), H. 3, S. 46; Valentin Valentinovič Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov: »Najti ravnodejstvujuščuju narodnogo mnenija …« [Die Resultante der Volksmeinung finden ...], in: Rossijskij liberalizm. Idei i ljudi [Russischer Liberalismus. Ideen und Menschen], Moskau 2007, S. 799.

[22] Siehe Smirnov: Gosudarstvennaja duma (Anm. 11), S. 371.

[23] Am 27. Februar spricht sich Nekrasov bei der Tagung der Abgeordneten der Staatsduma dafür aus, im Land eine Militärdiktatur unter Führung eines der in Duma-Kreisen beliebten Generäle A. A. Polivanov oder A. A. Manikovskij zu errichten. Siehe Serafim Petrovič Mansyrev: Moi vospominanija o Gosudarstvennoj dume. Strana gibnet segodnja. Vospominanija o Fevral’skoj revoljucii 1917 goda. [Meine Erinnerungen an die Staatsduma. Das Land geht heute unter. Erinnerungen an die Februarrevolution 1917], Moskau 1991, S. 105.

[24] Miljukov: Vospominanija (Anm. 12), S. 284.

[25] Valentin Semёnovič Djakin: Samoderžavie, buržuazija i dvorjanstvo v 1907–1911 gg. [Autokratie, Bourgeoisie und Adel 1907–1911], Leningrad 1978, S. 201.

[26] Ebd., S. 204.

[27] V. D. Nabokov schreibt ausführlich über die Erstellung des Textes zur Abdankung von Michail. Siehe Nabokov: Vremennoe pravitelʼstvo (Anm. 19), S. 17.

[28] Siehe Miljukov: Vospominanija (Anm. 12), S. 271.

[29] Siehe Natalja Georgievna Domova: Kadetskaja partija v period Pervoj mirovoj vojny i Fevral’skoj revoljucii. [Die Kadettenpartei während des Ersten Weltkrieges und der Februarrevolution], Moskau 1988, S. 70 f.

[30] Konstantin Petrovič Kurylev: Političeskij portret A. I. Konovalova [Politisches Portrait von A. I. Konovalov], Moskau 2004, S. 162; Viktor Stepanovič Bračev: Masony u vlasti [Freimaurer an der Macht], Moskau 2006, S. 327.

[31] Siehe dazu Aron Jakovlevič Avrech: Masony i revoljucija [Freimaurer und Revolution], Moskau 1990, hier bes. S. 44–47, 68–77, 104–107, 124–126.

[32] Siehe z.B. Bračev: Masony u vlasti (Anm. 30), S. 334–336; Oleg Fjodorovič Solovʼev. Masonstvo v mirovoj politike XX v. [Freimaurertum in der Weltpolitik des 20. Jahrhunderts], Moskau 1998, S. 53.

[33] Vladimir Vasilʼevič Polikarpov: Rukopis’, najdennaja na Petrogradskom fronte [Manuskript, gefunden an der Petrograder Front], in: Političeskaja konceptologija (2009), H. 2, S. 234–238.

[34] Pavel Nikolaevič Miljukov: Vojna i vtoraja revoljucija. Pjat dnej revoljucii (27 fevralja – 3 marta) [Der Krieg und die zweite Revolution. Fünf Revolutionstage (27. Februar – 3. März)], in: M.M. Ischakov u.a. (Hg.): Strana gibnet segodnja. Vospominanija o fevralʼskoj revoljucii 1917 g [Das Land geht heute unter. Erinnerungen an die Februarrevolution 1917], Moskau 1991, S. 20.

[35] Polikarpov: Rukopis’ (Anm. 33), S. 241 f.

[36] Miljukov: Vospominanija (Anm. 12), Bd. 2, S. 263.

[37] Siehe Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (Anm. 7), S. 90.

[38] Miljukov: Vospominanija (Anm. 12), S. 285.

[39] Siehe Iosif Vladimrovič Hessen: V dvuch vekach. Žiznennyj otčet [In zwei Jahrhunderten. Lebensbericht], Moskau 1993, S. 367.

[40] Siehe M. E. Golostenov/Aleksandr Sergeevič Senin: Nekrasov Nikolaj Vissarionovič. Političeskie dejateli Rossii 1917. [Nekrasov Nikolaj Vissarionovič. Politische Persönlichkeiten Russlands 1917] (Biografisches Wörterbuch), Moskau 1993, S. 232.

[41] Den Aufruf der Provisorischen Regierung »An alle Bürger der Russischen Republik« unterzeichnete Nekrasov nicht.

[42] Kurzer Abriss des Lebens von Nikolaj Vissarionovič Nekrasov im Zeitraum vom Beginn des imperialistischen Krieges bis zu seinem Arrest 30. März 1921–2. April 1921. Zit. nach Polikarpov: Aus den Ermittlungsakten von N. V. Nekrasov (Anm. 2), S. 24.

[43] In seinen Aussagen gegenüber den Ermittlern sagte Nekrasov am 2. April 1921 von sich selbst, dass er in der ersten Zeit des Krieges Sozialist und Republikaner gewesen sei. Zit. ebd., S. 20.

[44] Siehe Hessen: V dvuch vekach (Anm. 39), S. 370.

[45] Es muss hervorgehoben werden, dass das Schicksal Nekrasovs kein Einzelschicksal war. In einer Genossenschaft waren nach dem Oktober 1917 weitere drei Personen, A. M. Nikitin, S. L. Maslov und D. I.  Šachovskoj tätig, ebenso in anderen sowjetischen Einrichtungen. Siehe Izmosik: Vremennoe pravitelstvo (Anm. 13), S. 167 f.

[46] Siehe Polikarpov: Aus den Ermittlungsakten von N. V. Nekrasov (Anm. 2), S. 23.

[47] Siehe Šilovskij: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (Anm. 21), S. 49.

[48] Siehe Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov: »Najti ravnodejstvujuščuju narodnogo mnenija …» (Anm. 21), S. 803 f.

[49] Sekretär des Vorsitzenden der VČK [Gesamtrussische außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage] an den Kommandanten der VČK, 5. Mai 1921, zit. nach Polikarpov. Aus den Ermittlungsakten von N. V. Nekrasov (Anm. 2), S. 27.

[50] Bericht angeblich nach Ausführungen von Nikolaj Nekrasov, veröffentlicht im Buch: Stepan Petrovič Dneprovskij: Kooperatory [Genossenschaftler], Moskau 1968, S. 343.

[51] Bezeichnend sind die Schlussfolgerungen des Beauftragten des Präsidenten der VČK für das Verfahren: »Auf der Grundlage des gesamten Materials des Verfahrens komme ich zu der Überzeugung, dass es politisch und insgesamt zweckmäßig ist, das Verfahren Golgofskij-Nekrasov völlig einzustellen, den ehemaligen Transportminister zu legalisieren, ihn auf freien Fuß zu setzen und ihn an der Wirtschaftsfront einzusetzen.« – Stellungnahme, 23. März 1921, Central’nyj archiv Federal’noj služby bezopasnosti Rossii/Zentrales Archiv des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands (im Folgenden: CA FSB), D. R-45579, Bd. 4, Bl. 5 Rückseite.

[52] Siehe Die Konsumgenossenschaften der Sowjetunion, Moskau 1929; The consumers’ cooperative movement in the Sowjet union, Moskau 1929.

[53] Indirekt bestätigt auch das Urteil selbst die Absicht der Untersuchung: Bei vergleichsweise geringer Beteiligung an der »konterrevolutionären Tätigkeit« bekam Nikolaj Nekrasov zehn Jahre »im Konzentrationslager«, was verglichen mit den anderen Urteilen unverhältnismäßig streng war: Ein Teil der Angeklagten wurde freigelassen, ein anderer bekam eine dreijährige Gefängnisstrafe. Auszug aus dem Protokoll der Tagung des Kollegiums der OGPU (Gerichtstagung) vom 25. April 1931, CA FSB, D. N-7824, Bd. 21, Bl. 117.

[54] Sergej Fёdorovič Budancev: Ingenieur Vjazemskij, in: S. F. Budancev: Ausgewählte Schriften, Moskau 1936, S. 347.

[55] Leonid Ivanovič Korenev: Einiges zu Nikolaj Vissarionovič Nekrasov – einem großen Organisator des Baus von Wasserwegen in der UdSSR, korenev.org/index.php/ru/2011-04-07-13-55-37/2011-04-07-14-16-28/113-2012-02-04-22-07-27, ges. am 6. September 2016.

[56] Dmitrij Sergeevič Lichačёv: Vospominanija [Erinnerungen], St. Petersburg 1995, S. 275.

[57] An diesem Haus wurde 1997 zum 60. Jahrestag der ersten Schiffsfahrt auf dem Kanal eine Gedenktafel für Nikolaj Vissarionovič Nekrasov angebracht.

[58] Siehe Šelochaev: Nikolaj Vissarionovič Nekrasov (Anm. 7), S. 93.

[59] Eigenhändig geschriebene Aussagen N. V. Nekrasovs, 13. Juli 1939, in: Polikarpov: Aus den Ermittlungsakten von N. V. Nekrasov (Anm. 2), S. 36

[60] In den Jahren 1938–1940 waren noch weitere ehemalige Mitglieder der Provisorischen Regierung Repressionen ausgesetzt: S. L. Maslov, A. I. Verchovskij, M .I. Skobelev, A. M. Nikitin, D. I. Šachovskoj, P. N. Maljantovič. Nur K. A. Gvozdev hat die Haft überlebt und wurde 1956 freigelassen. Izmosik: Vremennoe pravitelstvo (Anm. 13), S. 168.

[61] Er wurde 1990 rehabilitiert.

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