JHK 2003

Von der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und zum Stalin-Kult

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 131-139 | Aufbau-Verlag GmbH

Autor/in: Katja Kuhn

Am 20. und 21. Mai 1947, auf dem ersten Bundeskongreß des Kulturbundes, wurde die Notwendigkeit eines besseren Verhältnisses der Deutschen zur Sowjetunion sowohl von den Vertretern der SED als auch von denen der Sowjetunion betont. Im Rahmen des Kulturbundes, der die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion in den ersten Jahren beeinflußte, hatte es schon seit 1946 Zirkel gegeben, die sich mit dem Studium der Kultur und Sprache der Sowjetunion beschäftigten. Im ersten Halbjahr 1947 entstanden plötzlich auf Betreiben der Sowjets bzw. der SED in der gesamten SBZ »Gesellschaften zum Studium der Kultur der Sowjetunion«[1], die in ihrer Anfangsphase unabhängig voneinander agierten. Bereits am 18. Mai 1946 hatte die SMAD mit Befehl Nr. 153 angeordnet, in Berlin ein »Haus der Kultur der Sowjetunion« zu organisieren, das im Februar 1947 eröffnet wurde. Und im Oktober 1946 hatte das sowjetische Außenministerium eine breitere Information der Bevölkerung über die sowjetische Kultur durch die SMAD gebilligt. Für diese Vorbereitungen zeichnete klar die SMAD bzw. UdSSR verantwortlich. Ziel war es, die »Überlegenheit der sozialistischen Demokratie über die bürgerliche« zu propagieren.[2] Eine »Gruppe von Wissenschaftlern, Schriftstellern, Künstlern und Studenten« stellte schließlich einen Gründungsantrag an die SMAD und betrieb die Gründung einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion in der gesamten SBZ.[3]

Unter Leitung von Jürgen Kuczynski[4], Heinrich Ehmsen[5] und Anna Seghers[6] trat im Frühjahr 1947 ein vorbereitender Ausschuß zur Gründung einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion zusammen.[7]

Am 25. Juli 1947 nahm der Vorstand der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion offiziell seine Arbeit auf. Somit wurde, innerhalb von nur zwei Jahren, neben dem »Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands« eine zweite Gesellschaft kultureller Ausrichtung ins Leben gerufen, die offensichtlich ein anderes Image bekommen sollte und damit in Konkurrenz zum Kulturbund trat.

Am 30. Juni 1947 luden Oberst S. I. Tulpanov,[8] welcher auch die Eröffnungsansprache hielt, und sein Stellvertreter Major Dymschitz zur Gründungsversammlung in das Berliner Haus der Kultur der Sowjetunion, Unter den Linden, ein.

 

Erster Präsident der Gesellschaft wurde »durch Mehrheitsbeschluß« – so die Akten – Professor Dr. Jürgen Kuczynski, ein Wirtschaftshistoriker, der nach seiner Rückkehr aus dem englischen Exil 1945 zwei Jahre für die »Spezialabteilung der sowjetischen Besatzungsmacht« arbeitete. Den Bedenken Kuczynskis, er spreche ja kaum Russisch, entgegnete Tulpanov, dies spiele keine Rolle, und er fügte hinzu: »Oder meinen Sie, daß sich die SMA in Ihnen täuscht?«[9] Fest steht, daß die Ernennung Kuczynskis ohne die volle Zustimmung der sowjetischen Entscheidungsträger unmöglich gewesen wäre. In seinen Memoiren bestätigte er das 1973 indirekt: »Keine Tätigkeit, kein Amt, keine Funktion habe ich seitde ausgeübt ohne Billigung oder Auftrag der Partei, es sei denn, die Anregung, der Auftrag kamen direkt aus der Sowjetunion, der Mutter auch meiner Partei.«[10]Erster Generalsekretär wurde Hans Mark, ein früherer Exilgefährte Kuczynskis. Seine Wahl wurde wohl von der Partei befürwortet, denn er sprach nicht nur fließend Russisch, sondern stand auch ideologisch eindeutig hinter der SED. Vizepräsidentin wurde Anna Seghers, die schon an den Gründungsvorbereitungen teilgenommen hatte.[11]

Die Gründungsversammlung der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion war offiziell eine »Reaktion« auf die vorgeschobene, formale »Forderung« der Bürger der SBZ nach der Bildung einer Gesellschaft, die sich mit der sowjetischen Kultur auseinandersetzen und diese den Deutschen näherbringen sollte. Doch in Wirklichkeit ging die Gründung wohl eher auf Interessen der Sowjets zurück, die eindeutig den Aufbau der Studiengesellschaft forcierten, um eine Massenorganisation ins Leben zu rufen, deren Mitglieder positiv gegenüber der Sowjetunion eingestellt wären und die durch ihre Struktur möglichst viele Kreise in Ostdeutschland ansprechen würde.[12]

Die neue Massenorganisation sollte sich nicht allein mit der sowjetischen Kultur im engeren Sinne befassen, so Tulpanov, »obwohl die russische Kultur eine große und führende Rolle in der Sowjetunion« besitze, sondern auch über das politische System der Sowjetunion informieren. »Kultur heißt auch verstehen, wie der Staat gebildet wurde, also die Lehre des Staates von Marx und Lenin. Das waren die Lehren, auf Grund derer wir unsere Politik, unsere Wirtschaft, unsere Kultur aufbauten (...). Man kann sich nicht nur beschränken auf die sogenannte schöne Kunst. Wer über die Sowjetunion wirklich etwas wissen will, muß auch verstehen, was heißt Kolchosen, was sind Bolschewiki, was haben sie gemacht und wie ist ihre Einstellung zur Gegenwart. Es wäre falsch, wenn man sich nur mit Musik beschäftigt. Die russische Kultur ist nicht nur Dostojewski (...).«[13]

De facto forderte der sowjetische Oberstleutnant schon an dieser Stelle die Gründung einer Gesellschaft, deren Daseinsberechtigung sich auf die politischideologische Indoktrination möglichst vieler Deutscher im Sinne der Kommunisten konzentrierte – eine Forderung, der die Gesellschaft über viele Jahre nachkommen sollte.

In den ersten zwei Jahren ihres Bestehens war die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, wohl nicht zuletzt durch ihren Namen, vor allem für Vertreter der Intelligenz attraktiv. Dies spiegelt sich auch in der Besetzung der Landesvorstände wider, in denen Schriftsteller und Wissenschaftler dominierten. Durch eine Änderung des Namens hofften die sowjetischen Vertreter wie auch die der SED, die bestehende soziale Blockade gegenüber der Sowjetunion in der deutschen Bevölkerung abzuschwächen und die Gesellschaft für die Massen interessanter zu machen. Kuczynski erinnerte sich später, die Umbenennung in »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« sei von den sowjetischen Stellen vorgeschlagen worden.[14] Dies ist anhand der Akten nicht eindeutig zu belegen, jedoch erscheint es durchaus logisch, daß der Sowjetunion bei der Umbenennung der Gesellschaft eine wichtige Rolle zukam.

Auf dem 2. Kongreß der Gesellschaft im Juli 1949 erfolgte der Beschluß, die »Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion« in »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« umzubenennen.[15]

Da sich Kuczynski offensichtlich der Zustimmung der Delegierten zur Namensänderung nicht sicher war, wurde keine offizielle Abstimmung durchgeführt, welche eine Zweidrittelmehrheit erfordert hätte.[16] Um eine Mehrheit für diesen Beschluß sicherzustellen, bediente Kuczynski sich eines Rechentricks: er ließ deutlich mehr Abgeordnete zur Teilnahme an der Konferenz zu als ursprünglich vorgesehen,[17] erkannte aber, gemäß den Statuten, nur 104 Delegierte als stimmberechtigt an. Damit war die Zustimmung der entsprechenden Anzahl Delegierter sichergestellt, und die Namensänderung konnte problemlos erfolgen.

Schon im Januar 1949 hatte die SED auf der 1. Parteikonferenz die Umgestaltung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft zur Massenorganisation vorgeschlagen und ihre Führungsrolle damit auch nach außen hin deutlich gemacht. Auch Kuczynski als Präsident setzte sich mit der neu zu definierenden Rolle der Gesellschaft auseinander. Auf der Halbjahrestagung des Gesamtvorstandes am 25. und 26. Oktober 1948 stellte er fest, das Auftreten der Gesellschaft erscheine zu defensiv und man unterlasse es, »darauf hinzuweisen, daß die Grundprinzipien und Grundtendenzen der Entwicklung Deutschlands die gleichen sein müssen wie in der Sowjetunion. (...) Wir bringen keineswegs klar genug in unserer Arbeit die Tatsachen heraus, daß man den Fortschritt unserer deutschen Entwicklung in der gegenwärtigen Situation auf ideologischem Gebiet in erster Linie zu messen hat an dem Verhalten des Einzelnen und jeder Schicht zur Sowjetunion (...)«[18] Das erklärte Ziel der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft mußte sein, neue Mitglieder für ihr Anliegen zu begeistern. Zu diesem Zweck spannte die Gesellschaft schließlich sogar andere Massenorganisationen der DDR ein, so richtete sie z. B. gemeinsam mit der FDJ einen Appell an die Jugend, in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft einzutreten.[19] Zudem rief sie dazu auf, einen »Monat für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« abzuhalten, schließlich wurde Wilhelm Pieck zum Ehrenpräsidenten der Gesellschaft ernannt.[20]

Immerhin ließen sich so langsam Erfolge verbuchen, und Anfang 1949 hatte die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft schätzungsweise 100 000 Mitglieder, im Oktober 1949 schon 293 370.21 In der »kritischen Einschätzung zum Abschlußbericht des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft« wurde festgehalten, »daß die Gesellschaft es verstanden hat, die günstige politische

Situation, entstanden durch

a)  die Änderung des Namens der Gesellschaft

b)  die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik

c)  das Begrüßungstelegramm Generalissimus Stalin an den Präsidenten undMinisterpräsidenten der DDR mit ihrer Werbearbeit in Verbindung zu bringen«.[21]

Eine besonders effektive Werbemaßnahme im Zuge der Kampagne der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft war die Einfuhr sowjetischer Landmaschinen, welche die »freundschaftliche Hilfe« seitens der Sowjetunion für die Deutschen real spürbar machen sollte.

Die Mitgliedschaft in der Organisation war für die Bevölkerung der DDR quasi obligatorisch, da sie einen positiven Vermerk in den Kaderakten bewirkte und als Mindestmaß gesellschaftlichen Engagements gewertet wurde. Daher waren Kollektivbeitritte und Selbstverpflichtungskampagnen in der Expansionsphase der Gesellschaft die Regel. In die Gesellschaft trat ein, wer dem Druck der ihn umgebenden Institutionen nachgab und es aus persönlichen Aufstiegs- oder auch Nicht-Abstiegs-Wünschen für opportun hielt, sich zur Freundschaft zur Sowjetunion zu bekennen.[22]

Damit war es der Gesellschaft schließlich gelungen, sich als Massenorganisation im gesellschaftspolitischen System der DDR zu etablieren, doch mußten erneut innere Umstrukturierungen nach leninistisch/stalinistischem Vorbild in Angriff genommen werden, um die Arbeit zu effektivieren. Dazu gehörten der Aufbau von Sekretariaten der Landesgesellschaften und der Aufbau von Betriebsgruppen, die sprachliche Gleichschaltung der Gesellschaft sowie die Kaderarbeit.

Die organisatorische Aufbauphase der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion/Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft war 1949 abgeschlossen. Der Schwerpunkt lag auf der Koordinierung der politischen und ideologischen Inhalte und der strukturellen Gleichschaltung der verschiedenen Landesgesellschaften sowie dem Aufbau der Kader. Zentrale Positionen wurden mit in der Sowjetunion geschulten Heimkehrern besetzt. Diese, so hieß es beispielsweise in einem Protokoll der ersten Studiengruppenleiterkonferenz der Sektion »Geschichte«, seien die »politisch bewußtesten Mitglieder« und daher besonders als Leiter der Studiengruppen geeignet.24

Endpunkt der massiven Mitgliederwerbung und Beginn eines bombastischen Stalinkultes war sein 70. Geburtstag am 21. Dezember 1949. Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft sollte hierbei, nach dem Willen der SED, neben dem FDGB eine zentrale Rolle spielen.

Geplant wurden Maßnahmen, die den gewünschten Stalinkult in der ganzen Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft verbreiten sollten:

   Die Verbindung der Konferenz der Gesellschaft für DSF zur Schaffung von Betriebsgruppen mit der Überreichung von Geschenken an die Vertreter der

KPDSU.

   Die Durchführung von Vorträgen über Stalin und seine Rolle in der UdSSR bzw. seine Bedeutung für die DDR.

   Die Herausgabe von Materialien zur Ausgestaltung der Geburtstagsfeierlichkeiten im Rahmen der Gesellschaft für DSF.

   Die Organisation von Ausstellungen über Stalin, die Herausgabe von Bilderreihen in einer Auflage von 3000 Exemplaren.

   Die Herausgabe eines Stalinporträts in einer Auflage von 10 000 Exemplaren.

   Die Aufstellung von Stalinbüsten in allen Häusern der Gesellschaft.

   Die Vorführung von sowjetischen Filmen, die sich überwiegend mit Stalin auseinandersetzten.[23]

Die Gesellschaft hat nicht versucht, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen – im Gegenteil. Stalins Geburtstag war ein Anlaß, in der gesamten Organisation Veranstaltungen zu planen, die seine Person und Politik legendenhaft heroisierten, und zwar auf allen Ebenen. Stolz berichtete die Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft: »Die Veranstaltungen in der ersten Dezemberhälfte standen im Zeichen der Stalinschen Verfassung«.[24] »Anläßlich des Jahrestages der Stalinschen Verfassung« wurde diese als Buch von der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft herausgegeben. Am 13. Dezember 1949 erhielt Kuczynski ein Schreiben des Büros des Sekretariates der SED mit der Überschrift: »Geschenke zum Geburtstag des Genossen Stalin«[25]. Darin wurde der Gesellschaft für DSF die Verantwortung für die Sammlung, Sichtung und den Transport der Geschenke der DDR-Bürger an Stalin übertragen. Am 15. Dezember wurden die Geschenke per Sonderzug nach Moskau geschickt.

Die Erfolge dieser Kampagnen waren, betrachtet man die Zahlen, auf welche sich die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft nun stützte, durchaus beeindruckend, immerhin gelang es, 361 833 neue Mitglieder zu gewinnen.[26]Auch in den folgenden Monaten waren die Aktivitäten der Gesellschaft vor allem auf die weitere Pflege des Stalinkults ausgerichtet. Kaum eine Veranstaltung, die sich tatsächlich mit der Kultur der Sowjetunion beschäftigte, stand auf der Agenda. Für die Leipziger Messe wurde ein Traktat vorbereitet, das Stalins Depesche zur Gründung der DDR, die Antwort des Präsidenten sowie vier Bilder von Stalin, Pieck, Grotewohl und einer Feier in Moskau enthalten sollte.29 Als die SED auf dem Parteitag im Juli 1950 ihre Mitglieder aufforderte, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft beizutreten, war diese endgültig von der Studiengesellschaft zur Massenorganisation nach leninistisch/stalinistischem Vorbild umstrukturiert worden. Nicht mehr nur das Interesse an Rußland bzw. der Sowjetunion war das Hauptanliegen der Mitglieder, sondern die Demonstration der politisch »korrekten« Haltung und das Bekenntnis zu Stalin wurden zur Triebfeder. Damit war die Organisation endgültig zur propagandistischen »Vielzweckwaffe« geworden, deren Aufgabe vor allem drin bestand, sich den Interessen der SED zur Verfügung zu stellen und eine Politik zu propagieren, die ganz auf der Linie der herrschenden Partei lag.[27]

Die Idee einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion scheiterte zunächst an schwerwiegenden Organisationsproblemen, an der völlig zusammengebrochenen Infrastruktur in der SBZ und den noch immer bestehenden Vorbehalten großer Bevölkerungsteile gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht. Die Initiative zur Bildung einer Gesellschaft, die sich ausschließlich mit der sowjetischen Kultur und damit unterschwellig der Propagierung der Sowjetunion befassen sollte, ging eindeutig von der sowjetischen Verwaltung aus.

Schon die Zielvorgabe der Sowjets bei der Gründungsversammlung macht deutlich, daß von Anfang an geplant war, die Gesellschaft als Massenorganisation zu strukturieren und als Mittel zur ideologischen Indoktrination der Deutschen einzusetzen. Insofern kann die sowjetische Initiative zur Gründung einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion als Weiterführung der von der SMAD-Informationsverwaltung geförderten Propaganda der Popularisierung der Sowjetunion mit anderen Mitteln angesehen werden. Dabei sollten zunächst Intellektuelle gewonnen werden, bevor man das Engagement auf die gesamte Bevölkerung der SBZ/DDR ausdehnte.

So befand sich die Gesellschaft seit ihrer Gründung in dem Konflikt, einerseits den Interessen der Sowjets dienen zu müssen und bis 1956 den Stalin-Kult zu verbreiten, andererseits jedoch als deutsche Institution in der SMAD/DDR mit deutschen Mitgliedern angesiedelt zu sein. Sie mußte letztendlich beiden Seiten gerecht werden, um ihre Position im politischen System der DDR zu verteidigen.

Obwohl sie vom sowjetischen Verwaltungsapparat merkliche Unterstützung erhielt, konnte die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion ihren Anspruch, eine Organisation für die ganze Bevölkerung zu sein, nicht einlösen. Die Zusammenarbeit auf Landesebene war anfangs wenig ausgeprägt. Es war nicht zuletzt wegen der mangelnden organisatorischen Qualifikation der Kader schwierig, einheitliche, demokratisch-zentralistische Strukturen auf allen Ebenen in der SBZ/DDR zu etablieren und die Steuerung der Gesellschaft auf allen Ebenen sicherstellen.

Der große Einfluß der Sowjets zeigt sich u. a. darin, daß die Position des Generalsekretärs der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion nicht in Frage gestellt werden konnte. Die sowjetische Seite war offensichtlich daran interessiert, ihren Einfluß bei der Gründung einer solchen Gesellschaft zu verschleiern und forcierte formal eine deutsche Initiative. Der Grund hierfür ist wohl vor allem in den Ressentiments der Deutschen gegenüber den Sowjets zu suchen, zudem hatte sie ein Interesse daran, aufgrund der sich verschärfenden ideologischen Konflikte mit dem Westen die Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Politik der Sowjetunion unter Beweis zu stellen.

1948 änderte sich mit dem Kurswechsel der SED der Charakter der Gesellschaft. Im Zuge des Kalten Krieges war es ihre vorrangige Aufgabe, möglichst viele Deutsche zu einem Bekenntnis zur sowjetischen Politik zu bewegen. Unterstützung fand diese Propaganda durch Lancierung sowjetischer Produktionsmethoden vor allem in der Landwirtschaft. Parallel dazu sollten Betriebsgruppen aufgebaut und eine regelmäßige Arbeit in den Betrieben initiiert werden. Dieses Vorhaben gestaltete sich jedoch schwierig, da die Arbeiterschaft wenig Interesse an der Gesellschaft zeigte.

Der 2. Kongreß der Organisation im Juli 1949 stellt einen Wendepunkt in der Geschichte der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion dar. Der wohl wichtigste Schritt war die hier vollzogene Namensänderung in »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« und ihre Statusänderung zur Massenorganisation. Damit einher ging die Übernahme des Stalinkultes und die Strukturierung der Gesellschaft nach stalinistischem Vorbild. Dazu gehörte neben einschlägigen Veranstaltungen und Organisationsstrukturen auch die Besetzung führender Posten auf Orts- bzw. Landesebene mit entsprechenden Kadern. Dafür wurden besonders geschulte Heimkehrer aus der UdSSR herangezogen. Durch massive Kampagnen und mit der Unterstützung der SED und der sowjetischen Seite gelang es, in kürzester Zeit die Mitgliederzahlen zu versechsfachen.[28]Die Gesellschaft stand dann jedoch vor großen organisatorischen Problemen. Bald stellte sich heraus, daß die Mitglieder selten daran interessiert waren, in der Gesellschaft aktiv mitzuarbeiten und sich für deren Anliegen einzusetzen.

Insofern entspricht auch die Gründungsphase der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion/Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft durchaus dem Muster, welches den Transformationsprozeß der SBZ/DDR steuerte.

 

 


[1] Zunächst entstanden Gesellschaften, die sich mit dem Studium der Kultur der Sowjetunion beschäftigten in Thüringen, Mecklenburg und Sachsen-Anhalt, später auch in Brandenburg und Sachsen. Vgl. Schönknecht, T.: »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft«. In: Broszat, Martin/Weber, Hermann: SBZ-Handbuch. München 1990, S. 735.

[2] Mitteilung von Dr. Jan Foitzik, Berlin.

[3] Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 736.

[4] Jürgen Kuczynski (17. 9. 1904 – 6. 8. 1997) war ein bekannter Wirtschaftshistoriker, 1946–1956 ordentlicher Professor an der Universität Berlin, Gründer des Institutes für Wirtschaftsgeschichte, 1947–1950 Präsident der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion. Kuczynski galt als herausragender Forscher im Bereich der Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften der DDR und publizierte auf nahezu allen Gebieten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Gegen ihn wurden wiederholt Revisionismusvorwürfe erhoben, trotzdem war er außenwirtschaftspolitischer Berater Erich Honeckers. Vgl.: Grimm, T: Was von den Träumen blieb. Berlin 1993.

[5] Heinrich Ehmsen, geb.1886, arbeitete als Maler und Grafiker und war 1945 Mitbegründer und Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Er starb 1964. Vgl.: Katalog: Heinrich Ehmsen. Maler – Lebenswerk – Protokoll. Berlin 1986.

[6] Anna Seghers, eigentlich Netty Radványi, geb. Reiling (19. 11. 1900 – 1. 6. 1983) gilt als Nestorinder DDR-Literatur. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen der UdSSR und der DDR, so z. B. den sowjetischen Orden der Oktoberrevolution, aber auch den Kulturpreis des Weltfriedensrates und verschiedene Ehrenbürgerschaften, so z. B. in Berlin, Jena und Mainz. Batt, K.: Anna Seghers. Versuche über Entwicklung und Werke. Leipzig 1980; Wagner, F.: Anna Seghers. Leipzig 1980; Stephan, A.: Anna Seghers im Exil: Essays, Texte, Dokumente. Bonn 1993; Zehl Romero, C.: Anna Seghers. Eine Biographie 1947–1983. Berlin 2003.

[7] Vgl. Mai, J.: »Für ein neues, freundschaftliches Verhältnis zur Sowjetunion (1945–1949). Vonder Studiengesellschaft zur Massenorganisation für Deutsch-Sowjetische Freundschaft«. In: 40 Jahre DDR mit der UdSSR in Freundschaft verbunden. [Berlin (Ost), (1989)], S. 3.

[8] Vgl.: Foitzik, J.: Sowjetische Militäradminstration in Deutschland (SMAD) 1945–1949. Strukturund Funktion. Berlin 1999; Rentmeister, M.: »Kulturelle Beziehungen zu unseren Freunden«. In: Die ersten Jahre. Erinnerungen an den Beginn der revolutionären Umgestaltung. Berlin (Ost) 1979, S. 321 ff.; Koch, M.: Zum Tode von Sergej I. Tulpanov. Deutschland Archiv 17 (1984), S. 341 ff.; Tulpanov, S. I.: Erinnerungen an deutsche Genossen. Berlin/ Weimar 1984,. Ders.: Deutschland nach dem Kriege (1945–1949). Berlin 1986

[9] Kuczynski, J.: Dialog mit meinem Urenkel. Neunzehn Briefe und ein Tagebuch. Erstveröffentlichung der ungekürzten und unzensierten Originalfassung. Berlin 1989, S. 151.

[10] Ebenda, S. 157.

[11] Vgl. Mai, J.: Die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, S. 861. Weitere Mitglieder des Vorstands waren: Walter Gerull-Kardas (Mitarbeiter des Hauses der Kultur, Schriftführer), Prof. Ehmsen (Berlin), Prof. Pontius van Beek (Berlin), Prof. Unger (Erfurt), Prof. Schneider (Jena), Stadtrat Matern (Rostock), Luise Paul (Weimar) und Anna Groß (Studentin; Berlin); vgl.: Neues Deutschland vom 3. 7. 1947, S. 3; Tägliche Rundschau vom 1. 7. 1947, S. 1.

[12] Zwar hatte auch der »Bund der Freunde der Sowjetunion« auf den Wunsch Moskaus hin schon zu Weimarer Zeiten eine Massenorganisation werden sollen, doch war eine reale Umsetzung nie erfolgt.

[13] SAPMO, DY 32, 1, Sitzungsprotokoll der Gründungsversammlung.

[14] Kuczynski, J.: Aus den Anfängen einer großen Freundschaftsbewegung, S. 151.

[15] In der Literatur findet sich auch noch der Begriff »Zweite Zonenkonferenz«. Vgl. dazu: »Freunde für immer«. In: Die neue Gesellschaft, S. 6ff.

[16] Vgl. Dralle, L.: Von der Sowjetunion lernen..., S. 312ff.

[17] Petersdorf nennt 700 Delegierte, vgl. Petersdorf, J.: Die Rolle der Gesellschaft, S. 104; Die Mandatsprüfungskommission dagegen spricht von 324 Delegierten, die restlichen 220 Delegierten stufte sie nur als Gäste ein. Vgl. dazu: »Bericht der Mandatsprüfungskommission«. In: Die neue Gesellschaft, S. 173ff.

[18] SAPMO, DY 32, 4, Aufgaben und Arbeit unserer Gesellschaft in der gegenwärtigen Situation, Rede des Präsidenten auf der Halbjahrestagung des Gesamtvorstandes am 25. und 26. Oktober 1948. Blatt 18ff. Die Rede wurde abgedruckt in: Die neue Gesellschaft, Nr. 11/1948, S. 5–11 und 44–149; Vgl.: Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Landessekretariat Mecklenburg (Hrsg.): Freundschaft mit der Sowjetunion als nationale Existenzfrage, o.O., o.J. (1949).

[19] In dem Aufruf der DSF und der FDJ an die deutsche Jugend hieß es: »Mädel und Jungen! Schließt euch der großen, ständig wachsenden Gemeinschaft der Freunde der Sowjetunion an! Es genügt nicht, sich nur mit Worten zur Freundschaft mit der Sowjetunion zu bekennen (...). Werdet darum Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und besucht die Kulturhäuser.« In: 40 Jahre DSF, S. 8. Vgl. Neues Deutschland vom 1. 11. 1949, S. 2.; Vgl.: Für ein neues, freundschaftliches Verhältnis zur Sowjetunion (1945–1949). Von der Studiengesellschaft zur Massenorganisation für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. (propagandistische Veranstaltung des Zentralvorstands der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft). Berlin (Ost) 1989.

[20] Wilhelm Piek (1876–1960) war als führender Kommunist ab 1947 maßgeblich an der Umgestaltung der SED zur Partei nach stalinistischem Vorbild beteiligt und wurde im Oktober 1949 zum Präsidenten der DDR gewählt. Vgl. Petersdorf, J.: Die Rolle der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft, S. 123 f.; Dralle, L.: Von der Sowjetunion lernen..., S. 340f. 21 Vgl. SAPMO DY 32, 432, Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion bei Beginn,

S. 4.

[21] SAPMO, DY 32, 432, Kritische Einschätzung zum Abschlußbericht des Monats der deutschsowjetischen Freundschaft. November/ Dezember 1949.

[22] Vgl. Eggeling, W.  und Hartmann, A. : Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, S. 31 und Gieseke, J.: Von der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, S. 156ff. 24 Vgl. SAPMO - Dy 32/204 S. 1.

[23] Vgl. SAPMO, DY 32, 126 Richtlinien zur Durchführung der Stalinkampagnen in den Massenorganisationen, S. 2–4.

[24] Ebd. S. 5.

[25] SAPMO DY 32, 432 Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft bei Beginn, Bl. 2ff.

[26] Vgl. SAPMO, DY 32, 432 Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft bei Beginn, S. 6. 29 SAPMO DY 32, 130 Beschlußprotokoll der Sitzung des Sekretariates der Gesellschaft für DSF vom 14. Februar 1950.

[27] Vgl. Dralle, L.: Von der Sowjetunion lernen..., S. 3769.

[28] Vgl. Gieseke, S. 170.

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