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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2013

Stalinistische Verbrechen als Problem gegenwärtiger Erinnerungskultur(en) in Europa

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 299-314 | Aufbau Verlag

Autor/in: Bernd Faulenbach

I. Nationale und transnationale Auseinandersetzung mit Erinnerung und Erinnerungskulturen

Seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts wird verstärkt über Erinnerungskulturen debattiert, die sehr unterschiedliche Bezugsgruppen haben, doch vor allem auf nationaler Ebene anzutreffen sind.1 Die Diskussion wurde besonders durch die Umwälzung in den Jahren zwischen 1989 und 1991 stimuliert, die die historische Konstellation in Europa grundlegend veränderte. Sie stellte die durch die kommunistischen Regime geprägten Erinnerungskulturen in Osteuropa infrage und warf auch für jene im Westen kritische Fragen auf. Im Hinblick auf den Osten lässt sich für die dann folgenden Jahre von einem Transformationsprozess der Erinnerungskulturen sprechen.2

Vielfältige Debatten entwickelten sich besonders auf nationaler Ebene, stellte sich doch – insbesondere in Ostmitteleuropa – die Frage nach den Selbstverständnissen neu; mancherorts begann bzw. setzte sich ein verspäteter Nationsbildungsprozess fort, begleitet von der (Re-)Konstruktion eines nationalen Geschichtsbildes. Sehr bald zeigte sich jedoch, dass diese Prozesse keineswegs national isolierte Vorgänge waren, ist doch die Geschichte der europäischen Länder engstens miteinander verflochten. So enthalten die Prozesse Vorstellungen über das Verhältnis zu anderen Nationen und spiegeln auch Haltungen gegenüber Kriegsgegnern – viele Länder sind Kriegsgeburten –, gegenüber Sezessionen und Selbstbefreiungen; sie tragen nicht nur zum Bewusstwerden der eigenen Identität, sondern auch zur Abgrenzung gegenüber den Nachbarn und zur Perpetuierung von Gegensätzen bei.3 Hinzugekommen ist die rasant wachsende transnationale Kommunikation, aufgrund derer die Länder näher zusammenrücken und die Vorgänge in einem Land von den anderen Ländern stärker wahrgenommen werden. Geschichtspolitische Konflikte sind die Folge.4

Auch der europäische Integrationsprozess seit den Neunzigerjahren hatte Folgen. Mit der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft stellt sich die Frage nach dem, was die Europäische Union verbindet. Seit der Jahrtausendwende wird verstärkt nach der europäischen Identität, nach der »Europäität« gefragt, denn die Europäische Union (EU) will mehr sein als eine Wirtschaftsgemeinschaft.5 Gerade auch die in die EU aufgenommenen Länder sehen Europa vorrangig als »Kultur«. Dies alles hat eine Suche nach europäischen Gemeinsamkeiten, nach Werten und nicht zuletzt nach gemeinsamer Geschichte in Gang gesetzt.

Dabei kommt den Erfahrungen und Erinnerungen des 20. Jahrhunderts, das Eric Hobsbawm als »Zeitalter der Extreme« charakterisiert hat,6 besondere Bedeutung zu. Im Westen herrscht Einigkeit darüber, dass der Holocaust einen negativen Erinnerungskomplex darstellt, ihm wird geradezu eine identitätsstiftende Rolle zugesprochen.7 Demgegenüber bergen die Erfahrungen mit dem Kommunismus, insbesondere die Erinnerung an Verbrechen kommunistischer Systeme, nach wie vor Probleme der Aufarbeitung und Bewertung. Den Ursachen und Hintergründen dafür geht diese Skizze nach.

Zunächst wird nach den Spezifika der kommunistischen Verbrechen gefragt. Inwieweit sind diese die Ursache für Probleme beim Umgang mit jenen Verbrechen in den europäischen Erinnerungskulturen? Unter Berücksichtigung der realgeschichtlichen Zusammenhänge und der gegenwärtigen politischen Kulturen wird die Erinnerung an den Kommunismus in den verschiedenen Geschichtsregionen untersucht – angefangen von Osteuropa, über Ostmitteleuropa bis hin zu Deutschland und Westeuropa.8 In einem weiteren Schritt wird die Meinungsbildung über den Kommunismus und seine Verbrechen in der heutigen europäischen Erinnerungskultur beleuchtet. Abschließend sind Anforderungen an eine Geschichtspolitik zur Weiterentwicklung europäischer Erinnerungskultur(en) zu formulieren.

II. Spezifika der kommunistischen Verbrechen

Die kommunistischen Systeme werden für zahlreiche Verbrechen verantwortlich gemacht.9 In der europäischen Diskussion geht es in erster Linie um die Verbrechen des Sowjetkommunismus, besonders der Stalin-Ära, sowie um die Verbrechen der kommunistischen Regime, die mit der Sowjetunion eng verbunden waren.10 Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für die Politik der Regime in den verschiedenen Ländern stellt sich die Frage: Was geschah auf Weisung Moskaus, wofür waren die Regime selbst verantwortlich?

Auch bezogen auf Terror und Verbrechen in der Sowjetunion stößt der Betrachter auf Probleme, schon wegen der Länge des in Betracht kommenden Zeitraumes zwischen 1917 und 1991. In den Blick kommen – abgesehen vom Bürgerkrieg – der Holodomor und die Verfolgung der Kulaken, der Große Terror 1937/38, von dem ca. 1,5 Millionen Menschen betroffen waren (von denen etwa die Hälfte sogleich erschossen wurde, an Orten, die wir häufig bis heute nicht kennen),11 die Verschleppung zur Zwangsarbeit in die – vielfach in unwirtlichen Regionen angesiedelten – Lager, in denen zahlreiche Menschen umkamen, Lager, die gewaltige Ausmaße hatten und zusammen den Gulag bildeten.12 Während des Krieges folgte die Zwangsumsiedlung von nationalen Minderheiten der Sowjetunion, und – nach dem Hitler-Stalin-Pakt – von großen Gruppen aus den annektierten Gebieten, Vorgänge, die sich mit dem Vordringen der Roten Armee und nach dem Krieg fortsetzten.

Insgesamt betrachtet können die kommunistischen Verbrechen somit nicht ausschließlich mit der Verfolgung der eigenen Bevölkerung unter Einschluss der KPdSU gleichgesetzt werden.13 Neben den Menschen unterschiedlicher Nationalitäten in der Sowjetunion waren auch Hunderttausende außerhalb der Sowjetunion betroffen. Sie alle waren Opfer des stalinistischen Regimes und seiner Politik, doch viele – insbesondere außerhalb der Sowjetunion, etwa in den baltischen Ländern – interpretierten die Verfolgung eher national: Sie sahen ihre Nation von den Russen unterdrückt.

Nach wie vor sind Motivation und Zielsetzung der Verfolgungspolitik unklar. Zwar lässt sich – etwa bei der Kulaken-Verfolgung – auf politisch-ideologische Motive, zu denen auch höchst fragwürdige Modernisierungsziele gehörten, schließen, doch ist der Vernichtungswille nicht unstrittig. Ideologische Ziele werden auch beim Großen Terror genannt, doch ging es dabei offenbar mindestens genauso um die Durchsetzung brutaler Machtinteressen in der konkreten Konstellation.14 Andererseits entwickelte sich eine Eigendynamik des Terrors.15 So variieren die Erklärungsversuche zwischen dem Motiv der rücksichtslosen Behauptung der Herrschaft in einer als prekär empfundenen Situation bis zu Stalins Paranoia, wobei freilich Betrachtungsweisen, die ausschließlich die Person Stalin im Blick haben und Strukturen und Prozesse nicht berücksichtigen, zunehmend als unzureichend empfunden werden.

Trotz internationaler historischer Forschungsarbeit, der Bemühungen von Memorial und anderer Einrichtungen kommt man nicht umhin, festzustellen, dass die vielfältigen Verbrechen in der stalinistischen Sowjetunion und teilweise auch in den osteuropäischen Ländern insgesamt noch immer nicht vollständig aufgearbeitet sind, so dass der Forschungsstand keinem Vergleich mit den NS-Verbrechen während des Holocaust Stand hält. Dies gilt insbesondere für den Gulag mit seinen unterschiedlichen Lagern und den von ihm bestimmten Regionen.16 Darum bedarf es der Erklärung im Hinblick auf die Geschichtswissenschaft in Russland, doch auch im Hinblick auf die anderen Länder Ost- und Westeuropas, in deren Vorstellungen vom sowjetischen Kommunismus zwar lange Zeit der Große Terror unter Stalin präsent war, die Erforschung des Gulag jedoch eher im Hintergrund stand. Über Jahrzehnte galt aus westlicher Sicht die Entwicklung in der Sowjetunion als eine ernst zu nehmende Alternative zur westlichen Modernisierung, doch fanden – so wird man feststellen müssen – die Opfer, die für den sowjetischen Weg gebracht wurden, dabei verhältnismäßig wenig Beachtung.

III. Die stalinistischen Verbrechen in der heutigen russischen Erinnerungskultur

In der gegenwärtigen russischen Erinnerungskultur spielen die Verbrechen der kommunistischen Zeit, auch die der Stalin-Ära, keine dominante Rolle.17 Zwar gibt es mehrere Hundert sichtbare Zeichen, die an den Großen Terror erinnern, vielfach aufgestellt von lokalen Initiativen,18 aber abgesehen von Perm existieren kaum Gedenkstätten an den früheren Orten des Gulag, mancherorts halten nur knappe Hinweise die Erinnerung wach.19 Auch wenn die zivilgesellschaftliche Organisation Memorial die Erinnerung an das Geschehen zu bewahren versucht, geht die offiziöse Erinnerungskultur daran weitgehend vorbei.

Nikita Chruschtschow brach 1956 mit seiner berühmten Rede auf dem XX. Parteitag der KPdSU mit dem Stalinismus. Er setzte sich dabei kritisch mit den stalinistischen Verbrechen auseinander: Der Gulag in seiner bisherigen Form wurde aufgelöst. Im kulturellen Bereich wurde für einige Jahre die stalinistische Repressionspolitik thematisiert, z. B. in der Erzählung Alexander Solschenizyns Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch (1962). Dennoch begann weder eine justizförmige Klärung der Verantwortlichkeit für die Verbrechen noch eine systematische zeithistorische Aufarbeitung. Nach Chruschtschows Ablösung 1965 wurde der Gulag sogar wieder tabuisiert und seine Thematisierung unter Strafe gestellt, so dass etwa Solschenizyns Archipel Gulag 1973 in Paris erscheinen musste. Verstärkt zum Thema wurden der Archipel Gulag und die sowjetische Repressionspolitik erst wieder in der Ära Gorbatschow. Auch jetzt waren es eher die Medien und die Publizistik, die das Thema bearbeiteten, als die historische Forschung, die sich zurückhielt. Im Laufe der Neunzigerjahre ging die Beschäftigung mit dem Gulag bemerkenswerterweise wieder zurück. In neuester Zeit lassen sich sogar politisch-gesellschaftliche Tendenzen für eine neuerliche Aufwertung Stalins erkennen.20 Allerdings arbeitet – abgesehen von manchen Historikern – die zivilgesellschaftliche Organisation Memorial weiter an der Aufklärung über die Repression und ihre Opfer und dokumentiert das Geschehen in Ausstellungen.21 Gemessen an der Aufgabe – etwa der Würdigung der verschiedenen Gruppen oder auch der Verfolgten der NS-Gewaltpolitik in Russland, insbesondere der ermordeten Juden – sind die Möglichkeiten von Memorial allerdings begrenzt.

Zentrale Bestandteile der Erinnerungskultur in sowjetischer Zeit waren die Oktoberrevolution, die Gestalt Lenins, zeitweilig der Stalin-Kult, vor allem aber – verstärkt seit der Breschnew-Zeit – der Sieg über das faschistische Deutschland im »Großen Vaterländischen Krieg«, in dem die Völker der Sowjetunion tatsächlich gewaltige Opfer gebracht haben, denen in der Folge zahlreiche monumentale Denkmäler und Erinnerungsorte gewidmet wurden. Die eindrucksvollste Anlage ist vielleicht jene auf dem Mamajew-Hügel in Wolgograd mit der riesigen Figur der Mutter Russland – Manifestation einer heroisierenden und glorifizierenden Geschichtssicht, die Helden rühmt, aber kaum Sinn für die vielen Opfer hat, eine Einstellung, die noch in der Gegenwart insofern nachwirkt, als eine Tendenz zur Viktimisierung hier anders als im übrigen Europa nicht erkennbar ist. Während der Mythos der russischen Revolution samt der Gestalt Lenins – die weiterhin in zahlreichen Denkmälern präsent ist – allmählich verblasst,22 bildet der heroisiert dargestellte Große Vaterländische Krieg nach wie vor geradezu das Zentrum der russischen Erinnerungskultur, das zweifellos nach innen eine integrative Funktion ausübt und nach außen Anknüpfungspunkte mit dem Westen bietet.23 Allerdings hat sie mit ihrer Darstellung des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen Widerspruch in Ostmitteleuropa hervorgerufen, gegen den sich im Gegenzug die russische Seite gewehrt hat, u. a. mit der Gründung einer Kommission, die Geschichtsfälschungen bekämpfen sollte. Flankiert wird die Erinnerung an den heroischen Krieg im Übrigen durch verstärktes Interesse an den vorrevolutionären Traditionen, etwa an Peter den Großen. Die russische Identität wird dabei nicht zuletzt in der imperialen Idee gesehen.

Sicherlich bedeuten die Gorbatschow-Jahre, das Ende der Sowjetunion und die Jelzin-Jahre einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Landes. Trotzdem existieren nach wie vor beachtliche Kontinuitäten, die für eine nachhaltige kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Sowjetunion inklusive der staatlichen Verbrechen nicht günstig sind, zumal in den letzten Jahren tendenziell eine Wiederannäherung an die Sowjetzeit stattgefunden zu haben scheint.24 Die Gewaltpolitik und ihre Opfer sind nicht Teil des politischen Selbstverständnisses: Es fehlt weitgehend der »kritische Modus«, in dem andere Europäer eine Abgrenzung zur vorhergehenden Geschichte vornehmen.25 Selbst im Hinblick auf Familiengedächtnisse ist die Frage offen, inwieweit sie sich der staatlich geprägten Erinnerung widersetzen.26 Das Verhältnis zur Geschichte der Sowjetunion befindet sich im heutigen Russland in einem merkwürdigen Schwebezustand, der ebenso Ausdruck für die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse ist.

IV. Die kommunistische Vergangenheit in den ostmitteleuropäischen 
Erinnerungskulturen

Die Erinnerungskulturen in Ostmitteleuropa unterscheiden sich nicht nur deutlich von der russischen Erinnerungskultur, sondern stehen zu dieser teilweise in einem ausgesprochenen Spannungsverhältnis.27 In einer Reihe von Ländern, insbesondere in den baltischen Ländern und Polen, aber auch in Ungarn und Tschechien, spielt die kommunistische Zeit durchaus eine Rolle: Man grenzt sich von dieser Periode – auch wenn es dazu Kontroversen gibt – deutlich ab. Die baltischen Länder sehen sich als Opfer der Okkupation von NS-Deutschland, doch mehr noch von Sowjetrussland.28 Ähnliches gilt für Polen, das sich seit den polnischen Teilungen als Opfer der mächtigen Nachbarn sieht, bezogen auf den Zweiten Weltkrieg als Opfer der NS-Gewaltpolitik, doch eben auch der folgenden sowjetischen Politik, die seit den Achtzigerjahren verstärkt kritische Beachtung gefunden hat.29 Die Massenmorde von Katyn sind Teil des Kernbestandes der polnischen Erinnerungskultur, was in zahlreichen Erinnerungsorten und -zeichen seinen sichtbaren Ausdruck findet.30

Die Erinnerungen an Verbrechen der kommunistischen Zeit sind vielfach Teil der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, der dabei weniger als marxistisch-leninistische Ideologie, sondern mehr als Vehikel des sowjetrussischen Imperialismus interpretiert wird. Teilweise wird die kommunistische Zeit mit ausgesprochen nationalen Kategorien erfasst. So wird die kommunistische Herrschaft in den baltischen Ländern – etwa in den Okkupationsmuseen in Riga und Tallinn31 – als Fremdherrschaft aufgefasst, mit der die Deportationen in die Sowjetunion 1939/40 und nach 1945 verbunden werden. In Polen und in Ungarn gibt es darüber Streit, kann doch die Rolle der kommunistischen Parteien nicht einfach übergangen werden. Zudem ist unübersehbar, dass es nationale Einfärbungen der kommunistischen Regime gegeben hat, so dass auch die kommunistische Periode Teil der jeweiligen nationalen Geschichte ist. Repression und Unrecht sind deshalb differenziert aufzuarbeiten, womit man keineswegs überall mit gleicher Entschiedenheit begonnen hat. Das Gleiche gilt auch für den Aufbau von Erinnerungskulturen, die im Hinblick auf die kommunistische Zeit auf jeweils nationale Unrechtstatbestände und Opfer abheben.

Generell lassen sich mit Stefan Troebst verschiedene Typen der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in den ostmitteleuropäischen Ländern unterscheiden:32 Während in einer ersten Gruppe Konsens darüber herrscht, dass das kommunistische Regime aufoktroyiert wurde, gibt es in einer zweiten Gruppe über die kommunistische Herrschaft Kontroversen, in einer dritten spielt die Frage keine große Rolle, auch werden die kommunistischen Regime hier keineswegs nur negativ gesehen. In einer vierten Gruppe von Ländern ist der Wandel der Regime nur als oberflächlich zu kennzeichnen. Der Umgang mit dem kommunistischen Erbe und die Entwicklung einer Erinnerungskultur, die den Opfern der kommunistischen Zeit gewidmet ist, hat mit den jeweiligen historischen Erfahrungen im kommunistischen Regime zu tun, doch auch mit der Frage gegenwärtiger politisch-gesellschaftlicher Kontinuität und Diskontinuität zur Zeit vor 1989.33

Grundsätzlich wird derzeit vor allem von den – häufig konservativen – Regierungen der ostmitteleuropäischen Länder, die zur EU gehören, die Erfahrung mit dem Kommunismus als wesentliche Komponente europäischer Erinnerungskultur hervorgehoben, deren Attraktivität darin besteht, dass sie die Vielzahl nationaler Gegensätzlichkeiten in diesem Raum überdeckt.34 Allerdings ist gerade Ostmitteleuropa – von Timothy Snyder im Hinblick auf die Gewalttaten NS-Deutschlands und der stalinistischen Sowjetunion Bloodlands genannt35 – in dem insbesondere der deutsche Totalitarismus seine ungeheuerlichen Verbrechen verübt hat, vor allem den Mord an den europäischen Juden, der Raum, in dem sich die Täterschaften auf eine komplizierte Weise überlagert haben. Obgleich die deutsche Urheberschaft beim Judenmord außer Zweifel steht, stellt sich bezogen auf diese Gewaltpolitik die Frage, inwieweit sie nicht auch in den Ländern hier und da Unterstützung erhalten hat und welche Motive dahinter standen. Darüber gibt es irritierende Diskussionen, in Polen etwa zu Jedwabne.36 Die Vorstellung, stets Opfer gewesen zu sein, wird dabei zumindest punktuell infrage gestellt.37

Derartige selbstkritische Fragen fallen teilweise schwer, weil man gerade erst dabei ist, Nationsbildungsprozesse nachzuholen, bei denen die Selbstbehauptung gegenüber den Nachbarn eine wichtige Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund gibt es gewisse Tendenzen der Externalisierung von Schuld. Die Absage an die Vergangenheit ist unterschiedlich intensiv, doch wenig mit nationaler Selbstkritik verbunden.

Bei genauerem Hinsehen sind – gerade was die Berücksichtigung des Holocausts und der stalinistischen Verbrechen angeht – Unterschiede erkennbar. Die Erfahrungen des Krieges wurden in der kommunistischen Zeit ausgesprochen nationenbezogen betrachtet, was die Rezeption des Holocaust als eines universal bedeutsamen Geschehens erschwert hat. Bis heute werden beide Komplexe ausgesprochen national interpretiert, wobei etwa Ungarn dadurch auffällt, das die Rivalität der Erinnerung an den Holocaust einerseits und an die Repression durch die Kommunisten andererseits durch einen neuen Nationalismus überholt zu werden scheint, der den Vertrag von Trianon 1920 und damit die heutigen Grenzen Ungarns infrage stellt.38

V. Westeuropäische Erinnerungen

Kommunistische Herrschaft und kommunistische Gewaltverbrechen spielen in den westeuropäischen Erinnerungskulturen nur eine untergeordnete Rolle. Westeuropa hat zwar – zeitweilig starke – kommunistische Bewegungen erlebt, war aber nie kommunistischer Herrschaft unterworfen. Es fehlt hier dementsprechend – abgesehen von Exilgruppen aus Osteuropa – die existenzielle Betroffenheit durch die Erfahrung von Terror, Repression und Unrecht, die in der Regel Voraussetzung für die erinnerungskulturelle Beschäftigung mit dieser kommunistischen Vergangenheit ist. Über Jahrzehnte spielten die Kommunisten als Träger des Widerstandes gegen die NS-Besatzungspolitik sogar eher eine positive Rolle in der Erinnerungskultur der Résistance in Frankreich und der Resistenza in Italien. Da diese Erinnerung teilweise stilisiert war und politisch instrumentalisiert wurde, förderte sie nicht gerade eine kritische Sicht des Sowjetkommunismus.

Gewiss waren Frankreich, Italien und England Mitglieder des westlichen Bündnisses im Kalten Krieg. So teilten ihre politischen Führungen und in mancher Hinsicht auch die Gesellschaften das Feindbild der kommunistischen Sowjetunion und der anderen Staaten des Warschauer Paktes, das zeitweilig als Bedrohung der Freiheit empfunden wurde. Man wusste um den Großen Terror Stalins, glaubte aber, dass dieser »nur« die eigene Partei und Bevölkerung getroffen habe. Was darüber hinaus in Osteuropa geschah, interessierte im Grunde nur verhältnismäßig wenige. In Frankreich und Italien kam hinzu, dass starke kommunistische Parteien und ihre intellektuellen Umfelder eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus lange Zeit als Ausfluss eines ideologischen Antikommunismus herunterzuspielen versuchten oder als Strategie denunzierten, einer Aufarbeitung der Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland auszuweichen.39 Allerdings ließ sich diese Linie nicht durchhalten. Als Solschenizyn 1973 in Frankreich sein Buch über den Archipel Gulag veröffentlichte, erregte dies nicht nur besonderes Aufsehen, sondern führte bei manchen Intellektuellen auch zur Abwendung von der kommunistischen Bewegung und zu scharfer Auseinandersetzung mit dem lange idealisierten Kommunismus. Nach 1989 erhielt dieses Verhalten einen zusätzlichen Schub. Es war gewiss kein Zufall, dass Bücher wie François Furets Ende der Illusion40 oder auch das Schwarzbuch des Kommunismus41 in Frankreich entstanden.

Erwähnt werden muss in diesem Kontext die bei manchen Intellektuellen anzutreffende Annahme, dass der Kommunismus im Kern eine Bewegung sei, die Freiheit und Gerechtigkeit, d. h. humane Ziele, kämpferisch durchsetzen wollte, doch dabei gleichsam entgleist sei.42 Warum Letzteres passiert war, wurde lange Zeit vorrangig essayistisch thematisiert, doch seltener genauer untersucht.

Anders verlief die Beschäftigung mit dem Holocaust. Auch im Westen dauerte es zwar einige Zeit, bis die Juden als Gruppe unter den Verfolgten der NS-Politik hervorgehoben und die ganze Ungeheuerlichkeit des Holocaust, der systematischen Vernichtung der Juden in Europa unter Einsatz fabrikmäßiger Mittel, wirklich begriffen wurde. Doch schrittweise setzte sich diese Ansicht – zunächst in Israel und dann verzögert auch in Deutschland, zeitweilig weiter vorangetrieben durch die Entwicklung in den USA – in der westlichen Welt durch. Heute gilt in Westeuropa (und den USA) der Holocaust als die höchste Steigerung des Bösen in der Politik. Während die deutsche Urheberschaft außer Zweifel steht, ist seit den Neunzigerjahren im Hinblick auf die von Nazi-Deutschland besetzten Länder verstärkt die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die jeweiligen Behörden und mentalen Dispositionen der Bevölkerung den Judenmord nicht nur nicht verhindert, sondern hingenommen oder gar unterstützt haben. Dies hat jedenfalls ansatzweise – etwa in Frankreich bezogen auf das Vichy-Regime – zu selbstkritischen Diskussionen geführt.43

Vereinfacht hat man für den Westen Europas von einem Holocaust-Gedächtnis gesprochen und dies mit einem Gulag-Gedächtnis im Osten kontrastiert.44 Dem kann insofern zugestimmt werden, als im Westen die stalinistischen Verbrechen im geschichtlichen Bewusstsein und in der Erinnerungskultur keine vergleichbare Bedeutung wie im Osten haben.

Wie haben wir die gegenwärtige deutsche Erinnerungskultur, in die nicht nur die Erfahrungen der alten Bundesrepublik, sondern auch der DDR eingegangen sind, in dieser Ost-West-Spannung zu verorten?

VI. Opfer kommunistischen Unrechts in der deutschen Erinnerungskultur

Anders als bei den Westeuropäern hat ein Teil der heutigen Deutschen jahrzehntelang unter kommunistischer Herrschaft gelebt. Zigtausende wurden aus politischen Gründen verfolgt und Opfer der Diktatur. Gewiss hat sich die SED-Diktatur im Laufe der Zeit verändert; doch eine »kommode Diktatur« – wie Günter Grass einmal meinte – ist sie nie geworden. So wurde die Entwicklung des anderen deutschen Staates von Westdeutschland aus überwiegend kritisch beobachtet und nach 1990 – unter wesentlicher Beteiligung der Ostdeutschen – im vereinigten Deutschland systematisch aufgearbeitet.45 Auch entstand eine Erinnerungskultur bzw. ein Teil der Erinnerungskultur in Deutschland, der dem kommunistischen Unrecht gewidmet ist.

Dass dieses Unrecht nicht im Zentrum der deutschen Erinnerungskultur steht – manche meinen sogar nur einen marginalen Platz einnimmt (was dann doch etwas überzogen formuliert ist) –, hängt zweifellos mit der herausragenden Rolle der NS-Verbrechen zusammen, insbesondere mit dem Holocaust und mit der deutschen Verantwortlichkeit für diesen, die in einem längeren schmerzhaften Prozess anerkannt worden ist und die Erinnerungskultur dominiert.46 Auch wenn der Holocaust seit den Neunzigerjahren tendenziell europäisiert worden ist, so bleibt das von Deutschland zu verantwortende Geschehen, dem universale Bedeutung beigemessen wird, doch eine Kernfrage deutscher Identität.

Bezogen auf Deutschland sind die kommunistischen Gewalttaten in der SBZ/DDR mit den NS-Verbrechen nicht wirklich vergleichbar. Gleichwohl darf aus der Sicht der Bundesgedenkstättenkonzeption auch das kommunistische Unrecht mit seinen Opfern nicht bagatellisiert werden47 und nimmt zu Recht in der differenzierten deutschen Erinnerungskultur einen unübersehbaren Platz ein, den die einen durchaus als nicht hinreichend empfinden, während die anderen in ihm eine Tendenz zur Relativierung der NS-Verbrechen sehen.48 Was letztgenannte Position angeht, so hat Aleida Assmann von einem Nolte-Komplex gesprochen, hatte Ernst Nolte doch die NS-Verbrechen als Folge der kommunistischen Verbrechen bezeichnet und damit beide in einen engen Zusammenhang gebracht, was zu heftigen Auseinandersetzungen im sogenannten Historikerstreit führte.49 Im Hinblick auf die Würdigung des kommunistischen Unrechts erwies sich auch ein Anti-Antikommunismus als hemmend, der seine Berechtigung gegenüber bestimmten antikommunistischen Traditionen hatte, doch seinerseits einseitig wurde und dabei die Tendenz entwickelte, jede kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus als ideologisch bedingt und moralisch zweifelhaft abzuqualifizieren.50

Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, dass es trotz des in den frühen Neunzigerjahren von Jürgen Habermas, Karl Dietrich Bracher und anderen proklamierten antitotalitären Konsens’51 immer wieder zu Spannungen zwischen den Protagonisten der verschiedenen Erinnerungskomplexe, zu Opferkonkurrenzen und zu Kontroversen gekommen ist. Dies betrifft etwa Gedenkstätten, die beide Vergangenheiten thematisieren oder auch die These der früheren lettischen Außenministerin Sandra Kalniete, die Nationalsozialismus und Kommunismus als gleichermaßen verbrecherisch bezeichnet hat, was im Kontext der Leipziger Buchmesse 2003 den Widerspruch von Salomon Korn vom Zentralrat der Juden in Deutschland hervorrief.52

Immerhin sind inzwischen eine Reihe von Denkmälern, z. B. die Gedenkstätte Berliner Mauer, die an die Maueropfer erinnert, sowie Gedenkstätten in Gefängnissen, wie z. B. Bautzen und Hohenschönhausen entstanden.53 Zudem werden Gedenktage wie der 17. Juni oder der 13. August nach wie vor begangen, so dass auch das kommunistische Unrecht, neben der Erinnerungskultur, die die NS-Zeit thematisiert, durchaus in der deutschen Öffentlichkeit eine Rolle spielt. Konflikte entstehen vor allem dann, wenn die Unterschiede zwischen den Vergangenheiten verwischt oder gar Gleichsetzungen vorgenommen werden, wozu es derzeit eine Tendenz auf der europäischen Ebene gibt, die ihrerseits Rückwirkungen auf die einzelnen Länder hat.

VII. Die Erinnerung an den Kommunismus in der europäischen Geschichtspolitik

Unübersehbar sind die Differenzen zwischen und teilweise innerhalb der nationalen Erinnerungskulturen gerade im Hinblick auf die Beschäftigung mit dem kommunistischen Totalitarismus und seinen Auswirkungen. Versucht man die Befunde in einem Gesamtbild zusammenzufassen, so ist eine Betrachtung nötig, die sowohl die nationalen und regionalen Spezifika als auch das transnationale Phänomen kommunistischer Herrschaft und seiner Opfer in den Blick nimmt.

Dies lässt die Frage nach den gegenwärtigen Bemühungen der europäischen Institutionen auf diesem Gebiet aufkommen, insbesondere des europäischen Parlaments im Bereich der Geschichtspolitik. In den letzten Jahren hat Europa im Hinblick auf den Umgang mit historischen Erfahrungen an Bedeutung gewonnen, zum einen als Arena der Auseinandersetzung, zum anderen durch Versuche, eine gemeinsame Erinnerung zu gestalten, nicht zuletzt durch Normierungsversuche und neue Akzentsetzungen.

Jahrzehntelang haben Fragen europäischer Identität nur eine geringe Rolle in der Europäischen Gemeinschaft gespielt. Mit wachsender Integration und immer größerer Ausdehnung, derzeit auch angesichts der europäischen Krise, stellt sich verstärkt die Frage, was Europa jenseits der Wirtschaftsunion eigentlich ausmacht.54 Dies hat den Blick besonders auf das Verbindende in der europäischen Geschichte gelenkt. Bemerkenswerterweise hat man dann angefangen, insbesondere die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts aufzugreifen, obgleich deren Interpretation teilweise umkämpft ist. Offensichtlich aber existiert im öffentlichen Bewusstsein Europas eine starke Strömung, die das heutige Europa durch die Abgrenzung und Abwendung von den problematischen Vergangenheiten des 20. Jahrhunderts zu definieren versucht.55 Es ist der Modus der kritischen Auseinandersetzung, der in diesem Kontext vorherrscht.

Dabei hat zunächst die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust dominiert. Im Jahre 2000 fand die Holocaust-Konferenz in Stockholm statt, auf der sich die Teilnehmerstaaten zu kontinuierlicher Auseinandersetzung mit dem Mord an den europäischen Juden und zum Kampf gegen Genozid, Gewalt und Diskriminierung verpflichteten.56 2005, zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, spielte diese Erinnerung eine zentrale Rolle. Der 27. Januar, der Tag der Befreiung von Auschwitz im Jahre 1945, war bereits 1996 zum europäischen Gedenktag erklärt worden. Kritisch beurteilt wurden generell Rechtstendenzen in der europäischen Gemeinschaft. Der in der deutschen Publizistik geäußerte Gedanke, den Holocaust als Gründungsmythos Europas zu betrachten, schien eine Perspektive für die europäische Geschichtspolitik zu bieten.57

Seit Mitte des letzten Jahrzehnts hat sich die Willensbildung insofern verändert, als nach dem Beitritt der ostmitteleuropäischen Staaten die Erfahrungen des Kommunismus eine größere Rolle im Europaparlament als vorher spielen, was auch in Resolutionen des Europäischen Parlaments seinen Niederschlag gefunden hat. So wurde u. a. eine Entschließung zum Gedenken an den Holodomor in der Ukraine, die kontrovers diskutierte durch politische Entscheidungen herbeigeführte Hungersnot 1931/32, gefasst.58 Vor allem aber beschloss das Europäische Parlament, teilweise frühere Entscheidungen aufgreifend und zusammenfassend am 2. April 2009 mit großer Mehrheit ein Grundsatzpapier »zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus«.59 Anlass war das Gedenkjahr 2009 mit den Daten 20 Jahre Friedliche Revolution, 70 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 90 Jahre Pariser Friedenskonferenz. Das Parlament machte deutlich, welche historischen Phänomene das heutige Europa ablehnt. Die Entschließung verwirft jegliche Art von totalitären Ideologien und Diktaturen, auch autoritäre Regime, wendet sich zugleich gegen Rassismus, Antisemitismus, Faschismus/Nationalsozialismus ebenso wie gegen Kommunismus und Stalinismus. Bemerkenswert erscheint, dass die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus, die Erfahrungen West-, Mittel- und Osteuropas nahe zusammengerückt werden. Für die Opfer all dieser verschiedenartigen historischen Systeme, Bewegungen und Ideologien wurde schließlich ein gemeinsamer europaweiter Gedenktag, der 23. August, der Tag des Abschlusses des Hitler-Stalin-Paktes 1939 ausgerufen.

Damit wurde der Kommunismus/Stalinismus zwar als eine gemeineuropäische Erfahrung begriffen, doch sogleich unter dem Begriff Totalitarismus subsumiert, ohne dass er in seinen konkreten historischen Erscheinungsformen bereits sorgfältig untersucht worden wäre. Auch im Hinblick auf Nazismus und Judenmord ergeben sich Probleme. Aus der Sicht nicht weniger Zeitgenossen, keineswegs nur der jüdischen Community, wird damit dem Holocaust tendenziell die Einzigartigkeit genommen.60 Und was den 23. August angeht: So notwendig es auch ist, an diesen lange von sowjetischer Seite bestrittenen Pakt (bzw. sein geheimes Zusatzabkommen) aus dem Jahre 1939 zu erinnern, der sich verheerend für die baltischen Länder, Polen und Rumänien ausgewirkt hat und bei dem die historische Mitverantwortung Stalins und der Sowjetunion nicht unerwähnt bleiben sollte, so erscheint es doch fraglich, ob der Tag als gemeinsamer Gedenktag für alle Opfer geeignet ist. Der eigentliche Kriegsbeginn war der 1. September 1939 und der Hitler-Stalin-Pakt wurde durch den Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion seit dem 20. Juni 1941 überholt, der der Beginn eines beispiellosen Eroberungs- und Vernichtungskrieges war, dessen Eigengewichtigkeit ebenso zu betrachten ist wie die Einzigartigkeit des Holocausts.

Somit überrascht es nicht, dass der Beschluss des Europäischen Parlamentes im Westen und weitgehend auch in Deutschland ohne positive Resonanz geblieben ist. Er hat einerseits die Auseinandersetzung mit Kommunismus und Stalinismus nicht wirklich gefördert, andererseits aber doch manche Irritation im Westen ausgelöst und auch die Frage erneut aufgeworfen, ob der Holocaust im Osten wirklich in seiner vollen Tragweite begriffen worden ist.

Zugleich hat das Europäische Parlament die Einrichtung eines Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel beschlossen, für das die hier angesprochene Problematik durchaus relevant ist.61 Ob und wie sie bewältigt wird, ist derzeit noch nicht erkennbar – bislang ist ein entsprechender öffentlicher Diskurs transnational eigentlich nicht geführt worden. Insofern stellt sich die generelle Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der europäischen Erinnerungspolitik im Allgemeinen und der Bedeutung des Kommunismus und seiner Verbrechen für diese im Besonderen.

VIII. Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Geschichtspolitik

Der Kommunismus ist als Bewegung, als Ideologie und als Herrschaftssystem in Europa entstanden. Dementsprechend kann das europäische Geschichtsbewusstsein an diesem Phänomen nicht vorbeigehen, obgleich es in der Gegenwart als historischer Faktor verblasst ist. Deshalb ist die weitere historische Aufarbeitung des Kommunismus in den verschiedenen Erscheinungsformen und Kontexten, auch in der Verflechtung mit anderen Phänomenen nötig, wobei der Stalinismus mit seinen Verbrechen eine zentrale Rolle spielen muss. Erforderlich sind dazu nationale und transnationale Diskurse, die zur Entstehung von Erinnerungskulturen beitragen können. Für ihre Persistenz erscheint bedeutsam, dass die – durch eine unabhängige zeithistorische Forschung abgestützte – Erinnerungsarbeit vorrangig an dem historischen Geschehen interessiert ist und nicht primär als Funktion der Auseinandersetzung mit dem Postkommunismus erscheint, was natürlich mancherorts der Fall ist.

Der Holocaust ist gewiss ebenfalls ein europäisches Geschehen, das in den Kontexten des Zweiten Weltkrieges, in seinen konkreten Ausformungen und Verantwortlichkeiten erfasst werden muss. Auch hier gibt es – trotz des ungleich weiter fortgeschrittenen Forschungsstandes – noch offene Fragen, nicht zuletzt im Hinblick auf Osteuropa. Der Holocaust ist ein Geschehen der jüdischen, der deutschen, doch auch der europäischen und universalen Geschichte. Das heißt, es geht um die konkreten historischen Kontexte ebenso wie um das Gesamtgeschehen, das seine herausragende Bedeutung für Europa behalten wird.

Daneben gibt es noch weitere Komplexe, die gemeineuropäischen Charakter und doch vielfältige nationale und regionale Ausformungen aufweisen. Claus Leggewie sieht bezogen auf das 20. Jahrhundert sieben Kreise der europäischen Erinnerung: neben Holocaust und Sowjetkommunismus »Vertreibungen als gesamteuropäisches Trauma«, »Kriegs- und Krisen-
erinnerungen«, den »Kolonialismus«, doch auch »Europa als Einwanderungskontinent« sowie »Europa als Erfolgsgeschichte nach 1945«.62 Über einige dieser Komplexe sollte eine Verständigung als wesentliche gemeineuropäische Erfahrungen möglich sein.

Bedeutsam ist jedoch, dass die Aufarbeitung sehr konkret erfolgt und auch die Erinnerungskultur den jeweiligen unterschiedlichen Erfahrungen gerecht wird. Eine vorschnelle Abstraktion und symbolische Verdichtung, die tendenziell nivelliert, hilft nur bedingt weiter. Die verschiedenen europäischen Gesellschaften müssen lernen, mit ihren unterschiedlichen, vielfach gegensätzlichen, doch miteinander verflochtenen Geschichten und Erinnerungen umzugehen, d. h. den jeweils anderen zu respektieren, eventuell bei Verschränkungen des Geschehens beide Seiten zusammenzusehen. Es gilt die Unterschiedlichkeit historischer Erfahrungen auszuhalten. Geschichte lässt sich nicht einfach homogenisieren. Deshalb brauchen wir dialogische Erinnerungskulturen, die in sich differenziert sind, auch Gegensätze enthalten und Spannungen ertragen.63

Überwölbende gemeineuropäische historische Erfahrungen können gleichwohl bewusst gemacht werden. Doch muss eine europäische Identitätsstiftung allein durch Parlamentsbeschlüsse zur europäischen Geschichte scheitern. Die Konstruktion einer gemeinsamen Erinnerungskultur, die dann den verschiedenen konkreten Erinnerungskulturen übergestülpt wird, um diese zu substituieren, wird nicht tragfähig sein. Gewiss sind auch verbindende Symbole nötig, doch müssen sie auf Gemeinsamkeiten beruhen, die bewusst und nachvollziehbar sind. Nötig sind dazu Diskurse über das Geschehen, die Verflechtungen der Nationalgeschichten und transnationale Prozesse, wobei eine Verständigung über wesentliche Traditions-, Verursachungs- und Wirkungszusammenhänge der europäischen Geschichte anzustreben ist. Politik hat Rahmenbedingungen für diese Diskurse zu schaffen, in denen unabhängige Geschichtswissenschaft eine herausragende Rolle spielen muss.64

Europa muss sich durch einen spezifischen Modus auszeichnen, in dem die Länder und Gesellschaften mit Geschichte umgehen. Dazu gehört insbesondere ein gemeinsamer verpflichtender Werthorizont, der durch Menschen- und Bürgerrechte, Gewaltenteilung, Rechts- und Sozialstaatlichkeit bestimmt ist und Maßstäbe zur Beurteilung der neuesten Geschichte wie der Gegenwart und Zukunft abgibt und tatsächlich so etwas wie den Kern von »Europäität« ausmachen könnte, der selbst in historischer Perspektive zu sehen wäre.


1 Siehe zur »Theorie« der Erinnerungskulturen Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt a. M. 1985; Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1989. Zur Karriere des Begriffs Erinnerung siehe Martin Sabrow: Erinnerung als Pathosformen der Gegenwart, in: Vorgänge 51 (2012), H. 2, S. 4–15.

2 Siehe Christoph Cornelißen/Roman Holec/Jiři Pešek (Hg.): Diktatur – Krieg – Vertreibung. Erinnerungskulturen in Tschechien, Slowakei und Deutschland seit 1945, Essen 2005; Bernd Faulenbach/Franz-Josef Jelich (Hg.): »Transformationen« der Erinnerungskulturen in Europa nach 1989, Essen 2006; Helmut Altrichter (Hg.): GegenErinnerung. Geschichte als politisches Argument im Transformationsprozeß Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas, München 2006; Krzysztof Ruchniewicz/Stefan Troebst (Hg.): Diktaturbewältigung und nationale Vergewisserung. Geschichtskulturen in Polen und Spanien im Vergleich, Wrocław 2004; Geschichtspolitik und Gegenerinnerung. Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas. Themenheft Osteuropa 58 (2008), H. 6; Muriel Blaive/Christian Gerbel/Thomas Lindenberger (Hg.): Clashes in European Memory. The Case of Communist Repression and the Holocaust, Innsbruck/Wien/Bozen 2011.

3 Siehe Dieter Langewiesche: Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000.

4 Siehe Claus Leggewie/Anne Lang: Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt, München 2011.

5 Siehe z. B. Thomas Meyer: Die Identität Europas. Der EU eine Seele?, Frankfurt a. M. 2004. Siehe Michael Weigl: Europa neu denken? Zur historischen Umorientierung europäischer Identitätspolitik, in: Katrin Hammerstein/Ulrich Mählert/Julie Trappe/Edgar Wolfrum (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur – Diktat der Aufarbeitung? Normierungsprozesse beim Umgang mit diktatorischer Vergangenheit, Göttingen 2009, S. 177–188; in historischer Perspektive siehe: Hartmut Kaelble/Martin Kirsch (Hg.): Selbstverständnis und Gesellschaft der Europäer. Aspekte der sozialen und kulturellen Europäisierung 
im späten 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2008.

6 Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München/Wien 1995.

7 Siehe Dan Diner: Der Holocaust in den politischen Kulturen Europas: Erinnerung und Eigentum, in: Klaus-Dietmar Henke (Hg.): Auschwitz. Sechs Essays zu Geschehen und Vergegenwärtigung, Dresden 2001, S. 65–73.

8 Zum Begriff der Geschichtsregionen in Europa siehe Oskar Halecki: The Limits and Divisions of European History, London/New York 1950; Stefan Troebst: Jalta versus Stalingrad, GULag versus Holocaust. Konfligierende Erinnerungskulturen im größeren Europa, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): »Transformationen« (Anm. 2), S. 23–49.

9 Siehe dazu Stéphanie Courtois/Nicolas Werth u. a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unter-
drückung, Verbrechen und Terror, München/Zürich 1997; Horst Möller (Hg.): Der rote Holocaust und die Deutschen. Die Debatte um das »Schwarzbuch des Kommunismus«, München/Zürich 1999.

10 Siehe Jörg Barberowski: Der Rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus, Bonn 2007.

11 Siehe Karl Schlögel: Terror und Traum, Moskau 1937, Frankfurt a. M. 2010, S. 603 ff.

12 Siehe Anne Applebaum: Der Gulag, München 2005; Wladislaw Hedeler: Die Ökonomik des Terrors. 
Zur Organisation des Gulag 1939 bis 1960, Hannover 2012; Ralf Stettner: »Archipel GULag«. Stalins Zwangslager – Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant. Entstehung, Organisation und Funktion des sowjetischen Lagersystems 1928–1956, Paderborn 1996.

13 Claudia Weber vertritt die These, dass der stalinistische Terror meist ausschließlich auf die Gesellschaft der Sowjetunion bezogen gesehen werde, was eine arge Fehleinschätzung sei (Claudia Weber: Verstörende Erinnerung. Stalinismus im Gedächtnis Europas, in: Ulrich Mählert u. a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (im Folgenden: JHK) 2012, Berlin 2012, S. 341–356).

14 So der Erklärungsversuch von Schlögel: Terror und Traum (Anm. 11).

15 Siehe dazu Bernd Bonwetsch: Terror und Subjekt im Stalinismus, in: Franz-Josef Jelich/Stefan Goch (Hg.): Geschichte als Last und Chance. Festschrift für Bernd Faulenbach, Essen 2003, S. 265–281.

16 Auch im deutschen historischen Bewusstsein nimmt der Gulag nur einen »randständigen Platz« ein. Siehe dazu Volkhard Knigge/Irina Scherbakowa (Hg.): GULAG. Spuren und Zeugnisse 1929–1956, Weimar 2012, S. 4 ff, hier S. 5.

17 Siehe Bernd Bonwetsch: Erinnerungskultur und Traditionspflege im postsowjetischen Russland, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): »Transformationen« (Anm. 2), S. 221–225.

18 Siehe dazu Anna Kaminsky: Sichtbare Erinnerungen. Orte des Gedenkens und Erinnerns an die Opfer der kommunistischen Regime in Osteuropa, in: Hammerstein u. a. (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur (Anm. 5), S. 248–261, hier S. 252; Anna Kaminsky (Hg.), bearbeitet von Ruth Gleinig und Ronny Heidenreich: Erinnerungsorte an den Massenterror 1937/38, Berlin 2007.

19 Zu Perm siehe Ulrike Huhn/Manuela Putz: Sowjetische Straflager in der russischen Erinnerungskultur. Museen und Gedächtnisorte in der Region Perm, in: Mählert u. a. (Hg.): JHK 2011, Berlin 2011, S. 257–268. Der Mangel an derartigen Gedenkstätten hängt gewiss auch mit der vielfach unwirtlichen Lage der Lager zusammen.

20 Irina Scherbakowa glaubte 2007 eine »schleichende Restalinisierung« konstatieren zu können, in der Stalin als »Verkörperung« des Imperiums, einer starken Regierung und des Nationalstolzes galt. Siehe Irina Scherbakowa: 1917/1937 und das heutige Russland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 57 (2007), 
B 44–45, S. 21–26, hier S. 26.

21 Siehe Elke Fein: Geschichtspolitik in Rußland. Chancen und Schwierigkeiten einer demokratisierenden Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit am Beispiel der Tätigkeit der Gesellschaft MEMORIAL, München 2000.

22 Siehe Isabelle de Keghel: Abschied vom sowjetischen Gründungsmythos – Die Oktoberrevolution im Vergangenheitsdiskurs des spät- und postsowjetischen Russland, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): 
»Transformationen« (Anm. 2), S. 227–252.

23 Siehe Andreas Langenohl: Die Erinnerungsreflexion des Großen Vaterländischen Krieges in Russland zum fünfzigsten und sechzigsten Jahrestag des Sieges (1995 und 2005), in: Mählert u. a. (Hg.): JHK 2005, Berlin 2005, S. 68–80.

24 Siehe Boris Dubin: Erinnern als staatliche Veranstaltung. Geschichte und Herrschaft in Russland, in: Osteuropa 58 (2008), H. 6, S. 57–65.

25 Siehe Andreas Wirsching: Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, München 2012, S. 377 ff.

26 Siehe Dubin: Erinnern als staatliche Veranstaltung (Anm. 24), insbes. S. 63 f.

27 Siehe Leggewie/Lang: Der Kampf (Anm. 4), S. 56 ff.

28 Siehe dazu die Beiträge von Carmen Scheide, Karsten Brüggemann, Katja Wezel und Alvydas Nikzentaitis in Osteuropa 58 (2008), H. 6.

29 Siehe dazu die Beiträge von Christoph Kleßmann, Hans-Jürgen Bömelburg, Krzysztof Ruchniewicz, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): »Transformationen« (Anm. 2).

30 Siehe zu den Erinnerungskulturen in Osteuropa Anna Kaminsky: Sichtbare Erinnerungen. Orte des Gedenkens und Erinnerns an die Opfer der kommunistischen Regime in Osteuropa, in: Hammerstein u. a. (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur (Anm. 5), S. 248–261.

31 Siehe Volkhard Knigge/Ulrich Mählert (Hg.): Der Kommunismus im Museum. Formen der Auseinandersetzung in Deutschland und Ostmitteleuropa, Köln/Weimar/Wien 2005.

32 Siehe Troebst: Jalta versus Stalingrad (Anm. 8); ders.: Postdiktatorische Geschichtskulturen im Süden und Osten Europas. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven, Göttingen 2010.

33 Siehe Klaus von Beyme: Systemwechsel in Osteuropa, Frankfurt a. M. 1994.

34 Siehe Memorial: Nationale Geschichtsbilder. Das 20. Jahrhundert und der »Krieg der Erinnerungen«. 
Ein Aufruf, in: Osteuropa 56 (2008), H. 6, S. 77–84.

35 Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, München 2011.

36 Siehe zu Jedwabne Hans-Jürgen Bömelburg: Die Erinnerung an die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges in Polen – Transformationen und Kontinuitäten der polnischen Erinnerungskultur 1980–2005, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): »Transformationen« (Anm. 2), S. 53–78, hier S. 72 ff.

37 Die Holocaust-Diskussion verlagert sich inzwischen teilweise nach Osteuropa. Siehe das Gespräch zwischen Ian Kershaw und Timothy Snyder: Vierzehn Millionen Opfer waren nicht überraschend, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. September 2012, Nr. 219, S. N4.

38 Siehe Muriel Blaive: The Memory of the Holocaust and the Communist Repression in a Comparative Perspective. The Cases of Hungary, Poland and Czechoslovakia/the Czech Republic, in: Blaive/Gerbel/Lindenberger (Hg.): Clashes in European Memory (Anm. 2), S. 154–172. Zu Ungarn siehe die Beiträge von Gerhard Seewann/Eva Kovacz und von Kristian Ungváry in Faulenbach/Jelich (Hg.): »Trans-
formationen« (Anm. 2), S. 189–200 u. 201–220.

39 Siehe Wolfgang Wippermann: Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus, 
Berlin 2012, S. 64 ff.

40 François Furet: Das Ende der Illusion. Der Kommunismus im 20. Jahrhundert, München/Zürich 1995.

41 Siehe Courtois/Werth u. a.: Schwarzbuch (Anm. 9).

42 Siehe Barbara Spinelli: Der Gebrauch der Erinnerung. Europa und das Erbe des Totalitarismus, 
München 2002, S. 16 ff.

43 Siehe Ulrich Pfeil: Frankreich: Entwicklungslinien der französischen Erinnerungskultur in den letzten Jahren, in: Faulenbach/Jelich (Hg.): »Transformationen« (Anm. 2), S. 299–327, hier S. 304 ff.

44 Siehe Aleida Assmann: Auf dem Weg zu einer europäischen Gedächtniskultur?, Wien 2012, S. 39 ff.

45 Siehe dazu Bernd Faulenbach: Der Umgang mit der DDR-Vergangenheit in der Zukunft, in: Julian Krüper/Heiko Sauer (Hg.): Staat und Recht in Teilung und Einheit, Tübingen 2011, S. 253–267; recht kritisch Carola S. Rudnick: Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichts-
politik nach 1989, Bielefeld 2011.

46 Siehe Bernd Faulenbach: Diktaturerfahrungen und demokratische Erinnerungskultur, in: Anne Kaminsky (Hg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, Berlin 2007, S. 15–24.

47 Bereits 1991 habe ich für den deutschen Fall die Formel entwickelt: Die NS-Verbrechen dürfen durch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus nicht relativiert, doch umgekehrt diese auch nicht unter Hinweis auf die NS-Verbrechen bagatellisiert werden, eine Forderung, die – teilweise leicht variiert – in einer ganzen Reihe von Papieren übernommen wurde.

48 Siehe Thomas Lindenberger: Governing Conflicted Memories. Some Remarks about the Regulation of History Politics in Unified Germany, in: Blaive/Gerbel/Lindenberger (Hg.): Clashes in European Memory, S. 73–87.

49 Assmann: Auf dem Weg (Anm. 44), S. 44.

50 Siehe Bernd Faulenbach: Erscheinungsformen des »Antikommunismus«. Zur Problematik eines viel-
deutigen Begriffs, in: Mählert u. a. (Hg.): JHK 2011, Berlin 2011, S. 1–13, hier S. 9 ff.

51 Siehe Materialien der Enquetekommission »Aufarbeitung und Folgen der SED-Diktatur«, Bd. IX, Baden-Baden 1995, S. 686–694.

52 Siehe Bernd Faulenbach: Konkurrierende Vergangenheiten? Zu aktuellen Auseinandersetzungen um die deutsche Erinnerungskultur, in: DeutschlandArchiv 37 (2004), S. 648–659, hier S. 651. Siehe auch Sandra Kalniete: Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee. Die Geschichte meiner Familie, München 2007.

53 Siehe Kaminsky (Hg.): Orte des Erinnerns (Anm. 46).

54 Siehe Michael Weigl: Europa neu denken? Zur historischen Umorientierung europäischer Identitäts-
politik, in: Hammerstein u. a. (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur (Anm. 5), S.177–188. Siehe Meyer: 
Die Identität Europas (Anm. 5).

55 Siehe dazu Wirsching: Der Preis der Freiheit (Anm. 25), S. 377 f.; Stefan Troebst: Die europäische Union als »Gedächtnis und Gewissen Europas«? Zur EU-Geschichtspolitik seit der Osterweiterung, in: Etienne François u. a. (Hg.): Strategien der Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich, Göttingen 2012.

56 Siehe Michael Jeismann: Auf Wiedersehen Gestern. Die deutsche Vergangenheit und die Politik von morgen, München 2001, S.139 ff.

57 Siehe Dan Diner: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2007; ders.: Der Holocaust (Anm. 7). Siehe Assmann: Auf dem Weg (Anm. 44), S. 29 ff.

58 Siehe Katrin Hammerstein/Birgit Hofmann (Hg.): Europäische »Interventionen«. Resolutionen und Initiativen zum Umgang mit diktatorischer Vergangenheit, in: Hammerstein u. a. (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur (Anm. 5), S. 189–203.

59 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. April 2009 zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus, in: Amtsblatt der Europäischen Union, Nr. 2010/C 137 E/05, vom 27. Mai 2010, S. 25–27; abgedruckt bei Troebst: Die Europäische Union (Anm. 55). Zur Bedeutung des 23. August 1939 siehe Osteuropa 59 (Juli/August 2009); Anna Kaminsky/Dietmar Müller/Stefan Troebst (Hg.): 
Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer, Göttingen 2011.

60 Zur Kritik von Yehuda Bauer, Heidemarie Uhl und Günter Morsch (Jüdische Allgemeine vom 20. August 2009) siehe Troebst: Die Europäische Union (Anm. 55).

61 Siehe Sachverständigenausschuss Haus der Europäischen Geschichte. Konzeptionelle Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte, Brüssel 2008.

62 Claus Leggewie/Lang: Der Kampf (Anm. 4). Zum Problem des europäischen Geschichtsbewusstseins allgemein siehe Rudolf Vierhaus: Grundlagen europäischer Zivilisation. Zum Problem der Darstellung europäischer Geschichte, in: ders.: Vergangenheit als Geschichte. Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2003, S. 64–80.

63 Siehe Assmann: Auf dem Weg (Anm. 44), S. 50 ff.; Memorial: Nationale Geschichtsbilder (Anm. 34).

64 Problematisch ist es, wenn Parlamente und Regierungen sich als oberste Instanzen der Geschichtsdeutung begreifen und glauben, wissenschaftlich und publizistisch kontroverse Fragen der Geschichte entscheiden zu können. Vor einer solchen Tendenz, die in verschiedenen europäischen Ländern erkennbar sei, haben prominente europäische Historiker, zu denen Jacques Le Goff, Pierre Nora, Eric Hobsbawm, Timothy Garton Ash und Heinrich August Winkler gehören, 2008 in einer Erklärung gewarnt, in der es heißt: »In einem freien Staat ist es nicht die Aufgabe irgendeiner politischen Autorität zu definieren, was die historische Wahrheit sei, geschweige denn darf sie die Freiheit des Historikers mittels der Androhung von Strafaktionen einschränken [...] Die politisch Verantwortlichen bitten wir zu begreifen, dass es zwar zu ihren Aufgaben gehört, das kollektive Gedächtnis zu pflegen, dass sie aber keinesfalls per Gesetz Staatswahrheiten institutionalisieren sollen, die schwerwiegende Konsequenzen für die Arbeit des Historikers und für die intellektuelle Freiheit insgesamt haben können.« (Zitiert nach Katrin Hammerstein/Julie Trappe: Einleitung, in: Hammerstein u. a. (Hg.): Aufarbeitung der Diktatur (Anm. 5), S. 9–18, hier S. 18).

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