JHK 2003

Werner Kowalski – Leben, Flucht und Tod eines kommunistischen Funktionärs

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 320-337 | Aufbau Verlag

Autor/in: Dietmar Simon

Über kaum einen kommunistischen Funktionär, der in den 1930er Jahren eine größere Bedeutung hatte, wußte man bislang so wenig wie über Werner Kowalski. Obwohl sein Name in der Forschungsliteratur seit den 1960er Jahren gelegentlich am Rande auftaucht, war über ihn kaum mehr bekannt, als daß er 1935 auf der »Brüsseler Konferenz« als Kandidat in das ZK der KPD gewählt wurde. In der DDR war er eine persona non grata, weil er 1938 aus der Partei ausgeschlossen worden war. Im Unterschied zu fast allen anderen ZK- und PolitbüroMitgliedern vom Herbst 1935 wird in der Forschungsliteratur der DDR und den einschlägigen Memoiren späterer SED-Funktionäre praktisch nur sein Name erwähnt, und auch das selten, unvollständig oder falsch.[1] In der westlichen Forschung blieb er ebenfalls einer derjenigen, die dem genaueren Blick entgingen. Nur hier und da, bei Horst Duhnke, Detlev Peukert und Beatrix Herlemann,[2] finden sich Hinweise, die ahnen lassen, daß sich hier ein politischer Lebenslauf verbirgt, der sowohl für die Geschichte des Kommunismus in der Weimarer Republik als auch für die des Widerstandes und der Emigration wie auch für die Forschungsgeschichte zu diesen Bereichen bedeutsam ist. Unvollständige Lebensläufen bis hin zur Namensverfälschung (»Wilhelm« Kowalski)[3] selbst in neuesten Veröffentlichungen zeigen, daß die Forschungslücke weiter besteht.

Man könnte die Vermutung aufstellen, daß dieses Defizit ein Nachweis relativer historischer Bedeutungslosigkeit ist. Warum sonst hat sich in den vergangenen Jahrzehnten niemand intensiver mit der Rolle Kowalskis in der KPD auseinandergesetzt? Nun soll keineswegs behauptet werden, daß man es hier mit einer vergessenen Führungsfigur der KPD zu tun hat. Vielmehr wird die These vertreten, daß an Hand der Biographie von Werner Kowalski nicht nur die politische und die soziale Geschichte des deutschen Kommunismus genauer reflektiert werden kann, sondern sich im Detail einer einzelnen Person, die gerade nicht an vorderster Stelle stand, das Typische wie das Atypische (falls eine Typologisierung überhaupt Sinn macht) einer politischen Bewegung entdecken läßt. Mittlerweile ist es möglich, das Leben dieses Mannes recht genau nachzuzeichnen. Dabei offenbart sich ein Lebensweg, der in manchem den verwickelten Verlauf nicht nur der KPD-, sondern der gesamten deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt und insgesamt ein eindrucksvolles Beispiel für die Genese und das Schicksal eines Funktionärs aus der zweiten oder dritten Reihe darstellt, einer Personengruppe, die bislang von der Forschung weitgehend vernachlässigt wurde.[4]

Werner Albert Alex Kowalski[5] wurde am 28. Dezember 1901 in Lüdenscheid geboren. Seine Eltern waren 1899 in diese prosperierende Industriestadt südöstlich des Ruhrgebietes zugewandert, die damals knapp 30 000 Einwohner hatte. Der Vater, Albert Kowalski, stammte aus Iserlohn und war gelernter Polsterer. Zusammen mit seiner Frau Klara, die aus Lennep bei Remscheid kam, hatte er insgesamt sieben Kinder. Der älteste Sohn, Robert, wurde 1900 geboren, Werner folgte im Jahr darauf. Von 1909 bis 1916 besuchte er die Volksschule, die er offenbar ohne größere Probleme absolvierte. Nach Ostern 1916, mitten im Krieg, an dem der Vater als Landsturmmann im Westen teilnahm, begann Werner Kowalski eine Lehre als Buchbinder, was nicht selbstverständlich war, denn viele seiner Altersgenossen zog es damals mehr zu den besser bezahlten Arbeitsplätzen in der örtlichen Rüstungsindustrie des Kleinmetallgewerbes, zu denen man in der Regel keine handwerkliche Ausbildung brauchte. Die Lehre schloß er Ostern 1919 nach der regulären dreijährigen Dauer ab.

Die Familie Kowalski war sicherlich nicht besonders wohlhabend, der Vater aber zeigt auf Fotografien kleinbürgerliches Selbstbewußtsein. Sein Sattler- und Polstererbetrieb warf offenbar soviel ab, daß die größer werdende Familie sich ab 1913 eine größere Wohnung inmitten der Lüdenscheider Altstadt leisten konnte, über einem Lokal. Zum Vater hatte Werner Kowalski ein distanziertes Verhältnis, ganz anders als zu der Mutter, die 1920 ihr siebtes Kind gebar. Mit den Eltern, vier Brüdern und zwei Schwestern lebte Werner Kowalski jetzt noch jahrelang auf recht engem Raum, in einer Zeit, als die wirtschaftlichen Verhältnisse in Lüdenscheid nach einer kurzen Nachkriegsblüte sich zu verschlechtern begannen. Werner Kowalski fand nach dem Abschluß seiner Lehre keine Anstellung und arbeitete in den folgenden Jahren als Fabrikarbeiter, später auch als Bauarbeiter. Ungeklärt bleibt eine Notiz des Einwohnermeldeamtes,[6] wonach er von Ende April bis Ende Juli 1919 wie der ältere Bruder Robert bei der Grenzschutztruppe untergekommen war, die der Obersten Heeresleitung unterstand und aus den Freikorpsformationen hervorgegangen war. Bedeutet dies, daß der noch nicht Achtzehnjährige zu republikfeindlichen, konservativen Tendenzen neigte? Oder suchte er nur ein Abenteuer, wollte von zu Hause weg und wurde sehr bald desillusioniert? In zwei 1935 in Moskau verfaßten Lebensläufen erwähnte Kowalski den Grenzschutz jedenfalls nicht, wohl aber, daß er zum Beispiel 1920 an Kämpfen während des Kapp-Putsches beteiligt war.[7]

Die Frage, wann und wie überhaupt er in Kontakt mit der kommunistischen Arbeiterbewegung kam, ist nicht einwandfrei zu beantworten. In Lüdenscheid gab es seit dem späten 19. Jahrhundert eine verhältnismäßig starke sozialdemokratische Arbeiterbewegung. Während des Ersten Weltkrieges war diese, anders als in vergleichbaren Industriestädten, konsistent geblieben, brach danach aber innerhalb weniger Monate auseinander. Anfang 1919 entstand ein Ortsverein der USPD, einige Monate später auch einer der ihr nahestehenden Jugendorganisation Freie Sozialistische Jugend als Konkurrenz zur Arbeiterjugend der SPD.

Werner Kowalski trat eigenen Angaben zufolge sehr bald in die FSJ ein und übernahm verantwortliche Funktionen darin, wurde vorübergehend Mitglied der USPD und vollzog den Übergang der schon früh zum Kommunismus tendierenden Gruppe über den Umweg der Sozialistischen Proletarierjugend zur Kommunistischen Jugend mit. Man kann nur mutmaßen, daß die Bekanntschaft mit starken gewerkschaftlichen Tendenzen im örtlichen Drucker- und Buchbindergewerbe, die von Unruhe geprägten Umstände am Rande des Ruhrgebiets sowie eine gewollte Distanzierung vom offenbar unpolitischen Elternhaus zur Politisierung des jungen Mannes beigetragen hatten.

1922 trat er, noch nicht volljährig, in die KPD ein, die in Lüdenscheid erst Ende 1920 eine lokale Organisation gegründet, aber schon bei der preußischen Landtagswahl im Februar 1921 starken Zulauf bekommen hatte. Den Angaben in seinem Lebenslauf zufolge trat Kowalski 1921 eine Stelle »in einem größeren Aluminium-Werk« an und trat in den Deutschen Metallarbeiter-Verband ein, nachdem er zuvor bereits im Buchbinderverband gewerkschaftlich organisiert gewesen war. Innerhalb des DMV habe er intensive Jugendarbeit betrieben, sich parallel dazu am Aufbau kommunistischer Kindergruppen in Lüdenscheid und Umgebung beteiligt sowie Betriebszeitungen herausgegeben.[8]

In der Tat agierten die Lüdenscheider Kommunisten in den Jahren zwischen 1920 und 1923 hauptsächlich im gewerkschaftlichen Bereich, wo sie unter den zeitweise über 8000 DMV-Mitgliedern viele Anhänger gewannen, sowie im Bereich der Jugendagitation. Die lokale Organisation des Kommunistischen Jugendbundes machte durch intensive Propagandatätigkeit und größere Veranstaltungen auf sich aufmerksam. Geleitet wurde sie von dem 1898 geborenen Werner Kraus[9]. Dessen jüngerer Bruder Hans Kraus, der ebenfalls unter den Lüdenscheider Kommunisten eine führende Rolle zu spielen begann, war ein Schulfreund von Werner Kowalski, für den die Partei und ihre Nebenorganisationen anscheinend zu einer Art Familienersatz wurden. In der kommunistischen Jugend lernte er auch Charlotte Grüterich kennen, seine spätere Ehefrau, die früher als Dienstmädchen gearbeitet hatte.

1923, als es heftige Auseinandersetzungen auch auf offener Straße mit der Schutzpolizei und mit rechtsextremistischen Gruppierungen gab, wurde er Mitglied einer Proletarischen Hundertschaft, zusammen mit einigen andern verhaftet und wegen Landfriedensbruches vor dem Landgericht in Hagen angeklagt, als einziger aber freigesprochen. Ein halbes Jahr nach diesem Prozeß starb seine Mutter, der er Berichten Verwandter zufolge sehr nahestand, und Kowalski zog aus dem elterlichen Haus aus, um fortan meist bei Freunden aus der kommunistischen Partei in beengten Verhältnissen zu wohnen.[10] Zwar brach der Kontakt zu seinen Geschwistern nie ab, zumal sein 1907 geborener Bruder Hans ebenfalls Mitglied der KPD wurde, doch schränkte Werner Kowalski offenbar nun den Umgang mit seinem Vater ein, dessen wirtschaftlicher Aufstieg es diesem ermöglichte, das von der Familie bewohnte Haus 1927 zu kaufen und dort ein Lokal mit dem Namen »Silbergrotte« zu eröffnen, das in der Stadt einen zweifelhaften Ruf gewann.

In der wechselhaften Geschichte der Lüdenscheider KPD in den folgenden Jahren taucht der Name Werner Kowalskis in Presse- und Polizeiberichten nur selten auf. Während des vorübergehenden Parteiverbotes scheint er erste Erfahrungen mit der politischen Arbeit in der Illegalität gewonnen zu haben. Wie andernorts auch begannen 1924 im Zuge einer verstärkten Stalinisierung der KPD heftige innerparteiliche Auseinandersetzungen sowie Streitigkeiten mit den als »Sozialfaschisten« beschimpften Sozialdemokraten auf der anderen Seite, wobei es beispielsweise um den Einfluß innerhalb der Gewerkschaften ging. Werner Kowalski wurde 1925 Mitglied des Roten Frontkämpferbundes, übernahm Anfang 1926 die Führung des örtlichen Jungspartakusbundes und später auch eine leitende Funktion im Roten Sportkartell, hielt sich aber nach außen hin anscheinend weitgehend aus den politischen Auseinandersetzungen heraus, auch wenn er später erklärte, er habe an den Auseinandersetzungen mit den linken und rechten »Renegaten« entschlossen mitgewirkt. Der Einfluß der Kommunisten ließ ab 1924 vorübergehend etwas nach, stieg mit dem Anwachsen der Wirtschaftskrise aber wieder stark an. Kowalski engagierte sich nun verstärkt in der Erwerbslosenbewegung und wurde im Dezember 1929 in das Lüdenscheider Stadtverordnetenparlament gewählt. Zusätzlich übernahm er die Stelle eines Redakteurs für die »Freiheit«, die in Düsseldorf erscheinende KPD-Zeitung des Bezirks Niederrhein, sowie die Leitung des lokalen Erwerbslosenausschusses, organisierte Streiks und den Aufbau einer Massenselbstschutzorganisation, die den 1929 verbotenen RFB ersetzen sollte, in Lüdenscheid aber keine Bedeutung gewann. Offenbar war Werner Kowalski seit dem Ende der zwanziger Jahre hauptamtlicher Funktionär der KPD. Er folgte der Generallinie, die die Partei zunehmend in Konflikte mit der Regierung, aber auch mit der konkurrierenden SPD brachte. Es gibt bis 1933 keine Anzeichen dafür, daß er seit seinem Eintritt in die KPD ihr zu irgendeinem Zeitpunkt die Gefolgschaft verweigert hätte.

Unter dem Datum 11. Juli 1931 teilte Werner Kowalski dem Lüdenscheider Oberbürgermeister schriftlich mit, daß er »wegen Krankheit« sein Stadtverordnetenmandat niederlege.[11] Das war nur ein vorgeschobener Grund. In Wirklichkeit war die verstärkte Vorbereitung auf eine illegale Arbeit für die KPD der Anlaß für diesen Schritt, denn schon im Mai oder Anfang Juni war er nach Moskau gereist, um dort bis Oktober an einem Lehrgang an der 1930 gegründeten Militärpolitischen Schule bei Moskau teilzunehmen, deren Besuch mit größter Geheimhaltung verbunden war. Die Lehrgänge bezogen sich auf militärstrategische Themen und Übungen und blieben deutschen Kommunisten vorbehalten.[12]

Nach seiner Rückkehr kam Kowalski wahrscheinlich nur vorübergehend in seine Geburtsstadt zurück, um dort seine Frau Charlotte, mit der er seit Silvester 1928 verheiratet war, und die am 1. April 1929 geborene gemeinsame Tochter Helma zu besuchen. Von nun an lebte er bis 1933 in der Illegalität und betätigte sich im Auftrag des Zentralkomitees als Instrukteur. In seinem Lebenslauf erwähnt er, daß er 1932 zunächst in Offenbach an der »Liquidierung« der dort besonders starken KPO, dann in Mainz und im Unterbezirk Friedberg gearbeitet und vorübergehend die Vertretung für den erkrankten UB-Sekretär in Worms übernommen habe. Im Umfeld der Reichstagswahl vom November 1932 habe er sich im südbayerischen Kohlegebiet mit der Reorganisation der Parteistrukturen beschäftigt, wahrscheinlich in Penzberg, das Klaus Tenfelde für diesen Zeitpunkt einmal als »den Musterfall kommunistischer Organisation an der Peripherie« bezeichnet hat.[13] Im Januar 1933 ging Kowalski nach Augsburg, wo er, jetzt wieder unter seinem richtigen Namen, die Revolutionäre GewerkschaftsOpposition (RGO) umzustrukturieren begann. Er wurde von der Augsburger Polizei verhaftet, am 30. Januar, dem Tag von Hitlers Machtübernahme, aber wieder freigelassen. Im Verlauf der nachfolgenden massiven Verhaftungsaktionen gegen die Kommunisten[14] entschloß er sich Anfang April dazu, nach Lüdenscheid zurückzukehren, wo er vergeblich versuchte, Kontakt zur Bezirksleitung Niederrhein zu bekommen, und sich drei Wochen lang an der Verbreitung von Agitationsmaterial beteiligte.

Am 23. April 1933 wurde Kowalski in Lüdenscheid, angeblich durch den Verrat eines Spitzels, verhaftet und am darauffolgenden Tag in das Hilfskonzentrationslager Benninghausen bei Lippstadt gebracht, wo er, wie er selber schreibt, sechs Wochen lang in Einzelhaft »mit den üblichen Methoden« festgehalten wurde.[15] Am 20. Juli 1933 wurde er als Angehöriger eines Vorkommandos nach Börgermoor geschickt, um dort mit der Nummer 131 in der Baracke 2 einer der ersten Häftlinge des Staatlichen Konzentrationslagers Papenburg I zu werden.[16]Im KZ wirkte er an der politischen Organisierung der Inhaftierten mit, bei denen es sich zum großen Teil um Kommunisten handelte. In Börgermoor waren zeitgleich auch andere Lüdenscheider Kommunisten inhaftiert, darunter Hans Kraus, der letzte Agitprop-Leiter Theodor Schulze, der RGO-Kassierer Werner Raulf sowie Heinrich Muth, der aus Wuppertal stammte und der letzte Polleiter der KPD in Lüdenscheid vor dem Parteiverbot war.[17]

Werner Kowalski wurde am 23. oder 24. März 1934 aus dem KZ entlassen und kehrte nach Lüdenscheid zurück, wo er wenige Tage später zunächst eine Arbeitsstelle in der Industrie, dann im Tiefbau bekam. Offenbar unverzüglich machte er sich daran, zusammen mit anderen mittlerweile aus der Haft entlassenen Kommunisten die illegale Organisation der KPD in Lüdenscheid und Umgebung wieder aufzubauen, entgegen den Bitten von Familienangehörigen.[18] Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang der einige Jahre jüngere Karl Asbach[19], der in den zwanziger Jahren im KJVD Funktionen ausgeübt hatte und Anfang 1933 in der örtlichen RGO-Leitung tätig war. Von April 1933 bis Februar 1934 hatte Asbach im Lüdenscheider Gerichtsgefängnis in Untersuchungshaft gesessen. Nach Ostern 1934 trat Kowalski in Verbindung zu ihm, wobei es wahrscheinlicher ist, daß dieser wegen seiner Erfahrungen mit konspirativen Tätigkeiten die tragende Rolle beim Aufbau der illegalen Organisation des neu geschaffenen KPD-Unterbezirkes Lüdenscheid übernahm, auch wenn Asbach als dessen Politischer Leiter fungierte.[20] Kowalski hingegen scheint die Rolle des Verbindungsmannes zur Bezirksleitung und zur Abschnittsleitung West in Amsterdam eingenommen zu haben. Asbach verließ Lüdenscheid im Dezember 1934, um über Umwege in die Niederlande zu gelangen.

Kowalski begann nun als Gebietsinstrukteur eine politische Linie zu verfolgen, die im Vergleich zu dem, was man aus seiner Parteikarriere bis dahin ersehen kann, ungewöhnlich erscheint. Wenn es bisher den Anschein hatte, daß er zu keinem Zeitpunkt mit den taktischen Wendungen der deutschen Parteiführung während der Zeit der Weimarer Republik in äußeren oder inneren Konflikt geraten war, so zeigte sich nun, daß er der vom ZK unter der Führung von Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht verfolgten Linie nicht mehr vollkommen entsprach. Es ging dabei um die Bedeutung der Einheitsfrontpolitik und eine Abkehr von der Sozialfaschismus-Theorie. Nachdem das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale im Juli 1934 mit einer (selbst-)kritischen Beurteilung der bisherigen KPD-Taktik an das ZK herangetreten war, mischten sich in die gewohnten Verlautbarungen auch gelegentlich Forderungen nach einer Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie, wobei die Führungsspitze der KPD es im Grunde bei verbalen Manövern beließ. An der Parteibasis kam es gelegentlich zu ernsthafteren Bemühungen, im gewerkschaftlichen Bereich zu einer Verständigung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten zu gelangen, um gemeinsam konspirativ gegen den Nationalsozialismus zu agitieren. Ähnlich wie in Wuppertal, wohin seit jeher enge Kontakte bestanden, bildete sich in Lüdenscheid eine gemeinsame illegale Gewerkschaftsorganisation aus Kommunisten und Sozialdemokraten sowie einzelnen Vertretern der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), wobei in verschiedenen größeren Firmen Betriebszellen aufgebaut wurden.[21] An diesen Vorgängen beteiligte sich der führende Kopf der illegalen SPDOrganisation in Lüdenscheid, Wilhelm Kattwinkel, nicht, wohl aber der 1910 geborene Erwin Welke, von dem Kowalski in einem Bericht an die Parteiführung die Äußerung überlieferte: »Wir scheißen auf Prag, wenn es sich um die Durchführung der Einheitsfront handelt.«[22] In diesem Zusammenhang ist es nicht unwichtig zu erwähnen, daß die Rolle Lüdenscheids als Knotenpunkt des sozialdemokratischen Widerstandsnetzes im rheinisch-westfälischen Industriegebiet auch dadurch zu erklären ist, daß der Kassierer der Führung der Sozialdemokratischen Partei im Prager Exil, Siegmund Crummenerl, bis 1925 in Lüdenscheid gelebt hatte, hier zeitweise Ortsvereinsvorsitzender gewesen war und mit Kattwinkel aus der gemeinsamen Zeit in der Sozialistischen Arbeiterjugend vertraut war. Crummenerl, der sicherlich auch Werner Kowalski kannte, wahrscheinlich aber nichts über dessen Rolle in der illegalen KPD wußte, stand im Exil einer Zusammenarbeit mit der KPD immer skeptisch gegenüber. Im März 1935 berichtete Kowalski über die Bezirksleitung an das ZK, daß es innerhalb des gewerkschaftlichen Einheitsfrontkomitees bereits »die erste Delegiertenkonferenz, zusammengesetzt aus Sozialdemokraten, Christen, Parteilosen und unseren Freunden« gegeben habe.[23] Daran wird deutlich, daß es über das Konzept der Einheitsfront hinaus offenbar erste Bemühungen gab, auch mit Vertretern jenseits des linken Lagers, mit früheren Angehörigen der christlichen Gewerkschaften zum Beispiel, in Kontakt zu kommen, also eine Volksfrontstrategie zu verfolgen, wie sie vom EKKI ebenfalls ins Auge gefaßt wurde.

Der sprachliche Duktus der wenigen überlieferten Berichte Werner Kowalskis an die Parteiführung ähnelte noch immer dem üblicher kommunistischer Propagandaschriften. Dennoch ist zu fragen, warum er sich eher und ehrlicher als andere zu einem nicht nur offensiven, sondern auch selbstkritisch-offenen Umgang mit bisherigen politischen Gegnern zum Zweck des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus entschlossen hatte. Waren es Erfahrungen aus der Haft in Börgermoor oder eher die eingehende Kenntnis der politischen Gegebenheiten vor Ort? Beides scheint eine gewisse Rolle gespielt zu haben. In seiner Rede auf der »Brüsseler Konferenz« der KPD beklagte Werner Kowalski die Realitätsferne der politischen Führung. So berichtete er von einem Erlebnis, das er nach seiner Entlassung aus dem KZ in Lüdenscheid hatte: »Da kamen die Genossen zu mir mit einem Maiaufruf an die Arbeiterschaft. Die Genossen sagten: Die Genossen, die diesen Maiaufruf geschrieben haben, leben scheinbar auf dem Mond und nicht in Deutschland. Man konnte diesen Maiaufruf nicht unterscheiden von irgendeinem Maiaufruf aus dem Jahre 1932. […] Es waren in dem Aufruf ca. 20 Parolen und Forderungen. Das beweist, daß die Genossen, die den Maiaufruf geschrieben haben, nicht auf den Beinen, nicht auf dem Boden stehen, sondern irgendwo anders.«[24] Auch die Zusammenarbeit mit der illegalen SPD sei durch die engstirnige KPD-Propaganda gefährdet worden, denn »jedesmal, wenn es bald zum Platzen kam, war daran Schuld unser Material«.[25]

Die Bemühungen um eine gemeinsame politische Widerstandsarbeit in Lüdenscheid scheiterten jedoch – wie andernorts auch – schon bald. Die GestapoLeitstelle in Dortmund spürte die sozialdemokratischen und kommunistischen Gruppen wohl kaum zufällig fast zeitgleich auf und begann mit Verhaftungsaktionen, denen der gesamte Apparat zum Opfer fiel. Anfang Mai 1935 entzog sich Kowalski im letzten Moment dem Zugriff der Gestapo und flüchtete in die Niederlande.

In Amsterdam nahm er neben anderen Funktionären aus den drei rheinischwestfälischen KPD-Bezirken am 9. und 10. Juni, zu Pfingsten, an einer Konferenz der Abschnittsleitung West teil, die von Walter Ulbricht geleitet wurde, und in der es um einen Austausch über die Parteitätigkeit in der Illegalität ging.[26]Kowalski wurde zum Delegierten für den geplanten Weltkongreß der Kommunistischen Internationale bestimmt und machte sich wenige Wochen später auf den Weg nach Moskau, wo er am 22. Juli 1935 eintraf. Dort wurde zur Aufnahme in die Internationale Leninschule zunächst eine Personalakte unter dem Decknamen »Erich Klose« für ihn angelegt, dann aber nahm er unter dem leicht geänderten Namen »Erich Dobler« zusammen mit fast der gesamten deutschen KPDFührung am VII. Weltkongreß der KI teil, der am 25. Juli begann und am 20. August endete.[27] Die dort beschlossene neue Strategie zugunsten einer Einheitsund Volksfront – die vorher und nachher zwischen den Fraktionen innerhalb der Partei kontrovers behandelt wurde – sollte auf dem nachfolgenden Parteitag der KPD auch für die deutschen Kommunisten zur Leitlinie werden.

Die »Brüsseler Konferenz« tagte vom 3. Oktober an in Kunzewo bei Moskau. Dieselben Delegierten, die auch auf dem Komintern-Kongreß vertreten waren, nahmen daran teil. Zur Vorbereitung hatte das Politbüro Mitte August einige Kommissionen gebildet, wobei Kowalski zusammen mit Wilhelm Pieck, Herbert Wehner, Walter Hähnel und Emil Schmittinger den Tätigkeitsbericht des ZK vorbereiten sollte.[28] Am 8. Sitzungstag, dem 10. Oktober, hielt Kowalski unter dem Parteinamen Dobler eine Rede, in der er sich vor allem über Methoden und Erfahrungen seiner Tätigkeit im KPD-Unterbezirk Lüdenscheid in den rund zwölf Monaten zwischen Ostern 1934 und April 1935 äußerte.[29] Auf dem letzten Sitzungstag, am 15. Oktober, wurde das neue Zentralkomitee gewählt mit 15 ordentlichen Mitgliedern und drei Kandidaten, zu denen Kowalski gehörte. Ob die Wahl für ihn völlig überraschend kam, wie es bei dem früheren Politischen Leiter des Bezirkes Niederrhein, Heinrich Wiatrek, gewesen sein soll, muß offenbleiben.[30] Man hatte offenbar nach jemandem gesucht, der sowohl die märkischbergische Industrieregion repräsentieren konnte als auch über Erfahrungen in der gewerkschaftlichen Arbeit verfügte und zudem ein offenes Bekenntnis für die sich nun durchsetzende Einheitsfrontstrategie abgelegt hatte. Zumindest zeigte die Wahl, daß Kowalski nun fest eingeplant war für eine herausgehobene Funktion in der Auslandsleitung der Kommunistischen Partei.

Zusammen mit dem ebenfalls zum ZK-Kandidaten gewählten Wilhelm Knöchel reiste Werner Kowalski zurück nach Amsterdam, um dort die Leitung der Roten Hilfe zu übernehmen.[31] In dieser Funktion war eine seiner ersten Aufgaben die Organisation einer umfassenden Aufklärungskampagne über die Situation inhaftierter Arbeiter im westdeutschen Industriegebiet. Im Januar 1936 gründete die Abschnittsleitung West das »Zentrale Wuppertaler Komitee, Ausschuß zur Wahrung der Rechte der in Wuppertal Inhaftierten«, wobei Kowalski als Instrukteur eingesetzt wurde, der für die Verbreitung des gesammelten Informationsmaterials zuständig war. In Wuppertal waren in den ersten Monaten des Jahres 1935 – wie in Lüdenscheid und anderen Orten auch – zahlreiche Kommunisten verhaftet worden, um nun in »Monsterprozessen« vor Gericht gestellt zu werden, wogegen nicht zuletzt die niederländische Öffentlichkeit mobilisiert werden sollte.[32] Während seiner leitenden Tätigkeit im Wuppertaler Komitee benutzte Kowalski den neuen Decknamen »Klaus«.[33]

Spätestens im Juni 1936 übersiedelte er von Amsterdam nach Brüssel, wo unter der Leitung von Paul Hornick eine KPD-Abschnittsleitung entstanden war. Dieser Schritt hatte einerseits zu tun mit dem Aufbau eines neuen Grenzapparates, andererseits mit internen Problemen der kommunistischen Emigration in Belgien. Die dortige Rote Hilfe kam ihren Aufgaben zur finanziellen Unterstützung deutscher Emigranten nicht nach, so daß im Auftrag des ZK der KPD Robert Bauer nach Belgien geschickt wurde, um gemeinsam mit dem Emigrantenleiter Hornick und dem als Instrukteur eingesetzten Kowalski die Verhältnisse zu klären, was dazu führte, daß dieser fortan die Leitung der Roten Hilfe in Belgien übernahm. Kowalski baute zusätzlich das in Lüttich gegründete Komitee auf, das sich für die Verteidigung des in Hamburg zum Tode verurteilten Kommunisten Edgar André einsetzte, eine Einrichtung, die mit dem im Januar gegründeten Wuppertaler Komitee vergleichbar war.[34]

Kowalskis Lebensumstände änderten sich im Sommer 1936. Die Übersiedlung nach Brüssel bedeutete für ihn auch das Wiedersehen mit seiner Frau Charlotte und seiner mittlerweile siebenjährigen Tochter Helma. Beide hatten sich von Lüdenscheid aus im Juli oder August 1936 bei Aachen über die grüne Grenze nach Belgien begeben, wo die Familie nun im Brüsseler Stadtteil Uccle eine Dachwohnung bezog.[35] Engen Kontakt hatte sie zu dem Ehepaar Kurt und Antoinette Junghans, die ebenfalls aus Lüdenscheid kamen. Kurt Junghans, der innerhalb der KPD keine wesentliche Funktion ausübte, aber 1934/35 dem illegalen Unterbezirk angehört hatte, war gemeinsam mit Kowalski Anfang Mai 1935 aus Lüdenscheid nach Amsterdam geflohen.[36] Auch Beziehungen zu anderen deutschen Emigranten spielten für Kowalski in Brüssel von Anfang an offensichtlich eine wichtige Rolle. Inwiefern er aber zum Beispiel an Kontakten mit Sozialdemokraten in Belgien beteiligt war, die Hornick 1936 knüpfte, ist nicht geklärt.

Als Hornick im Frühjahr 1937 zusammen mit fast der Hälfte der kommunistischen Emigranten, die in Belgien untergekommen waren, nach Spanien ging, um sich am Bürgerkrieg gegen Francos Faschisten zu beteiligen, wurde Otto Niebergall sein Nachfolger als Abschnittsleiter in Brüssel. In diesen Monaten muß sich bei Werner Kowalski ein politischer Wandel vollzogen haben, der möglicherweise schon 1936, vielleicht auch schon 1935 eingesetzt hatte. Seine bisher nach außen hin immer demonstrierte Treue zur Generallinie der Partei veränderte sich, ein Vorgang, der auf Grund der Quellenlage schwer zu durchschauen ist und dessen bestimmende Faktoren nur mit Vorsicht zu benennen sind. Sicherlich spielten die Erfahrungen mit der Einheitsfront-Episode in Lüdenscheid von Ende 1934 bis Mai 1935 eine nachhaltige Rolle, wobei aber Erfahrungen in der niederländischen Emigration und vor allem jetzt in Belgien hinzukamen. Vollkommen plausibel ist die von Beatrix Herlemann geäußerte Vermutung: »Offensichtlich war gerade Werner Kowalski, der sich nach seiner Amsterdamer Tätigkeit im Wuppertaler Komitee auch an der Arbeit des in Lüttich auf gleicher Basis gegründeten Hilfskomitees für Edgar André beteiligte, bedingt durch seine guten Erfahrungen mit bürgerlichen Repräsentanten dieser neu geschaffenen Einrichtungen zu einer aufgeschlosseneren Haltung bereit als das Gros der kommunistischen Funktionäre.«[37] Zweifellos bewirkte auch der Beginn der Säuberungsaktionen in der Sowjetunion mit den dazugehörigen Schauprozessen Ende August 1936, womit »der Geist der Volksfront füsiliert«[38] wurde, für den sich Kowalski zuletzt entschieden eingesetzt hatte, seinen Teil. Es liegt auf der Hand, in diesem Zusammenhang nach Kontakten zu Willi Münzenberg zu suchen, der sich in Paris mehr und mehr zum Gegner der dogmatischen KPD-Führung entwickelte. Zwar entwikkelte sich Kowalski zunächst im privaten Kreis nun zum scharfen Kritiker des Personenkultes um Stalin und zum Befürworter der Position Münzenbergs, allerdings konnte bisher eine engere Verbindung zu diesem nicht nachgewiesen werden. Kowalski kannte Münzenberg insofern, als sich die beiden im Sommer 1935 als Delegierte auf dem VII. Weltkongreß begegnet waren und auch gemeinsam dem wenig später gewählten Zentralkomitee der KPD angehörten, das sich beispielsweise im Juni 1936 zu einer Sitzung in Paris zusammenfand, am Rande der Internationalen Konferenz der Emigranten. Möglicherweise kam es auch im September 1936 auf dem Weltfriedenskongreß in Brüssel zu weiteren Begegnungen.[39] Zu den Verhandlungen zur Vorbereitung des Volksfront-Ausschusses in Paris wurde Kowalski aber offenbar nicht hinzugezogen.

Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Spannungen innerhalb der KPD nahm er hingegen am 17. und 18. Juli 1937 in Brüssel als KPD-Vertreter an einer Tagung teil, auf der die Deutsche Jugendfront gegründet wurde. Ausgehend von bündischen Gruppen um Hans Ebeling und Theo Hespers ging es dabei um den Plan, »eine Art Emigrations-Führung der deutschen Jugendverbände zu bilden«[40]. Ob Kowalski dabei im Auftrag des ZK handelte, ist fraglich. Auf der Konferenz soll er »einen Vortrag über die geplante Einheitsfront der illegalen Jugendgruppen« gehalten haben.[41] Zumindest ist klar, daß diese Kontakte, die eine schlüssige Fortsetzung seiner politischen Tätigkeit seit 1935 waren, ihm nun zum Verhängnis wurden. Als Kowalski die Beziehungen zu Ebeling abbrechen sollte, um den kommunistischen Führungsanspruch innerhalb der Emigration nicht zu gefährden, tat er das nicht, was dazu führte, daß er im Mai 1938 »wegen fraktioneller Treibereien und unkommunistischen Verhaltens« aus der KPD ausgeschlossen wurde,[42] aus praktisch denselben Gründen also, wie seit Sommer 1937 Hunderte andere deutsche Kommunisten, die auf Sitzungen des Rest-ZK auf Ausschlußlisten gesetzt wurden.[43] So wie Werner Kowalski erging es auch seiner Frau Charlotte sowie dem früheren KPD-Unterbezirksleiter von Wuppertal, Fritz Rüddenklau (Deckname »Jan«), mit dem Kowalski in Amsterdam und seit 1936 auch in Brüssel eng zusammenarbeitete.[44]

Von nun an lebte die Familie Kowalski ohne Unterstützung seitens der Kommunistischen Partei, aber nicht ohne Beziehungen zu verschiedenen Emigranten in Brüssel weiter. Es traf sie dasselbe Schicksal wie zahllose andere deutsche Emigranten, daß ihnen im Juli 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde.[45] Es ist kaum etwas darüber bekannt, ob und wie Werner Kowalski auch weiterhin politisch tätig war. Ein Bericht der Gestapo aus dem Jahre 1942 belegt allerdings, daß er weiterhin Kontakte zu Hans Ebeling, dessen niederländischer Mitarbeiterin, der Jüdin Sara-Cato Meyer, und Rüddenklau aufrechterhielt.[46] Es ist nicht auszuschließen, daß dies mit einer gewissen Mitarbeit an Ebelings Publikationen, den »Sonderinformationen Deutscher Jugend« und den »Rundbriefen Bündischer Jugend« verbunden war.[47] Gesichert ist auch eine recht enge Beziehung zu dem niederländischen Schriftsteller und Übersetzer Nico Rost, mit dem sich Kowalski häufig traf, und dessen Wohnung in Brüssel ein »Treffpunkt der literarischen Emigrantenszene« war.[48] Eine weitere, vor allem für das materielle Auskommen wichtige Bekanntschaft ergab sich zu der aus Berlin stammenden jüdischen Emigrantenfamilie Lippmann in Brüssel, für die Werner und Charlotte Kowalski Gelegenheitsarbeiten übernahmen und mit der sie auch häufig über politische Dinge sprachen.[49]

Am 10. Mai 1940 griff die deutsche Wehrmacht Belgien an. Am selben Tag kam es zu zahlreichen Verhaftungen deutscher Emigranten, die sofort von der belgischen Polizei nach Frankreich abgeschoben wurden. Davon war auch Werner Kowalski betroffen. Zusammen mit Kurt Junghans, Fritz Rüddenklau und im übrigen auch der gesamten Brüsseler KPD-Abschnittsleitung um Otto Niebergall gelangte er einige Tage später in das südfranzösische Internierungslager St. Cyprien an der Mittelmeerküste.[50] Während Niebergall und anderen Mitte Juli die Flucht aus diesem Lager gelang, blieben Kowalski und Junghans bis zur Auflösung des Camps am 18. Oktober dort, danach wurden sie in das weitaus größere Internierungslager Gurs transportiert, das am Fuß der Pyrenäen lag. Anscheinend hat Lippmann Kowalski in diesem Lager einmal aufgesucht, um ihn zu einer bereits arrangierten Ausreise über Marseille zu bewegen, was Kowalski aber mit Hinweis auf seine in Brüssel gebliebene Familie ablehnte.[51]

Die Lebensverhältnisse in den Lagern waren ausgesprochen schlecht, die Todesraten gerade in den Lagern St. Cyprien und Gurs, das besonders berüchtigt war, überdurchschnittlich hoch.[52] Von daher war es sicherlich eine Erleichterung für Kowalski und Junghans, am 1. Juli 1941 in das Internierungslager von Annecy im Departement Haute-Savoie verlegt zu werden. Dort erhielt Kowalski den Status eines Prestataire und kam in eine jener Groupements de Travailleurs Etrangers (TE-Einheiten), die von der Vichy-Regierung eingerichtet wurden. Er wurde wohl nicht zuletzt in der Forstwirtschaft eingesetzt und konnte sich offenbar außerhalb des Lagers in Annecy einigermaßen frei bewegen.[53]

Am 11. November 1942 wurde der Süden Frankreichs von Deutschen und Italienern besetzt, wobei das Gebiet östlich der Rhône unter italienische Kontrolle kam. Für die Emigranten und Internierten in diesem Gebiet war das zunächst noch die günstigere Variante, doch war auch dies eine heikle Lage. Kowalski und Junghans kehrten am Abend des 18. Dezember nicht mehr ins TELager zurück, das etwas entfernt von Annecy in den Bergen lag, sondern begaben sich in die Stadt, von wo aus Kowalski von einem befreundeten Friseur in den kleinen Ort Bossy oberhalb der Gemeinde Frangy vermittelt wurde, wo er sich versteckt halten konnte. Einem Bericht von Kurt Junghans zufolge, der sich noch etwa bis Anfang Februar 1943 in Annecy aufhielt, sich dann aber aus Angst vor den verstärkten Razzien ebenfalls nach Bossy zu begab, fuhr Kowalski bereits vor Weihnachten 1942 nach Frangy. Angeblich versuchte er zunächst, die Schweizer Grenze zu überqueren, die nur wenige Kilometer weiter nördlich lag, was ihm aber verwehrt wurde. So kam er stattdessen bei dem Bauernehepaar Maurice und Marguerite Lupin in Bossy unter, einem Weiler in den Savoyer Alpen, wo er bei der Arbeit half, genauso wie Junghans, der sich als Schneider betätigen konnte. Kowalski war den Bewohnern des Dorfes anscheinend zwar auch unter seinem richtigen Namen bekannt, doch man nannte ihn dort »Claude«, also mit der französisierten Form des Decknamens, den er seit 1936 benutzt hatte.

Was sich dann am frühen Abend des 1. Juli 1943 in Bossy abspielte, ist durch ein Protokoll der Gendarmerie von Frangy ausführlich belegt. Als Kowalski zusammen mit Lupin von der Heuernte zurückkam, stellten sich ihnen deutsche Gestapo-Beamte entgegen, die wenige Minuten zuvor mit einigen italienischen Polizisten in das Dorf gekommen waren. Kowalski, der zu fliehen versuchte, wurde von hinten erschossen und war sofort tot. Junghans wurde im Dorf bei einem Fluchtversuch durch einen Beinschuß verletzt und abtransportiert.[54] Später wurde er nach Deutschland geschafft, wo er auf Grund der Teilnahme an der KPD-Tätigkeit in den Jahren 1934/35 vom Oberlandesgericht Hamm zu einer Zuchthausstrafe verurteilt wurde, aus der ihn die Amerikaner bei Kriegsende befreiten.[55]

So wurde Werner Kowalski fünf Jahre nach seinem Ausschluß aus der KPD, aber als überzeugter Gegner der Nationalsozialisten, von seinen Verfolgern eingeholt, die ihn, wie das Gestapo-Material über die Deutsche Jugendfront zeigt, weiterhin auf der Fahndungsliste hatten. Die deutschen Beamten, die unmittelbar nach der Erschießung Kowalskis und der Verhaftung von Junghans den Ort wieder verließen – der Leichnam wurde den örtlichen Behörden zur Bestattung überlassen – kehrten nach Lyon zurück, in das Gestapo-Hauptquartier an der Avenue Berthelot. Der neue SD-Chef für das Gebiet, Werner Knab, konnte mit seinen Leuten zufrieden sein und mit ihm der Leiter seiner Abteilung IV, der Gestapo, Klaus Barbie[56]. Ein nach dem Krieg in Bochum angestrengter Prozeß gegen den Mann, der Werner Kowalski erschossen hatte, endete mit einem Freispruch. Werner Kowalskis sterbliche Überreste wurden durch eine Maßnahme der Deutschen Kriegsgräberfürsorge einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vom Friedhof in Frangy umgebettet, ironischerweise auf den Soldatenfriedhof von Lyon.[57]

 


[1] Nicht erwähnt wird Kowalski zum Beispiel in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon, Berlin 1970. Allerdings teilt er dieses Schicksal mit anderen führenden Kommunisten der dreißiger Jahre, die später in Mißkredit gerieten. Vgl. dazu die Lebensläufe in Weber, Hermann: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Frankfurt/M. 1969, Band 2, sowie in ders.: »Weiße Flecken« in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung. Berlin 1990.

[2] Duhnke, Horst: Die KPD von 1933 bis 1945, Köln 1972; Peukert, Detlev: Die KPD im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945, Wuppertal 1980; Herlemann, Beatrix: Die Emigration als Kampfposten. Die Anleitung des kommunistischen Widerstandes in Deutschland aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden, Königstein/Ts. 1982.

[3] Lewin, Erwin/Reuter, Elke/Weber, Stefan (Hrsg.): Protokoll der »Brüsseler Konferenz« der KPD 1935. Reden, Diskussionen und Beschlüsse, Moskau vom 3. – 15. Oktober 1935, 2 Bde. München 1997, S. 838 (2000 auch als CD-Rom-Version erschienen); Schneider, Michael: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939. Bonn 1999; Hedeler, Wladislaw: Die deutschen Delegierten auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale 1937, in: IWK 37 (2001), Heft 3, S. 370–383, hier 370. – Der Namensirrtum geht offenbar zurück auf die einzige Erwähnung Kowalskis in der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED herausgegebenen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Bd. 5. Vom Januar 1933 bis Mai 1945. Berlin 1966, S. 127. Richtig genannt wurde der Name hingegen schon von Weber: Wandlung (Anm. 1), Bd. 2, S. 357.

 

[4] Erste Forschungsergebnisse über ihn wurden bereits veröffentlicht in der Druckfassung meiner Dissertation: Arbeiterbewegung in der Provinz. Soziale Konflikte und sozialistische Politik in Lüdenscheid im 19. und 20. Jahrhundert. Essen 1995. Eine Monographie des Verfassers über Werner Kowalski ist in Vorbereitung. Neben der Auswertung verschiedener archivalischer Quellen, die hier nicht im einzelnen aufgeführt werden können, kommt auch Interviews mit Bekannten und Verwandten Kowalskis eine wichtige Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang bin ich vor allem Helma Hübener (Marienheide), der Tochter Werner Kowalskis, zu Dank verpflichtet, die am 30. Juni 2002, kurz vor der Abfassung dieses Textes, verstorben ist.

[5] Die standesamtlich richtige Schreibweise des Namens lautet »Kowalsky«. Diese wird auch ver-wendet bei Röder, Werner/Strauss, Herbert A. (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Bd. 1. München u.a. 1980, S. 388. Sowohl Werner Kowalski selbst als auch andere Familienmitglieder haben bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Schreibweise mit »i« statt »y« verwendet. Sie soll daher auch hier als authentisch gelten.

[6] Stadtarchiv Lüdenscheid (im folgenden: StA Lüd), Altkartei des Einwohnermeldeamtes, Haushaltsbogen der Familie Kowalski.

[7] Gosudarstvennyi Archiv Rossijskoj Federacij (im folgenden: GARF), F. 495, Op. 205, D. 7889, Bl. 4 f.; für den Hinweis auf diese Quelle danke ich Alexander von Plato (Lüdenscheid). – Ausführlicher und gehaltvoller ist der Lebenslauf in Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv social’nopolitičeskoj istorij (im folgenden: RGASPI), F. 495, Op. 205, D. 7001; für die Hinweise auf diese Quelle danke ich Andreas Herbst (Berlin) und Wladislaw Hedeler (Berlin).

[8] RGASPI (Anm. 7), Bl. 4.

[9] Zur Biographie von Werner Kraus (1898–1964), der 1932/33 führender V-Mann der NSDAP in der KPD und Informant der Gestapo wurde, vgl. Weber: Wandlung (Anm. 1), Bd. 2, S. 194, sowie Simon (Anm. 4).

[10] Information von Hildegard Busch (Lüdenscheid).

[11] StA Lüd B 000-2b, Bl. 116. – Eine polizeiliche Feststellung ergab am 12. Juni, daß er schon »seit 3 Wochen fort« war (StA Lüd, Karteikarte in der Altkartei des Einwohnermeldeamtes).

[12] Hedeler (Anm. 3), S. 373. – Zur Militärpolitischen Schule vgl. Herlemann, Beatrix: Der deutschsprachige Bereich an den Kaderschulen der Kommunistischen Internationale, in: IWK 18 (1982), Heft 2, S. 205–229, v.a. 223 ff.

[13] Tenfelde, Klaus: Proletarische Provinz. Radikalisierung und Widerstand in Penzberg/Oberbayern 1900–1945, in: Broszat, Martin u.a. (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit. Band IV. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, Teil C. München/Wien 1981, S. 1–382, hier 213. – Kowalski erklärt in seinem Lebenslauf: »Es wurde eine Reorganisation auf kleine Instrukteurgebiete durchgeführt […].« (RGASPI [Anm. 7], Bl. 5).

[14] Vgl. dazu Hetzer, Gerhard: Die Industriestadt Augsburg. Eine Sozialgeschichte der Arbeiteropposition, in: Bayern in der NS-Zeit (Anm. 13), Band III, S. 1–233, hier 150 ff. – Kowalskis Ehefrau Charlotte zog gemeinsam mit der Tochter Mitte Januar 1933 zu ihrem Mann nach Augsburg. Am 12. März kehrten sie nach Lüdenscheid zurück (StA Lüd, Karteikarte Einwohnermeldeamt).

[15] RGASPI (Anm. 7), Bl. 5. – Die nachfolgenden Daten sind dokumentiert in der Haftentschädigungsakte Werner Kowalski, StA Lüd B 41366.

[16] Zur Entstehung der Emslandlager vgl. Kosthorst, Erich/Walter, Bernd: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933–1945. Zum Verhältnis von NS-Regime und Justiz. Darstellung und Dokumentation, Düsseldorf 1985, v.a. S. 32 ff.

[17] Daten zu den genannten sowie einigen weiteren Lüdenscheider Kommunisten sind zu entnehmen den Haftentschädigungsakten (StA Lüd B 41351 ff.) sowie der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm zum Hochverratsprozeß gegen die illegale Lüdenscheider KPD im Jahre 1936: Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv Münster (im folgenden: STAMS), Generalstaatsanwalt Hamm, Nr. 5522.

[18] Information von Roger Kowalsky (Lüdenscheid), einem Neffen Werner Kowalskis.

[19] Karl Asbach (geb. 28. März 1907 in Lüdenscheid, gest. 11. März 1963 in Lüdenscheid), Fabrikarbeiter, ab 1922 Mitgliedschaft im DMV, 1922–1927 Mitglied des KJVD, 1927 KPD, anschließend bis 1930 in Düsseldorf, dann zurück nach Lüdenscheid, wo er vorübergehend wegen »Zugehörigkeit zur Rechtsopposition« aus der KPD ausgeschlossen wurde, 1931 wieder Parteimitglied, RGO, ab 25. April 1933 Inhaftierung im Gerichtsgefängnis Lüdenscheid, eingeleitetes Verfahren wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« eingestellt, Entlassung 24. Februar 1934, Frühjahr bis Ende 1934 Leitungsposition in der illegalen KPD in Lüdenscheid, dann illegaler Aufenthalt im Rheinland, April 1935 nach Amsterdam, 1935/36 Lehrgang an der Internationalen Leninschule in Moskau, anschließend Instrukteur im KPD-Bezirk Ruhr, am 26. Juni 1939 verhaftet, am 08. Januar 1940 vom Volksgerichtshof wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, am 29. Juni 1943 aus dem Zuchthaus Münster zum Strafbataillon 999 eingezogen, von Kriegsende bis 1947 in britischer Gefangenschaft, anschließend Sekretär der wiedergegründeten KPD in Lüdenscheid. – Die wesentlichen biographischen Informationen sind enthalten in der Haftentschädigungsakte (StA Lüd B 41372), der Gestapo-Personalakte im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (im folgenden: HSTA DÜ), RW 58-36678, sowie in der Anklageschrift und dem Urteil des Volksgerichtshofes (VGH 9 J. 328/39), enthalten in der Mikrofiche-Edition: Widerstand als »Hochverrat« 1933–1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte bearbeitet von Jürgen Zarusky und Hartmut Mehringer, München 1998. Asbachs Teilnahme am ILS-Lehrgang belegt Herlemann: Kaderschulen (Anm. 12), S. 220 f.

[20] Zur Rolle der KPD in Lüdenscheid zwischen 1933 und 1935 zusammenfassend Simon (Anm. 4), S. 431 ff. Wesentlich für den Zusammenhang ist die Darstellung von Peukert (Anm. 2), z. B. S. 146 ff.

[21] Hierzu Peukert (Anm. 2), S. 240–243, sowie Simon (Anm. 4), S. 444–448. – Heinrich Muth, 1933 Polleiter der KPD in Lüdenscheid, war ein Bruder von Wilhelm Muth, der in der illegalen KPD in Wuppertal eine wichtige Rolle spielte und im Januar 1935 in der Haft ermordet wurde.

[22] So in einem zweifellos von Kowalski stammenden Bericht über »SPD und Wiederaufbau der Freien Gewerkschaften (im Lüdenscheider Industriebezirk)«, in: Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im folgenden: BArch/SAPMO), I 3/20/44, Bl. 292–297, hier 292.

[23] BArch/SAPMO I 3/20/44, Bl. 258.

[24] BArch/SAPMO I 1/1/37, Bl. 84.

[25] BArch/SAPMO I 1/1/37, Bl. 97.

[26] Vietzke, Siegfried: Die KPD auf dem Wege zur Brüsseler Konferenz, Berlin 1966, S. 180 ff. – Vietzke erwähnt wie andere DDR-Historiker Werner Kowalski nicht, im Unterschied etwa zu Elli Schmidt, die im Bezirk Niederrhein eine ganz ähnliche Tätigkeit als Instrukteurin ausübte, aber später der Generallinie der KPD treu blieb.

[27] Personalakte in GARF (Anm. 7); das Material RGASPI (Anm. 7) trägt schon den Namen »Erich Dobler«. Zum Kongreß und Kowalskis Teilnahme vgl. Hedeler (Anm. 3). – Ob Kowalski schon früher den Decknamen »Erich Klose« oder »Dobler« verwendet hat, ist nicht bekannt. Daß er auch den Decknamen »Kurt Doberer« benutzt habe, wie im Biographischen Handbuch (Anm. 5) behauptet, ist falsch. Kurt Doberer war ein 1904 geborener Gewerkschafter, der u.a. 1941 mit der Exilpresse in Großbritannien zu tun hatte, also nicht identisch mit Kowalski gewesen sein kann. Vgl. Hardt, Hanno u.a. (Hrsg.): Presse im Exil. Beiträge zur Kommunikationsgeschichte des deutschen Exils 1933–1945, München u.a. 1979, S. 227 und 230.

[28] Protokoll der »Brüsseler Konferenz« (Anm. 3), S. 21. – Auf Wehner scheint Kowalski keinennachhaltigen Eindruck gemacht zu haben. Es ist auffällig, daß er als einziges ZK-Mitglied der »Brüsseler Konferenz« in Wehners Erinnerungen mit einem Namenskürzel (»D.«) genannt wird. Vgl. Wehner, Herbert: Zeugnis. Herausgegeben von Gerhard Jahn, Halle/Leipzig 1990, S. 147 und 150.

[29] Abgedruckt ist die Rede im Protokoll der »Brüsseler Konferenz« (Anm. 3), S. 553–560.

[30] Vgl. Herbst, Andreas: Heinrich Wiatrek – Kommunist oder »Überläufer«?, in: Jahrbuch fürhistorische Kommunismusforschung 2002, S. 336–357. – Für seine Untersuchung über den KPD-Widerstand in Westdeutschland konnte Detlev Peukert seinerzeit weder die Rede von »Dobler« noch die von Wiatrek einsehen. Beide galten in der DDR als »Renegaten«. Vgl. Peukert (Anm. 2), S. 230.

[31] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 114 f.

[32] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 149 ff., sowie – als Beitrag der DDR-Forschung dazu – Horst Bednareck: Die Gewerkschaftspolitik der Kommunistischen Partei Deutschlands – fester Bestandteil ihres Kampfes um die antifaschistische Einheits- und Volksfront zum Sturze der Hitler-Diktatur und zur Verhinderung des Krieges (1935 bis August 1939), Berlin 1969, S. 134– 143, wobei Bednareck Kowalski mit keinem Wort erwähnt.

[33] Dies wird auch in der ausgesprochen inhaltsarmen Gestapo-Personalakte zu Werner Kowalski erwähnt (HSTA DÜ RW 58-57686). Es taucht daneben die Schreibweise »Claus« auf.

[34] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 157 ff.; VGH 9 J. 278/41 g (Anklageschrift gegen Robert Bauer vom 29.09.1941), in: Widerstand als »Hochverrat« (Anm. 19). – Zu Hornick und Bauer vgl. auch Biographisches Handbuch (Anm. 5), S. 316 und 39 f.

[35] Informationen von Helma Hübener. Über den genauen Zeitpunkt der Emigration besteht Unklarheit: In den Haftentschädigungsakten von Charlotte und Werner Kowalski (StA Lüd B 41355 und B 41366) ist mal vom August die Rede, an anderer Stelle vom 1. Juli 1936.

[36] Schriftliche Aussage von Kurt Junghans (geb. 07. März 1906 in Rödlitz, gest. 06. März 1972 in Dortmund, Schneidergeselle, wahrscheinlich ab 1932 Mitglied der KPD in Lüdenscheid), vom 20. Juli 1957 in StA Lüd B 41366; Haftentschädigungsakte von Antoinette Junghans, geb. Kerseböhmer (01. Oktober 1906 in Oberdisteln), die 1935 nach Belgien emigrierte (StA Lüd B 41382).

[37] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 160.

[38] Wessel, Harald: Münzenbergs Ende. Ein deutscher Kommunist im Widerstand gegen Hitler und Stalin. Die Jahre 1933 bis 1940. Berlin 1990, S. 101.

[39] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 160; zu Paris vgl. Soell, Hartmut: Der junge Wehner. Zwischen revolutionärem Mythos und praktischer Vernunft. Stuttgart 1991, S. 384 f.; Harald Wessel erwähnt in seiner Münzenberg-Biographie Kowalski ebensowenig wie Gross, Babette: Willi Münzenberg. Eine politische Biographie. Stuttgart 1967. Auch als Autor von Beiträgen in den von Münzenberg im Exil herausgegebenen Zeitungen »Der Gegen-Angriff« und »Die Zukunft« konnte Kowalski nicht nachgewiesen werden.

[40] Klönne, Arno: Bündische Emigration und bündischer Widerstand – Die Gruppe um die »Kameradschaft«, in: Dittrich, Kathinka/Würzner, Hans (Hrsg.): Die Niederlande und das deutsche Exil 1933–1940. Königstein/Ts. 1982, S. 122–135, hier 125; vgl. auch von Hellfeld, Matthias: Bündische Jugend und Hitlerjugend. Zur Geschichte von Anpassung und Widerstand 1930–1939. Köln 1987, S. 178 ff.

[41] So im Gestapo-Bericht vom 22. Februar 1942 über die »Deutsche Jugendfront«, Institut für Zeitgeschichte (München), Archiv 117/143, Bl. 62.

[42] Duhnke (Anm. 2), S. 185 und 537 (Zitat).

[43] Soell (Anm.39), S. 418 ff.

[44] Herlemann: Emigration (Anm. 2), S. 160. – Zu Friedrich Wilhelm Rüddenklau, der im September 1941 in Deutschland zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, vgl. Bednareck (Anm. 32), S. 140 f., sowie Biographisches Handbuch (Anm. 5), S. 625.

[45] Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Nr. 157 vom 11. Juli 1939, Liste 123, wiedergegeben in Hepp, Michael (Hrsg.): Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933–45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Band 1. Listen in chronologischer Reihenfolge, München 1985, S. 189.

[46] Gestapo-Bericht vom 22. Februar 1942 (Anm. 41), Bl. 62 f. – Die dortige Behauptung, Kowalski habe Ebeling schon aus der Zeit vor 1933 gekannt, erscheint abwegig. Zu Sara-Cato (Selma) Meyer vgl. Klönne (Anm. 40), S. 126 f.

[47] Vgl. zu diesen Publikationen Presse im Exil (Anm. 27), S. 194 ff.

[48] Information von Helma Hübener. Zu Rost vgl. v.a. den biographischen Essay im Anhang von Rost, Nico: Goethe in Dachau. Herausgegeben, mit Materialien und einem Nachwort versehen von Wilfried F. Schoeller, Berlin 1999, v.a. S. 405 ff. (Zitat S. 410, wo auch auf Rosts Verbindung zu Willi Münzenberg hingewiesen wird).

[49] Information von Helma Hübener.

[50] Aussagen von Charlotte Kowalski und Kurt Junghans in StA Lüd B 41366. – Seine Internierung beschrieb Niebergall selbst in einem Erinnerungsbericht, wobei Kowalski aber nicht erwähnt wird (Résistance. Erinnerungen deutscher Antifaschisten. Zusammengestellt und bearbeitet von Dora Schaul, 3. Aufl., Berlin 1985, S. 21 ff.). Zu Niebergall vgl. Biographisches Handbuch (Anm. 5), S. 533. Zur Deportation deutscher Emigranten aus Belgien, die dort als »Fünfte Kolonne« verdächtigt wurden, vgl. Walter, Hans-Albert: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. Band 3: Internierung, Flucht und Lebensbedingungen im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1988, S. 144 ff.

[51] Information von Helma Hübener. Charlotte Kowalski wurde im Oktober 1940 in Brüssel verhaftet und zum Arbeitsdienst verpflichtet, im März 1942 zusammen mit ihrer Tochter nach Deutschland zurückgeschafft.

[52] Fabian, Ruth/Coulmas, Corinna: Die deutsche Emigration in Frankreich nach 1933. München 1978, S. 80. Vgl. auch Walter (Anm. 50), S. 194 ff.

[53] Zu den Prestataires vgl. Walter (Anm. 50), S. 110 ff.

[54] Annecy, Archives départementales de la Haute-Savoie, Procès-verbal établi par la Brigade de Frangy No. 227 du 1/7/43 concernant la mort de M. Werner Kowalski. – Der durch verschiedene Zeugenaussagen belegte Bericht differenziert die Jahre später von Kurt Junghans zu Protokoll gegebene, sehr knappe Schilderung (StA Lüd B 41366, Aussagen vom 20. Juli und 21. September 1956).

[55] STAMS, Generalstaatsanwalt Hamm 5522, Bl. 90 (Anklage- und Urteilsschrift sind dort nicht erhalten, sondern nur eine Wiedergutmachungsangelegenheit).

[56] Vgl. dazu Bower, Tom: Klaus Barbie. Lyon, Augsburg, La Paz – Karriere eines Gestapo-Chefs. Aus dem Englischen von Niels Kadritzke. Berlin 1984, S. 44 f.

[57] Information von Helma Hübener.

Inhalt – JHK 2003

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