JHK 2004

Kaderpartei oder Milieupartei?

Die KPD in Westdeutschland 1945 bis 1960

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 131-155 | Aufbau Verlag

Autor/in: Till Kössler

 

Die soziale Verankerung politischen Handelns ist eine der zentralen Fragen der neueren historischen Parteienforschung. Als unbestrittenes Leitmodell hat sich in diesem Zusammenhang das Konzept der »sozialmoralischen Milieus« etabliert, dessen wichtigster Vorzug die Verknüpfung von »objektiver« gesellschaftlicher »Lage« mit »subjektiven« weltanschaulichen und politischen Überzeugungen darstellt.[1] Milieus werden dabei zumeist als soziale Formationen verstanden, die ein überörtliches Kommunikationsnetzwerk mit kohärenten und stabilen sozialmoralischen Orientierungen und Verhaltenskodices ausbilden.[2] Ihre Entstehung ist in Deutschland eng mit der Auflösung traditioneller Vergemeinschaftungsformen in der Phase der Industrialisierung verbunden worden, während ihr Verfall mit der Durchsetzung einer pluralistisch orientierten Konsumgesellschaft westlicher Prägung spätestens auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg datiert wurde. Während die Zeit der »Milieublüte« (1918–1933) relativ gut erforscht ist, liegen erst wenige empirische Untersuchungen zur Bedeutung von Milieustrukturen in der Geschichte der Bundesrepublik vor. 

Im Folgenden sollen vor diesem Hintergrund die Chancen des Milieuansatzes für die Erforschung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Westdeutschland näher betrachtet werden. Der Kommunismus stellt für die Milieuforschung eine besondere Herausforderung dar. Dies zeigt die neuere Debatte über das Ausmaß und die politischen Konsequenzen der Milieuverhaftung der KPD in den Zwanzigerjahren. Lässt sich der organisierte Kommunismus besser als transnational agierende totalitäre Bewegung oder als politischer Arm lokaler Traditionsmilieus begreifen?[3] Gerade für die Jahre der frühen Bundesrepublik ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob und in welchem Umfang sich eine Rekonstruktion von Milieustrukturen im Kommunismus beobachten lässt und welche Bedeutung diesen gegebenenfalls für die politische Praxis der KPD zukam. 

In der Forschung werden Parteien gewöhnlich als »Aktionsausschüsse« von Milieus definiert. In der Regel richtet sich dabei das Interesse auf die Prägekraft von Milieustrukturen auf die Parteipolitik, während Rückwirkungen der politischen Praxis auf die soziale Basis der Parteien zumeist nicht explizit thematisiert werden. Gerade für die Zeit nach 1945, in der sich die einzelnen Parteien nach Diktatur und Krieg im politischen und sozialen Raum neu orientieren und etablieren mussten, erscheint aber die Untersuchung des Wechselverhältnisses von »Partei« und »Milieu« besonders lohnend.

Die Entwicklung der KPD in Westdeutschland, so die im Folgenden zu erläuternde These, lässt sich nur dann angemessen verstehen, wenn der ihr innewohnende Konflikt zwischen dem Leit- und Selbstbild als disziplinierter Kaderpartei und der lebensweltlichen Verankerung der KPD-Mitglieder in einer generationell geprägten Traditionskultur berücksichtigt wird. Nicht nur engten gesellschaftliche Ächtung und politische Diskriminierung »von außen« die Handlungsspielräume der KPD ein, sondern in entscheidender Weise trug auch die wechselseitige Blockade von »Kaderpartei« und »Milieupartei« zur politischen Lähmung und Erstarrung des Kommunismus in der Bundesrepublik bei. Dieser der Partei innewohnende Gegensatz lässt sich zum Teil als ein Konflikt zwischen Parteiführung und Parteibasis beschreiben, wie ihn Klaus-Michael Mallmann für die Weimarer KPD herausgearbeitet hat.[4] Die besondere Schärfe des Gegensatzes zwischen Parteianforderungen und den milieugebundenen Normen und Werten beruhte dabei auf der Einbindung der Kommunisten in den Kalten Krieg, der die tatsächliche Parteiführung der KPD, das SED-Politbüro in Ost-Berlin, und die westdeutsche Mitgliedschaft zunehmend entfremdete. 

Im Folgenden sollen zunächst die Grundzüge des Kaderpartei-Konzeptes und seine Verbindung mit der innerparteilichen Machtpolitik der SED dargestellt werden. Sodann wird die verbreitete innerparteiliche Resistenz gegen die »Parteilinie« in ihren Ausformungen beschrieben und auf die Kontinuität einer milieugebundenen kommunistischen Traditionskultur zurückgeführt. An diesen Befund anknüpfend, wird daraufhin gefragt, inwieweit sich für die Zeit nach 1945 von der Rekonstruktion eines kommunistischen Milieus sprechen lässt. Ein besonderes Augenmerk gilt hier den unterschiedlichen Kohäsions- und Desintegrationskräften. Milieus definieren sich immer auch in Abgrenzung zu anderen sozialen Großgruppen. Abschließend sollen deshalb exemplarisch die Außengrenzen der kommunistischen Traditionskultur in ihrer Entwicklung näher bestimmt werden. Der räumliche Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf dem Ruhrgebiet, das die wichtigste westdeutsche Hochburg der KPD darstellte. Zeitlich umfasst die Darstellung die Jahre zwischen 1945 und den frühen Sechzigerjahren, wobei der Schwerpunkt auf den frühen Fünfzigerjahren liegt, die für den westdeutschen Kommunismus eine entscheidende Zäsur bildeten.[5]

 

Die KPD als Kaderpartei

 

Die KPD in Westdeutschland war organisatorisch wie politisch ein integraler Teil der SED. Nach Gründung der SED im April 1946 blieb die enge Bindung der westdeutschen Parteibezirke an die Berliner Zentrale bestehen.[6] Kommunikationshemnisse und die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Besatzungszonen machten aber eine eigene Parteileitung der Westzonen immer dringlicher. Diese wurde nach längerem Zögern schließlich Anfang 1948 eingesetzt. Die Konstituierung als formell eigenständige Partei bedeutete aber weder eine politische noch eine organisatorische Ablösung von der SED. Die Anfang 1949 beim ZK der SED eingerichtete Westkommission war das eigentliche Führungsgremium der westdeutschen Organisation, während dem Parteivorstand unter seinem Vorsitzenden Max Reimann in erster Linie eine vermittelnde und ausführende Funktion zufiel.[7]

Der organisatorischen Unterordnung der KPD unter die SED entsprach die politisch-programmatische. Die KPD vertrat auf den verschiedenen Politikfeldern vorrangig die deutschlandpolitischen Interessen der SED. Ihr wurde insbesondere die Aufgabe zuteil, durch die Mobilisierung der westdeutschen Bevölkerung gegen die Bundesregierung und den Weststaat dessen Legitimation auszuhöhlen und gleichzeitig die Politik der SED in den Augen der west- wie ostdeutschen Bevölkerung zu rechtfertigen.[8]

Die Ausrichtung der westdeutschen Parteiorganisation auf die Ostberliner Vorgaben lässt sich nicht allein auf den Machtwillen der Berliner Führung oder die weit überlegenen materiellen und personellen Ressourcen der SED gegenüber der KPD zurückführen, auch wenn diese Faktoren unzweifelhaft von Bedeutung waren. Vielmehr muss die Wirkmacht des kommunistischen Partei- und Organisationsverständnisses zur Erklärung der weitgehenden, zumeist freiwilligen und die Partei im Westen offensichtlich schwächenden Unterordnung der KPD unter die Interessen der SED herangezogen werden. Das Selbstverständnis der KPD als disziplinierte, zentralistische und rational arbeitende Kaderpartei war eingebettet in eine umfassende kommunistische Weltsicht und lässt sich als ein Ensemble miteinander verbundener grundlegender Auffassungen beschreiben, die seit den innenpolitischen Kämpfen der Zwanzigerjahren das Denken und Handeln der Parteifunktionäre und -mitglieder in hohem Maße leiteten.[9] Die Verfolgungserfahrung während des Nationalsozialismus ließ schließlich die Notwendigkeit einer zentralistischen Kaderpartei nach 1945 plausibler denn je erscheinen.[10]

Grundlage der Parteidisziplin war eine strikt dichotomischen Welteinteilung in Freund und Feind und eine Sichtweise auf Politik als permanenten Bürgerkrieg, der nur durch einen bedingungslosen Einsatz entschieden werden könne. Von dieser Vorstellung waren alle Lebensbereiche unmittelbar berührt. Die KPD sah sich nicht als »Wahlverein«, sondern als »Kampfpartei«.[11] Der Parteiorganisation sprachen die Kommunisten in der Tradition der alten SPD in diesem Kampf eine herausragende Bedeutung zu. Sie habe die Arbeiterschaft politisch aufzuklären und zu organisieren. Ein zentralistischer Organisationsaufbau und eine nach Befehl und Gehorsam strukturierte Arbeitsweise nach dem Leitbild einer militärischen Einheit erschienen als Voraussetzung zur erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgaben.[12] Die Betonung der Wissenschaftlichkeit der Parteiarbeit im Einklang mit der grundlegenden historischen Entwicklung legitimierte den hierarchischen Parteiaufbau zusätzlich. Allein die Parteiführung war, so die kommunistische Überzeugung, durch lange Schulung und Erfahrungen im Klassenkampf in der Lage, die richtige Politik festzulegen. Sie erarbeitete die »Parteilinie«, die für die gesamte Partei verbindlich war. Zwar wies die Parteiorganisation auch westlichdemokratische Elemente auf, doch traten diese gegenüber den autoritärhierarchischen deutlich in den Hintergrund.[13]

Dem hierarchischen Organisationsaufbau entsprach komplementär die Forderung nach militärischer Disziplin unter den Parteimitgliedern. Diese war in den Augen der Kommunisten unbedingt notwendig, um in der feindlichen Umwelt Bundesrepublik handeln zu können. Die KPD sollte eine »Armee« disziplinierter Kämpfer bilden.[14] Die hohe Bedeutung, die der Einheitlichkeit des Parteihandelns zuerkannt wurde, ließ abweichende Meinungen schnell als gefährlich und schädigend für die Partei erscheinen. 

Auf der Mitgliedschaft lasteten in der hier skizzierten Parteikonzeption hohe Anforderungen und eine große Verantwortung. Sie sollte zugleich eine ausgewählte Elite »der besten Kämpfer« und disziplinierter Exekutor des Parteiwillens sein. Das einzelne Parteimitglied musste sich schon bei Parteieintritt verpflichten, »unermüdlich für die Verwirklichung der Beschlüsse der Partei und ihrer Organe zu kämpfen« und »ein ständiger Agitator der Partei zu sein«.[15] Um den hohen Anforderungen zu genügen, waren die Mitglieder zudem gehalten, sich einer ständigen »Schulung« und Anstrengungen zur Selbstvervollkommnung zu unterwerfen.[16] Die Partei beanspruchte die ganze Persönlichkeit des Mitglieds. Entsprechend des weltgeschichtlichen Kampfes der Partei musste der Einsatz für die Partei ein äußerster sein. 

Das hier knapp skizzierte Partei- und Politikverständnis beschränkte sich nicht auf die Riege der Spitzenfunktionäre, sondern reichte tief in die einfache Mitgliedschaft hinein. Aus der Weimarer Partei wurde eine Kultur der Glorifizierung der Partei und ihrer Führer übernommen, und während des Nationalsozialismus war die Aufrechterhaltung der Parteistrukturen geradezu zum Fluchtpunkt allen kommunistischen Handelns geworden.[17] Das internalisierte Kaderparteimodell war die wichtigste Ursache dafür, dass es der Parteispitze 1945 trotz vieler Irritationen relativ problemlos gelang, den im Exil veränderten programmatischen Kurs hin zu einer Volksfronttaktik innerparteilich verbindlich zu machen. Die Unterordnung unter die Berliner Zentrale, bemerkte die Bezirksleitung Ruhrgebiet, sei weniger auf innere Überzeugung, sondern »im wesentlichen auf die außerordentlich gute Disziplin unserer Genossen« zurückzuführen gewesen. Dies war keineswegs nur ein Phänomen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Auch 1953 konnte der Parteiführung aus Westdeutschland gemeldet werden, dass weiterhin ein »großer Teil der Mitglieder […] eiserne Disziplin« bewahrt.[18] In Berichten     über einzelne Basisgliederungen der Partei wird immer wieder die außerordentliche »Treue« der Mitglieder zur Partei betont.[19]

Der Organisationsaufbau der KPD war in der Nachkriegszeit nicht nur das Resultat kommunistischer Tradition und Gesellschaftsdeutung, sondern bildete gleichzeitig die Basis, auf der die Parteiführung ihre politischen Vorstellungen innerparteilich durchzusetzen versuchte. Ständige Organisationsreformen sollten den Zugriff auf die westdeutsche Partei verbessern, wie an einigen Beispielen gezeigt werden soll.

Die KPD sollte, den Vorstellungen ihrer Führung entsprechend, nach den Grundsätzen einer eingespielten Bürokratie arbeiten. Auf zentraler Ebene beschlossene Richtlinien wurden für die einzelnen Gliederungen der Partei als Aufgaben und »Parteibefehle« formuliert.[20] Das Verfahren der korrespondierenden Parteibefehle und -berichte hatte für die Parteiführung den Nachteil, dass sie in die Geschehnisse vor Ort nicht direkt, sondern nur über die verschiedenen Ebenen der Parteihierarchie eingreifen konnte. Die SED empfand dies nach der formalen Trennung von der KPD immer mehr als eine Beschränkung ihres Einflusses in Westdeutschland. Um die Durchsetzung der Parteilinie in den einzelnen Parteigliederungen zu gewährleisten, installierte die Parteiführung verschiedene Institutionen und Verfahren. 

Erstens wurde seit dem Sommer 1948 auf Bundes- wie auf Länderebene ein Instrukteursapparat geschaffen, »der die Politik der Partei sofort [an die Parteibasis] heranträgt und kontrolliert, ob sie durchgeführt«. Der Parteivorstand und die Landesleitungen, aber insbesondere die Westkommission der SED und die Führungsgremien der »Massenorganisationen« in der DDR dirigierten eine Vielzahl von Instrukteuren in der Bundesrepublik. Diese wurden mit »Parteiaufträgen« in die einzelnen Orts- und Betriebsgruppen geschickt, wo sie an deren Umsetzung mitzuwirken und über die erzielten Resultate zu berichten hatten. Auf diese Weise sollte »die Sicherung der Führung der Partei in den westlichen Zonen durch das Zentralsekretariat der SED […] gewährleistet werden«.[21]

Zweitens dienten detaillierte Arbeitspläne und genaue Vorgaben, die zumeist in Form von »Kampagnen« gebündelt wurden, dazu, die Politik der Kommunisten vor Ort zu lenken und überprüfbar zu machen. Im Vorhinein festgelegte Solls und Quoten sollten den Erfolg oder Misserfolg einzelner Kampagnen in Zahlen messbar und die Politik der Grundeinheiten auch miteinander vergleichbar machen.[22] Die Politikform der Kampagne rückte seit Ende der Vierzigerjahre alles andere, langfristig ausgerichtete politische Handeln soweit in den Hintergrund, dass vielerorts Ämterträger klagten: »Alles wird von uns nur noch kampagnenmäßig durchgeführt.«[23]

Auch die Schulung der Mitglieder muss, drittens, unter dem Aspekt der Durchsetzung der SED-Herrschaft in der Partei betrachtet werden. Durch die Lektüre kommunistischer Zeitschriften und Broschüren, die Teilnahme an den seit 1951 regelmäßig stattfindenden »Parteilehrjahren« und schließlich vor allem durch die Teilnahme an mehrwöchigen oder -monatigen Schulungskursen sollten Bedenken gegen die Politik der Parteispitze ausgeräumt und die Mitglieder zu Verfechtern der Parteidoktrin erzogen werden. [24] 

Die verschiedenen Leitungsebenen der KPD legten nicht nur die Politik für die Gesamtpartei fest und kontrollierten deren Durchführung, sondern griffen auch regelmäßig direkt in das bestehende Personalgefüge der untergeordneten Parteileitungen ein. Schon auf die selten durchgeführten Wahlen der Parteileitungen hatte die Parteihierarchie in der Praxis entscheidenden Einfluss.[25] Der von ihr gesteuerte Wahlausgang hielt jedoch die Parteiführung nicht davon ab, auch unabhängig von Wahlen laufend Veränderungen im Funktionärskörper vorzunehmen. So setzte die Führung beispielsweise in der Kreisorganisation Essen, obwohl erst kurz vorher ein neues Kreissekretariat gewählt worden war, zwischen März 1951 und Mai 1952 22 neue Sekretäre ein, wobei allein der Erste Sekretär viermal ausgewechselt wurde.[26]

Diese ständigen Eingriffe in die Organisation verdeutlichen exemplarisch die Verknüpfung von Machtpolitik und technokratischem Politikverständnis. Die Eingriffe zielten zum einen darauf ab, die Entstehung lokaler Machtzentren in der Partei zu verhindern, welche die Ausrichtung der Basis auf die Parteispitze hätten untergraben können. In diesem Sinne lässt sich die Absetzung von »Kreiskönigen« im Ruhrgebiet seit Anfang 1950 interpretieren.[27] Zum anderen offenbarte diese Personalpolitik aber auch ein Verständnis von Politik, das der Kenntnis lokaler Traditionen, langen Erfahrungen und Basisverbundenheit, kurz der lebensweltlichen Verankerung der Partei, keinen Wert zusprach und stattdessen Parteitreue und theoretisches Wissen privilegierte. An die Stelle der als selbstherrlich kritisierten »Parteipapas« wurden in der Regel junge Funktionäre gestellt, die zwar wenige Erfahrungen in der praktischen Parteiarbeit besaßen, aber Parteischulen besucht hatten und die »Parteilinie« zuverlässig vertraten.[28]

Das drastischste Mittel der Ostberliner Parteiführung zur Sicherung ihrer Herrschaft über die KPD stellten Wellen von Parteiausschlüssen dar, welche die KPD vor allem in der Zeit von 1949 bis 1953 erfassten.[29] Sicherlich spielten bei den so genannten »Parteisäuberungen« die Furcht vor Spitzeln und Verrätern eine wichtige Rolle, doch die parteiinterne Debatte über »Parteifeinde« verdeckt, dass es auch hier in erster Linie um die Durchsetzung der Parteilinie im Westen ging. Insbesondere diejenigen Mitglieder wurden ausgeschlossen, die eine gegenüber der Parteiführung unabhängigere Politik betreiben wollten.[30] Die Nachkriegs-KPD, so lässt sich zusammenfassen, war also tatsächlich von Ost-Berlin »gelenkt«, in genau dem Maßel, wie ihr das in der Bundesrepublik immer wieder vorgeworfen wurde. Allerdings war die Beziehung nicht einseitig. Freiwillige Unterordnung und Herrschaftsausübung von oben ergänzten sich. Die Einheit der Partei war jedoch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, fragil. Angesichts tief greifender innerparteilicher Konflikte wurden Parteidisziplin und Parteizusammenhalt auf eine harte Probe gestellt.

 

Die Grenzen der »Kaderpartei«

 

Die KPD entsprach dem Bild der kämpferischen verschworenen Kaderpartei, das sie selbst, aber auch ihre Gegner ständig von ihr zeichneten, nur unvollständig. Die von der Parteispitze festgelegte »Parteilinie« traf vielfach auf innerparteilichen Widerstand. Dieser gründete sich hauptsächlich auf Werten und Normen einer historisch gewachsenen, über die NS-Zeit bewahrten und lokal verankerten Traditionskultur. Die Spannungen in der KPD äußerten sich dabei in geringerem Maße in einem offenen Konflikt zwischen Parteiführung und -basis, sondern mehr in einer, den einzelnen Mitgliedern wohl häufig unbewussten Resistenz gegenüber den Anforderungen der Partei, die nicht mit den tradierten kulturellen Normen und den Alltagserfahrungen in Einklang gebracht werden konnten. Schon unmittelbar nach Kriegsende zeigten sich in der Partei unterschiedliche Auffassungen über die künftig einzuschlagende Politik. Während die Führung im Moskauer Exil die Klassenkampfrhetorik zugunsten einer national-integrativen Sprache in den Hintergrund rückte und das nationale Verantwortungsbewusstsein der KPD betonte, wollten große Teile der ehemaligen Parteimitglieder, die im Frühjahr 1945 den Wiederaufbau der Partei betrieben, möglichst nahtlos an die Politik von vor 1933 anknüpfen. In den lokalen Trägergruppen hatten sich Vorstellungswelt und Praxisformen der Weimarer Partei erstaunlich konstant erhalten. »Die Genossen [sind] fast überall im Begriff, […] ihre Arbeit da wieder aufzunehmen, wo sie 1932 aufgehört hat.«[31] Der Parteiführung gelang es im Sommer 1945 zwar, ihre Politik als offizielle Parteilinie durchzusetzen, doch dies darf nicht darüber hinweg täuschen, dass starke oppositionelle Strömungen in der Parteimitgliedschaft weiter bestanden. Das Bündnis zwischen Berliner Parteiführung und ihren westdeutschen Parteimitgliedern war von Anfang an ein fragiles.

Diese Tatsache wurde zeitweise durch die praktischen Probleme des Parteiaufbaus und den großen Mitgliederzuwachs 1946/47 verdeckt.[32] Aber mit dem Offenbarwerden des Scheiterns der kommunistischen Neuordnungsvorstellungen und dem Beginn des Mitgliederrückgangs seit etwa Anfang 1948 rückten die parteiinternen Spannungen in den Mittelpunkt des Parteigeschehens. Dabei zeigte es sich immer deutlicher, dass die Vorstellung von der KPD als effizient arbeitender Einheit ein wirklichkeitsfremdes Wunschbild war. Es häuften sich die Klagen von hohen Parteifunktionären, ihre Direktiven drängen oft nicht über den Kreis der besoldeten Funktionäre hinaus, ja würden vor Ort vollständig ignoriert.[33] Die Parteigruppen an der Basis kapselten sich zunehmend gegenüber den übergeordneten Leitungen ab. Die Verweigerung trug zumeist die Züge passiver Resistenz und blieb in der Regel unartikuliert. Aufgrund der Parteitradition, welche der Artikulation von Widerspruch hohe mentale Hürden in den Weg legte, fiel unzufriedenen Anhängern Kritik schwer.[34] Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass sich in der Mitgliedschaft ausgeprägte Ressentiments gegen die Führungsspitze entwickelten, die auf einen unterschwelligen Legitimitätsverlust der übergeordneten Parteiinstanzen hindeuten. Die Vorwürfe, die 1951 in der Ortsgruppe Schwenningen erhoben wurden, stellen in diesem Zusammenhang sicherlich einen Extrem-, aber keinen Einzelfall dar. In einer heftigen Diskussion über die innerparteilichen Zustände »sprachen die Genossen in der Diskussion vom Parteivorstand [der KPD, T. K.] als Handlangern Adenauers, die die Partei von oben her zerschlagen« wollen.[35] »Leitungsfeindliche Stimmungen« wurden aus allen Landesteilen gemeldet. Ein Kreissekretär schätzte gar, dass wenn »wir alle Genossen, die nichts tun, die Unzufriedenheit mit der Parteilinie äußern und die verbreiteten Stimmungen gegen die Erscheinungen im Osten weitergeben, herauswerfen würden, blieben wir mit einigen Genossen über, vielleicht nur mit 10 Prozent.«[36] Das Missfallen gegenüber der Entwicklung der Partei war keineswegs auf die Parteibasis beschränkt, sondern erfasste zum Teil auch hohe Funktionärskreise. Die Berliner Parteizentrale stellte beispielsweise schon 1948 »politische Schwierigkeiten« und »sehr gefährliche Stimmungen« unter den württembergischen Spitzenfunktionären fest.[37]

Die Resistenz gegenüber den Anforderungen der Parteiführung war nicht allgemein verbreitet. Vielmehr konzentrierte sie sich auf bestimmte Politikfelder. Insbesondere wurde die Mitarbeit in Bereichen, die nicht dem traditionellen Kanon kommunistischer Politik entsprachen, verweigert. Dazu einige Beispiele: Mit besonderem Unverständnis, das bis in hohe Funktionärskreise hinein reichte, wurden die Zurückstellung traditioneller sozialrevolutionärer Forderungen und die Orientierung der KPD/SED auf eine national integrative Rhetorik aufgenommen. Bis zum Verbot 1956 gelang es der SED-Führung nie, die Mehrheit der KPD-Mitglieder über Lippenbekenntnisse hinaus für die »nationalen« Kampagnen zu mobilisieren. Resigniert vermerkte etwa die Abteilung Propaganda der SED 1952, dass selbst führende Westfunktionäre die Lehre der Nation und der nationalen Frage nicht genügend verstünden und propagierten. Der Parteivorsitzende Max Reimann stellte Ende 1949 eine verbreitete Aversion der Mitglieder gegenüber

dem Begriff »Vaterland« und den Farben »schwarz-rot-gold« fest.[38] Stattdessen forderten Kommunisten vielerorts die Rückkehr zu einer klassenkämpferischen, an sozialen Themen orientierten Politik.[39] Zwar war diese sozialrevolutionäre Orientierung in der KPD-Mitgliedschaft nicht mehr unmittelbar handlungsleitend und blieb uneingelöster Anspruch – nicht zuletzt auch deshalb, weil die Parteispitze solche Bestrebungen unterdrückte oder zumindest nicht förderte –, doch sie prägte weiterhin das Selbstverständnis der westdeutschen Kommunisten.

Der Widerstand gegen die »Parteilinie« fiel nicht immer so uneingeschränkt aus wie im Fall der »nationalen« Politik. Das Beispiel des Bezuges zur DDR zeigt, dass in der Regel eine Mischung von Zustimmung und Ablehnung die Haltung der Parteimitglieder prägte. Allgemein wurde der »Aufbau des Sozialismus« in der DDR idealisiert. Die DDR stellte für die westdeutschen Kommunisten die bessere Alternative zur Bundesrepublik dar, die es zu schützen galt. So herrschte nach dem Angebot der SED, gesamtdeutsche freie Wahlen durchzuführen, in der Mitgliedschaft Anfang 1955 »Angst« und »Zweifel, ob freie Wahlen […] nicht wieder zu einem Triumph der Reaktion führen könnten und somit die Errungenschaften der DDR zunichte gemacht würden«.[40] Trotz des emotional geprägten Bekenntnisses zur DDR, geriet jedoch die konkrete Entwicklung in Ostdeutschland immer mehr in die Kritik der westdeutschen Kommunisten. Im Zentrum der Unzufriedenheit stand die Wahrnehmung, die SED und mit ihr die DDR entfernten sich immer weiter von den tradierten kommunistischen Idealen. Einzelne Kritikpunkte waren beispielsweise, die SED sei keine einheitlich marxistische Partei mehr, der FDGB habe sich von den Arbeitern gelöst, die Funktionäre würden im Osten zu sehr bevorzugt und die Leistungen einzelner Personen über Gebühr herausgestellt.[41] Trotz des fortbestehenden ideellen Bezuges lässt sich somit eine schleichende Entfremdung der westdeutschen Kommunisten vom ostdeutschen Staat feststellen. Vor diesem Hintergrund stieß die vollkommene Unterordnung der eigenen Partei unter die Interessen der DDR auf zunehmenden Widerspruch.[42] Trotz umfassender Bemühungen gelang es der Parteispitze nie, das DDR-Bild in der Mitgliedschaft in ihrem Sinne zurechtzurücken. Resignative Berichte blieben die Regel.[43]

Die KPD war, soviel ist bisher deutlich geworden, keine monolithische Einheit. In ihr verschränkten sich unterschiedliche Erfahrungen, Interessen und Politikvorstellungen. Die weitgehende innerparteiliche Verweigerung gegenüber der SED-bestimmten Politik wurzelte dabei in einer milieugebundenen, generationsspezifischen Traditionskultur, die im folgenden näher beschrieben werden soll. Die Missachtung dieser sozialen Basis kommunistischer Politik und den sich daraus ergebenden Interessen durch die Parteiführung, aber auch generationelle und kulturelle Konflikte in der Mitgliedschaft trugen wesentlich zur Stagnation und Erosion der in den Zwanzigerjahren entstandenen Traditionskultur bei.

 

Die KPD als Milieupartei: Interne Struktur und Konflikte

 

Es lassen sich eine Reihe von Indikatoren dafür anführen, dass der Nationalsozialismus keineswegs total und dauerhaft das überkommene kommunistische Gesinnungsmilieu in der deutschen Gesellschaft aufzulösen vermocht hatte.[44] Die KPD war auch nach 1945 eine Milieupartei. Sie konnte, wie im Folgenden vor allem am Beispiel des Ruhrgebiets gezeigt werden soll, besonders in ihren alten Hochburgen an lokale und betriebliche Traditionen aus der Weimarer Zeit anknüpfen und bis zu einem gewissen Grad ihre ehemalige Anhängerschaft reaktivieren.[45] 

Neben dem schnellen Wiederaufbau der KPD, der von ehemaligen Aktiven durchgeführt wurde, die während des Nationalsozialismus zumeist in kleinen Gesinnungszirkeln »überwintert« hatten, gibt auch der Charakter der NachkriegsKPD als ausgesprochene Mitgliederpartei einen ersten Hinweis auf die Fortexistenz von Milieustrukturen. Auf dem Höhepunkt des Zustroms 1947 zählte die KPD rund 300 000 Mitglieder. Zwar sank diese Zahl bis zum Verbot der Partei 1956 auf 70 000 bis 80 000 ab, doch lag der prozentuale Anteil der Mitglieder an der Wählerschaft durchgehend über demjenigen aller anderen größeren Parteien.[46]

Einen weiteren Hinweis auf die fortwirkende Bedeutung von Milieustrukturen stellt der Befund dar, dass die KPD entgegen den Bestrebungen der Parteiführung nahezu ausschließlich eine Partei von Industriearbeitern und ihren Familien blieb, die zwischen 80 und 90 Prozent der Mitglieder stellten.[47] Die KPD fand dabei besonderen Zuspruch in der un- und angelernten Arbeiterschaft, während sich die Werbung von Facharbeitern im Allgemeinen schwieriger gestaltete. Die KPD fand besonders in solchen Betrieben und Branchen Zuspruch, in denen viele an- und ungelernte Arbeiter tätig waren. Beispiele sind etwa der Kohlenbergbau, der Hamburger Hafen und die Werftindustrie.[48] 

Schließlich unterstreicht die familiäre Verankerung des Kommunismus den Charakter der KPD als Milieupartei. Kommunistische Familien, in denen sämtliche Familienangehörige in der KPD aktiv waren und die oft regelrechte kommunistische Dynastien bildeten, stellten das soziale Rückgrat der KPD an der Basis und gaben der Parteiorganisation einen besonderen Zusammenhalt. Während der Vater in der Partei und die Mutter im Demokratischen Frauenbund (DFD) arbeitete, engagierten sich die Kinder in der Parteijugend, der Freien Deutschen Jugend (FDJ).[49] 

Die Fortexistenz eines kommunistischen Milieus lässt sich besonders in sozialräumlicher Hinsicht nachweisen. Gleichzeitig wird hier jedoch auch der Wandel und die Erosion kommunistischer Vergemeinschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich erkennbar. Nicht nur im Ruhrgebiet beruhte der schnelle Wiederaufbau der KPD ganz wesentlich auf einer Kontinuität von Betriebs- und Quartiermilieus über den Nationalsozialismus hinweg, wie sie sich in den Betriebsratswahl-Ergebnissen des Kreises Recklinghausen vom Herbst 1945 spiegelt. In den meisten Betrieben, in denen die KPD schon in der Zwischenkriegszeit über maßgeblichen Einfluss in den Belegschaften verfügt hatte, besaß sie auch nach 1945 wieder erhebliches Gewicht.[50] Ein retrospektiver Bericht der IG Bergbau von 1968 über zwei kommunistisch dominierte Zechen untermauert die quantitativen Befunde: »Beide Schachtanlagenbereiche sind noch aus der Zeit vor 1933 und auch nach 1945 als sogenannte ›rote Pütts‹ [KPD-Hochburgen, T. K.] bekannt.«[51] Eine ähnliche Kontinuität lässt sich auch in anderen Industriezweigen feststellen.[52] Zumindest im Ruhrgebiet waren diese kommunistischen Betriebsmilieus in der Nachkriegszeit eng mit sozialräumlichen Quartiermilieus verknüpft. In den meisten Ortsgruppen des Kreises Recklinghausen arbeitete in den Nachkriegsjahren die überwiegende Mehrheit der in Beschäftigung stehenden Mitglieder jeweils auf einer Schachtanlage.[53] 

Die Entwicklung der sozialräumlichen Struktur der KPD war jedoch keineswegs einheitlich, sondern schwankte stark nach Region und Ort. Die Parteiorganisation in Württemberg-Hohenzollern berichtete beispielsweise über die Resonanz in der Bevölkerung: »Zweifellos wirken sich auch hier die starken Traditionen der Partei in Württemberg aus, die in den ländlichen Gebieten noch stark zum Ausdruck kommen, in den Städten dagegen verloren gegangen sind.« Auch in den übrigen Bundesländern wird insgesamt gegenüber den Zwanzigerjahren eine Abnahme kommunistisch geprägter lokaler Milieus konstatiert werden müssen. Sie waren aber nach 1945 keineswegs völlig verschwunden. Der Mülheimer Polizei war etwa 1951 bekannt, dass »der Adolf-Stöcker-Platz […] ein Gebäudekomplex [ist], dessen Bewohner überwiegend kommunistisch gesinnt sind« und im Stadtteil Winds-Baak, auch als »roter Wedding« von Hattingen bekannt, gab es noch im Frühjahr 1953 »eine Siedlung, in der es nur kommunistische Familien gibt. Alle Väter sind Mitglieder der kommunistischen Partei«.[54] Die KPD ruhte auch in der zweiten Nachkriegszeit ganz wesentlich auf solchen sozialräumlich geprägten Traditionsmilieus, deren politischen »Aktionsausschuss« sie darstellte.

Es sollte bis hierher anhand des knappen, auf einige markante Punkte beschränkten Überblicks deutlich geworden sein, dass sich die KPD auch nach 1945 weiterhin als Milieupartei beschreiben lässt. Das Parteimilieu war jedoch nach 1945 keine harmonische Einheit. Vielmehr lassen sich eine Reihe grundsätzlicher Konflikte erkennen, die mit den oben dargestellten Auseinandersetzungen um die »Parteilinie« eng verknüpft waren und die Milieukonsolidierung und reproduktion behinderten.

Eine Analyse der sozialstrukturellen und sozialräumlichen Verankerung der KPD darf nicht übersehen, dass die KPD in erster Linie die Partei einer bestimmten politischen Generation war. Auf die hohe Bedeutung des Faktors Generation verweist der schleichende »Vergreisungsprozess« der KPD. Während sich die Weimarer KPD noch durch eine besondere Jugendlichkeit ausgezeichnet hatte, stieg allein zwischen 1951 bis 1953 der Anteil der über 50jährigen um 13 Prozent. Im Jahr 1954 waren 50 Prozent der Parteimitglieder älter als 50 Jahre.[55] Große Teile der Mitgliedschaft und des Funktionärskörpers waren schon vor 1933 in der KPD oder ihrem Jugendverband, dem KJVD, politisch tätig gewesen.[56] Sie wuchsen als die damals jüngere Generation in den Zwanzigerjahren in die KPD, ihre Parteikultur und ihre Deutungsmuster hinein. Diese verfestigten sich zu einem spezifischen generationellen Lebensstil, der eine erstaunliche Konstanz über die politischen Regimewechsel hinweg aufwies.[57]  

Der starken generationellen Prägung der Partei entsprach die Schwierigkeit, junge Menschen für sie zu rekrutieren. Der Anteil der Jugendlichen stagnierte bis 1956 auf niedrigem Niveau. Im Januar 1950 waren beispielsweise nur etwa 6 Prozent der Mitglieder jünger als 25 Jahre.[58] Allerdings muss die Fähigkeit der kommunistischen Traditionskultur zur Reproduktion, also zur Integration Jugendlicher differenziert betrachtet werden. Die KPD hatte auf der einen Seite gewisse Rekrutierungserfolge unter ehemaligen jungen Wehrmachtssoldaten, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft Antifa-Schulen besucht hatten.[59] Auf der anderen Seite gelang es in einem bestimmten Umfang über die Freie Deutsche Jugend (FDJ) Jugendliche an die Partei heranzuführen.[60] Diesen Befund bestätigt auch eine Analyse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes von 1961, der drei kommunistische »Infiltrantentypen« unterscheidet. Neben den »Altbolschewisten« und der »Zwischenschicht« wird eine Gruppe der »Jungbolschewisten« der Jahrgänge 1928 bis 1932 ausgemacht, die über die FDJ langsam in die Partei hineingewachsen sei und »in ihr einen wenn auch kleinen, so doch sehr aktiven und radikalen Teil« darstelle.[61]

Das Bild der KPD jenseits der Verlautbarungen der Parteiführung wurde in entscheidender Weise von einer bestimmten, in sozialräumlichen Milieus verwurzelten politischen Generation bestimmt. In dieser generationellen Prägung ist die Ursache für die bemerkenswerte Kontinuität politischer Einstellungen von den Zwanzigerjahren bis hin zum Beginn der Sechzigerjahre zu sehen. Gleichzeitig erschwerte die generationelle Prägung jedoch die Integration neuer Mitglieder in die Partei und beeinträchtigte damit die soziale Reproduktionsfähigkeit des Kommunismus. Dies zeigt sich sehr deutlich in den innerparteilichen Auseinandersetzungen, die sich Ende der Vierzigerjahre zuspitzten. Die älteren Parteimitglieder standen jungen, nach 1945 zur Partei gestoßenen Genossen oft misstrauisch gegenüber und hielten sie für »faschistisch und militaristisch verseucht«.[62] Dieses Misstrauen deutet auf generationell unterschiedliche Erfahrungen und Habitusformen hin, die innerparteilich schwer zu vermitteln waren. In den Auseinandersetzungen um die Durchsetzung der SED-Interessen im Westen erfuhren diese ohnehin vorhandenen Spannungen eine zusätzliche politische Aufladung. Die Parteiführung ersetzte im Kontext ihrer Politik zur innerparteilichen Machtabsicherung in großem Umfang ältere, in den Ortsgruppen verankerte und bekannte Funktionäre durch junge »linientreue« Kräfte, deren Stellung allein von ihrer Beziehung zur Parteihierarchie abhing. Diesen oft ortsfremden Parteiarbeitern gelang es in der Regel nur schwer, dass Vertrauen der alteingesessenen Kommunisten, die sich häufig schon seit Jahrzehnten kannten, zu gewinnen.[63] In Bottrop entwickelte sich beispielsweise 1950 ein regelrechter Kleinkrieg zwischen der im Oktober 1949 abgesetzten alten Führungsriege und dem neuen, durch die Parteiführung eingesetzten Kreissekretariat, das überwiegend aus jungen Funktionären bestand. Nach deren Auffassung setzten die Altkommunisten, die »immer noch einen nennenswerten Einfluss auf die Mitgliedschaft« ausübten, alles daran, um die Leitungsarbeit zu sabotieren und in der Mitgliedschaft zu diskreditieren.[64] Der Konflikt endete in einem Patt und einer merklichen Lähmung der Partei. Es gelang den Altkommunisten zwar nicht, ihre ehemaligen Positionen wieder einzunehmen, aber ihre Verweigerungshaltung behinderte die Arbeit des neuen Kreissekretariats erheblich. Eine Reihe der jungen Kräfte verließ aufgrund dessen schon nach wenigen Wochen entnervt die Kreisleitung. Die restlichen Leitungsmitglieder blieben zwar im Amt, konnten sich gegen den innerparteilichen Widerstand aber nur schwer durchsetzen.[65] Die hier skizzierte Auseinandersetzung stellt keinen Einzelfall dar, sondern war Anfang der Fünfzigerjahre in den Kreisorganisationen die Regel.

Der Generationenkonflikt war untrennbar mit politischen Auseinandersetzungen zwischen Altkommunisten und Neumitgliedern verbunden, welche die Parteiarbeit stark beeinträchtigten. Das Profil der KPD als Partei einer bestimmten Traditionskultur wurde in den ersten Nachkriegsjahren durch einen hohen Mitgliederzuwachs aus bisher parteifremden Kreisen verdeckt. Nachdem in den ersten Monaten nach Kriegsende die Zahl der »alten« Parteimitglieder in der Mitgliedschaft noch überwogen hatte, stellten die erst nach 1945 zur Partei Gestoßenen bald zwei Drittel aller Mitglieder.[66] Von 1945 bis etwa 1950/51 trug die KPD in einer Vielzahl von Orten Züge einer linkssozialistischen Sammelpartei. Der KPD gelangen in diesem Zusammenhang Einbrüche in Stadtteile und Orte, in denen sie vor dem Krieg nur schwach organisiert gewesen war. In EssenSteele etwa verdoppelte die Partei schon in den ersten Nachkriegsmonaten ihren Vorkriegs-Mitgliederstand: »[…] dazu in einem Viertel, wo wir vor 1933 keinen Fuß fassen konnten.«[67] An vielen Orten nahmen ehemalige Ausgeschlossene und Mitglieder kleinerer sozialistischer Gruppen in den ersten Nachkriegsjahren auch Vorstandspositionen wahr. In Ludwigshafen waren schon im September 1945 eine Anzahl ehemals »Ausgeschlossener« mit Parteifunktionen betraut worden. In Dortmund wurde ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei Opposition (KPO) Erster Kreissekretär.[68]

Diese Befunde dürfen aber nicht über das politische Konfliktpotential hinwegtäuschen, das sich aus dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Mitgliedergruppen ergab.[69] Der Beginn des Kalten Krieges und die innerparteiliche Machtpolitik der Berliner Parteizentrale verschärften den aufgezeigten Gegensatz deutlich. Während die Neumitglieder, besonders aber ehemalige politische Konkurrenten und »Abweichler« vielen Altkommunisten mehr und mehr als politisch unzuverlässig erschienen, sperrten sich diese umgekehrt gegen die Dominanz der Traditionskultur Weimarer Prägung. Appelle, innerparteiliches »Mißtrauen und Unduldsamkeit, das von den Betreffenden mit viel Geschick aus der Zeit von vor 33 herübergerettet worden ist, zu überwinden«, fanden im Klima einer zunehmenden politischen Polarisierung kaum Resonanz.[70] Im Gegenteil, viele Kommunisten hielten mit Beginn einer scharfen Rhetorik des Parteivorstandes gegen »Parteifeinde« Ende der Vierzigerjahre den Zeitpunkt für gekommen, alte Rechnungen zu begleichen und eigenmächtig die Partei von missliebigen Genossen zu »säubern«. In vielen Orten wie Bottrop, Mannheim und Reutlingen gipfelten die Auseinandersetzungen in einem erbitterten Kampf zweier »feindlicher Cliquen«.[71] Die Welle der »Parteisäuberungen«, von der Forschung zumeist allein als Werk der Parteiführung hingestellt, ging in der KPD auch von der Parteibasis aus oder fand dort zumindest einen positiven Resonanzboden. Die rhetorische Verdammung von »Parteifeinden« und lokale Auseinandersetzungen verstärkten sich in ihrer Wirkung gegenseitig. Obwohl hierüber keine zuverlässigen Zahlen vorhanden sind, waren es offensichtlich in erster Linie die Neumitglieder, die nach 1948 die Partei in großem Umfang verließen oder ausgeschlossen wurden.[72] Im Zuge der gesellschaftlichen Isolierung und politischen Verfolgung schottete sich das generationell geprägte kommunistische Kernmilieu zunehmend ab. Es bildete an der Basis immer mehr eine hermetisch abgeschlossene »Erinnerungsgemeinschaft«, in der die Tradierung des überkommenen Weltbilds und Lebensstils wichtiger waren als politische Erfolge und Ausstrahlungskraft nach außen.

Die spannungsgeladene Position zwischen gesellschaftlicher Ächtung, den hohen, ihnen oft unverständlichen Anforderungen der Partei und den tradierten Deutungsmustern stürzte aber auch viele Altkommunisten in innere Konflikte und trug zur Desintegration des kommunistischen Traditionsmilieus von innen und zu einer tiefer liegenden Demoralisierung bei, die mit Wahlniederlagen und Mitgliederschwund eine zusätzliche Eigendynamik gewann. Zweifel über die Angemessenheit der propagierten Politik mehrten sich. Ein Lagebericht an die Parteiführung konstatierte 1954 bei einem Großteil der Mitglieder ein »geringes Vertrauen in die eigene Überzeugungskraft [und] Angst in der Öffentlichkeit aufzutreten«.[73] Oft mündete ein langjähriger aufopferungsvoller Einsatz für die Partei in individueller Verzweiflung, »Ohnmachtsgefühlen« und »Müdigkeit«.[74] Es lässt sich vermuten, dass auch ein unter Parteifunktionären verbreiteter übermäßiger Alkoholkonsum und Alkoholismus mit der Frustration angesichts der widersprüchlichen Anforderungen seitens der Parteileitung, der Parteitradition und der konkreten Lebenswelt in Verbindung gebracht werden kann.[75] Diskriminierungen seitens der gesellschaftlichen Umwelt trugen zu der Entscheidung, die Partei zu verlassen, bei. Nach 1947 beobachteten Parteileitungen in der Mitgliedschaft – die Erinnerungen an den Nationalsozialismus waren noch omnipräsent – »Angststimmungen vor Unterdrückung, Maßregelungen und Verhaftungen«.[76] Schließlich führte die allmähliche Verbesserung der materiellen Lebenssituation in den Fünfzigerjahren zu einer Lockerung der Bindung an die KPD. Die Partei bemerkte beispielsweise 1953 besorgt: »Die Frage der Geldabfindungen für ehemalige politische Häftlinge hat der Partei überhaupt sehr geschadet, indem sich eine ganze Reihe – in Dortmund sieht man das auf Schritt und Tritt – Selters- und Limonadenbuden gebaut und vom politischen Leben völlig zurückgezogen haben.«[77] Dieser Rückzug war nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Abkehr vom kommunistischen Weltbild, aber er war Teil einer stärkeren Differenzierung der verschiedenen gesellschaftlichen Sphären, die die KPD im Zuge einer Politisierung aller Aspekte des Lebens gerade negierte und aufheben wollte.

Die Erosion der sozialen Basis der KPD stellt sich insgesamt als doppelseitiger Prozess dar. Auf der einen Seite verließ ein Großteil der Neumitglieder die Organisation. Die Partei hatte sie zwar eine Zeit lang an sich binden, aber nie wirklich in ihre hermetische Traditionskultur integrieren können. Auf der anderen Seite löste sich auch ein Teil der Altkommunisten von der Partei, deren Politik er nicht mehr verstand. Dagegen verblieb eine wichtige Minderheit in der KPD, schottete sich allerdings immer mehr in kleinen Erinnerungsgemeinschaften ab. Die weit gehende Verankerung der KPD in einem generationsspezifischen Milieu beschränkte in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche ihre soziale Integrations- und generationelle Reproduktionsfähigkeit und trug so zum Zerfall des Kommunismus in der Bundesrepublik bei. Gleichzeitig jedoch war die Milieuverhaftung der Grund für die Persistenz einer relativ gleichförmigen, wenn auch in ihrem quantitativen Umfang schrumpfenden kommunistischen Traditionskultur bis in die Sechzigerjahre.

 

Die KPD als Milieupartei: Außengrenzen

 

Der westdeutsche Kommunismus stellte eine Sozialformation mit festen Außengrenzen dar. Anders als den »klassischen« großen Milieus des Kaiserreichs gelang es ihm jedoch nicht, alle Lebensbereiche der Mitglieder in seinem Sinne zu strukturieren. Vielmehr bewegten sich die Kommunisten, sieht man einmal von einer kleinen Funktionärsschicht ab, auch in vielen Handlungsfeldern, die von der KPD nur sehr mittelbar oder gar nicht integriert wurden. Diese Stellung der Kommunisten zwischen »Partei« und »Gesellschaft« soll abschließend in Hinblick auf die Frage der Desintegration der KPD erörtert werden. 

Zunächst ist in diesem Zusammenhang eine deutliche Abgrenzung der Mitglieder gegenüber »bürgerlichen« Schichten festzustellen. Die Kommunisten trennten nicht nur politische Vorstellungen, sondern auch ein tiefer kultureller Graben von ihnen. In keinem Punkt scheiterte die Führung in dem dirigistischen Versuch, das Handeln ihrer Mitglieder zu steuern, so sehr wie im Falle der Bündnispolitik mit bürgerlichen Gruppen, welche die Partei für ihre nationale Politik zu gewinnen hoffte.[78] Diese Politik stellte nicht nur eine Überforderung der personellen und programmatischen Kräfte der KPD dar, sie missachtete auch völlig die Wirkungsmacht tradierter kultureller und sozialer Gegensätze und stieß innerparteilich auf breite Resistenz. Die Parteimitglieder in den einzelnen Orten lehnten immer wieder ein Gespräch mit »Bürgerlichen« als zwecklos ab. Dabei zeigte sich auf der einen Seite ein gewisses mit Faszination gepaartes Minderwertigkeitsgefühl gegenüber einer als bürgerlich verstandenen Kultur, auf der anderen Seite aber auch eine selbstbewusste Distanzierung von ihr.[79] Viele Kommunisten empfanden eine Zusammenarbeit mit Unternehmern oder Geschäftsleuten als »Klassenverrat« und betrachteten selbst kooperationswillige Bürgerliche mit Misstrauen.[80] Anlässlich einer gemeinsamen Veranstaltung von kommunistischen und katholischen Frauen der Vereinigung Pax Christi in einem Kloster bei Düsseldorf 1951 berichtete eine Funktionärin: »Unsere Genossinnen [zeigten] ein sektiererisches Verhalten. Sie achteten als Gäste der katholischen Frauen nicht deren Meinung und benahmen sich sehr undiszipliniert. Bei der Predigt des katholischen Geistlichen meldeten sie sich mehrmals zur Geschäftsordnung und aßen ungeniert in der Kirche ihr Brot […] trotzdem man vorher darüber gesprochen hatte, wie man sich zu verhalten hat.«[81] Die Unsicherheit im Auftreten in anderen Gesellschaftsschichten ging einher mit einer demonstrativen Abgrenzung gegenüber dem »Klassengegner«. 

Demgegenüber gestalteten sich die Beziehungen zu Vertretern und Organisationen der nicht-kommunistischen Arbeiterbewegung vielschichtiger, wie ein Blick auf das Verhältnis zur Sozialdemokratie erkennen lässt. Die Sozialdemokratie war für die KPD-Anhänger auf der einen Seite die große politische Konkurrentin, die auch in der Nachkriegszeit weiterhin mit dem Odium des »Klassenverrats« umgeben war. Eine grundlegende Kooperation mit der SPD wurde, entgegen den kontinuierlichen »Einheits«-Forderungen der Parteiführung, von den meisten Kommunisten abgelehnt.[82] Insbesondere in den kommunistischen Hochburgen wie dem Ruhrgebiet war das Verhältnis von Anfang an getrübt. Der KPDBezirksleitung zufolge war dort schon Anfang 1946 die »Stimmung wirklich großer Teile der Genossen […] so, daß sie auf ein Zeichen der Bezirksleitung, die Auseinandersetzung mit der SPD in der Öffentlichkeit zu beginnen, begeistert sich auf diese stürzen würden.«[83] Der Konflikt gründete hier in der scharfen Konkurrenzsituation zwischen den beiden Parteien bei Wahlen, in den Parlamenten, Betrieben und Vereinen. Für einen harten Kern der KPD-Mitgliedschaft gehörte die scharfe Frontstellung gegenüber der SPD zum Kanon der fundamentalen Grundüberzeugungen, der nicht durch einen verordneten Politikwechsel veränderbar war. Auf der anderen Seite waren Sozialdemokraten aber auch Nachbarn, Arbeits- und Gewerkschaftskollegen, mit denen es Interessenkonvergenzen und Felder der Zusammenarbeit gab.

Die Ambivalenz von Distanz und Nähe zur Sozialdemokratie zeigt sich besonders deutlich im Vereinswesen. Sozialdemokraten wie Kommunisten planten 1945, zumindest Teile des alten Arbeitervereinswesens wieder aufzubauen. Die KPD sprach sich dabei überall, parallel zum Aufbau der Einheitsgewerkschaft, für gemeinsame, parteiübergreifende Organisationen aus und verzichtete deshalb zunächst auf die Gründung eigener Vereine. Eine gleichberechtigte Beteiligung an der Führung konnten die Kommunisten in den einzelnen Organisationen aber nur für wenige Jahre in einigen süddeutschen Gebieten erreichen. Aufgrund der Ausgrenzungspolitik der SPD und beachtlicher Strömungen in der Mitgliedschaft zugunsten eigener Organisationen ging die KPD mehr und mehr vom Konzept überparteilicher Verbände ab und baute auch in anderen Bereichen eigene Vereinigungen auf.[84] So wurde beispielsweise die Gründung des Deutschen Demokratischen Frauenbundes (DFD) als parteiverbundene Frauenorganisation Anfang 1950 bundesweit betrieben, nachdem die KPD zunächst aktiv für die Schaffung von überparteilichen Frauenausschüssen eingetreten war.[85] Die kommunistischen Vorfeldorganisationen hatten allerdings meist nur eine geringe Ausstrahlungskraft. Sogar viele Kommunisten zogen eine Mitarbeit in den sozialdemokratisch geprägten, gesellschaftlich anerkannteren Mehrheitsorganisationen der Tätigkeit in den kleinen und zunehmend gesellschaftlich geächteten Vereinen der KPD vor.[86] In den meisten überparteilichen Organisationen waren die Kommunisten zudem darauf bedacht, den gemeinsamen Konsens nicht durch agitatorisches Handeln im Sinne der KPD zu gefährden. Die Partei musste 1950 feststellen, »in den meisten Massenorganisationen treten die Mitglieder unserer Partei in ihrer Mehrheit nicht als Kommunisten auf«.[87]

Insgesamt lässt sich sowohl in den parteinahen Vereinen – wie auch in den Gewerkschaften und Betrieben[88] – eine den Wandel des Nachkriegskommunismus in Westdeutschland kennzeichnende Entwicklung erkennen. Die kommunistische Bewegung konnte den totalen Verfügungsanspruch auf das Leben ihrer Anhänger immer weniger verwirklichen. Für die Mehrzahl der KPD-Mitglieder wurde ihre kommunistische Überzeugung von einer alle Lebensbereiche umspannenden Weltanschauung zu einem privaten Bekenntnis, das immer weniger ihr alltägliches Handeln bestimmte. Von einer nach außen gewandten »Kampfpartei« wandelte sich die KPD zu einer selbstbezogenen Erinnerungsgemeinschaft. Dieser Prozess ermöglichte die Einbindung vieler Kommunisten in eine überparteiliche, tendenziell aber sozialdemokratisch dominierte Arbeiterbewegungskultur, die sich um die Pole Betrieb, Gewerkschaft und Partei in den Fünfzigerjahren rekonstruierte und deren Kennzeichen es war, klientelspezifische Interessenpolitik in jeweils begrenzten gesellschaftlichen Handlungsfeldern zu betreiben.

 

Die blockierte Partei

 

Die KPD in Westdeutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl eine straff organisierte »Kaderpartei« als auch eine sozialräumlich verankerte »Milieupartei«.[89] Beide Pole standen von Anfang an in einem scharfen Spannungsverhältnis zueinander und blockierten sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zunehmend gegenseitig. Der an den Interessen der SED ausgerichteten »Parteilinie« wirkten auf der einen Seite tradierte, milieugebundene Normen und Werte entgegen, die ihre Umsetzung sehr weitgehend behinderten. Aber die Politik der »Kaderpartei« trug auf der anderen Seite auch zur Auflösung der Traditionskultur bei. Sie zerstörte gewachsene Parteistrukturen vor Ort, verhinderte die populäre Ausrichtung der Partei auf die soziale Frage und lähmte so die eigene Anhängerschaft, die den Glauben an die Unfehlbarkeit der Partei und die freiwillige Unterordnung unter die Beschlüsse der Organisationsspitze immer weniger mit ihren Interessen und Deutungsmustern in Einklang bringen konnte. 

Der Kommunismus in Westdeutschland war vor diesem Hintergrund durch eine doppelseitige Entwicklung gekennzeichnet. Die in den Zwanzigerjahren zur Partei gestoßenen »Altkommunisten« tradierten zwar die überkommene Parteikultur bis in die Sechzigerjahre fort, doch gelang deren Konsolidierung und intergenerationelle Weitergabe nur sehr bedingt. Die KPD vor Ort trug in den Fünfzigerjahren zunehmend das Gesicht einer hermetisch abgeschlossenen Generationenpartei. Der Großteil der nach dem Krieg neu zur Partei Gestoßenen konnte dagegen nur temporär und partiell in das Parteimilieu integriert werden. Auf unterschiedlichen politischen Sozialisationserfahrungen basierende Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedergruppen und eine Abschottung des Kernmilieus verstärkten sich in der Atmosphäre wachsenden äußeren politischen Drucks auf die Kommunisten gegenseitig. Milieustrukturen bildeten, so lässt sich der gewonnene Befund verallgemeinern, nach 1945 weiterhin eine wichtige Grundlage kommunistischer Politik. Ihre Erforschung erweitert das Verständnis des Nachkriegskommunismus. Jedoch lässt sich kommunistisches Handeln keineswegs ausschließlich aus den rekonstruierten Milieubindungen ableiten. Vielmehr war »Milieu« nur eine Variable unter mehreren, die in einem spannungsreichen Neben- und Gegeneinander die Parteientwicklung beeinflussten.

 


[1]  Kühne, Thomas, Wahlrecht – Wahlverhalten – Wahlkultur. Tradition und Innovation in der historischen Wahlforschung, in: Archiv für Sozialgeschichte 33 (1993), S. 481–547, hier S. 510 f. Vgl. als Auswahl wichtiger neuerer Beiträge zur Diskussion des Milieubegriffes: Walter, Franz/Matthiesen, Helge: Milieus in der modernen deutschen Gesellschaftsgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, in: Schmiechen-Ackermann, Detlef (Hrsg.): Anpassung, Verweigerung, Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich, Berlin 1997, S. 46–75; Weichlein, Siegfried: Sozialmilieus und politische Kultur in der Weimarer Republik. Lebenswelt, Vereinskultur, Politik in Hessen, Göttingen 1996, S. 11–17; Tenfelde, Klaus: Historische Milieus – Erblichkeit und Konkurrenz, in: Hettling, Manfred/Nolte, Paul (Hrsg.): Nation und Gesellschaft in Deutschland. Historische Essays, München 1996, S. 247–68.

[2]  Vgl. Mergel, Thomas: Milieu und Region. Überlegungen zur Ver-Ortung kollektiver Identitäten, in: Retallack, James: Sachsen in Deutschland, Bielefeld 2000, S. 265–279.

[3]  Siehe als pointierte Stellungnahme Mallmann, Klaus-Michael: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996. Mallmann postuliert für die Weimarer Jahre die Existenz eines Sozialdemokraten und Kommunisten umfassenden »links-proletarischen« Milieus. Kritik an Mallmann formulieren vehement KochBaumgarten, Sigrid: Eine Wende in der Geschichtsschreibung zur KPD in der Weimarer Republik?, in: IWK – Internationale wissenschaftliche Korrespondezn zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 34 (1998), H. 1, S. 84; Wirsching, Andreas: »Stalinisierung« oder entideologisierte »Nischengesellschaft«? Alte Einsichten und neue Thesen zum Charakter der KPD in der Weimarer Republik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 449–466. Siehe auch Mallmanns Erwiderung Mallmann, Klaus-Michael: Gehorsame Parteisoldaten oder eigensinnige Akteure? Die Weimarer Kommunisten in der Kontroverse – Eine Erwiderung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47 (1999), S. 401–415. Als konzeptuell unterschiedliche, neuere Gegenentwürfe zu Mallmanns Darstellung, die nicht bzw. nur am Rande auf das Milieukonzept zurückgreifen, lassen sich lesen Weitz, Eric D.: Creating German Communism, 1870–1990. From Popular Protest to Socialist State, Princeton 1997; Wirsching, Andreas: Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg? Politischer Extremismus in Deutschland und Frankreich 1918– 1933/39. Berlin und Paris im Vergleich, München 1999. 

[4]  Mallmann, Kommunisten (Anm. 3). Ein zentraler Kritikpunkt vieler Rezensenten der Arbeit Mallmanns ist das unverbundene und dichotomisch angelegte Nebeneinander von »avantgardistischer« Parteiführung und »milieueingebundener« Parteibasis. Siehe die in Anm. 3 zitierten Rezensionen von Koch-Baumgarten und Wirsching sowie die Rezension von Eberhard Kolb in: IWK – Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 33 (1997), H. 1, S. 157. Zumindest für die bundesrepublikanische KPD lässt sich, wie im Folgenden gezeigt wird, eine solche scharfe Trennung zwischen Führung und Basis nicht erkennen.

[5]  Ich beschränke mich im Folgenden auf die nötigsten Anmerkungen. Umfassendere Belege und Literaturhinweise finden sich in Kössler, Till: Abschied von der Revolution. Kommunisten und westdeutsche Gesellschaft, 1945–1968, Düsseldorf 2004 (im Erscheinen).

[6]  Mayer, Herbert: Durchsetzt von Parteifeinden, Agenten, Verbrechern? Zu den Parteisäuberun gen in der KPD (1948–1952) und der Mitwirkung der SED, Berlin 1995, S. 9. Zur Politik der KPD in der Bundesrepublik siehe Major, Patrick: Death of the KPD. Communism and AntiCommunism in West-Germany, London 1997; Staritz, Dietrich: Die Kommunistische Partei

Deutschlands, in: Stöss, Richard (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. Opladen 1983, S. 1663–1809; Müller, Werner: Die KPD und die Einheit der Arbeiterklasse, Frankfurt a. M. 1979. In der Forschung wird die Politik der KPDParteiführung zumeist als realitätsblind gegenüber den Verhältnissen im Westdeutschland beschrieben, wobei in der Regel eine Phase konstruktiver Politik 1945 bis 1948 von einer Phase der zunehmenden Entfernung von der westdeutschen Realität seit 1948 unterschieden wird. Hier soll demgegenüber stärker die spezifische Rationalität der Politik der SED/KPD-Führung herausgestellt werden, die durch die Priorität der kommunistischen Herrschaftssicherung in Ostdeutschland gekennzeichnet war. 

[7] Hilfe der Westkommission an die KPD vom 15. Juli 1949, in: Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen im Bundesarchiv (im Folgenden: SAPMO-BA), NY 4036/949. Siehe auch: Major: Death (Anm. 6), S. 69 f.; Mayer, Herbert: Nur eine Wahlniederlage? Zum Verhältnis SED und KPD in den Jahren 1948/49, in: Otto, Wilfriede (Hrsg.): »Die Waldheimer Prozesse« 1950, Berlin 1993, S. 29–46.

[8] Da die Literaturlage zur programmatischen Entwicklung der KPD-Politik gut ist, braucht hier nicht näher auf sie eingegangen werden. Siehe Major: Death (Anm. 6), bes. S. 74–76 u. 115– 117; Staritz: Partei (Anm. 6), S. 1674–1748.

[9]  Vgl. die Hinweise bei Weitz, Creating (Anm. 3), S. 62–77; Wirsching, Weltkrieg (Anm. 3), S. 25–44. 

[10]  Dies traf gerade für die Kommunisten in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern zu. Vgl. Hartewig, Karin: Wolf unter Wölfen? Die prekäre Macht der kommunistischen Kapos im Konzentrationslager Buchenwald, in: Herbert, Ulrich u. a. (Hrsg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Göttingen 1998, S. 939–58, hier 

S. 952 f.

[11]  Positionspapier o. D. [1947], in: SAPMO-BA, BY 1/65.

[12]  Vgl.: Sekretariat des Parteivorstands (PV) der KPD vom 4. Januar 1950, Richtlinien: Die Rolle und der Aufbau der KPD (Entwurf), in: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/10.02 246.

[13]  Vgl. z. B. Diskussionsmaterial zum Bezirksparteitag Ruhrgebiet 1948 vom 28. Dezember 1947, in: SAPMO-BA, BY 1/206. Siehe auch Staritz, Partei (Anm. 6), S. 1789.

[14]  Bericht: Organisationsfragen! [Anfang Juli 1945], in: SAPMO-BA, BY 1/212. Eine Metaphorik militärischen Kampfes durchzieht die gesamte Debatte über die Parteiorganisation. Vgl. zur Weimarer Partei auch Weitz, Creating (Anm. 3), S. 249–256.

[15]  Vgl. das Parteistatut der KPD von 1951 in: Judick, Günter/Schleifstein, Josef/Steinhaus, Kurt: KPD 1945–1968. Dokumente, Neuss 1989, Bd. 1, S. 382.

[16] Bericht über die ideologische Arbeit der Partei vom 4. Februar 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/570.

[17] Mallmann, Klaus-Michael, Die geschlagenen Sieger. Kommunistischer Widerstand an der Saar und im Exil 1933–1945, in: Ders./Paul, Gerhard (Hrsg.): Milieus im Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bonn 1995, S. 334–548, hier S. 529. Zwischen 1933 und 1945 fiel für die Kommunisten die Aufrechterhaltung der Organisation um jeden Preis immer mehr mit der revolutionären Zukunftshoffnung in eins. Vgl. hierzu Peukert, Detlev: Die KPD im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945, Wuppertal 1980, S. 422 f.

[18] Kaderbericht der Bezirksleitung Ruhrgebiet-Westfalen vom 23. Februar 1946, in: SAPMOBA, BY 1/576.

[19]  Vgl. Instrukteursbericht Hermann Marlow, Wattenscheid vom 26. Mai bis 9. Juli 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/989.

[20] Vgl. Parteistatut der KPD von 1951, in: Judick/Schleifstein/Steinhaus: KPD 1945–1968 (Anm. 15), S. 386; Org.abteilung des Parteivorstandes, Leitfaden für die Arbeit des Sektors Parteiinformation vom 6. Juni 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/580.

[21] Beitrag Max Reimann, 4. PV-Sitzung vom 16. bis 28. August 1948, in: SAPMO-BA, BY 1/425; Bericht über Lage im Westen und die Rolle der KPD vom 6. April 1948, in: SAPMOBA, BY 1/563.

[22]  Siehe Stadtteilgruppe Hüllen, Arbeitsplan für die Zeit vom 25. Juli bis 31. August 1951, in: SAPMO-BA, BY 1/999.

[23]  Bericht Bruno Fuhrmann vom 3. Mai 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/37.

[24] Vgl. z. B. Brief des Landesvorstandes Niedersachsen an alle Zehnergruppenleiter, Hannover vom 11. Januar 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/195.

[25] PV-Sekretariat an Hein Fink, Landesvorstand Hamburg vom 16. Februar 1951, in: SAPMOBA, BY 1/572.

[26] Bericht über die organisationspolitische Arbeit o. D. [1953], in: SAPMO-BA, BY 1/567. 

[27] Bericht über die Lage in der Parteiorganisation, A. Zeidler vom 8. Februar 1951, in: SAPMOBA, BY 1/566.

[28] Vgl. z. B.: Die Analyse der Kader vom 17. März 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/772.

[29] Sie erfolgten im Kontext der »Säuberungen« in den kommunistischen Staatsparteien, lassen sich aber nicht als bloße Nachahmung verstehen, sondern hatten ihre eigene, machtpolitische Rationalität. Siehe Mayer: Durchsetzt (Anm. 6), S. 5 f. Mayer weist auf den Zusammenhang von »Säuberung« und Disziplinierung der Mitgliederschaft hin. Vgl. auch Staritz: Partei (Anm.6 ), S. 1775. Zum Umfang der Säuberungen Major: Death (Anm. 6), S. 210–210.

[30] Vgl. Mayer: Durchsetzt (Anm. 6), S. 5 u. 45–51.

[31] August Stötzel, Bericht über die Tätigkeit der vorläufigen Parteiorganisation im Ruhrgebiet vom Mai/Juni 1945, in: SAPMO-BA, BY 1/210. Vgl. auch Siegfried, Detlef: Zwischen Einheitspartei und »Bruderkampf«. SPD und KPD in Schleswig-Holstein 1945/46, Kiel 1992, S. 51–59.

[32]  Bis Anfang 1947 stieg die Mitgliederzahl auf über 300 000. Aufstellung der Organisationsabteilung vom 31. Mai 1947, in: SAPMO-BA, BY 1/37.

[33] Bericht über die Aussprache mit Gen. Ledwohn, H. Jennes und M. Bönsch von NRW, Z/Kon (Zeidler) vom 20. März 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/565.

[34] Bericht Der organisatorische Zustand der Partei, Arbeitsbüro vom 29. Dezember 1953, in: SAPMO-BA, BY 1/567.

[35] Politischer Organisationsbericht für Zeit von Mitte Februar bis zum Parteitag der KPD, Org.abt vom 17. Mai 1951, in: SAPMO-BA, BY 1/1027.

[36] Bericht Württemberg-Hohenzollern o. D., in: SAPMO-BA, BY 1/1027.

[37]  Besprechung Wilhelm Piecks mit den Genossen Schätzle und Weber vom 11. Mai 1948, in: SAPMO-BA, NY 4036/643.

[38] Bericht über den ideologischen Stand des KPD-Parteilehrjahres, ZK der SED, Abt. Propaganda, Sektion West, Berlin 18. November 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/570; Max Reimann, Bericht über Wahlen im Westen vom 19./20. August 1949, in: SAPMO-BA, NY 4036/643. Vgl. zu den Inhalten der »nationalen« Politik Klein, Michael: Antifaschistische Demokratie und nationaler Befreiungskampf. Die nationale Politik der KPD 1949–1953, Berlin 1986.

[39] Vgl. Die Parteischulen. System und Charakter der Parteischulen der KPD in Westdeutschland, Berlin vom 4. Februar 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/570. 

[40] Informationen (basierend auf Berichten der Sekretäre der LV) vom 10. Januar 1955, in: SAPMO-BA, BY 1/581.

[41] Vgl. Einschätzung der Parteiarbeit der KPD vom 13. Dezember 1954, in: SAPMO-BA, BY 1/571.

[42] Vgl. Arbeitsbüro, Bericht vom 23. Januar 1954, in: SAPMO-BA, BY 1/570.

[43] Vgl. z. B.: Schleswig-Holstein, Bericht über den ideologischen Zustand der Partei, Kiel vom

 4. Februar 1954, in: SAPMO-BA, BY 1/852. 

[44] Eine gewisse Kontinuität sozialräumlich definierter kommunistischer Bergarbeitermilieus über die Jahre 1933–1945 hinweg hat Wolfgang Jäger in einer wahlsoziologisch orientierten Studie festgestellt. Jäger, Wolfgang: Bergarbeitermilieus und Parteien im Ruhrgebiet. Zum Wahlverhalten des katholischen Bergarbeitermilieus bis 1933, München 1996, S. 253 f. Demgegenüber erscheint Mallmanns These, das kommunistische Milieu sei 1945 zerrüttet und zerstört gewesen, als zu undifferenziert. Mallmann: Die geschlagenen Sieger (Anm. 17), S. 523.

 

[45]  Die für das Ruhrgebiet erzielten Ergebnisse erscheinen, soweit sich dies beim derzeitigen Forschungsstand erkennen lässt, durchaus repräsentativ für industriell geprägte Städte und Regionen Westdeutschlands zu sein. Vgl. Alheit, Peter u. a.: Gebrochene Modernisierung – Der langsame Wandel proletarischer Milieus. Eine empirische Vergleichsstudie ost- und westdeutscher Arbeitermilieus. 2 Bde., Bremen 1999.

[46]  Alle Zahlen nach Kössler, Till: KPD, DKP, SEW, in: Ders./Boyer, Josef (Bearbeiter): SPD, Die Grünen und kleine Parteien des linken Spektrums 1945–1990. Ein statistisches Handbuch zur Mitgliedschaft und Sozialstruktur, Düsseldorf 2004 (im Erscheinen). Allgemein zur Phase der Wiedergründung Jarreck, Walter: Vom Neubeginn der Kommunisten 1945 an der Ruhr o. D., in: SAPMO-BA, NY 4183/8; Major: Death (Anm. 6), S. 25–32. Mallmanns am Saarländischen Fall gewonnene These, die Kommunisten seien schon 1945 gesellschaftlich marginalisierte »unverstandene Außenseiter« und der westdeutschen Lebenswirklichkeit entfremdet gewesen, kann zumindest für das Ruhrgebiet nicht bestätigt werden.

[47]  Kössler: KPD, DKP, SEW (Anm. 46).

[48]  British Resident Hagen, Monthly Report, April 1950, Public Record Office, Kew/London (PRO), FO 1013/1390; Hamburg Intelligence Office to German Political Branch vom 16. Juli 1948, Public Record Office, Kew/London (PRO), FO 1049/1347. Siehe auch die Hinweise bei Alheit: Modernisierung (Anm. 45).

[49] Vgl. z. B. die Beschreibung einer solchen kommunistischen Familie: Verantwortliche Vernehmung M. S. vom 11. Mai 1954, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (im Folgenden: HStA Düsseldorf), Außenstelle Kalkum, Gerichte Rep. 187/184.

[50]  Betriebsratswahlen Kreis Recklinghausen o. D. [1945], in: SAPMO-BA, BY 1/220. Ähnliches gilt für andere Städte des Ruhrgebietes.

[51]  Bericht Bezirk Recklinghausen der IG Bergbau und Energie (IGBE) vom 9. Dezember 1968, IGBE-Archiv im Archiv für soziale Bewegungen, Bochum, Abt. Organisation 14. 

[52]  Vgl. zur Stahlindustrie Instrukteursbericht NRW vom 13. April 1951, in: SAPMO-BA, BY 1/986. Zu einer strukturell vergleichbaren Kontinuität in der Werftindustrie Norddeutschlands siehe Alheit: Modernisierung (Anm. 45).

[53]  Bericht aus NRW vom 25. März 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/988.

[54] Zitate aus Bericht über die Org.-Besprechung beim Landesvorstand WürttembergHohenzollern am 28. Juni 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/1027; K. S. an den Chef der Polizei Mülheim vom 2. August 1951, HStA Düsseldorf, Polizeidirektion Mülheim/Ruhr 12; Peter Henne, Vorläufiger Bericht über die Kaderarbeit im Kreis Hattingen vom 17. April 1953, in: SAPMO-BA, BY 1/985.

[55] Bericht über die organisationspolitische Arbeit o. D. [1953], in: SAPMO-BA, BY 1/567; Der organisatorische Zustand der Partei, Arbeitsbüro vom 29. Dezember 1953, in: SAPMO-BA, BY 1/567.

[56] A. Zeidler, Bericht über den Abschluß der Mitgliederkontrolle – Einige Lehren und Erfahrungen vom 26. Juli 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/565. Zur Bedeutung der Generationsprägung in der Weimarer Republik siehe Peukert, Detlev: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt a. M. 1987, S. 26–31.

[57] Vgl. Weitz, Creating (Anm. 3), S. 233–235.

[58] Altersmäßige Zusammensetzung der Partei, in: SAPMO-BA, BY 1/574.

[59] Vgl. Weigle, Klaus: Vom Sturmgrenadier zum KPD-Landesvorsitzenden. Eine autobiographische Skizze (1946/50), in: Demokratische Geschichte 7 (1992), S. 213–241. 

[60]  Zur FDJ im Ruhrgebiet siehe z. B.: Stadtarchiv Duisburg, Bestand 501 Jugendamt, Akte 503: »Freie Deutsche Jugend«; Stadtarchiv Essen, Bestand Jugendamt, Akte 127: »Freie Deutsche Jugend«.

[61] Bericht »Der Infiltrant« vom 1. April 1961, HStA Düsseldorf, NW 374/75, S. 14 f. Diese

Mitgliedergruppe bildete in den Siebzigerjahren die Trägerschicht der DKP. Siehe Die ›FDJGeneration‹ ist führend in der DKP, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 19. April 1969.

[62] Vgl. z. B.: Unsere Arbeit unter der Jugend o. D. [1949], in: SAPMO-BA, BY 1/57.

[63] Vgl. Die Analyse der Kader vom 17. März 1952, in: SAPMO-BA, BY 1/772.

[64]  Ernst Harter, Instrukteurbericht über meine Tätigkeit in Bottrop vom 29. April 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/998.

[65]  Ebenda.

[66] Siehe Bericht über den Abschluß der Mitgliederkontrolle (1949), in: SAPMO-BA, BY 1/565.

[67] Schon in diesem Bericht wird allerdings der hier sozialräumlich fassbare Gegensatz von traditioneller Mitgliedschaft und Neumitgliedern deutlich. »Im Nachbarstadtteil ist das Gegenteil festzustellen. Man kommt dort nicht aus dem Stadium der strengen Abgeschlossenheit heraus. Es sind in der Hauptsache alte Parteiveteranen, die vorläufig damit zufrieden sind, daß sie sich wieder zusammengefunden haben.« Bericht über den Bezirk Ruhrgebiet vom 20. September 1945, in: SAPMO-BA, BY 1/210. 

[68] Auszug aus dem Bericht Ludwigshafen vom 10. September 1945, in: SAPMO-BA, BY 1/577; Lebenslauf Josef Smektala vom 16. Januar 1952, Stadtarchiv Dortmund, Nachlaß Smektala 457/1.

[69] Vgl. Bericht des Kreissekretariats Speyer auf der Instrukteur- und Kreiskonferenz RheinlandPfalz vom 26. Januar 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/1054.

[70] Kreisleitung Bocholt an Bezirksleitung Westfalen-Nord vom 13. März 1948, in: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/10.02/247.

[71] Politischer Organisationsbericht, Reutlingen vom 10. Juli 1951, in: SAPMO-BA, BY 1/1027; Heinrich Kilzer an den Landesvorstand NRW vom Dezember 1949, in: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/10.02/247.

[72] Vgl. Über Erscheinungen des Sektierertums in der Partei vom 31. Januar 1951, in: SAPMOBA, BY 1/566.

[73]  Bericht über den vorläufigen Stand des Umtausches der Parteidokumente und die Erfahrungen über den ideologischen und organisationspolitischen Zustand unserer Partei vom 3. März 1954, in: SAPMO-BA, BY 1/567.

[74] Vgl. Politische Analyse über den Mitgliederstand der KPD in Westdeutschland (1950), in: SAPMO-BA, BY 1/573.

[75] Vgl. z. B. Bericht über die Generalmitgliederversammlung der Betriebsgruppe Grillo und Funke, Gelsenkirchen vom 9. Juni 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/994.

[76] Westabteilung, Zur Lage vom 8. November 1948, in: SAPMO-BA, BY 1/65; Organisationsbericht Rheinland-Pfalz vom 15. November 1947, in: SAPMO-BA, BY 1/577. Zur Bedeutung der nationalsozialistischen Repressionen vgl.: Bericht über die organisationspolitische Arbeit o. D. [1953], in: SAPMO-BA, BY 1/566.

[77] Bericht des Gen. Walter Krzyzanowski über seinen Einsatz in Westdeutschland vom 14. August 1953, in: SAPMO-BA, BY 1/570.

[78] Referat des Genossen A. Zeidler vor den Schülern der ersten Org.-Schule des PV vom Juni 1949, in: SAPMO-BA, BY 1/573.

[79] Siehe DFD-Bundessekretariat Berlin, Gesamtdeutsche Abteilung, Analyse unserer Arbeit unter den Frauen im Laufe des Jahres 1949 (1950), in: SAPMO-BA, BY 1/56. 

[80] Insbesondere weigerte sich die kommunistische Basis mit ehemaligen Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten, auch wenn diese DDR-freundliche Positionen bezogen. Siehe Über einige Mängel und Schwächen der KPD in der nationalen Politik, Berlin vom 7. November 1951, in: SAPMO-BA, BY 1/566.

[81]  Wie ist die Hilfe der Partei für den DFD? (1951), in: SAPMO-BA, BY 1/793.

[82] Bericht des Pol.-Sekretärs des Bezirkes Ruhrgebiet vom 15. April bis 1. August 1945: Gewerkschaftsarbeit, in: SAPMO-BA, BY 1/210. Zu den Einheitskampagnen: Siegfried: Zwischen Einheitspartei (Anm. 31); Müller: Die KPD (Anm. 6).

[83] Kaderbericht der Bezirksleitung Ruhrgebiet-Westfalen vom 23. Februar 1946, in: SAPMOBA, BY 1/576.

[84] Land Baden vom April 1947, in: SAPMO-BA, BY 1/577; Bericht Ruhrgebiet vom 8. Januar 1946, in: SAPMO-BA, BY 1/204Ü.

[85]  Zu den Frauenausschüssen siehe Kaderbericht der Bezirksleitung Ruhrgebiet-Westfalen vom 23. Februar 1946, in: SAPMO-BA, BY 1/576; zum DFD Milli Bölke, Kurzbericht über die Vorbereitung und Durchführung des Internationalen Frauentages in der KPD vom 9. März 1950, in: SAPMO-BA, BY 1/793. 

[86] Teilnahme der Frauen an Massenorganisationen o. D. [1950], ebenda.

[87] Ebenda.

[88]  Vgl. Kössler: Abschied von der Revolution (Anm. 5), bes. Kapitel 3.

[89]  Darüber hinaus war sie für einige Jahre auch eine »Bewegungspartei«, die ein bestimmtes Segment der Industriearbeiter kurzzeitig zu mobilisieren vermochte. 

Inhalt – JHK 2004

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