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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2022

Rückkehr zum Autochthonismus

Die junge sozialistische Generation in Rumänien zwischen Alternativkultur und ideologischer Indoktrination

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 127-147 | Metropol Verlag

Autor/in: Mioara Anton

[0] Anfang der 1970er-Jahre ergriff der rumänische Staats- und Parteiführer Nicolae Ceaușescu umfangreiche Maßnahmen zur ideologischen Erziehung und Festigung der sozialistischen Gesinnung in der Bevölkerung. Die Schaffung des »neuen Menschen« war eines der Hauptziele des Ceaușescu-Regimes. Ein gemeinsames Bewusstsein, eine nationalkommunistische Identität sowie die uneingeschränkte Anerkennung der offiziellen Dogmen machten demnach eine sozialistische Gesellschaft aus. Die vom Parteiführer ausgegebenen Richtlinien, Thesen und Hinweise (die als »kostbar«, »wertvoll« und »brillant« propagiert wurden) sollten eine Gesellschaft neu disziplinieren, die begonnen hatte, Verhaltensweisen und Einstellungen an den Tag zu legen, die im Widerspruch zu den ideologischen Vorgaben des Regimes standen.

Die Jahre der Liberalisierung hatten dazu geführt, dass vor allem die junge Generation von westlichen Kulturgütern »verseucht« wurde und sich den immer starrer werdenden Regeln des Ceaușescu-Regimes widersetzte. Die im Laufe der 1970er-Jahre verabschiedeten gesetzlichen Maßnahmen führten zu einer regelrechten »ideologischen Askese«, durch die der »neue Mensch« genötigt werden sollte, auf jegliche westlich inspirierte Exzesse, wie z. B. in Bezug auf Kleidung, Nahrung und persönliche Verhaltensweisen, zu verzichten und sich jenen kargen Lebensstil anzueignen, der als entscheidende Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum sozialistischen Projekt galt.

Ausgehend von Archivquellen und anderen offiziellen Dokumenten analysiert der vorliegende Artikel die Strategien des Ceaușescu-Regimes zur gewaltsamen Einbindung der jungen Generation in das Utopieprojekt zum Aufbau des Sozialismus. Durch die Rückkehr zum Autochthonismus sollte ihnen der Zugang zur Westkultur erneut verwehrt werden. Der Artikel untersucht die Art und Weise, wie die Jugend sich dennoch solche Werte aus Konsumkultur und Kunst aneignete, um alternative Identitäten auszuprägen, die das Regime als Bedrohung wahrnahm. Gesetze, mit denen die »moralische Verschmutzung« unterbunden werden sollte, konnten gegen den Willen der jungen Generation, sich der offiziellen Kontrolle zu entziehen und die eigene Identität auszuleben, nichts ausrichten. Vergleichbare Entwicklungen gab es auch in anderen Ostblockstaaten. Aktuelle Forschungen zeigen, dass politische und ideologische Grenzen während des Kalten Krieges die Verbreitung von Ideen und den kulturellen Austausch nicht verhindern konnten.[1] Auch Festivals oder Sportwettbewerbe, die von staatlicher Seite organisiert wurden und äußerst ideologisch geprägt waren, konnten daran nichts ändern.

Im Mittelpunkt des Beitrages stehen die Entwicklungen während der 1970er- und 1980er-Jahre, einer Phase, in die auch die Entspannungspolitik des Kalten Krieges fiel. Sie führte zu einer Steigerung des Personen- und Güterverkehrs und einem verstärkten Austausch kultureller Güter zwischen Rumänien und dem übrigen Europa. Die ideologische Neuorientierung der Rumänischen Kommunistischen Partei (RKP) verlief parallel zur internationalen Öffnung des Landes, wozu auch die Teilnahme an der heutigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zählte, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Zielsetzungen Bestimmungen zum Güterverkehr, zum Austausch kultureller Werte sowie zur Förderung des Tourismus zwischen Ost und West enthielt.[2]

Der Wohlstand der 1970er-Jahre sollte Ausdruck des sozialistischen Fortschritts und seiner wirtschaftlichen Erfolge sein. Die Urlaube im Gebirge und am Meer, die Reisen im In- und Ausland, das kulturell und musikalisch reiche Leben, die Entwicklung des Tourismus – das alles verlieh dem Alltagsleben im sozialistischen Rumänien eine besondere Note.

 

 

I. »Die moralische Verschmutzung« des sozialistischen Rumänien

 

Die Öffnung zum Westen, die kulturpolitische Entspannung und die Förderung des wissenschaftlichen Austauschs erweckten den Anschein eines liberalen Regimes. Die damalige Presse, insbesondere an Jugendliche gerichtete Zeitschriften und Sendungen in Radio und Fernsehen, berichtete umfangreich über westliche Modetrends, neue Strömungen in Musik und Film, technische Entwicklungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Ideen, die an westlichen Universitäten diskutiert wurden. Dem Bukarester Regime schien nichts Modernes fremd zu sein. Das Zeitalter des Wohlstands und Konsums in seiner sozialistischen Variante erlebte im Laufe der 1970er-Jahre eine Blütezeit. Die Steigerung des Lebensstandards, die Industrialisierung und Urbanisierung, die wirtschaftliche Stabilität, der Zugang zu Bildung, die wachsende Zahl Studierender (vorwiegend in technischen Studiengängen, weniger im Bereich der Humanwissenschaften) boten der jungen Generation einen neuen Rahmen für die Verwirklichung individueller Ziele. Im Zuge der Entspannungspolitik strahlte das öffentliche Fernsehen auch amerikanische, britische und französische Filme und Serien aus – mit großem Erfolg. Darunter Dallas, Reich und Arm sowie Kojak. Ohne jede Absicht revolutionierte Alain Delon dabei die weibliche und männliche Mode im kommunistischen Rumänien: Ein Modell der Fellkragenjacke, die er im Film Rocco und seine Brüder trug, war bis zum Fall des Kommunismus in nahezu jedem rumänischen Kleiderschrank zu finden.[3]

Die Gründung des Forschungszentrums für Jugendfragen (Centrul de cercetări pentru problemele tineretului, CCPT) im September 1968 war Ausdruck des besonderen Interesses der Kommunistischen Partei an der jungen Generation und ihrer Rolle beim Aufbau einer neuen Gesellschaft.[4] Mithilfe soziologischer Forschung sollten die alltäglichen Probleme von Jugendlichen evaluiert und gleichzeitig Wege gefunden werden, sie in die staatlich gewünschte Richtung zu lenken. Constantin Schifirneț, als Wissenschaftler seit der Gründung im Zentrum beschäftigt, stellte fest, dass es dem Regime gelang, das »explosive« Potenzial der Jugendlichen in Schach zu halten. Dies wurde vor allem durch eine verstärkte ideologische Bildung und Einflussnahme auf das soziale Verhalten erreicht. Voraussetzung dafür war die Ausbildung einer devoten Haltung gegenüber der Partei und ihrem Führer.[5]

Die Liberalisierung barg jedoch eine Reihe von Risiken, denen das Regime entgegenwirken wollte. Für den ehemaligen Leiter der Abteilung Propaganda und Agitation, Paul Niculescu-Mizil, bedeutete Liberalisierung nicht die Einschränkung der Parteikontrolle über die Gesellschaft, sondern, im Gegenteil, ihre Verschärfung.[6] Seine Haltung wurde offensichtlich, als Bukarester Studenten im Dezember 1968 an Heiligabend auf die Straße gingen, um religiöse Weihnachtslieder zu singen, was der atheistischen Haltung des Regimes widersprach. Irritiert machte Niculescu-Mizil die schwache ideologische Bildung der Jugendlichen dafür verantwortlich: »Letztendlich hat eine Gruppe von Rowdys beschlossen, um zwei Uhr nachts auf die Straße zu gehen und den Frieden zu stören, nachdem sie sich religiös aufgeheizt hatte.«[7] Nur der Tatsache, dass weder Vasile Patilineț, Sekretär des ZK für Sonderfragen, noch Dumitru Popa, Bürgermeister von Bukarest, den Mut hatten, Ceaușescu an diesem Abend aus dem Schlaf zu holen, ist es zu verdanken, dass nicht mit äußerster Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen wurde. Der Marsch der Studierenden endete ohne Zwischenfälle. Der Staatschef zeigte später kein Verständnis für den Aufmarsch der Studenten. Er interpretierte ihre Aktion als einen »Ausdruck des Rowdytums«, als Ergebnis einer »rückständigen, rückwärtsgewandten Mentalität« und ordnete eine Intensivierung der ideologischen Bildung und eine strengere Kontrolle des universitären Umfelds an.[8]

Die Parteiführung war sich des Oppositionspotenzials der neuen Tendenzen in der Gesellschaft bewusst. Die Protestwelle, die Ende der 1960er-Jahre die USA und Westeuropa erfasst hatte, kündigte eine neue Generation an, die den Bruch mit der alten Welt im Blick hatte. In Rumänien hatte der Zugang zu Informationen mithilfe ausländischer Sender, wie z. B. Radio Free Europe mit Sendungen wie »Tinerama« und »Metronom«, dazu geführt, dass sich neue Haltungen entwickelten, die das Regime als gefährlich und als Bedrohung für die sozialistischen Ideen einstufte. Ceaușescu beschloss daher, eine neue Sozialdisziplin und die Erziehung der jungen Generation im Einklang mit den allgemeinen Zielen einer sozialistischen Gesellschaft durchzusetzen. Dies geschah sowohl durch öffentliche Kampagnen, in denen unpassendes Verhalten unter dem Sammelbegriff »soziales Schmarotzertum« offen angeprangert wurde, als auch durch gesetzliche Maßnahmen, die bestehende Freiheiten einschränken sollten. Das Regime entwarf das Bild eines jungen Bürgers, dessen Interessen, Bestrebungen und Ideale mit denen der sozialistischen Gesellschaft zusammenfielen. Jede Abweichung wurde streng bestraft: Abschneiden der Haare, Zerstörung extravaganter Kleidung, Umerziehung durch Arbeit auf einer der zahlreichen großen Baustellen.

Im März 1970 forderte Ceaușescu die Gründung spezieller Teams, die die »Rowdys, Schmarotzer und moralisch verfallenen Elemente« ausfindig machen sollten. Sie trügen schrille Kleidung und störten die öffentliche Ruhe. In der Hauptstadt wurden daraufhin 38 jener Teams gebildet. Ihre Mitglieder rekrutierten sich aus der Union Kommunistischer Jugend (Uniunea Tineretului Comunist, UTC), den Kämpfern der Patriotischen Garde und Polizisten. Bei einer ersten Razzia wurden in Bukarest 3453 Personen ohne Ausweis und mit unpassender Kleidung ermittelt, unter ihnen vor allem Studenten und Schüler, die daraufhin gezwungen wurden, auf ihre Jeans zu verzichten und ihre Haare zu schneiden.[9]

Das Regime hatte beschlossen, Jugendliche, deren musikalischer Geschmack und Kleidungsgewohnheiten für die starren Normen der sozialistischen Gesellschaft zu auffällig geworden waren, zur Ordnung zu rufen. Ein Gesetz stellte ab dem 11. April 1970 all jene unter Strafe, die die Regeln des sozialen Zusammenlebens, die öffentliche Ruhe und Ordnung missachteten oder sich der »bürgerlichen Arbeitspflicht« entzogen.[10] Das Gesetz zur Verhinderung des sozialen Schmarotzertums hatte eine Doppelfunktion: Einerseits wurde damit das Verhalten der Jugendlichen korrigiert, andererseits verpflichtete es alle, die sich aus verschiedenen Gründen der Arbeit entzogen, zur Meldung beim Arbeitsamt. Die Verschärfung der Arbeitsgesetzgebung erfolgte im Zuge der Wirtschaftskrise – Fehlplanungen in der Industrie zwangen das Regime dazu, sämtliche Arbeitskräfte zur Erfüllung der Fünfjahrespläne verfügbar zu machen. Gleichzeitig wurden die Prioritäten zur langfristigen Erfüllung der Zielsetzungen des Regimes neu gesetzt: Im Mittelpunkt jeder Kampagne stand nun die Erziehung der Jugend durch Arbeit.

Der ideale Jugendliche war in den Augen des Regimes Partei und Heimat zugetan und sozial integriert. Importe aus dem Westen, wie z. B. Jeans, bunte T-Shirts mit Glitzer, lange Haare sowohl bei Frauen als auch bei Männern, Alltagskleidung in schrillen Farben schockierten und galten als unangemessen. Sie wurden von den politischen Machthabern einer westlichen Jugend zugeschrieben, deren Existenz von Promiskuität, Armut und moralischem Verfall geprägt sei. In den 1970er-Jahren wurde in zahlreichen Artikeln, vor allem im offiziellen Parteiblatt Scânteia, vor einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in ganz Westeuropa gewarnt. Der rumänischen Propaganda zufolge waren die großen Hauptstädte im Westen von »Horden Ungekämmter« gestürmt worden, denen die Ordnungskräfte machtlos gegenüberstanden.[11]

Das im Juli 1971 verabschiedete neue Ideologie-Programm läutete den Anfang vom Ende der Liberalisierungsphase ein. In einem Ton, der an die düsteren 1950er-Jahre erinnerte, kündigte Ceaușescu in seinen »Julithesen« die Beseitigung aller »ideologischen Einflüsse der Bourgeoisie, der rückwärtsgewandten, den Prinzipien der kommunistischen Ethik und dem Parteigeist fremden Einstellungen« aus der rumänischen Gesellschaft an.[12] Die Gesellschaft sollte stärker ideologisch geprägt werden. Außerdem sollten mit umfangreicher Propaganda die Einschränkung der Autonomie für kulturell-künstlerisches Schaffen und die Rückkehr zum kulturellen Autochthonismus vorbereitet werden.[13] Von nun an befand sich die Jugend unter ideologischem Dauerbeschuss. Das neue Programm betonte ausdrücklich, dass »den kulturell-erzieherischen Angeboten sowie Unterhaltungsangeboten für Jugendliche, vor allem für Schüler und Studenten, besondere Aufmerksamkeit zuteil werden sollte, um Erscheinungen des Kosmopolitismus und verschiedene aus der kapitalistischen Welt importierte Moden zu bekämpfen«.[14] Radio- und Fernsehsender wurden verpflichtet, vorwiegend nationale Produktionen auszustrahlen, die ein »neues, sozialistisches Repertoire« aufwerteten, das als regelrechtes Handbuch für die Erziehung Jugendlicher gedacht war. Jegliche Produktionen, die auf die dekadente westliche Lebensweise verwiesen, sollten aus dem Angebot für Jugendliche entfernt werden.[15]

Kino-, Theater-, Musik- und Kunstproduktionen und ebenso das Bildungssystem wurden weitreichenden Maßnahmen zur »Ent-Westlichung« unterzogen. Ceaușescu verkündete das Ende der Einfuhr von als schädlich geltenden Filmen aus dem Westen, da sie in den Reihen der Jugendlichen zu Haltungen und Verhaltensweisen führten, die den sozialistischen Normen widersprachen. Dessen ungeachtet stand ein Jahr zuvor das rumänische Kino im Mittelpunkt eines Skandals, als der Film Reconstituirea (Die Nachstellung) unter der Regie Lucian Pintilies erschien. Der Film erzählt die Geschichte von zwei Jugendlichen in der Provinz. Sie haben sich geprügelt und werden von der lokalen Polizei zu einer so exzessiven Nachstellung des Tathergangs gezwungen, dass in deren Folge eine der Hauptfiguren stirbt. Diese Skandalisierung der Methoden der Miliz erregte Aufsehen. Schon drei Tage nach der Erstausstrahlung wurde der Film auf Anweisung Ceaușescus aus den Kinos verbannt. In seiner Begründung für die Zensur wich das Staatsoberhaupt allerdings aus: »Was den Film ›Reconstituirea‹ betrifft, scheint es mir, dass die Dinge etwas übertrieben werden. Es werden ein paar Milizionäre kritisiert. Na und? In den kapitalistischen Ländern werden Polizisten täglich kritisiert. Das eigentlich Negative daran ist, meiner Meinung nach, die Darstellung unserer Jugendlichen als Primitive. Dies entspricht nicht der Realität. Und dann die Art und Weise, wie das Publikum als Mob dargestellt wird. Die Milizionäre können sie kritisieren, denn wir haben viele Dummköpfe.«[16] Zwar war Ceaușescu selbst ein erklärter Gegner des Westens. Trotzdem verzichtete er nicht darauf, mit diesem zu kooperieren, wenn es um den Ankauf neuer Technologien, den Erhalt günstiger Kredite, Flexibilität auf den internationalen Märkten sowie technologischen und kulturellen Austausch und Zugang zu internationalen Handelsorganisationen ging. Seine gegen den Westen gerichtete Ankündigung »Wir beugen uns nicht vor allem Fremden« läutete eine neue Phase des Regimes ein, die Wendung zur nationalistisch-stalinistischen Diktatur.[17]

Ceaușescu schränkte die Freiheiten der Bevölkerung weiter ein und war bestrebt, die Gesellschaft aufs Neue zu disziplinieren. Das im Juli 1971 eingeführte Programm diente damit zugleich der Festigung des Regimes und seiner Ausprägung als persönlicher Diktatur. Der Kult um Ceaușescus Person und die Hervorhebung der protochronistischen Ideen waren ein günstiger Nährboden für die nationalistische Ideologie. Die Nation, die Heimat, der Führer standen in einer naturgegebenen Abfolge. Dies entsprach auch dem Gedanken, den einer der Vertreter der protochronistischen Strömung, der Schriftsteller Dan Zamfirescu, im Februar 1979 in einem Essay äußerte, in dem er die Einzigartigkeit der rumänischen Zivilisation an die Existenz eines berufenen Herrschers knüpfte: »Ein Land, ein Volk, eine politische Macht, die das Ethos und die Traditionen in der höchsten Ideologie der heutigen Welt verankert haben, ein Mensch, nicht allein, sondern als Synthese der Seele und moralischen Gestalt des Volkes, aus dem er erwachsen und mit dem er im Einklang ist, verkörpern den Auftrag der Verwirklichung dieses Strebens.«[18] Entsprechend konzentrierte sich die Kulturarbeit auf die Förderung nationaler Werte und autochthoner Erzeugnisse. Jenseits seiner Übertreibungen hinsichtlich des Beitrags der rumänischen Zivilisation zur Entwicklung der Menschheit führte der Protochronismus zur kulturellen Isolation Rumäniens durch die massive Einschränkung des Ideenaustauschs mit dem Westen. Dieser feindliche Diskurs des Bukarester Regimes steigerte sich mit zunehmender Isolation des Landes auf internationaler Ebene. In den 1980er-Jahren hatte Ceaușescu all seine Glaubwürdigkeit verloren und wurde gemieden. Er hatte sein Ansehen aufgrund des willkürlichen Handelns unter seiner persönlichen Diktatur verspielt. Häufig nutzte er die Gelegenheit, die »moralische und intellektuelle Verschmutzung« anzuprangern, die der Westen für die rumänische Gesellschaft bedeute.[19]

 

 

II. Von Jimi Hendrix zum »Cântarea României«

 

Die rumänische Geheimpolizei Securitate war direkt in die Überwachung und Umerziehung Jugendlicher eingebunden. Das Regime hatte es sich zum Ziel gesetzt, das Freizeitverhalten, Leseinteressen genauso wie Studentenvereine, Sendezeiten für Filme aus dem Westen, für Musik und ausländische Radiosender, vor allem Radio Free Europe (RFE), umfänglich zu kontrollieren und zu lenken. Ein Schreiben der Securitate vom 7. März 1980 unterstrich die Notwendigkeit der übergreifenden Zusammenarbeit mehrerer Entscheidungsträger im Bildungswesen, um die Jugend vor den Folgen der westlichen Propaganda »zu retten«. Auf Landesebene wurde ein besorgniserregender Anstieg der Anzahl Jugendlicher mit einem »dekadenten, aus manchen westlichen Ländern eingeführten Verhalten« festgestellt.[20]

Die Geheimpolizei hatte sich weiter das Ziel gesetzt, diejenigen, die Lücken in der politisch-ideologischen Bildung aufwiesen und der »reaktionären Propaganda« gegenüber empfänglich schienen, »in spezifischer Weise« zu erziehen.[21] Dies war ein unmögliches Unterfangen, da die westlichen Produkte, vor allem im Bereich der Musik, auf massiven Zuspruch in der Gesellschaft stießen, und zwar mit Unterstützung des Regimes. Rundfunkprogramme, aber auch Zeitschriften für Jugendliche enthielten spezielle Rubriken zu internationalen musikalischen Trends. Bands wie The Beatles, Black Sabbath, Led Zeppelin, Pink Floyd, Free, The Who, Bee Gees, Jimi Hendrix Experience sowie Künstlerinnen und Künstler wie Bob Dylan, Joan Baez und Janis Joplin standen bei den Jugendlichen hoch im Kurs. Schallplatten aus dem Westen waren aufgrund der Ankäufe durch die Plattenfirma Electrecord auch auf dem rumänischen Markt erhältlich.[22]

Octavian Ursulescu, ein bekannter Musikjournalist und TV-Moderator jener Zeit, interpretierte die Botschaften der Underground-Gruppen trotz ihres nonkonformistischen Charakters als Bestätigung der »Lebensbejahung, der Freiheit und des Friedens«: »Wer diese (oft besonders begabten) Musiker nur aufgrund ihrer Kleidung und Haartracht fälschlicherweise verurteilt, sollte nicht vergessen, dass es sich um friedliche junge Leute mit vielfältigen intellektuellen Interessen handelt, die mit ihren Liedern die edelsten menschlichen Gefühle besingen.«[23] Die Behörden interessierte jedoch besonders die Wirkung nonkonformistischer Botschaften auf Jugendliche, wie aus Securitate-Berichten hervorgeht. Um eine »moralische Infizierung« zu vermeiden, definierten die Behörden die Pop-Rock-Strömungen als moderne Unterhaltungsmusik, was sich jedoch als sinnloser Versuch der Abschreckung herausstellte. Rock- und Folkmusik bildeten den Kern der Jugendkultur dieser Generation, die ihr subversives Potenzial gegenüber der offiziellen Kultur behielt.

Die Restriktionen der Behörden bewirkten das Gegenteil von dem, was sie eigentlich sollten. Durch sie waren die Jugendlichen noch stärker versucht, zu bekommen, was ihnen verboten war. Die westlichen Kulturprodukte versprachen den Zugang zu einer anderen Welt, in der viele von ihnen gerne gelebt und experimentiert hätten. Nationale Produktionen und Bands konnten den Erwartungen der jungen Generation mit wenigen Ausnahmen (z. B. Phoenix, Cargo, Sfinx, Mondial, Metronom, Roșu și Negru) nicht gerecht werden. Die Faszination des »imaginären Westens«, um einen von Alexei Yurchak geprägten Begriff zu verwenden, war viel stärker als die Angst vor der Securitate.[24] Trotz aller Restriktionen und Zwänge gab die junge Generation ihre Individualisierungsbestrebungen im Rahmen der sozialistischen Gesellschaft nicht auf. Das Interesse an westlichen Filmen, Musik, Mode und Publikationen wuchs unablässig und es entstanden regelrechte Netzwerke zu ihrer Verbreitung. Westliche Ware zirkulierte sogar mithilfe der Angehörigen des Systems (vor allem Securitate und Miliz), die die Schattenwirtschaft steuerten.

Junge Menschen suchten eine Alternative zum grauen, von Einschränkungen geprägten Dasein im sozialistischen Regime. Es lässt sich schwer einschätzen, ob das Verlangen nach westlicher Kultur als eine Form der Auflehnung oder sogar des Widerstands gegen das Regime zu werten ist oder nur den Versuch darstellte, alternativen Zugang zu gewünschten Gütern und Informationen zu erhalten.[25] Der gesellschaftliche Stillstand sowie die erhebliche Kontrolle des Privatlebens durch das Regime machten die westliche Popkultur zu einer attraktiven Alternative zum ansonsten monotonen Alltag. Der gesellschaftskritische und bisweilen systemfeindliche Ton westlicher Popkultur konnte in sozialistischen Staaten als Aufforderung zu Ungehorsam verstanden werden, gleichzeitig zu Widerspruch und Ablehnung von Uniformität aufrufen und damit die Grundfesten des politischen Regimes erschüttern. Insofern schienen Werte und Interessen der kommunistischen Gesellschaft durch die Vorliebe Jugendlicher für westliche Produkte gefährdet. Gleichzeitig wurde es zunehmend schwerer, eine Generation, die sich gerade durch Nonkonformität und Widerstand gegen das System auszeichnen wollte, von den Zielen einer sozialistischen Gesellschaft zu überzeugen. Die Securitate unterstrich in ihren Berichten, dass fremde Rundfunksender, wie Radio Free Europe, »reaktionäre Ideen und Einstellungen« verbreiteten, die beim jungen Publikum »Haltungen des Ungehorsams und der Ablehnung der kommunistischen Erziehung« hervorriefen.[26] Weiter wurden in den Berichten vor allem zwei Sendungen für Jugendliche hervorgehoben, »Tinerama« und »Metronom«, die von der Interaktion zwischen Moderatoren und Zuhörerschaft lebten. In Briefen an Radio Free Europe konnten die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer sowohl Diskussionsthemen als auch Musik, die sie gerne hören wollten, vorschlagen. Die Briefe an den Radiosender enthielten oftmals auch Kritik an der aktuellen Situation im Land.

Aus der Sicht der Securitate waren die politischen Kommentare im Rahmen von »Tinerama« verleumderisch und voreingenommen. Der Produzent der RFE-Sendung »Metronom«, Cornel Chiriac, hatte sie von 1967 bis 1969, also in der Hochzeit der Liberalisierungsphase, beim staatlichen rumänischen Rundfunk ausgestrahlt. Die Sendung brachte vor allem die neuesten Songs im Bereich Pop, Rock und Jazz. Nach Chiriacs Flucht 1969 übernahm Radio Free Europe die Sendung in sein Programm. Der Popularität Chiriacs tat das keinen Abruch. Die rumänischen Jugendlichen sendeten ihm weiterhin Briefe mit der Bitte um jene Musik, die das Regime als moralisch verwerflich ablehnte. Natürlich erregte die Kritik am Regime Unmut in Bukarest. Jugendminister Ion Iliescu prangerte bei der Vollversammlung des Rats für Schülerarbeit am 18. April 1970 den negativen Einfluss Chiriacs auf die Jugend in Rumänien an: »Es gibt eine Reihe von Musiksendungen von Cornel Chiriac, die Musik von der Sorte ›Pop‹ und ›Beat‹ ausstrahlen. Gleichzeitig lässt er sich auch zu feindlichen Äußerungen über unser Land hinreißen.«[27] Die Karriere Chiriacs beim Radio Free Europe war von kurzer Dauer. Im März 1975 wurde er in München ermordet – die Securitate sah sich von einem ungemütlichen Moderator befreit.

Obwohl unter Strafe gestellt, registrierte die rumänische Geheimpolizei eine wachsende Zahl Jugendlicher, die weiterhin ausländische Radiosender hörten und sich mit musikalischen Trends der westlichen Welt beschäftigten. Die Securitate wies deshalb darauf hin, dass dringend Maßnahmen zur Erziehung der Jugend nötig waren, um langfristige und unumkehrbare Folgen zu vermeiden. Die moralische Gesundheit der sozialistischen Nation sei von der moralischen Gesundheit der Jugend abhängig. Die Securitate vertrat die Ansicht, dass die kapitalistische Welt ihre Methoden verfeinert hatte und Musik gezielt dazu einsetzte, die sozialistische Ordnung und Moral zu untergraben. Sie maß der Vorliebe der Jugendlichen für westliche Musik eine politische Bedeutung bei und interpretierte die symbolische Abkehr der Jugendlichen als feindliche Handlung gegen die sozialistische Ordnung bzw. als antisoziales Verhalten. Die Maßnahmen, die von der Parteiführung dagegen ergriffen wurden, verfolgten vor allem zwei Ziele: die Einbindung der jungen Generation in die gemeinsame Aufgabe des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft und die Kontrolle der Freizeitbeschäftigung. Die Jugendlichen sollten vor antikommunistischen Ideen und »den gesunden Traditionen unseres Volkes fremden politischen und ideologischen Perspektiven« geschützt werden.[28] So insistierte die Geheimpolizei in ihren Berichten, dass von den Anhängern der Punk-Musik eine Gefahr ausginge. Sie bezeichnete sie mit Begriffen, wie etwa »Schläger, Wüstling, Rowdy«. »Die Anhänger der Punk-Strömung (…) verbreiten Ungehorsam vor dem Gesetz, der Schule und der Familie, kämpfen für Gewalt und moralische Selbstzerstörung, laufen von zu Hause weg, vernachlässigen oder verlassen die Schule, konsumieren alkoholische Getränke, verüben unmoralische Taten.«[29] Tatsächlich wurden all jene, die Punkrock oder Heavy Metal hörten, automatisch gesellschaftlich ausgegrenzt. Ihr Lebensstil galt als Schmarotzertum und stand im Widerspruch zur Moral der sozialistischen Gesellschaft. Sie standen in dem Ruf, gewaltbereit zu sein, mit einer Neigung zur Missachtung der sozialen Ordnung und Disziplin. Die Namen der Lieblingsbands vieler rumänischer Jugendlicher wurden als weiterer Beweis für ihre antisoziale Gesinnung gewertet. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Übersetzung, die die Securitate für den Namen der Gruppe AC/DC in rumänischer Sprache lieferte: Antichristen gegen Kommunisten (Anticriștii împotriva comuniștilor).

Um die schädlichen Einflüsse aus dem Westen zu bekämpfen und eigene Identifikationsangebote für die junge Generation zu schaffen, griff das Regime in die Freizeitgestaltung ein und initiierte staatliche Veranstaltungsprogramme mit Festivals, Aufführungen sowie Sportwettbewerben bis hin zu Wettkämpfen auf lokaler und nationaler Ebene. Die Rückkehr zum Autochthonismus bedeutete auch eine Aufwertung der einheimischen Folklore-Produktionen, die für die Strukturierung des öffentlichen national-kommunistischen Diskurses eine wichtige Rolle spielten. Die Botschaft solcher Produktionen stand jener der westlichen Weltoffenheit diametral gegenüber. Die »dekadenten Strömungen« sollten durch jene Produktionen ersetzt werden, die den Kampf des Volkes für den Sozialismus abbildeten.[30] Aus diesem Grund ist in den 1970er- und 1980er-Jahren eine explosionsartige Zunahme der Folklore-Produktionen und eine verstärkte Förderung der Volksmusik-Sängerinnen und -Sänger zu erkennen. Zielgruppe war nicht das Publikum im städtischen und universitären Raum, sondern jenes in den kleinen Industriestädten und auf dem Land. Die nationale Folklore wurde als Mittel zur Legitimation der politischen Macht eingesetzt, besaß aber auch pädagogisches Potenzial.

Mit der Einführung des Festivals »Cântarea României« (»Das Lied Rumäniens«) erfuhren Folklore-Produktionen einen zusätzlichen Aufschwung. Es wurde zu Ehren des Staatsoberhaupts veranstaltet und vereinte unterschiedlichste künstlerische Ausdrucksformen. Dumitru Popescu, der Präsident des Staatlichen Komitees für Kultur und Kunst,[31] hielt in seinen Erinnerungen fest, dass Ceaușescu eine wahre Leidenschaft für die Folklore-Produktionen entwickelt hatte, da sie aus seiner Sicht als einzige die sozialistische Moral umfassend wiedergeben konnten: »Die Gefahr einer Folklorisierung der Kultur lag in der Luft, die unerhörte Idee des Anstachelns einer Konkurrenz zwischen dem ›inspirierten Volk‹ und den launischen Fachleuten der Künste, die für den politischen Enthusiasmus weniger empfänglich und letztendlich vielleicht auch weniger begabt waren.«[32]

Im Juni 1976 rief der Rat für Kultur und sozialistische Erziehung eine Kulturbewegung ins Leben, die die Massen erreichen sollte – ein Wettbewerb für die gesamte Gesellschaft. Er sollte als Grundlage für die Organisation des »Cântarea României« dienen. Die künstlerische Laienbewegung zog angesichts der neuen Richtlinien landesweit Kreise. Ceaușescu beabsichtigte die Errichtung eines ideologisch einheitlichen Systems, das alle politisch-erzieherischen und kulturellen Organisationen umfasste, die seiner Ansicht nach für die Bildung des neuen Menschen unentbehrlich waren. In seiner Rede vor dem Rat im Juni äußerte Ceaușescu unverhohlen seine Unzufriedenheit über die Existenz westlicher Produktionen in den rumänischen Medien: »Auf der Kinoleinwand und im Fernsehen werden immer noch Filme ausgestrahlt und auf den Bühnen der Theater gibt es immer noch Stücke mit unangemessenem Inhalt aus anderen Ländern, die nicht zur Bildung des ›neuen Menschen‹, dem Erbauer des Sozialismus, beitragen.«[33] Die Securitate wies ihrerseits darauf hin, dass die Kulturzeitschriften eine zu freigeistige Redaktionspolitik betrieben, die oft im Widerspruch zu den ideologischen Richtlinien stand. Dies galt vor allem für die Zeitschrift Cinema. Ihr warf die Securitate vor, »ausländische Filme zu ausführlich vorzustellen, für die es aus finanziellen oder aus politischen Gründen keine Perspektive gibt, zukünftig von uns angekauft zu werden. Dieses erregt aber die Aufmerksamkeit der Leser und führt zu Diskussionen, Interpretationen und Kommentaren, die mehr oder weniger günstig sind.«[34]

Weil die Gleichschaltung der Gesellschaft sich nicht in dem Tempo vollzog, das sich Ceaușescu vorgestellt hatte, erhöhte er den Druck. Die Kritik Ceaușescus richtete sich in erster Linie gegen den Rat für Kultur und sozialistische Erziehung, der sich nicht ausreichend für die einheitliche Verbreitung der sozialistischen Kultur einbrachte. Das »Cântarea României« war, so Ceaușescu, die beste Form zur revolutionären Bildung der Massen und zur Bildung des »neuen Menschen«. Im Sommer 1983 betonte Ceaușescu die Bedeutung der Förderung autochthoner, stark ideologisierter Kulturproduktionen in den sogenannten Mangalia-Thesen erneut: »Wir sollten das Gefühl der Liebe zum Vaterland, zum Volk pflegen. Wir sollten die Musik, den rumänischen Tanz, alles, was ein Werk unseres Volkes ist, fördern! Man sollte nicht irgendwelcher Musik oder irgendwelchen Tänzen, die importiert sind, nacheifern!«[35] Angehörige von Film, Funk, Theater, bildender Kunst, Literatur und Presse waren aufgerufen, ihre Inspiration allein aus den nationalen Werten und der sozialistischen Wirklichkeit zu ziehen. Nicht zufällig wuchs der ideologische Druck auf die Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, als das Regime wirtschaftlich und gesellschaftlich in eine tiefe Krise geriet. Beim Kongresses für politische Bildung und sozialistische Kultur am 17. August 1987 wiederholte Ceaușescu noch einmal den Gedanken von der Notwendigkeit einer »einheitlichen« ideologischen Bildung und der Entwicklung einer Massenkultur, wobei die Kritik an den Überbleibseln bürgerlicher Kultur und westlicher Einflüsse nicht fehlen durfte. In seiner Vision war die Bewegung der Laienkunst bezeichnend für die sozialistische Kultur. Sie hatte ihren Wert in den 15 Ausgaben des »Cântarea României« unter Beweis gestellt.[36] Der Amateurismus hatte Vorrang vor der Professionalität. Allerdings wurden nur all jene Produktionen gefördert, die den Propagandainteressen des Regimes entsprachen und z. B. vorrangig dem Personenkult des Führers dienten.[37]

 

 

III. Von den Studentenclubs zum »Cenaclul Flacăra«

 

Im Rahmen der Schaffung des »neuen Menschen« und damit auch einer sozialistischen Nation kam der »Cenaclul Flacăra« (Die Flamme) eine besondere Bedeutung zu. Die Gründung des »Flacăra-Kreises für bildende Kunst und Dichtung« im September 1973 hatte das Ziel, eine kulturelle Alternative für jene literarischen und künstlerischen Kreise zu bieten, die dazu neigten, westlichen Einflüssen zu erliegen. Die Gründung solcher Kreise war Anfang der 1970er-Jahre unter Literaten, Künstlern und Studenten sehr populär. Ursprünglich waren es Studentinnen und Studenten, die Diskussionsclubs gründeten, in denen über Ideen aus Musik, Literatur, Philosophie und bildender Kunst gesprochen wurde. Leonte Răutu, Verantwortlicher in der Bildungsabteilung des ZK der RKP, stimmte dem Vorschlag der Studenten zu, Clubs und Bars zu organisieren, um die Freizeit in »angenehmem Umfeld« und mit »Kulturaktivitäten von hohem Niveau« zu gestalten.[38] Mit der Zeit waren jedoch »extravagante Formen der künstlerischen Aktivitäten« entstanden, zu denen Alkoholkonsum und unangemessene Diskussionen gehörten. Răutu, bei Weitem kein Liberaler, der aufgrund seiner Rolle bei der Durchsetzung der antikulturellen Politik während der stalinistischen Ära berüchtigt war, plädierte im Dezember 1968 dennoch für den Erhalt der Clubs, da die Studenten so leichter kontrollierbar schienen: »Es ist sinnvoll, Institutionen zu haben, in denen die Studenten sich entspannen. Und anstatt ins ›Katanga‹ zu gehen, sollen sie an einen Ort gehen, an dem wir das Umfeld bestimmen. Die Atmosphäre des ›Katanga‹ sollte allerdings nicht auf diese Einheiten übertragen werden. Wir empfehlen also, zu verfolgen, wie diese Aktivität sich entwickelt, ohne auf diese Bars zu verzichten.«[39]

Paul Niculescu-Mizil, Leiter der Abteilung Propaganda und Agitation, zeigte sich jedoch nicht empfänglich für die Idee, Clubs ohne expliziten Bildungsauftrag zu gründen. Auf ein Gesuch von Architektur-Studenten, einen eigenen Club zu gründen, reagierte er verärgert: »Wir sind nicht mit der Gründung von Einrichtungen einverstanden, die eine mehr oder minder gelungene Imitation der Nachtclubs in Rom oder Paris sind. Nein! Wir stehen auf dem Standpunkt, dass wir unsere kulturell-erzieherischen Aktivitäten erweitern müssen, neue interessante und attraktive Formate entwickeln müssen. Aber unser Ziel ist es nicht, junge Leute, seien es Arbeiter oder Studenten, zusammenzubringen, damit sie Weinbrand oder Whisky konsumieren. Unser Ziel ist es, in allen unseren Einrichtungen die Form von Bildung anzubieten, die Ideen und Gedanken weitergibt, die die Seele, den Verstand bereichern.«[40] Trotz der Einwände von Niculescu-Mizil wurde 1969 der Club A gegründet, der sich als Anziehungspunkt der alternativen Kulturbewegung im sozialistischen Rumänien etablierte.[41]

Die studentischen Kulturhäuser und Clubs waren unkonventionelle Räume par excellence, in denen Zugang zu verschiedensten Musikströmungen (Rock, Pop, Jazz) ermöglicht wurde und unabhängige Theater- und Unterhaltungsgruppen gegründet wurden. Der Club A organisierte z. B. eigene Festivals, bei denen die bekanntesten Rock-, Folk- und Jazzbands der großen Universitätszentren auftraten. 1971, bei der zweiten Auflage des Festivals, verboten die Behörden die Verwendung der Bezeichnung »Rock«, sodass das Festival den Titel »Nationales Pop-, Folk- und Jazzfestival« trug. 1982 verschwanden die Bezeichnungen Folk und Jazz aus dem Titel und die Veranstaltung hieß nun »Festival der Musik und Dichtung«.

Die Gründung des »Cenaclu Flacăra« erfolgte also unter dem Erwartungsdruck einer Generation Intellektueller, die nach alternativen Räumen verlangte. Dies wird auch durch die unterschiedlichen Gründerinnen und Gründer des »Cenaclu Flacăra« bestätigt, zu denen viele klingende Namen der damaligen Bukarester Kulturszene (Schriftsteller, Dichter, Schauspieler, Essayisten, Bildhauer, Maler, Regisseure, Musiker) zählten.[42] Die zentrale Figur des »Cenaclu Flacăra« war der Dichter Adrian Păunescu, dessen Karriere Anfang der 1970er-Jahre sowohl in den Chefetagen der Partei als auch im Schriftstellerverband einen spektakulären Aufschwung erfuhr. Ursprünglich aus Bessarabien stammend, flüchtete er im Sommer 1940 mit seiner Familie nach Bârca im Kreis Dolj. Sein Vater, Mitglied der Nationalliberalen Partei, wurde vom stalinistischen Regime festgenommen und blieb bis 1964 in Haft. 1960 feierte Păunescu sein literarisches Debüt und wurde zu einer der führenden Stimmen seiner Generation. In weniger als einem Jahrzehnt hatte sich Păunescu großes Ansehen verschafft, und seine Arbeit als Chefredakteur bei den Zeitschriften Luceafărul, România Literară und Flacăra steigerte seinen Einfluss in den Kreisen der Mächtigen. Seine Beteiligung an intensiven Auseinandersetzungen im Bereich der Literatur, seine klaren Positionen und »vorurteilslosen Stellungnahmen« brachten ihm die Sympathie Ceaușescus ein – eine Sympathie, die der Dichter zu nutzen wusste.[43] Păunescu sah sich als Mittler zwischen Ceaușescu, der zunehmend Interesse an dem zeigte, was Literatur und Künste für die Gesellschaft zu bieten hatten, und dem literarischen und künstlerischen Milieu. Seine Strebsamkeit war auch der Securitate nicht entgangen. In Berichten ist vermerkt, dass Păunescu aggressiv auf »sein Vorankommen bedacht [ist] (erst Presseberater und danach Minister werden will) und kumpelhaftes Verhalten pflegt«.[44]

Von 1970 bis 1971 nahm Păunescu am International Writing Programme der Iowa University teil. Das in den USA in der Post-Woodstock-Zeit verbrachte Jahr mit vielen Rock- und Folk-Konzerten gab Păunescu den Anstoß dazu, eine rumänische, maßgeblich ideologisierte Variante eines solchen Festivals ins Leben zu rufen.[45] In der Gründungsanzeige heißt es entsprechend, dass der »Cenaclul Flacăra« »jene Musik und Kunst fördern wird, die der jungen Generation am Herzen liegt, wobei die überlieferten Werte gebührend gewürdigt werden. Wir werden in die Öffentlichkeit gehen, unter die Bauern, Studenten, Beamten, um mit allen an der Kunst Interessierten in einen echten und aufrichtigen Dialog zu treten.«[46] Ursprünglich hatte der »Cenaclul Flacăra« einen subversiven Charakter und wurde vor allem genutzt, um avantgardistische Dichtung und Prosa zu verbreiten. Păunescu begann, Veranstaltungen in ganz Rumänien zu organisieren, wobei die Größe des Publikums stetig von zuerst einigen Hundert auf mehrere Zehntausend anstieg. Die erste Veranstaltung im Stadion der Republik in Bukarest am 5. Mai 1978 zählte 30.000 Zuschauer. Ihre Zahl wuchs in der Folge noch weiter.

Für die Vorstellungen gab es Werbung in Rundfunk und Fernsehen, wie sie andere kulturelle Ereignisse der damaligen Zeit, mit Ausnahme des »Cântarea României«, nicht für sich beanspruchen konnten. Die Medienpräsenz wurde von einer regelmäßigen Kolumne in der Zeitschrift Flacăra begleitet (mit einer Auflage von 360.000 Exemplaren), in der der Ablauf jeder Veranstaltung abgedruckt wurde. Die Theater wurden zu eng, sodass in Sportsäle oder ins Stadion ausgewichen werden musste. Die Regie unterschied sich vom bisher Bekannten: Auf der Bühne forderte Păunescu das Publikum dazu auf, mit den Künstlerinnen und Künstlern in einen Dialog zu treten, Gedichte zu rezitieren, Losungen zu rufen und gemeinsam zu singen.[47] Die »Flacăra«-Veranstaltungen liefen nach einem wiederkehrenden Ritual ab: Es wurden die prägenden Gestalten der nationalen Geschichte heraufbeschworen, die für die Freiheit und die Rechte der Unterdrückten gekämpft hatten, es gab die Losung »Licht, Kampf und Freiheit«, die historischen Provinzen wurden erwähnt, und schließlich wurde die Generation in »Turnschuhen und Jeans«, wie Păunescu sie bezeichnete, aufgefordert, dem Beispiel der Vorgänger zu folgen.[48] Einige Verszeilen eines bekannten Gedichts von Păunescu aus dieser Zeit mit dem Titel »Sei gegrüßt, Generation in Jeans« bezogen sich explizit auf die Neigung der Jugendlichen, ihre Vorbilder im Ausland zu suchen: »Es gibt von Folk und Rock geprägte Jugend/die hier im Land des Geistes bedürfen und alles und jedes brauchen/und würden wir ihr hier keine Kultur bieten/holten sie sich die insgeheim aus der Fremde.« Das Programm umfasste auch Gedichte anderer bekannter rumänischer Dichterinnen und Dichter (Mihai Eminescu, George Bacovia, Octavian Goga, George Coșbuc, Tudor Arghezi, Ion Minulescu u. a.), auch der jüngeren Generation (Nichita Stănescu, Ana Blandiana, Ștefan Foarță, Mircea Dinescu). Păunescu sah sich nicht nur als Erzieher der jungen Generation, sondern auch als Entdecker von Talenten, die er während der Tourneen im ganzen Land auf die Bühne brachte. Einer der bekanntesten Folk-Sänger der Zeit, Mircea Vintilă, stellte einst fest, dass es dem »Cenaclul Flacăra« gelungen war, die Grenzen der für die Zeit typischen Vorstellungen dadurch zu sprengen, dass das Publikum aktiv am Geschehen auf der Bühne teilnahm: »Einmal hat der ganze Saal das Lied ›Pământul deocamdată‹ im Chor gesungen. Von der Stadthalle ging eine riesige Kraft aus, es waren einmalige Augenblicke, unwiederholbar, immer wieder gab es überraschende Auftritte.«[49]

Neu in der sozialistischen Monotonie war, dass die Tourneen in einer Zeit, in der das Reisen problematisch war, durch das ganze Land gingen. Auch dass die Konzerte bis in die Nacht hinein dauerten (im Durchschnitt sieben bis acht Stunden, manchmal auch zwölf). Die Künstlerinnen und Künstler durften auch rauchen, Alkohol trinken, singen und tanzen und die Kleidung tragen, die ihnen gefiel (Jeans, bunte Hemden). Die Vorstellungen glichen immer stärker einem autochthonen Woodstock und wurden als Raum empfunden, in dem die junge Generation sich vermeintlich frei äußern konnte. Die Einbindung des »Cenaclul Flacăra« in das »Cântarea României« im Jahre 1977 bedeutete keine Einschränkung, sondern vielmehr eine Vergrößerung seines Spektrums.[50] Nicht unbedeutend ist auch die Tatsache, dass alle Vorstellungen die vier großen Themen der sozialistischen Moral aufgriffen: die antiken Wurzeln der rumänischen Kultur, Kontinuität, Einheit und Unabhängigkeit.

Für Cornel Burtică, in den 1970er-Jahren Sekretär der Propagandaabteilung und Leiter des Rates für Kultur und sozialistische Erziehung, spielte der »Flacăra«-Kreis eine wichtige Rolle, weil Folk-Musik, »Heldenlieder« und »authentisch patriotische Lieder« verbreitet wurden, »die in den Jahren der engen rumänisch-sowjetischen Freundschaft während der Roller-Doktrin nicht erlaubt waren«.[51] Burtică entging dabei nicht, dass der »Flacăra«-Kreis seine ursprünglichen Ziele aufgegeben hatte und komplett von Păunescu, der Opfer seines eigenen Personenkults geworden war, vereinnahmt wurde.

Păunescu schuf eine neue Art der Folklore, die häufig von Losungen, Märschen, Lobeshymnen und identitätsstiftenden Symbolen getragen wurde.[52] Die Folk-Musik nahm im Rahmen der Vorstellungen immer mehr Raum ein. Zum einen, um Inhalte der nationalen Mythologie zu verbreiten, zum anderen, um den Personenkult um Păunescu auf die Spitze zu treiben. Die Rückbesinnung auf Traditionen, nationale Werte, die nationalistisch-autochthonistische Mythologie sowie die Klischees der patriarchalischen Tradition konnten die Zuhörerschaft emotional bewegen und zumindest den Anschein von Solidarität mit dem Ceaușescu-Regime erwecken. Diesen Eindruck teilte auch Nelu Stratone, der in verschiedenen Studentenbands der Zeit gesungen und Bassgitarre gespielt hatte. Er erklärte, dass vor allem die Vorstellungen der 1980er-Jahre zeigten, dass das eigentliche Ziel des »Flacăra«-Kreises war, »dem Anschein der Unabhängigkeit Păunescus zum Trotz, Massen junger Menschen für die kommunistische Propaganda zu gewinnen«.[53]

Die großen Themen des Nationalkommunismus wurden in allen Aufführungen des »Cenaclul Flacăra« hinreichend behandelt. Damit gelang es, das junge Publikum zu begeistern und emotional zu prägen. Ein Vertrauter Păunescus, der Dichter Nichita Stănescu, unterstrich nach einer Teilnahme an einer der Vorstellungen in seinem lobenden Beitrag in der Zeitschrift Flacăra den Wert der patriotischen Bildung, die durch den Kreis vermittelt werde: »Ein großer Dichter wie Adrian Păunescu steht für unterschiedliche Phänomene: die Förderung junger Talente, die Erziehung der Jugend in patriotischem, modernem Geist und entsprechend ihres Alters. (...) Mir wurde das Ergebnis einer neuartigen Erziehung offenbart, wie ich mir selbst den neuen Menschen erhofft hatte, eine Erziehung, die Adrian Păunescu mit der Zuneigung eines Vaters seinen hunderttausend geistigen Kindern in allen Ecken des Landes angedeihen lässt.«[54]

1980 stand Ceaușescu seit 15 Jahren an der Spitze der Partei. Păunescu nutzte die Gelegenheit, um die außerordentlichen Errungenschaften des Regimes propagandistisch hervorzuheben. In einer Chronik der Zeitschrift Flacăra beschrieb der Dichter jene 15 Jahre als die »tapfersten, würdigsten und fruchtbarsten« der gesamten rumänischen Geschichte. Der jungen Generation bliebe keine weitere Aufgabe, als die Partei, Einigkeit, »Licht, Kampf und Freiheit« und nicht zuletzt den Mann an der Spitze zu besingen.[55] Păunescu wurde zum wichtigsten Botschafter des Regimes und sah sich als engster Berater eines »genialen Steuermanns«, wie er Ceaușescu bezeichnete. Der Dichter gab sich als aufmerksamer Beobachter der sozialistischen Errungenschaften und Erfolge, die unter der Führung Ceaușescus Wirklichkeit geworden waren. Gerade weil er sein Land und seinen Führer liebte, fühlte sich Păunescu bemüßigt zu warnen, dass es »schlecht Gesinnte«, »Hinterhältige und Egoisten« gab, die dem sozialistischen Projekt Steine in den Weg legten. Der Aufmerksamkeit des Dichters entgingen auch die Verschwörungen der großen imperialistischen Mächte nicht, die Mittel und Wege fänden, um gegen den Führer des sozialistischen Rumänien zu handeln.[56]

Die versteckten sozialistischen Botschaften, die der »Flacăra«-Kreis aussendete, wurden vom Publikum in den Vorstellungen toleriert. Păunescu schuf ein umfassendes Bild von einer kommunistischen Jugend, die frei, rein, authentisch, wahrheits- und gerechtigkeitsliebend sowie kulturell offen war und sich für Frieden und soziale Gerechtigkeit engagierte. »Cenaclul Flacăra« war vielleicht eines der geschicktesten Mittel, die das Regime über fast ein Jahrzehnt einsetzte, um die junge Generation zu indoktrinieren und die national-kommunistische Ideologie zu verbreiten. Am 15. Juni 1985 fand die letzte Vorstellung des »Cenaclul Flacăra« statt. Danach wurde er verboten, als infolge einer Massenpanik im Stadion von Pitești mindestens fünf Tote und mehrere Verletzte zu beklagen waren. Dieses Ereignis beendete auch die Karriere Păunescus, nachdem er sich zu einem potenziellen Konkurrenten für den obersten Führer entwickelt hatte.

Der große Erfolg bei der jungen Generation, aber vor allem öffentliche Fehltritte Păunescus erregten Unmut in den obersten Gremien der Partei. Die Popularität Păunescus begann zu schwinden. In den 1970er-Jahren erinnerte die Atmosphäre des Künstlerkreises noch an die Literatur- und Künstlerszene, aus der er hervorgegangen war, doch in den 1980er-Jahren hatten der Wandel zu einer großen Show-Veranstaltung und die Vereinnahmung der Vorstellungen durch Păunescu den ursprünglichen Charakter in den Hintergrund gedrängt. Păunescu war nicht nur in den literarischen Kreisen, sondern auch bei den Machthabern in Partei, Polizei und Securitate in Ungnade gefallen. In den Berichten der Geheimpolizei wurde vor einem künstlerischen Qualitätsverlust gewarnt, sodass die Veranstaltungen ihrem Bildungsziel nicht mehr gerecht würden. Die Vorstellungen bis in die Nacht hinein, die große Teilnehmerzahl und deren Diversität, Ausschweifungen und Alkoholkonsum ermunterten zu sozialer Undiszipliniertheit. In einer Notiz der Securitate vom 19. Juni 1985 ist zu lesen, dass »einige Lehrkräfte und Bildungspersonen der Ansicht sind, dass die Aktivität des ›Cenaclul Flacăra‹ in letzter Zeit dem Bildungssystem in unserem Land keinen Gefallen tut, da bei einigen Jugendlichen der exzessive Liberalismus, fehlende Moral und Disziplin angeregt werden, obwohl vordergündig damit eine revolutionäre patriotische Erziehung der Jugendlichen angestrebt würde.«[57]

In einer Art Machtrausch, der vor allem seiner Begabung zur Manipulation der Massen zuzuschreiben war, tappte Păunescu in die Falle seines eigenen Personenkults. Erste Anzeichen für seinen Abstieg gab es bereits 1984, als er nicht mehr ins Zentralkomitee gewählt wurde. Zudem stieß der Dichter erstmals auf den Widerstand des Systems, das er zu kontrollieren glaubte. Das Verbot der Ausstrahlung eines Dokumentarfilms über den »Cenaclul Flacăra« und die junge Generation der 1980er-Jahre war Anlass für bittere Reflexionen, die er unter dem Titel »Eu, diversiunea« (Ich, das Ablenkungsmanöver) in der Zeitschrift Flacăra veröffentlichte: »Es gibt keinen Platz für mich, ich stehe denen im Weg, die auf Denkmäler zugehen. Sie werden mich mit Füßen treten, mir die Haare schneiden, mich einer Inszenierung der Unanständigkeit preisgeben (...). Für mich ist kein Platz, ich bin der geheime Grund für das Anwachsen der Preise und Bedürfnisse. Schweige ich, bin ich ein Feigling, spreche ich, will ich gewinnen, und im Allgemeinen spiele ich den Kühnen.«[58] Hinter verschlossenen Türen wurde ein Parteiverfahren zur Untersuchung seines persönlichen Einkommens und der Verwendung der Gewinne aus den Vorstellungen zu persönlichen Zwecken eingeleitet. Man suchte und fand Beweise für eine wachsende Zahl von Anschuldigungen hinsichtlich des beachtlichen Vermögens, das Păunescu im Laufe seiner Karriere angehäuft hatte. In einem Regime, das der Korruption, wenn auch nur deklarativ, den gnadenlosen Kampf angesagt hatte, bedeutete das das definitive Ende seiner Karriere.

Păunescu war temperamentvoll, aufbrausend, theatralisch, autoritär, dominierend, macht- und ruhmbesessen. Er war durch seinen öffentlichen Auftritt und seinen Einfluss auf eine gesamte Künstlergeneration zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten des Ceaușescu-Regimes geworden. Von seinem Nachlass wird häufig nicht seine Dichtung, sondern vor allem sein Beitrag zur Verbreitung des für Ceaușescu typischen Nationalismus und des aufgezwungenen Personenkults um den »weisen Steuermann« hervorgehoben.[59] Seine wiederholten und verzweifelten Versuche, die Vergebung desjenigen zu erlangen, den er in Versen besungen und im Herzen getragen hatte, schlugen fehl. Ceaușescu blieb unbeirrt in seiner Entscheidung, ihm das Rampenlicht zu verwehren.

 

 

IV. Fazit

 

Das kommunistische Regime Rumäniens entwickelte eine extreme Sensibilität für Einflüsse aus dem Westen und die Auswirkungen, die die westliche Konsumgesellschaft auf die Bevölkerung hatte, vor allem auf die junge Generation. Die Führung der RKP wandte sich gegen das Prinzip des freien Austauschs von Ideen und Werten, das sie als Quelle schädlicher Verhaltensweisen geißelte, und stellte ihm das Konzept eines »neuen, revolutionären Humanismus« mit dem Ziel der Bekämpfung einer »moralischen Verschmutzung« der Jugend in Rumänien gegenüber. Infolgedessen schränkten die Behörden den Zugang zu westlicher Kultur jeglicher Art ein. Sie verfolgten diejenigen, die den Vertrieb organisierten, und beschränkten den Zugang zu Literatur, Filmen, Zeitschriften und Musik. Eine weitere Maßnahme war die Überwachung der Beziehungen zu ausländischen Personen, deren Zahl in den 1980er-Jahren zurückging, da das touristische Angebot im Vergleich zu den 1970er-Jahren erheblich an Attraktivität eingebüßt hatte. Die Ausbreitung des Konsums, die Diversifizierung des Geschmacks, Modernisierung und Verstädterung bewirkten jedoch entscheidende Veränderungen in der Gesellschaft, die sich alternative Räume zu schaffen begann, um sich vom Druck der offiziellen Ideologie zu befreien. In den 1980er-Jahren boten Studentenclubs bemerkenswerte Veranstaltungen an, die von der ideologischen Linie des Regimes abwichen; westliche Kulturproduktionen konnten über Videotheken ungehindert verbreitet werden.

Das Regime wollte sowohl durch öffentliche Moralkampagnen als auch durch gesetzliche Maßnahmen das dem sozialistischen Ethos fremde Treiben korrigieren. Die Individualisierung der jungen Generation, die Annahme neuer bürgerlicher, ethischer und ästhetischer Verhaltensregeln zugunsten der Ziele des Regimes waren die Herausforderungen der 1970er- und 1980er-Jahre. Die allmähliche Rückgewinnung der Kontrolle über die Gesellschaft gelang sowohl durch die graduelle Steigerung der Restriktionen im gesetzlichen Rahmen als auch durch eine exzessive Ideologisierung. Ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre wurde die Schaffung eines sozialistischen Massenbewusstseins zur Priorität, die, wie Ceaușescu betonte, für die Entwicklung des »neuen Menschen« und den Aufbau einer sozialistischen, vielseitig entwickelten Gesellschaft notwendig sei. Diese beiden utopischen Konstrukte machten eine Intensivierung der ideologischen Erziehung und die progressive Einschränkung der gesellschaftlichen Freiheiten unabdingbar (beginnend mit der Einschränkung des Zugangs zu westlichen Kulturgütern bis hin zum gewaltsamen Vorgehen gegen jene, die die Macht Ceaușescus infrage stellten).

Die Auswirkungen der ideologischen Starre und die Verfestigung des Regimes einer persönlichen Diktatur Ceaușescus wurden Anfang der 1980er-Jahre spürbar, als die pharaonisch anmutenden Pläne, den Westen zu überholen und eine neue kommunistische Zivilisation zu erschaffen, in den wirtschaftlichen Realitäten der 1980er-Jahre stecken blieben. Die diktatorische Herrschaft und die Verschärfung des Personenkults, das Schüren von Verschwörungs- und Nationalismusfantasien, die exzessive Überwachung und das sich beschleunigende Sinken des Lebensstandards, die Rationalisierungen und die Ausbreitung der Korruption machten Rumänien zu einem Ort, aus dem nur die alternative Kultur ein Entrinnen bot. Obwohl der Westen von Ceaușescu offen herausgefordert wurde, blieb er für die junge Generation der 1970er- und 1980er-Jahre in Rumänien die beste aller möglichen Welten.

 

Aus dem Rumänischen übersetzt von Liana Regina Iunesch

 


[0] Der Artikel wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »Dileme identitare în România socialistă. Tânăra generație între standarde ideologice și tentația Occidentului în anii 1970« (Identitätsfragen im sozialistischen Rumänien. Die junge Generation zwischen ideologischen Standards und der Versuchung des Westens in den 1970er-Jahren) verfasst und durch die Rumänische Akademie (GARUM-2019-2231/03.06.2019) gefördert.

[1] Siehe Ewa Mazierska (Hg.): Popular Music in Eastern Europe. Breaking the Cold War Paradigm, London 2016; Gleb Tsipursky: Socialist Fun. Youth, Consumption and State-Sponsored Popular Culture in the Cold War Soviet Union, 1945–1970, Pittsburgh, Pa. 2016; Irina Costache: »From the Party to the Beach Party: Nudism and Artistic Expression in the People’s Republic of Romania«, in: Cathleen M. Giustino/Catherine J. Plum/Alexander Vari: Socialist Escapes: Breaking Away from Ideology and Everyday Routine in Eastern Europe, 1945–1989, Oxford 2015, S. 127–144; William Jay Risch (Hg.): Youth and Rock in the Soviet Bloc. Youth Cultures, Music, and the State in Russia and Eastern Europe, London 2014; Madigan Fichter: »Rock ’n’ roll nation: counterculture and dissent in Romania, 19651975«, in: Nationalities Papers 39 (2011), H. 4, S. 567585; Peter Apor: »The Joy of Everyday Life: Microhistory and the History of Everyday Life in the Socialist Dictatorships«, in: East Central Europe 34 (2007), H. 1, S. 185–218.

[2] Aktuelle Studien bieten Einblicke in alternative Lebensräume unter dem Einfluss westlicher kultureller Strömungen und Verhaltensweisen: Rockmusik, FKK und andere Formen des Konsumverhaltens und der Freizeitgestaltung. Sie standen im Widerspruch zum strengen sozialistischen Geist. Siehe Jill Massino: Ambiguous Transitions: Gender, the State, and Everyday Life in Socialist and Postsocialist Romania, Oxford 2019; David Crowley/Susan E. Reid (Hg.): Pleasures in Socialism. Leisure and Luxury in the Eastern Bloc, Evanston, Il. 2010.

[3] Im Volksmund wurden diese Jacken als »Alaindelon« bezeichnet.

[4] Constantin Schifirneț schrieb die Entscheidung zur Gründung des Forschungszentrums für die Problemlagen der Jugend der Liberalisierung zu, die die »soziale und ideologische Möglichkeit« dazu eröffnet habe. Siehe Treizeci de ani de cercetare științifică a tineretului. Centrul de studii și cercetări pentru probleme de tineret [Dreißig Jahre wissenschaftliche Jugendforschung. Zentrum für Studien und Forschung zu Jugendfragen], in: Sociologie românească (1999), H. 1, S. 137 f.

[5] Siehe Emanuel Copilaș: Generația anului 2000. Cultură și subculturi ale tineretului în România socialistă. Studiu de caz: Timișoara [Die Generation des Jahres 2000. Kultur und Subkulturen der Jugend im sozialistischen Rumänien. Fallstudie: Temeswar], Bukarest 2019, S. 301.

[6] Arhivele Naţionale Istorice Centrale/Nationalarchiv für Geschichte (im Folgenden: ANIC), Fonds ZK der RKP, Abteilung Propaganda und Agitation, Akte 28/1968, S. 55.

[7] Ebd.

[8] Mihnea Berindei/Dorin Dobrincu/Armand Goșu (Hg.): Istoria comunismului din România [Geschichte des Kommunismus in Rumänien], Bd. II., Documente. Nicolae Ceaușescu (19651971) [Dokumente. Nicolae Ceaușescu (19651971)], Iași 2012, S. 498510.

[9] Ebd., S. 588.

[10] Decret Nr. 153 din 24 martie 1970 pentru stabilirea si sanctionarea unor contraventii privind regulile de convietuire sociala, ordinea si linistea publica [Dekret Nr. 153 vom 24. März 1970 zur Ermittlung und Bestrafung der Vergehen gegen die Regeln des sozialen Zusammenlebens, der öffentlichen Ordnung und des Friedens], www.legex.ro/Decretul-153-1970-454.aspx (ges. am 31. März 2021).

[11] »Probleme ale tineretului occidental« [Probleme der westlichen Jugend], in: Scânteia vom 7. Januar 1972.

[12] Nicolae Ceaușescu: Propuneri de măsuri pentru îmbunătățirea activității politico-ideologice, de educare marxist-leninistă a membrilor de partid, a tuturor oamenilor muncii, 6 iulie 1971 [Vorschläge für Maßnahmen zur Verbesserung der politisch-ideologischen Arbeit, zur marxistisch-leninistischen Bildung der Parteimitglieder, aller Werktätigen, 6. Juli 1971], Bukarest 1971, S. 8. Eine direkte Folge der »Julithesen« war die Gründung des Rats für Kultur und sozialistische Erziehung im September 1971, dessen Aufgabe es war, die gesamte Kultur- und Bildungsarbeit zu koordinieren.

[13] Zum Austausch der marxistisch-leninistischen Orthodoxie gegen die nationale Ideologie und zur symbolischen Kontrolle der Gesellschaft durch die Partei unter Einbindung der Intellektuellen, siehe Katherine Verdery: Compromis și rezistență. Cultura română sub Ceaușescu [Kompromiss und Widerstand. Die rumänische Kultur unter Ceaușescu], Bukarest 1994, S. 102–115 sowie Alexandra Tomiță: O istorie »glorioasă«. Dosarul protocronismului românesc [Eine »glorreiche« Geschichte. Die Akte des rumänischen Protochronismus], Bukarest 2007.

[14] Ceaușescu: Propuneri (Anm. 12), S. 13.

[15] Ebd., S. 14.

[16]Zitat nach: Cinematepeca prezintă »Reconstituirea«, film interzis de comuniști la trei zile după lansare [Cinematepeca präsentiert »Reconstituirea«, einen von den Kommunisten drei Tage nach seiner Veröffentlichung verbotenen Film, www.digi24.ro/magazin/timp-liber/film/cinematepeca/cinematepeca-prezinta-reconstituirea-film-interzis-de-comunisti-la-trei-zile-dupa-lansare-1044640 (ges. am 12. April 2021). Die Situation wiederholte sich 1983, als Ceaușescu eingriff, um die Ausstrahlung des Films »Faleze de nisip« [Sanddünen] (Regie: Dan Pițas) zu stoppen, der ebenfalls die Willkür von Funktionsträgern der Partei und im Staatsapparat behandelt. Ceaușescu ordnete danach an, die Produktion solcher Filme zukünftig zu unterbinden. Siehe Nicolae Ceaușescu: Cuvântare la consfătuirea de lucru pe problemele muncii organizatorice și politico-educative din 2–3 august 1983 [Rede bei der Beratungssitzung zur organisatorischen und politisch-erzieherischen Arbeit vom 2.–3. August 1983], in: România pe drumul construirii societății socialiste [Rumänien auf dem Weg zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft], Bd. 26, Juni–Dezember 1983, Bukarest 1984, S. 185.

[17] Ceaușescu: Propuneri (Anm. 12), S. 49.

[18] Dan Zamfirescu: Via Magna, Bukarest 1979, S. 135.

[19] Ceaușescu: Cuvântare (Anm. 16), S. 181.

[20] Centru naţional pentru studierea arhivelor Securităţii/Nationales Zentrum für die Erforschung der Securitate-Archive (im Folgenden: CNSAS), Fond Documentar, D 013055, Bd. 1/1980, S. 145.

[21] Siehe »Ancheta noastră: mijloace, procedee în munca cu tineretul« [Unsere Ermittlung: Mittel, Prozeduren in der Arbeit mit Jugendlichen], in: Revista Securitatea (1971), H. 3, S. 42–57; sowie Nicolae Mihai: »Preocupări sporite pentru prevenirea oricăror acțiuni dușmănoase sau antisociale din rândul tinerilor« [Wachsende Beschäftigung zur Vorbeugung jeglicher feindlicher oder antisozialer Handlungen unter Jugendlichen], ebd., S. 58–62.

[22] 1977 veröffentlichten Daniela Caraman Fotea und Florian Lungu im Verlag Editura Muzicală ein erstes Lexikon mit dem Titel »Disco ghid rock« [Disko-Rock-Führer], das als Verzeichnis aller repräsentativen Pop- und Rock-Bands im In- und Ausland gedacht war. 1982 gelang es Daniela Caraman Fotea überraschenderweise, trotz der ideologischen Schranken und der beschränkten Verbreitung westlicher Produkte eine Arbeit mit dem Titel »Conexiuni rock. De la Bill Haley la Beatles și Rolling Stones‹« [Rock-Vernetzungen. Von Bill Haley zu den »Beatles« und »Rolling Stones«] zu veröffentlichen.

[23] Octavian Ursulescu: »Parada formațiilor ›pop‹« [Die Pop-Gruppen-Parade], in: Almanahul Flacăra [Flacăra-Almanach], Bukarest 1970, S. 279–284.

[24] Alexei Yurchak: Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton 2006, S. 158–162.

[25] Siehe den anthropologischen Ansatz zur Anziehungskraft des Westens für die Jugend in kommunistischen Ländern bei Gabriel Bar-Haim: »Actions and Heroes: The Meaning of Western Pop Information for Eastern European Youth«, in: The British Journal of Sociology 40 (März 1989), H. 1, S. 22–45.

[26] Manuela Marin: »Securitatea și panica morală: contraculturile muzicale ale tineretului în România comunistă a anilor ’80« [Die Securitate und moralische Panik: die musikalische Gegenkultur der Jugend im kommunistischen Rumänien der 80er-Jahre), in: Marginalități, periferii, frontiere simbolice. Societate comunistă și dilemele sale indentitare [Marginalitäten, Peripherien, symbolische Grenzen. Die kommunistische Gesellschaft und ihr Identitätsdilemma], Anuarul Institutului de Investigare a Crimelor Comunismului și Memoria Exilului Românesc [Jahrbuch des Instituts zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus und zum Gedenken an das rumänische Exil], Bd. IX, Bukarest 2014, S. 284 f.

[27] Ion Iliescu în 1970 despre Radio Europa Liberă [Ion Iliescu 1970 über Radio Free Europe], http://adriancioflanca.blogspot.com/2010/04/ion-iliescu-in-1970-despre-radio-europa.html (ges. am 10. April 2021).

[28] Marin: Securitatea (Anm. 26), S. 287; siehe auch Petrică Mogoș/Pauwke Berkers: »Navigating the Margins between Consent and Dissent. Mechanisms of Creative Control and Rock Music in Late Socialist Romania«, in: East European Politics and Societies and Cultures 32 (Februar 2018), H. 1, S. 56–77, hier 58 f.

[29] Marin: Securitatea (Anm. 26), S. 288 f.

[30] Ceaușescu: Propuneri (Anm. 12), S. 15. Zu den bekanntesten Folk-Sängerinnen und -Sängern gehörten Maria Ciobanu, Ion Dolănescu, Irina Loghin und Benone Sinulescu. Ihre Plattenverkäufe lagen je bei fast 500 000 Exemplaren.

[31] 1971 umbenannt in Rat für Kultur und sozialistische Erziehung.

[32] Dumitru Popescu: Cronos autodevorându-se ... Memorii [Der sich selbst zerfleischende Cronos ... Erinnerungen], Bd. 3: Artele în mecenatul etatist [Die Künste im etatistischen Mäzenatentum], Bukarest 2013, S. 14.

[33] Zum Repertoire des späteren Festivals gehörten revolutionäre und patriotische Lieder, die in der sozialistischen Realität und den nationalen Traditionen wurzelten, Theaterstücke, ethische und soziale Gespräche am Runden Tisch, Produktionen der Kunstbrigaden, thematische Tänze zu Bereichen, in denen Rumänien erfolgreich war, wie Landwirtschaft, Industrie, Errichtung monumentaler Bauten, wissenschaftliche Forschung, Sport, Übererfüllung des Plans. Nicolae Ceaușescu: Expunere prezentată la Congresul educației politice și al culturii socialiste [Vortrag im Rahmen des Kongresses für politische Bildung und sozialistische Kultur], 2Juni 1976, in: România pe drumul construirii societății socialiste (Rumänien auf dem Weg zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft), Bd. 13, Mai-September 1976, Bukarest 1977, S. 56.

[34] CNSAS, Dokumentations-Fonds, D 011737, Bd. 35, S. 117.

[35] Ceaușescu hatte gefordert, dass alle Kultur- und Medieninstitutionen zu »Zentren der patriotischen, revolutionären Bildung des neuen Menschen« würden. Ceaușescu: Cuvântare (Anm. 16), S. 184.

[36] Cuvântare la Congresul al III-lea al Culturii și Educației Socialiste [Rede anlässlich des III. Kongresses der Sozialistischen Kultur und Bildung], 17. August 1987, in: România pe drumul construirii societății socialiste [Rumänien auf dem Weg zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft], Bd. 30, September 1986 – September 1987, Bukarest 1988, S. 717.

[37] Dragoș Petrescu: The alluring facet of Ceaușescu-ism: nation-building and identity politics in communist Romania, 1965–1989, in: New Europe College Yearbook (2003), H. 11, S. 241–272, hier S. 259.

[38] ANIC, Fonds ZK der RKP, Abteilung Propaganda und Agitation, Akte 28/1968, S81 f.

[39] Ebd. Das »Katanga« war ein Kaffeehaus mit einer bunten Kundschaft in Bukarest, in das vor allem Ausländer (Touristen, Geschäftsleute, Diplomaten), Studenten, Prostituierte und Offiziere der Securitate, die Informationen sammelten, einkehrten.

[40] ANIC, Fonds ZK der RKP, Abteilung Propaganda und Agitation, Akte 28/1968, S. 55.

[41]Mihai Plămădeală: Club A – 42 de ani de existență! [Club A – 42 Jahre des Bestehens!], in: Observatorul Cultural, Nr. 575/2011, www.observatorcultural.ro/articol/club-a-42-de-ani-de-existenta-galerie-foto/ (ges. am 12März 2020). Mehr zur Geschichte der Clubgründung bei Doru Ionescu: Club A – 42 de ani. Muzica tinereții tale [42 Jahre Club A. Die Musik deiner Jugend], Bukarest 2011.

[42] Zu den Gründerinnen und Gründern gehörten u. a. Eugen Barbu, Radu Beligan, Mihai Beniuc, Augustin Buzura, Nina Cassian, Ion Caramitru, Marcel Chirnoagă, Șerban Cioculescu, Dinu Cocea, Radu Cosașu, Ștefan Augustin Doinaș, Tudor Gheorghe, Octavian Paler, Amza Pellea, Irina Petrescu, Florian Pittiș, D. R. Popescu, Eugen Simion und Marin Sorescu.

[43] Păunescu verstand sich wie kein anderer darauf, Ceaușescu zu schmeicheln. Jeder kleine Gefallen, den er forderte oder vermittelte, wurde von bedingungsloser Hingabe begleitet. Ein bis aufs Äußerste übertriebenes Engagement macht auch sein Brief an Ceaușescu 1981 deutlich: »Ich habe Sie geliebt, liebe Sie und werde Sie lieben. Daran führt kein Weg vorbei. Ich schenke Ihnen meine Jugend. Eine andere werde ich nicht haben. Ich liebe Sie nicht aus Provokation, sondern wie meine Kinder und meine Familie, der Sie ein schützendes Genie sind. Sie haben für Rumänien und für die Welt mehr getan als alle Brežnevs, Carters und Reagans zusammen. Sie sind ein begnadeter Mensch, Sie haben Genialität, Sie haben eine außerordentliche Frau an Ihrer Seite und im Lichte Ihrer elterlichen Fürsorge wächst ein junger revolutionärer Patriot heran, der zunehmend mündig und ernst wird, in dem ich spüre, einen Freund gefunden zu haben, Ihr Sohn Nicu«. ANIC, Fonds ZK der RKP, Kanzleiabteilung, Akte 78/1982, S. 132–140.

[44] Alexandru Mamina: Cenaclul Flacăra – istorie, cultură, politică [Cenaclul Flacăra – Geschichte, Kultur, Politik], Târgoviște 2020, S. 35.

[45] Păunescu erklärte im Rahmen eines Treffens mit Ceaușescu und den Vertretern des Schriftstellerverbands am 21. September 1971, dass die in den USA verbrachte Zeit ihm geholfen habe, die Entwicklung der rumänischen Gesellschaft besser zu verstehen: »Von dort aus [den USA] habe ich verstanden, dass ich heimkommen und nichts anderes äußern muss, als das, was ich glaube, und nur jene Dinge tun muss, die auch den anderen dienen«, ANIC, Fonds des ZK der RKP, Abteilung Propaganda und Agitation, Akte Nr. 3/1971, S. 49. Zum amerikanischen Einfluss siehe auch Gabriela Adameșteanu: Anii romantici [Die romantischen Jahre], Iași 2014, S. 111.

[46] »Flacăra«, Nr. 39 vom 22. September 1973.

[47] Die bekanntesten Losungen waren: »Es lebe die Freiheit!«; »Es lebe Ceaușescu!«; »Es lebe das Volk in Frieden und Glück!«; »Es lebe Ceaușescu, die Partei und das Volk!«. Manchmal wurde auch Păunescus Name skandiert, so z. B. im April 1985 in Toplița, als die im Saal Anwesenden spontan »Păunescu, wir lieben und ehren dich!« ausriefen.

[48] Die Losung »Licht, Kampf und Freiheit« war der Titel eines Gedichts von Păunescu, das mit folgender Strophe endet: »Mit unbezwungener Trikolore/und der roten Fahne auf der Festung/erhobener Fahne und erhobenem Arm/Licht! Kampf! Freiheit!« (»Cu tricolorul nesupus/Și steagul roșu pe cetate/Cu steagul sus și brațul sus/Lumină! Luptă! Libertate!«).

[49] Oana Nasui: »Construirea de politici publice culturale în perioada Ceaușescu« [Der Aufbau einer öffentlichen Kulturpolitik unter Ceaușescu], in: Cristina Anisescu/Daniela Apostol/Florin Dumitrescu u. a.: Cultura de masă în »Epoca de Aur«. Cântarea României & Cenaclul »Flacăra« [Die Massenkultur im »Goldenen Zeitalter«, Cântarea României & Cenaclul »Flacăra«], Bukarest 2019, S. 152.

[50] 1976 wurde die Bezeichnung »›Flacăra‹-Kreis der revolutionären Jugend des ZK des Kommunistischen Jugendverbands« (Cenaclul »Flacăra« al tineretului revoluționar organizat de CC al UTC) eingeführt.

[51] Rodica Chelaru: Culpe care nu se uită. Convorbiri cu Cornel Burtică [Schuld, die nicht vergessen wird. Gespräche mit Cornel Burtică], Bukarest 2001, S. 114.

[52] Siehe Paul Cernat: »Îmblînzitorul României socialiste« [Der Bändiger des sozialistischen Rumänien], in: Paul Cernat/Ion Manolescu/Angelo Mitchievici u. a.: Explorări în comunismul românesc [Erkundungen im rumänischen Kommunismus], Bd. I, Iași 2004, S. 342.

[53] Stratonelu (un rocker atipic). Nelu Stratone în dialog cu Florin-Silviu Ursulescu [Stratonelu – ein untypischer Rocker. Nelu Stratone im Gespräch mit Florin-Silviu Ursulescu], Bukarest 2016, S. 77 f.

[54] Nichita Stănescu: Martorul statornic al vieții mele este sesibilitatea vieții mele [Der ständige Zeuge meines Lebens ist die Empfindlichkeit meines Lebens], in: Flacăra, Nr. 13 vom 1. April 1983.

[55] Adrian Păunescu: »Cronică« [Chronik], in: Flacăra vom 27. März 1980.

[56] ANIC, Fonds ZK der RKP, Abteilung Propaganda und Agitation, Akte 8/1981, S. 1–8.

[57]Anmerkung zum Bericht vom Kreisschulinspektorat Prahova vom 19. Juni 1985, www.cnsas.ro/documente/judete/Prahova/11.pdf (ges. am 7. April 2021).

[58] Eu, diversiunea [Ich, das Ablenkungsmanöver], in: Flacăra vom 21. Dezember 1984.

[59] Eine Analyse des Phänomens »Cenaclul Flacăra« bei Alina Pavelescu: Idéologiser la culture alternative. Adrian Păunescu et le Cénacle Flacăra, in: History of Communism in Europe (2011), H. 2, S. 51–71.

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