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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2018

Von den revolutionären Lagern zum sowjetischen GULag. Entwicklungspfade des sowjetischen Strafsystems

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 189-202 | Metropol Verlag

Autor/in: Zhanna Popova

Wie war das frühe sowjetische Strafsystem aufgebaut und auf welche Weise bereiteten die frühen Entwicklungen den Boden für die Errichtung des späteren sowjetischen Systems der Besserungsarbeitslager? Dieser Frage geht der Artikel nach, ohne jedoch dabei unter Berücksichtigung der aus historischer Langzeitperspektive offenkundig zentralen Bedeutung des GULag für das sowjetische System der Zwangsarbeit vornehmlich auf die politischen Erklärungen für seine Errichtung einzugehen; auch der Aspekt der Rivalitäten zwischen verschiedenen Ministerien bleibt an dieser Stelle unbeachtet.[1] In der Historiografie des GULag fehlt es bis heute an systematischen Studien, die die Gesamtheit der Vorläufer dieses Systems untersuchen. Im Folgenden wird deshalb auch der Frage nachgegangen, inwiefern das zaristische Erbe im Gefängniswesen und die revolutionäre Erfahrung zu bestimmten Entscheidungen der Bolschewiki im Laufe des allmählichen Aufbaus des Besserungsarbeitslagersystems beitrugen.

Im Mittelpunkt des Artikels steht die Analyse der Zwangsarbeit und ihrer verschiedenen Formen, was notwendigerweise eine verengte Sichtweise erfordert: Die Verurteilung von Menschen zu Zwangsarbeit stellte zwar nur eine, wenn auch zentrale, Komponente der Repressionsarchitektur dar. Allerdings macht dieser Fokus bestimmte Kontinuitäten besonders gut sichtbar: Die Zwangsarbeit stand im Zentrum der vorrevolutionären Gefängnisreform und gewann im Verlauf der 1920er-Jahre immer mehr an Bedeutung, bis sie schließlich in den 1930er-Jahren zur Grundlage der GULag-Wirtschaft wurde.

Zu Beginn werden die Langzeitauswirkungen der Gefängnisreform des 19. Jahrhunderts in den Blick genommen, im zweiten Abschnitt die Spannungen zwischen den folgenden Tendenzen: einerseits die kriminologischen Entwicklungen der frühen 1920er-Jahre (die eng mit der bereits zuvor existierenden »liberalen« kriminologischen Tradition verbunden waren und allgemein als fortschrittlich angesehen werden[2]) sowie andererseits die im Zuge des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs erfolgten Veränderungen im Bereich der Zwangsarbeit, insbesondere die Schaffung von Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern, jedoch ebenso die allgemeine Arbeitspflicht. Gezeigt werden soll, wie die Spannung zwischen diesen beiden Tendenzen dafür sorgte, dass sich der ideelle Grundpfeiler der stalinistischen Arbeitslager, nämlich die zentrale Bedeutung von Zwangsarbeit und ihres angeblichen rehabilitativen Potenzials, so hartnäckig halten konnte.

 

I. Das zaristische Erbe

Das zaristische Erbe der Gefängnisorganisation trat in den Anfängen des sowjetischen Strafsystems deutlich zutage. Ein Blick auf diese »diffuse Abstammung«[3] ermöglicht nicht nur Erkenntnisse über das Wiederaufgreifen bestimmter Straf- und Haftpraktiken durch die Bolschewiki, sondern hebt darüber hinaus die Bedeutung der materiellen Struktur von Gefangenschaft hervor: die Lage der Gefängnisse und Lager, aber auch der Wandel vom Gefängnis zum Lager als dominierende Strafanstalt.

Bereits in einer der ersten Arbeiten über Zwangsarbeit in der Sowjetunion haben David Dallin und Boris Nikolajewski einen Zusammenhang zwischen der bolschewistischen und der zaristischen Variante der Zwangsarbeit von Strafgefangenen festgestellt.[4] Sie behaupten, dass die »Tradition« der Verhängung von Zwangsarbeit in Russland über drei Jahrhunderte durchgehend Bestand hatte.[5] Allerdings ist die Geschichte der Zwangsarbeit von Strafgefangenen in Russland nicht ganz so geradlinig verlaufen. Ihre Einführung zu staatlichen Zwecken reicht in der Tat bis zur sogenannten Katorga, der schwersten Strafe nach der Todesstrafe im russischen Zarenreich, in den Werften Peters des Großen zurück. Später wurde der Einsatz von Zwangsarbeit immer mehr mit der Vorstellung von »Strafkolonien« in Sibirien verbunden, von denen es die meisten im Osten Sibiriens gab. Diese Einrichtungen begannen jedoch nach der Abschaffung der Leibeigenschaft im Jahr 1861 immer mehr zu verfallen. Das verhängnisvolle Strafexperiment auf der Insel Sachalin stellte den letzten Versuch der Zarenregierung dar,[6] Häftlingszwangsarbeit und Kolonisierung zu verknüpfen. Die Verbannung wurde im Jahr 1900 abgemildert, auch die Katorga hatte zu diesem Zeitpunkt an Bedeutung verloren, bis sie allerdings infolge der Revolution von 1905 wieder verstärkt eingesetzt wurde. Die Zahl der zur Katorga Verurteilten stieg von 5790 Personen im Jahr 1906 auf rund 32 000 im Jahr 1913, während sich gleichzeitig auch die Anzahl »gewöhnlicher« Häftlinge erhöhte und die Sterberate »vom Rekordtief von 13,9 [Toten] pro Tausend [Häftlinge] im Jahr 1906« auf »54,8 pro Tausend 1915« stark anstieg.[7] Sowohl Verbannung als auch Katorga zählten bereits in den 1880er-Jahren zu den vom Staat bevorzugten Mitteln im Kampf gegen politische Oppositionelle, doch die Revolution von 1905 hob diese Praxis auf ein ganz neues Niveau. Die schockierenden Berichte des US-amerikanischen Reisenden George Kennan (ein entfernter Verwandter des Diplomaten George F. Kennan)[8] und anderer entsetzter ausländischer Beobachter trugen zur Entstehung des Bildes von einem in seiner Gewalttätigkeit geradezu absurden Strafsystem bei. Die Erinnerungen ehemaliger politischer Häftlinge legen allerdings nahe,[9] dass es gravierende Unterschiede in den Haft- bzw. Verbannungsbedingungen gab, abhängig nicht nur vom jeweiligen Status eines Häftlings (politisch oder »einfacher Krimineller«) oder der sozialen Herkunft, sondern auch vom Ort der Gefangenschaft oder Verbannung. Während die Katorga-Strafanstalten für ihre miserablen Bedingungen berüchtigt waren,[10] gelang es vielen, die nach Westsibirien verbannt worden waren, ein relativ ungestörtes Leben zu führen und ihre weitreichenden Unterstützernetzwerke weiterhin zu pflegen und zu erweitern.[11] Zwischen 1905 und 1907 nahm die Bedeutung der Zwangsarbeit im Rahmen der Katorga ab; das Ziel, die Feinde des Regimes zu isolieren und zu bestrafen, rückte stattdessen in den Vordergrund. [[Foto im gedruckten Exemplar: Politische Verbannte im westsibirischen Kolpaschewo bei der Vorbereitung des Brennholzes für die Küche]]

In den Jahrzehnten vor 1905 fand ein umfassender Wandel in der Organisation der Zwangsarbeit statt. Die Idee, dass sie vor allem ein Strafmittel sein sollte, wich einer stärker »rehabilitativ« ausgerichteten Auffassung von Häftlingsarbeit. Einige Autoren versuchten schon vor der Gefängnisreform diese Auffassung der russischen Realität anzupassen;[12] das Gesetz vom 6. Januar 1886, das Arbeit für alle Häftlinge verpflichtend machte, wurde in den Gefängnissen aber nur punktuell umgesetzt. Es war eine der zentralen Neuerungen einer »langen Gefängnisreform« im Russischen Reich. Beginnend mit der Einrichtung einer Hauptgefängnisverwaltung (Glawnoe Tjuremnoe Uprawlenie)[13] im Jahr 1879 trug diese Reform bis zur Revolution von 1905 zu erheblichen Verbesserungen der Haftbedingungen bei.[14] Obwohl diese sich als kurzlebig erweisen sollten, hatten drei weitere durch diese Reform angestoßene Veränderungen langfristig tiefgreifende Auswirkungen. Dazu gehört erstens die Wende hin zu einem »rationalen« Ansatz in Bezug auf das Strafsystem. Die Hauptgefängnisverwaltung war die erste Verwaltungsbehörde, die mit Langzeiterhebungen statistischer Informationen über Häftlinge und Gefängnisse in allen Landesteilen begann; wichtiger noch, diese Daten flossen tatsächlich in die Entscheidungsprozesse der Gefängnisverwaltungen ein. Außerdem organisierte sie erstmalig eine systematische Gefängnisinspektion. Darüber hinaus reisten ihre Beamten zu internationalen Gefängniskongressen und nahmen somit am internationalen Austausch pönologischen Wissens teil. Das Ziel dieses Prozesses der Informationssammlung und Analyse war die Entwicklung einer Wissenschaft, die sich mit Strafen und Strafvollzug befasste. In ihrem Bemühen, die Kontrolle über die Haftbedingungen und Häftlinge zu vergrößern, machten sich die Gefängnisverwaltungen dieses neue Wissen als Instrument zur Umerziehung der Insassen zu eigen. Die Annahme von der »Umerziehbarkeit« der Häftlinge durch Arbeit sowie das wachsende Ausmaß der statistischen Datenerhebung sollten auch über die kommenden Jahrzehnte von zentraler Bedeutung sein.

Zweitens schuf diese Reform quasi einen Präzedenzfall für die Zentralisierung der Strafanstalten. Gefängnisse für Zivilisten wurden seit 1879 von der Hauptgefängnisverwaltung betrieben. Dieses System wurde zwar im Zuge der Oktoberrevolution zerschlagen, kurz darauf jedoch wieder durch ein sehr ähnliches ersetzt, in dem die Zentrale Strafabteilung (Zentralnyi Karatelnyi Otdel, ZKO) des Volkskommissariats für Justiz (Narodnyj komissariat justizii, NKJu) an die Stelle der Hauptgefängnisverwaltung aus der Zarenzeit trat.[15] Die Lager und übrigen Hafteinrichtungen wurden von anderen Behörden kontrolliert: Außer der leitenden Zentralen Strafabteilung gab es die Zentralstelle für Kriegsgefangene und Flüchtlinge (Zentroplenbesch), die die Konzentrationslager betrieb, während besondere Hafteinrichtungen für politische Oppositionelle der Aufsicht und Leitung durch die Allrussische Außerordentliche Kommission (Wserossijskaja Tschreswytschajnaja Komissija, WTschK) unterstanden. Das Kommissariat für Justiz musste im Juli 1922 die Kontrolle der Gefängnisse an das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (Narodnyj kommissariat wnutrennich del, NKWD) abgeben. So wurden die Hafteinrichtungen in den 1920er-Jahren von der Hauptverwaltung für Haftanstalten des NKWD kontrolliert, bevor die Organisation der Strafanstalten zwischen 1930 und 1934 erneut umstrukturiert wurde: Nur die OGPU-Lager (Objedinjonnoje gossudarstwennoje polititscheskoje uprawlenije, Vereinigte staatliche politische Verwaltung) wurden nun vom GULag (Glavnoe Upravlenie Lagerej, Hauptverwaltung der Arbeitslager) betrieben, während die Gefängnisse und Arbeitskolonien (für Sträflinge mit kürzeren Haftzeiten) der Kontrolle durch eine Abteilung des Justizkommissariats unterstanden. Ab Ende 1934 kontrollierte jedoch nur eine einzige Behörde sämtliche Hafteinrichtungen der Sowjetunion: das NKWD.[16]

Die dritte entscheidende Entwicklung war die Neudefinition von Zwangsarbeit als Hauptkomponente des Strafsystems und die Neuformulierung der Grundsätze ihrer Umsetzung. Diese Debatten reflektierten nicht zuletzt die Reformen im Strafvollzug weltweit.[17] Russische Gefängnisbehörden und Juristen wollten ein Modell von Strafarbeit einführen, das bestmöglich an den russischen Kontext angepasst war und zugleich den internationalen Normen des Strafvollzugs entsprach. Die Vorstellungen gingen dabei weit über die der rein bestrafenden Zwangsarbeit des 18. und frühen 19. Jahrhunderts hinaus: Durch die Einführung einer neuen Art von Zwangsarbeit wollte die Verwaltung Häftlinge nicht nur bestrafen, sondern sie gleichzeitig resozialisieren und ihnen die Rückkehr in die Gesellschaft ermöglichen. Die Hauptgefängnisverwaltung hatte sich seit jeher für eine ganz bestimmte Art von Strafarbeit eingesetzt: handwerkliche Arbeitstätigkeiten in Werkstätten, die sich in den Gefängnissen befanden.[18] Die Unterstützer dieses Ansatzes beriefen sich nicht nur auf den moralischen Nutzen obligatorischer Arbeit oder ihr Potenzial zur Verbesserung der Disziplin in den Gefängnissen, sondern argumentierten noch viel weiter gehend über die Zentralität von Arbeit in der Gesellschaft: »In einer korrekt organisierten Gesellschaft sollte kein gesundes und arbeitsfähiges Mitglied der Gesellschaft auf das Privileg zählen, von der für alle geltenden Arbeitspflicht ausgenommen zu werden.«[19] Das gewünschte »Produkt« dieser Arbeit war ein fügsamer Arbeiter, der in der Lage war, innerhalb des Gefängnisses vermarktbare Güter zu produzieren und außerhalb desselben eine Beschäftigung zu finden, anstatt lediglich anstrengende und die Gesundheit schädigende körperliche Arbeit zum Wohle des Staates zu verrichten. Diese Form der Arbeit innerhalb der Gefängnismauern erforderte allerdings mehr qualifiziertes Personal und auch eine bessere finanzielle Ausstattung als Arbeitseinsätze außerhalb wie im Straßenbau oder Winterdienst. Die Einführung dieser neuen Art von Arbeit erwies sich zwar als dauerhafte Herausforderung,[20] doch die Vorstellung, dass Zwangsarbeit auf eine Weise organisiert werden sollte, die eine Resozialisierung ermöglichte, hatte sich verfestigt.

Die fortschrittlichen Kriminologen und Juristen, die die Idee der Resozialisierbarkeit beförderten, sollten später an der Ausarbeitung der sowjetischen Gesetzgebung beteiligt sein und das kriminologische Denken der Sowjetunion auf Dauer prägen.[21] So legten diese pönologischen Ideen den Grundstein für die frühen sowjetischen Auffassungen von Resozialisierbarkeit, die jedoch in der Folge im Sinne des stets propagierten Mythos der »Perekowka« – des »Umschmiedens« durch Arbeit – angeführt wurden.

 

II. Revolutionäre Arbeitslager

Die revolutionären Konzentrations- und Arbeitslager sind bislang ebenso wie die revolutionären Strafanstalten insgesamt von der Forschung vernachlässigt worden. Dies liegt zum Teil an der extremen Unübersichtlichkeit im Strafsystem und dem damit verbundenen grundsätzlichen Mangel an historischen Quellen: Viele Akten der Verwaltungen wurden zerstört oder waren von vornherein lückenhaft. Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung des Themas durch die historische Forschung ist der provisorische Charakter der Lager und ihre dezentrale Entstehung. Selbst dort, wo es verfügbare Informationen gibt,[22] beschränkt sich die Analyse auf die Lokalgeschichte. Doch diese Lager bedürfen nicht nur wegen der geschichtlichen Parallelen mit den Zwangsarbeitslagern der OGPU/NKWD einer systematischen Analyse, sondern auch weil ihre Geschichte grundsätzlich die Nutzung von Lagern als Teil des Arsenals politischer Gewalt insgesamt beleuchtet.

Während des Ersten Weltkriegs schuf das Russische Reich ein weitreichendes Netz aus Kriegsgefangenenlagern, einige davon im Militärbezirk Omsk in Sibirien. Die Haftbedingungen der Kriegsgefangenen der Mittelmächte sind bereits am Beispiel verschiedener Lager detailliert untersucht worden.[23] In Nowonikolajewsk (dem heutigen Nowosibirsk) wurden beispielsweise während der ersten Kriegsjahre gleich mehrere Lager errichtet: zuerst ein Lager für 10 000 Insassen, danach ein weiteres zur Internierung von noch einmal 4500 Häftlingen.[24] In Bezug auf Letzteres existieren archivarische Dokumente über die verschiedenen Phasen der Fertigstellung im Jahr 1915.[25] Den Plänen nach zu urteilen, beabsichtigte man den Bau eines weitläufigen Gebäudekomplexes einschließlich eines Krankenhauses, einer Bäckerei, Kantinen und Baracken. Die Berichte über den Fortgang seiner Errichtung belegen, dass diese von der Militärkommission sehr genau überwacht wurde – die dabei erhebliche Abweichungen vom ursprünglichen Plan feststellte.[26] Nowonikolajewsk war damals eine florierende Handelsstadt. Doch selbst im Vergleich zu solch einem wachsenden städtischen Zentrum stellte das Lager einen technologischen Fortschritt dar: Während die Stadt über kein zentrales Wasserversorgungssystem verfügte, wurde dessen Konstruktion für das Lager zu einem der größten Projekte seiner Art in dieser Zeit.[27]

Vor der Revolution wurden die Lager vom Militär betrieben; nach der Schaffung der Zentroplenbesch im April 1918 unterstanden sie in den von den Bolschewiki kontrollierten Territorien der Aufsicht dieser neuen Sowjetbehörde. In Sibirien war der Bürgerkrieg durch lang anhaltende Gefechte zwischen den Kampfparteien geprägt;[28] das Sibirische Revolutionskomitee (Sibrevkom), eine von den Bolschewiki geschaffene provisorische Behörde der revolutionären Regierung, bestand bis 1926[29] – wesentlich länger als die meisten Komitees dieser Art. Vereinzelt gibt es Hinweise darauf, dass einige der Kriegsgefangenenlager während des Bürgerkriegs von beiden Kriegsparteien wieder in Betrieb genommen wurden, um dort Zivilisten zu konzentrieren. Ehemalige zaristische Gefängnisse wurden zudem vom Sibrevkom für die außergerichtliche Internierung von Zivilisten genutzt und unter der Bezeichnung »Lager« oder »Häuser der Zwangsarbeit« (lagerja i doma prinudrabot) geführt.[30] In den Quellen werden einige Formen von Zwangsarbeit sowie die Arbeitsbedingungen der Häftlinge beschrieben. Aus den Zahlen der von den revolutionären Lagern bereitgestellten Arbeitskräfte geht hervor, dass es sich dabei im Vergleich zu den ehemaligen Kriegsgefangenenlagern sowie zu den GULag-Lagern, die folgen sollten, um relativ kleine Einrichtungen handelte. Wie schon die zaristischen Gefängnisse, befanden sie sich meist in städtischen Umgebungen. Dennoch blieben auch diese Lager in der Provinz nicht von dem erheblichen Mangel an Gefängniswärtern verschont, der bereits die frühen sowjetischen Gefängnisse vor große Probleme gestellt hatte.[31] Die Lagerverwaltung konnte die Unterstützung der örtlichen Miliz anfordern,[32] ließ Häftlinge aber auch ohne bewaffnete Eskorte zu ihren Arbeitsorten gehen.[33] In diesem Zusammenhang lohnt sich ein etwas genauerer Blick auf den Fall der Stadt Tobolsk, wo während der Zarenzeit ein Strafarbeitslager existierte und die zugleich ein wichtiger Knotenpunkt für Gefangenentransporte war. Als im Zuge der Revolution die meisten Haftanlagen zerstört wurden, wurde das Gefängnisgebäude in Tobolsk zu einem Haus der Zwangsarbeit umfunktioniert. Die Arbeitsorganisation in solchen Einrichtungen war sehr überschaubar und auf das Nötigste beschränkt: Im Fall von Tobolsk forderten die Leitungen der verschiedenen sowjetischen Institutionen und Betriebe – von Krankenhäusern[34] bis hin zu Windmühlen[35] – tageweise kleine Gruppen von Arbeitern an, selten auch qualifizierte Arbeitskräfte für eine dauerhafte Beschäftigung.[36]

Die Dokumente der regionalen Verwaltungen legen nahe, dass die Häftlingszwangsarbeit während der Revolution eingesetzt wurde, um den Arbeitskräftemangel in sowjetischen Betrieben kurzfristig aufzufangen. Die Bedingungen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs machten Arbeitseinsätze außerhalb der Gefängnismauern oder Lagergrenzen unerlässlich: In Tobolsk deutet nichts auf einen Versuch hin, die alten Gefängniswerkstätten wiederaufzubauen. Diese dezentrale und ungeplante Variante der Nutzung von Zwangsarbeit war zwar erklärtermaßen nur als provisorische Lösung gedacht, gleichzeitig ist sie jedoch ein frühes Beispiel für die Integration von Zwangsarbeit in die örtliche Wirtschaft.

 

III. Sowjetische Gesetzgebung: Arbeitspflicht und die Politik der Kriminalisierung

Aus einer erweiterten Perspektive, die nicht nur die Häftlingszwangsarbeit, sondern auch die allgemeine Arbeitspflicht in den Blick nimmt, lassen sich zwei Entwicklungen ausmachen: Einerseits wurde die Katorga im Zuge der Revolution abgeschafft, die Höchstdauer von Haftstrafen reduziert und die Definition von Verbrechen geändert: »Die Sowjets fügten dem Strafrecht neue Verbrechen wie Spekulation und Hooliganismus hinzu, doch zugleich entkriminalisierten sie Abtreibung, bestimmte sexuelle Vergehen sowie die meisten Jugenddelikte.«[37] Insgesamt hatte das Strafgesetz zu diesem Zeitpunkt »mehr Delinquenten dem Zugriff des Gesetzes entzogen als hinzugefügt«. Andererseits erfuhr die Zwangsarbeit im Anschluss an die Dekrete des Rates der Volkskommissare (Sowjet narodnych komissarow, SowNarKom) vom 29. Januar und 3. Februar 1920 eine ungeahnte neuerliche Dynamik. Bei genauerem Hinsehen werden gewisse Parallelen zwischen beiden Ansätzen deutlich. Die allgemeine Arbeitspflicht hatte, ebenso wie die Zwangsarbeit von Häftlingen, einen reformierenden bzw. (re-)sozialisierenden Zweck. Mit anderen Worten: Zwang bot nicht nur eine Möglichkeit, den gravierenden Mangel an Arbeitskraft auszugleichen, sondern war zugleich auch ein Mittel, um den Menschen die neuen sozialistischen Ideale einzuprägen. Die Idee einer allgemeinen Arbeitspflicht entsprang darüber hinaus nicht zuletzt der Vision von einer Gesellschaft auf dem Weg zum Sozialismus und der Rolle von Zwang für den Aufbau derselben. Ursprünglich war es Leo Trotzki gewesen,[38] der eindringlich für die Arbeitspflicht als Haupttriebkraft der Bewegung zum Sozialismus argumentierte: »Wir aber stellen umgekehrt der kapitalistischen Sklaverei die gesellschaftlich normierte Arbeit auf Grund eines Wirtschaftsplans entgegen, der für das ganze Volk verpflichtend und daher für jeden Arbeiter des Landes obligatorisch ist.«[39] Die politische Frage der möglichen Einführung einer allgemeinen Arbeitspflicht löste heftige Diskussionen aus, wurde aber letztlich auf Kosten der Unabhängigkeit der Gewerkschaften positiv beschieden. Lenin forderte, die Gewerkschaften sollten den Arbeitern eine »neue Art der Disziplin und Einheit« beibringen, womit er unter den Arbeitern große Empörung provozierte.[40] Trotzki war hingegen überzeugt, dass der Wandel hin zu einer neuen sozialistischen Arbeitsdisziplin nur per Zwang als Teil der Diktatur des Proletariats vollzogen werden könne.

Die kriminologischen Entwicklungen der 1920er-Jahre hatten die explosionsartige Zunahme der Häftlingszahlen in den 1930er-Jahren kaum ahnen lassen, dennoch beharrte die sowjetische Kriminologie nach wie vor auf der zentralen Bedeutung von Zwangsarbeit für die Umerziehung und Resozialisierung von Sträflingen. Louise Shelley beschreibt die unterschiedliche _Art und Weise, mit der die regionalen Abteilungen des Staatlichen Instituts für Kriminalitätsforschung (Gossudarstwennyj Institut po isutscheniju prestupnika i prestupnosti) zur Verbrechensforschung in der Sowjetunion beigetragen haben, und bemängelt, dass diese Forschung von ausländischen Beobachtern bisher zumeist übersehen worden ist. Sie ist der Meinung, dass die frühen sowjetischen Kriminologen »weder durch ideologische noch methodologische Zwänge eingeschränkt« waren.[41] Der Reichtum und die Vielfalt des frühen sowjetischen kriminologischen Denkens sind zwar unbestreitbar, doch scheint diese Bemerkung angesichts des größeren chronologischen Zusammenhangs ein wenig abwegig. Die Kriminologie der ersten nachrevolutionären Jahre war noch nicht in dem Maße durch die politische Führung vorgegeben, wie es in der stalinistischen Phase der Fall sein sollte, wenngleich sie sich innerhalb eines ganz bestimmten ideologischen Rahmens bewegte. Dieser Rahmen wurde einerseits durch »fortschrittliche« Ideen gesetzt, die von jenen Juristen stammten, die ihre Karriere lange vor der Revolution begonnen hatten (und von denen einige das Metier weiterhin prägen sollten, wie z. B. Sergei Poznyshev[42]). Andererseits gab es in der Kriminologie auch eine starke marxistische Strömung, die den gesellschaftlichen Kontext von Verbrechen betonte und auf die Möglichkeiten der Verbrechensprävention durch gesellschaftliche Veränderung verwies. Diese verschiedenen Ansätze bedeuteten, dass eine erzwungene Transformation von Individuen[43] – zum Zwecke des Aufbaus der anvisierten Gesellschaftsordnung – von einer ganzen Reihe an Argumenten gestützt wurde. Die kriminologischen Auffassungen und die Politik der Arbeitspflicht werden selten gemeinsam analysiert. Eine entsprechende Betrachtung zeigt jedoch, dass ihre Gemeinsamkeit in »den anhaltenden Bemühungen des Sowjetstaats, sein verfügbares menschliches Rohmaterial zu formen«,[44] bestand und beide die wichtige Bedeutung der Zwangsarbeit für die Gesellschaft betonten.

Die frühen Jahre der Sowjetära weisen überdies eine wachsende Ambivalenz in Bezug auf den Rückgriff auf die traditionelle Gefangenschaft als Strafmittel auf. Auch wenn die Bedeutung der Zwangsarbeit nicht hinterfragt wurde, das traditionelle Gefängnissystem wurde durchaus anhaltend kritisiert – und es gab viele Alternativvorschläge: von den landwirtschaftlichen Kolonien mit durchlässigen, unbewachten Begrenzungen[45] bis hin zu Zwangsarbeit ohne Freiheitsentzug für Kleinkriminelle.[46] Die ausgiebige Versuchsphase der 1920er-Jahre brachte jedoch kein einheitliches Strafregime hervor. Das Ziel der Autarkie der Haftanstalten wurde beibehalten, aber viele Lagerverwaltungen waren nicht in der Lage, diesbezüglich dauerhafte Ergebnisse zu erzielen. Einige der Strafanstalten orientierten sich nach wie vor an denselben Grundsätzen wie ihre Vorgänger aus der vorrevolutionären Zeit und scheiterten aus ähnlichen Gründen: finanzielle Not, das Fehlen qualifizierter Anleiter und Ausbilder in den Gefängniswerkstätten sowie Mangel an Gefängniswärtern. Der Niedergang des modernen Gefängnisses beschleunigte den Aufstieg der Lager als alternative Haftanstalten.

 

IV. Die Stalinisierung des Systems

Trotz Ausmaß und Umfang der Gewalt sowie der Sterberaten innerhalb des Arbeitslagersystems des GULag sind die meisten Autoren derzeit nicht der Auffassung, dass die Lager »auf Vernichtung ausgerichtet« waren.[47] Vielmehr wird angenommen, dass das Arbeitslagersystem »als Strafsystem diente und sowohl die reale Möglichkeit der Entlassung als auch zumindest das Versprechen der Rehabilitierung beinhaltete«.[48] Doch selbst wenn das ausgerufene Ziel die Umerziehung der Häftlinge war, erscheint die Gewalt als eigentlicher Kern des Systems: »Der GUlag war – was den sowjetischen Behörden mitnichten als problematisch erschien – zugleich ein Ort der Gewalt und der Resozialisierung.«[49] Dennoch war es ein System, das in einem Staat funktionieren und sich entwickeln musste, der mit Mitteln des Terrors gegen große Teile der Bevölkerung vorging. Die genauen Mechanismen des Terrors sind bereits untersucht worden,[50] daher sollen an dieser Stelle die wichtigsten Veränderungen des Systems in Bezug auf das zaristische Erbe und die unmittelbar nachrevolutionäre Erfahrung zusammengefasst werden. Wie Peter Solomon aufzeigt, war Stalins Kriminalpolitik »durch umfangreiche und ungewöhnliche Erweiterungen der strafbaren Vergehen, zunehmend härtere Bestrafungen, den Rückgriff auf Geheimgesetze und -direktiven, und, nach 1938, eine Trennung von politischer und gewöhnlicher Strafjustiz gekennzeichnet«.[51] Die Zwangsarbeit von Häftlingen war nur eine von vielen Formen unfreier Arbeit in der Sowjetunion zwischen 1930 und 1950;[52] Arbeitszwang wurde zum integralen Bestandteil der Industrialisierung. Die Einführung des Systems der »Besserungsarbeitslager« versinnbildlichte die Veränderungen im Repressionsapparat über die 1930er-Jahre – ein Prozess, der wesentlich durch folgende Merkmale gekennzeichnet war: schlagartiges Anwachsen der Häftlingszahlen und des Lagernetzwerks; Instrumentalisierung des Lagersystems zur Unterdrückung politischer Opposition; extreme Zentralisierung der Macht über dieses System ab 1934; die entscheidende Rolle der OGPU und der Geheimpolizei in der Organisation des Systems; Wiederaufnahme der Zwangsumsiedlung als Mittel der Repression und Durchführung von Massenumsiedlungen in bis dahin ungekanntem Ausmaß; Einsatz von Häftlingszwangsarbeit im Bauwesen und verschiedenen Bereichen der Industrie; Wandel in der Rechtsprechung von der experimentellen Politik der 1920er-Jahre hin zu einer Verlängerung von Haftzeiten; sowie Verabschiedung von Gesetzen zur Kriminalisierung immer größerer Bevölkerungsgruppen.

Anders gesagt, während der 1930er-Jahre verstetigten sich einige der Strafpraktiken der turbulenten Revolutionszeit, während andere aus der Zarenzeit wieder eingeführt wurden und umfangreiche Neuerungen auf dem Gebiet der Repression hinzukamen. Die Ergebnisse der Experimente im Strafvollzug der letzten Jahre fanden natürlich Eingang in die Entwicklung des GULag-Systems. Die Misserfolge, Errungenschaften und überkommenen Vorstellungen bildeten die Grundlage für die Entscheidungen der sowjetischen Funktionäre: »Moderne Auffassungen und Praktiken erlaubten es den sowjetischen Führern, Formen der exzisionären [gezielten] Gewalt zu entwickeln und umzusetzen, und stellten damit eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für den stalinistischen Terror dar.«[53]

 

V. Fazit

Es wurden die Auswirkungen bestimmter Vorgängermodelle und zuvor bestehender Praktiken auf bestimmte Entscheidungen der Bolschewiki während des Aufbaus des GULag aufgezeigt. Betrachtet man die im Zentrum der vorliegenden Analyse stehende Häftlingszwangsarbeit im langfristigen historischen Zusammenhang, wird Verschiedenes deutlich: Erstens wurden die Ideen über das resozialisierende Potenzial von Arbeit zu keinem Zeitpunkt ernsthaft infrage gestellt, obwohl diese, zumindest im Falle Russlands, kaum systematisch belegbar waren. Zweitens konnte die Zwangsarbeit in den Strafanstalten selten – dies gilt sowohl für die Zarenzeit als auch für die frühe Sowjetzeit – so organisiert werden, wie es die Vorgaben der Behörden vorsahen. Gleichzeitig war das Ideal der Erziehung durch Arbeit absolut vereinbar mit den Ideen der Bolschewiki über den Aufbau einer Gesellschaft im Übergang zum Sozialismus. Besonders deutlich wird dies in der politischen Diskussion über die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht. Drittens fanden während des untersuchten Zeitraums zwei bedeutende technische Veränderungen statt: die allmähliche Verdrängung der Gefängnisse durch Lager sowie die äußerst dynamische Entwicklung von Formen der staatlichen Kontrolle.

Folgende weiterführende Fragen sollten deshalb bei der künftigen Erforschung der Geschichte der Arbeitslager und des Strafsystems in der Sowjetunion Berücksichtigung finden. Erstens: Nach der recht intensiven Erforschung des russischen Falles, die nach der »Archivrevolution« einsetzte, ist es nun an der Zeit, die Geschichte des sowjetischen Arbeitslagersystems stärker in den Kontext der Globalgeschichte von (Straf-)Lagern einzubetten.[54] Zweitens: Trotz der bemerkenswerten Anstrengungen der Regionalhistoriker besteht nach wie vor die dringende Notwendigkeit der Einordnung regionaler Quellen in eine umfassendere Perspektive, um zu verstehen, wie sich die Autonomie der Verwaltungen vor Ort veränderte, wie sich Straf- und Repressionspraktiken von Ort zu Ort unterschieden und wie sich diese Praktiken im lokalen wie zentralen Kontext verbreiteten. Abschließend muss festgestellt werden, dass – selbst wenn der räumliche Aspekt des Strafsystems und insbesondere der Arbeitslager in der Historiografie durchaus angesprochen worden ist[55] – die bisherige Forschung die materiellen und technologischen Aspekte der Lagerentwicklung insgesamt vernachlässigt hat. Eine systematische Betrachtung der technologischen Aspekte von Repression – wie beispielsweise von Olivier Razac[56] und Reviel Netz[57] in ihren Studien über Stacheldraht vorgenommen – würde sicherlich zu einem besseren Verständnis der weltweiten Verbreitung von Gewalttechniken und -methoden beitragen.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jan-Peter Herrmann

 


[1] Eine ausführliche Diskussion hierzu findet sich in: Michael Jakobson: Origins of the Gulag: The Soviet Prison Camp System, 1917–1934, Neuauflage Lexington 2014 [1993].

[2] Siehe z. B. Louise Shelley: Soviet Criminology after the Revolution, in: Journal of Criminal Law and Criminology 70 (1979), H. 3, S. 391–396.

[3] Dieser Begriff [Orig.: »hazy ancestry«] wurde übernommen von David Garland: The Criminal and his Science. A Critical Account of the Formation of Criminology at the End of the Nineteenth Century, in: The British Journal of Criminology 25 (1985), H. 2, S. 111.

[4] David J. Dallin/Boris I. Nicolaevsky. Forced Labor in Soviet Russia, New Haven 1947, S. 299–305.

[5] Ebd., S. 299.

[6] Siehe z. B. Andrew Gentes: No Kind of Liberal: Alexander II and the Sakhalin Penal Colony, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 54 (2006), H. 3, S. 321–344.

[7] Stephen Wheatcroft: The Crisis of the Late Tsarist Penal System, in: ders.: Challenging Traditional Views of Russian History, Basingstoke 2002, S. 41.

[8] Siehe George Kennan: Sibirien ... und der Zar weiß alles: Das Verbannungssystem in Russland, Göttingen 2003 [1891].

[9] In der Sowjetunion wurden diese Erinnerungen in einer eigens darauf spezialisierten Zeitschrift namens Katorga i ssylka [Katorga und Verbannung] veröffentlicht, allerdings wurden auch zahlreiche Erinnerungen von Sozialrevolutionären und anderen politischen Aktivisten im Ausland publiziert. Eine Liste dieser Memoiren findet sich unter: socialist.memo.ru/books/ruszar.htm (ges. am 2. Januar 2017).

[10] Siehe Mikhail Gernet: Istorija carskoi tjurʼmy [Geschichte des zaristischen Gefängnisses], Bd. 4, 2. Aufl. Moskau 1954.

[11] Eines der vielen Beispiele hierfür: Mark Vishniak: Dan proschlomu [Hommage an die Vergangenheit], New York 1954, S. 179–184.

[12] Siehe z. B. Mikhail N. Galkin-Vraskoi: Materialy k isutscheniju tjuremnogo voprosa [Forschungsmaterialien zur Gefängnisfrage], Sankt Petersburg 1868.

[13] Inhalt und Auswirkungen dieser Reform wurden an anderer Stelle analysiert: Zhanna Popova: The Two Tales of Forced Labour: Katorga and Reformed Prison in Imperial Russia (1879–1905), in: Almanack (2016), H. 14, S. 91–117.

[14] Siehe Bruce F. Adams: The Politics of Punishment: Prison Reform in Russia, 1863–1917, DeKalb 1996.

[15] Siehe Dekret des Volkskommissariats für Justiz vom 23. Juli 1918: O lischenii svobody, kak o mere nakasanija, o porjadke otbyvanija takovogo (Vremennaja Instrukzija) [Über Freiheitsentzug als Bestrafung, und die Bedingungen der Haft (provisorische Anweisung)].

[16] Siehe M.B. Smirnow/S.P. Sigatschew/D.V. Schkapow: Sistema mest zakliucheniia v SSSR. 1929–1960 [Das System der Haftanstalten in der UdSSR, 1929—1960], in: www.memo.ru/history/nkvd/gulag/index.htm (ges. am 4. Dezember 2016).

[17] Siehe Frank Dikötter: The Promise of Repentance: Prison Reform in Modern China, in: The British Journal of Criminology 24 (2002), H. 2, S. 240–243.

[18] Ein Beispiel für die Rechtfertigung dieser Bedingungen findet sich in M. Krassovskii: O zanjatii arestantow rabotami v russkich tjurmach [Über den Arbeitseinsatz von Häftlingen in russischen Gefängnissen]. Tjuremnii westnik (1897), H. 11, S. 514.

[19] Nikolai Lutschinskii: Arestantskie raboty wo Franzii i w Rossii [Häftlingsarbeit in Frankreich und Russland]. Tjuremnii westnik (1906), H. 1, S. 40.

[20] Siehe dazu z. B.: Kratkii otscherk deijatelnosti Glawnogo Tjuremnogo Upravlenija sa pervye XXXV let ego suschtschestwowaniia [Kurzbericht über die Tätigkeiten der Hauptgefängnisverwaltung während der ersten 35 Jahre ihres Bestehens], Tjuremnii westnik (1914), H. 2, S. 284–397.

[21] Siehe Maksim M. Isaev: Osnownye natschala ugolownogo sakonodatelstwa SSSR i sojusnych resspublik [Die Grundlagen der Strafgesetzgebung in der UdSSR und den Unionsrepubliken], Moskau/Leningrad 1927. Einer dieser einflussreichen Wissenschaftler ist Mikhail Gernet mit seinen frühen Arbeiten zur Gefängnispsychologie: ders.: W tjurme. Otscherki tjuremnoi psichologii [Gefangen. Aufsätze zur Gefängnispsychologie], Moskau 1925.

[22] Siehe z. B. die kürzlich erfolgte Veröffentlichung von Listen der Insassen des Konzentrationslagers Rjasan: A.A. Grigorow/A.I. Grigorow: Sakljutschennye Rjasanskogo gubernskogo konzlageria RSFSR 1919–1923 gg. [Insassen des regionalen Konzentrationslagers in Rjasan, RSFSR, 1919–1923], Moskau 2013.

[23] Eine sehr ausführliche Schilderung der Haftbedingungen von Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland findet sich in: Georg Wurzer: Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Rußland im Ersten Weltkrieg, Dissertation verteidigt an der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen 2000.

[24] Gosudarstvennyi archiv Novosibirskoj oblasti/Staatsarchiv des Verwaltungsbezirks [Oblast] Nowosibirsk (im Folgenden: GANO), f. D-97, op. 1, d. 198, l.3 und l.12., und d. 204, l.1.

[25] Siehe GANO, f. D-97, op. 1, d. 204.

[26] Ebd., ll. 3–5.

[27] Siehe GANO, f. D-97, op. 1, d. 225.

[28] Eine Übersicht findet sich in Jonathan D. Smele: The »Russian« Civil Wars, 1916–1926. Ten Years That Shook the World, Oxford/New York 2015.

[29] Siehe Roza S. Shteynman: Sibirskii rewoljuzionnyi komitet [Das sibirische Revolutionskomitee]. Dissertation verteidigt an der Universität von Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) 1975.

[30] Siehe beispielhaft das Gefängnis von Tobolsk im Jahr 1920: Staatsarchiv der Stadt Tobolsk, f. 168, op. 1, d. 22.

[31] Siehe Tjuremnoe delo w R.S.F.S.R. Ottschet Zentralnogo karatelnogo otdela NKJU VII-mu Sesdu Sowetow. [Gefängnisangelegenheiten in der RSFSR. Bericht der NKJu an den 7. Sowjetkongress], Moskau 1919, S. 2.

[32] Siehe Staatsarchiv der Stadt Tobolsk, f. 168, op. 1. d. 22, l. 7.

[33] Ebd., d. 25. l. 18.

[34] Ebd., d. 24. l. 20.

[35] Ebd., d. 22, l. 2ob und l. 3.

[36] Ebd., d. 24, l. 109.

[37] Peter H. Solomon Jr.: Criminalization and Decrimimalization in Soviet Criminal Policy, 1917–1941; in: Law & Society 16 (1981–1982), H. 1, S. 11.

[38] Leo Trotzki: Terrorismus und Kommunismus. Anti-Kautsky, Berlin 1973, S. 1.

[39] Tretij Wserossijskij sezd professionalnych sojusow [Der 3. Allrussische Gewerkschaftskongress], Moskau 1921, Teil 1, S. 87–90. Zitat aus: James Bunyan: The Origin of Forced Labour in the Soviet State, 1917–1921, Baltimore 1967, S. 133.

[40] Ebd., S. 118.

[41] Shelley: Soviet Criminology (Anm. 2), S. 617.

[42] Neben anderen Publikationen erschien von ihm ein grundlegender Band über Gefängnis- und Strafvollzugspolitik: Sergei Poznyshev: Ossnowy penitenziarnoj nauki [Grundlagen der Gefängniswissenschaft], Moskau 1923.

[43] Daniel Beer: Blueprints for Change: The Human Sciences and the Coercive Transformation of Deviants in Russia, 1890–1930, in: OSIRIS (2007), H. 22, S. 26–47.

[44] Peter Holquist: State Violence as Technique: The Logic of Violence in Soviet Totalitarianism, in: David Hoffmann (Hg.): Stalinism. The Essential Readings, Malden/Oxford 2003, S. 138.

[45] Zu den Experimenten im Strafvollzug siehe Aaron B. Retish: Breaking free from the prison walls: penal reforms and prison life in revolutionary Russia, in: Historical Research 90 (2017), H. 247, S.134–150.

[46] A. Estrin/W. Trachterew: Raswitie sowetskoj isprawitelno-trudowoj politiki kak tschasti sowetskoj ugolownoj politiki [Die Entwicklung der sowjetischen Politik der Besserungsarbeit als Teil der sowjetischen Strafpolitik], in: Andrei Januarjewitsch Wyschinski: Ot tjurem k wosspitatelnym utschreschdenijam [Von Gefängnissen zu Bildungseinrichtungen], Moskau 1934, S. 17–71.

[47] Golfo Alexopoulos: Destructive-Labour Camps: Rethinking Solzhenitsyn’s Play on Words, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 16 (2015), H. 3, S. 500.

[48] Wilson Bell: The Gulag and Soviet Society in Western Siberia, 1929–1953, Dissertation an der Universität von Toronto 2011, S. 7.

[49] Steven Barnes: Death and Redemption: The Gulag and the Shaping of Soviet Society, Princeton/Woodstock 2011, S. 27.

[50] Siehe z. B. Oleg Khlevniuk: The History of the Gulag. From Collectivisation to the Great Terror, London/New Haven 2004; Paul Gregory: Terror by Quota. State Security from Lenin to Stalin (An Archival Study), London/New Haven 2009, und John Arch Getty/Oleg V. Naumov: The Road to Terror. Stalin and the Self-Destruction of the Bolsheviks, 1932–1939, London/New Haven 1999.

[51] Peter H. Solomon Jr.: Soviet criminal justice under Stalin, New York 1996, S. 450.

[52] Siehe Andrei K. Sokolov: Prinuschdenie k trudu v sowetskoj ekonomike, 1930-e – seredina 1950-ch [Arbeitszwang in der sowjetischen Wirtschaft, 1930er-Jahre bis Mitte der 1950er-Jahre], in: Leonid I. Borodkin/Paul Gregory/Oleg V. Khlevniuk (Hg.): Gulag: Ekonomika prinuditelnogo truda [Ökonomie der Zwangsarbeit], Moskau 2005, S. 17–66.

[53] David Hoffmann: Editor’s Introduction, in: ders. (Hg.): Stalinism (Anm. 44), S. 130.

[54] Siehe vor allem (aber nicht nur) Aidan Forth: Britain’s Archipelago of Camps: Labor and Detention in a Liberal Empire, 1871–1902, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 16 (2015), H. 3, S. 651–680, und Klaus Mühlhahn: The Dark Side of Globalisation: The Concentration Camps in Republican China in Global Perspective, in: World History Connected (2009): worldhistoryconnected.press.illinois.edu/6.1/muhlhahn.html (ges. am 15. Dezember 2016).

[55] Zum Beispiel bei Judith Pallot: The topography of incarceration: the spatial continuity of penality and the legacy of the Gulag in twentieth and twenty-first century Russia, in: Laboratorium: Russian Review of Social Research 7 (2015), H. 1, S. 26–50.

[56] Siehe Olivier Razac: Politische Geschichte des Stacheldrahts. Prärie, Schützengraben, Lager, Zürich/Berlin 2003.

[57] Siehe Reviel Netz: Barbed Wire: An Ecology of Modernity, Middletown 2009.

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