JHK 2005

Stalin und Österreich: Sowjetische Österreich-Politik 1938 bis 1953

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 102-140 | Aufbau Verlag

Autor/in: Stefan Karner/Peter Ruggenthaler

 

Die Wiederherstellung eines unabhängigen Österreich als Kriegsziel

Stalin verfolgte seit 1941 das Ziel, Österreich als unabhängigen Staat wiederherzustellen. Er wollte eine Aufteilung des »Großdeutschen Reiches«, Deutschland nachhaltig schwächen und die Schaffung eines größeren Machtfaktors (etwa in Form eines süddeutschen Staates) in Mitteleuropa, wie dies die Briten planten, verhindern. Die Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg, als Deutschland politisch und militärisch am Boden lag und doch innerhalb weniger Jahre wieder erstarkte, waren Stalins wichtigster Beweggrund für die Zerstückelung des Deutschen Reichs.[1][2] Von Skandinavien bis Italien sollte keine bedeutende Macht entstehen können. Das Verfolgen einer Politik der Schwächung Deutschlands war im Endeffekt ein Garant für die Wiedererrichtung Österreichs. Die UdSSR hatte bekanntlich 1938 als einer der wenigen Staaten der Welt vor dem Völkerbund in Genf gegen den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich protestiert. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 wurde über Österreich freilich geschwiegen. Dennoch: Im Oktober 1940, noch vor dem Besuch Molotovs am 12./13. November 1940 in Berlin, bezeichnete die Komintern-Zentrale in Moskau in einer Anweisung an die KPÖ die NS-Politik als imperialistisch und kolonialistisch. Der Nationalsozialismus habe halb Europa besetzt und beute es für seine kolonialen Ziele rücksichtslos aus.[3] Die Einverleibung Österreichs selbst wurde von Stalin erst nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion als ein weiterer Schritt im »Sammeln deutscher Länder« bezeichnet.[4]

Österreich kam im strategischen Sicherheitsdenken und in den Planungen des Kreml während des Zweiten Weltkrieges nur peripher vor: Seinen Platz sahen die sowjetischen Planungen in einem neutralisierten Europa zwischen dem sowjetischen und britischen Block (mit einem längerfristigen Engagement der USA rechnete Stalin bei Kriegsende nicht). Der geopolitische Wert Österreichs für die Sowjetunion war nach dem Zweiten Weltkrieg irrelevant. Dieses bestand in der der Umkehrung des »cordon sanitaire« der Zwischenkriegszeit in einen Schutzwall für die UdSSR.[5]Österreich war für Stalin vielmehr eine »Karte« im Spiel um die Anerkennung des sowjetischen Sicherheitsgürtels, ein Objekt von Handel und Kompromiss, wie es der ehemalige Außenminister Maksim Litvinov 1946 formulierte.[6] US-Präsident Roosevelt hatte sich 1943 sogar ausdrücklich dafür ausgesprochen, Österreich (wie auch Ungarn und Kroatien) in Zukunft dem sowjetischen Machtbereich zuzuzählen und keine Opposition gegen eine kommunistisch beherrschte österreichische Regierung einnehmen zu wollen. In der Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 erklärten die Alliierten schließlich die Befreiung Österreichs und seine Wiederherstellung als unabhängigen Staat als eines ihrer Kriegsziele, mahnten jedoch auch gleichzeitig von den Österreichern ihren eigenen Beitrag zur Befreiung von der NS-Herrschaft an.[7]

Im Februar 1944 erörterten die Sowjets intern erstmals eine gemeinsame alliierte Besetzung Österreichs. Bis zu diesem Zeitpunkt war in der Europäischen Beratenden Kommission (European Advisory Commission, EAC) nur über Deutschland debattiert worden. Die zuständige Planungskommission im sowjetischen Volkskommissariat für Äußere Angelegenheiten hatte bis dahin eine militärische Präsenz der Sowjets in Österreich nicht einmal vorgesehen.[8] Am 12. Februar 1944 brachten die Sowjets schließlich erstmals in der EAC ihre Ideen für Österreich ein. Die Umsetzung einer gemeinsamen Besatzung soll von Stalin persönlich als »Kompensation« gegenüber den angloamerikanischen Alliierten angeregt worden sein, nachdem er die gemischte Besatzung Schleswig-Holsteins und Hamburgs abgelehnt hatte.[9] Möglicherweise blieb eine sowjetische Besetzung Österreichs für Stalin auch weiterhin ein Verhandlungspoker, berücksichtigt man etwa die Zuerkennung Westungarns in die britische Einflusssphäre im Prozentabkommen vom Oktober 1944. Österreich wurde in der »Zetteldiplomatie« nicht erwähnt.[10] Es gibt lediglich einen Hinweis darauf, dass Österreich friedlich zum Sozialismus »bekehrt« werden sollte. ZK-Sekretär Andrej Ždanov nannte Österreich 1944 in einer Reihe mit der Tschechoslowakei und Ungarn. Es kann sich dabei jedoch kaum um eine Grundkonstante der sowjetischen Planungen zu Österreich handeln.[11] 

Bis Kriegsende einigten sich die Alliierten in der EAC in der Österreichfrage prinzipiell nur auf die Schaffung eines Kontrollmechanismus (d. h. Einsetzung einer Militärregierung), die Schaffung einer Verwaltungsstruktur und auf einen langsamen Übergang von einer militärischen zu einer zivilen Verwaltung. Mit dem Einrücken der Roten Armee auf österreichisches Territorium im Burgenland am Gründonnerstag, den 29. März 1945 entschied sich Stalin jedoch, in Österreich eine provisorische österreichische Regierung nach dem Prinzip der Drittelparität (ein Drittel Kommunisten, ein Drittel Sozialisten, ein Drittel Bürgerliste) einzusetzen. Stalin ging damit einseitig vor und stellte die Westalliierten vor vollendete Tatsachen. Über die Frage, warum Stalin ohne Absprache mit den Verbündeten handelte, kann nur gemutmaßt werden. Übernahm Stalin noch vor dem Angriff auf Wien die Initiative, um dem Westen zuvorzukommen? Sollte auch in Österreich ausgelotet werden, ob der Westen eine »sowjetfreundliche« Regierung akzeptieren würde? 

Am 10. und am 25. März 1945 traten zwei Vertreter der Widerstandsbewegung »O5«, Ernst Lemberger und Fritz Molden, in Paris an den sowjetischen Verbindungsoffizier der Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF) mit dem Ersuchen heran,[12] in Moskau eine Vertretung des vorgeblich von den Westmächten anerkannten Provisorischen Österreichischen Nationalkomitees (POEN) einzurichten.[13] Der ehemalige Leiter der Komintern, Georgi Dimitrov, holte daraufhin Informationen über die »O5«-Vertreter ein. Am 6. April 1945 teilte er Stalin mit, dass Lemberger ein britischer Spion sei.[14] In Paris wurde allerdings vereinbart, dass die »O5« einen bevollmächtigten Vertreter, Ferdinand Käs, über die Frontlinie hinweg zu Marschall Fedor Tolbuchin, dem Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen Front, schicken würde.[15] Eine bürgerliche, von den Westmächten gestützte Regierung widersprach natürlich den Interessen Stalins, ebenso wie die Pläne Bruno Kreiskys im schwedischen Exil und die anderer Interessensgruppen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Stalin jedoch bereits festgelegt: Karl Renner, der »Gründervater« der Ersten Republik Österreich, sollte eine auf dem Prinzip der Drittelparität beruhende provisorische Staatsregierung anführen. Stalins Vorgehen in Österreich entsprach ziemlich genau jenem in den von der Roten Armee besetzten Ländern Osteuropas. Zur Umsetzung der »NationalenVolksfront«-Strategie benötigte er eine schillernde Figur mit »schwarzen Flecken« in der Vergangenheit, einen Mann mit einem »schwachen Rückgrat«, der als willige Marionette des Kremls über die nötige Autorität in seinem Land verfügen würde, um zunächst alle antifaschistischen Kräfte einen zu können, und der eine demokratische Regierung bilden konnte, in der sich zusehends die Kommunisten etablieren würden.

 

Die Illusion der Etablierung einer Nationalen-Volksfront-Regierung

Nach den Erinnerungen des Armeegenerals Sergej Štemenko soll Stalin Ende März 1945 plötzlich gefragt haben, was eigentlich aus Karl Renner geworden sei. Die Militärführung soll betreten geschwiegen haben, ehe Stalin weiter ausführte: »Man darf die einflussreichen Kräfte, die auf antifaschistischen Positionen stehen, nicht außer Acht lassen. Die Hitlerdiktatur hat sicherlich auch den Sozialdemokraten etwas beigebracht.[16]Stalin soll daraufhin der 3. Ukrainische Front fernmündlich befohlen haben, »in Erfahrung zu bringen, was aus Renner geworden sei, ob er noch lebe und wo er sich aufhalte«.[17] Zu diesem Zeitpunkt marschierte die Rote Armee längst unaufhaltsam auf Österreich zu. Die Zeit drängte, um die Personalfrage in Österreich zu klären. Konnte ein »österreichischer Miklos«[18] gefunden werden? Das Anforderungsprofil war klar: Es musste sich um eine anerkannte Persönlichkeit handeln, und diese musste in der Lage sein, die linken Kräfte zu vereinen. Gleichzeitig holte Stalin Informationen beim Leiter der Abteilung für internationale Information des ZK der VKP (b) Georgi Dimitrov ein. Stalin wies Dimitrov am 2. April 1945 an, »ein paar nützliche Österreicher auszuwählen, um sie zur 3. Ukrainischen Front zu schicken.« Österreich soll, so Stalin, in seinem Status quo von 1938 (freilich nicht als »Ständestaat«), wiederhergestellt werden.[19] Am selben Tag wies Stalin Tolbuchin und Malinovskij, den Oberbefehlshaber der 2. Ukrainischen Front, die nördlich der Donau operierte, an, »dem Bürgermeister von Wien verstehen zu geben, dass das sowjetische Kommando nicht der Schaffung einer provisorischen Regierung unter Einschluss der demokratischen Kräfte Österreichs entgegenwirke«[20]. In den Flugblättern sollte über diese Frage jedoch nichts geschrieben werden. Nachdem sich Dimitrov mit den österreichischen Exilkommunisten beraten hatte, empfahl er Stalin am 3. April 1945 neben in Moskau befindlichen Exilkommunisten wie dem KPÖVorsitzenden Johann Koplenig und dem einstigen Komintern-Mitarbeiter Ernst Fischer u. a. auch »die österreichischen Genossen Franz Honner und Friedl Fürnberg in Jugoslawien«.[21] Stalin hatte die erste Berichterstattung Dimitrovs vermutlich noch am 3. April erhalten, jedoch zunächst nichts weiter unternommen. Am 4. April erhielt Stalin plötzlich von Tolbuchin Nachricht über Karl Renner[22] und handelte nun unglaublich rasch. Um 18.50 Uhr langte Tolbuchins Telegramm über Renner bei der Stavka ein. Stalin soll überrascht gewesen sein, dass der »alte Renner« noch lebt.[23] Binnen Minuten wies er seinen Marschall in Österreich an, Renner »Vertrauen zu erweisen« und ihm »mitzuteilen, dass ihm die Kommandantur der sowjetischen Streitkräfte bei der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Österreich Unterstützung gewähren wird [und …] dass die sowjetischen Streitkräfte die Grenzen Österreichs nicht zwecks Besetzung des Staatsgebiets Österreichs überschritten haben, sondern um die NSBesatzer aus Österreich zu vertreiben.«[24]

Offensichtlich sah Stalin in Renner einen derart idealen Kandidaten zur Verwirklichung einer Nationalen-Volksfront-Regierung, dass er der KPÖ nicht einmal einen zeitlichen Vorsprung gab, wie er ihn in Deutschland der KPD zubilligte. Hier wird auch bei Stalin das strategische Denken seines Vorgängers Vladimir Lenin sichtbar, speziell unter den bürgerlichen Sozialisten »nützliche Idioten« zu finden, die ein entscheidendes Stück des Weges mitzugehen bereit waren. Dabei ist klar, dass Stalin im bereits 75-jährigen Renner nicht mehr den endgültigen Vollstrecker des Übergangs Österreichs zum Sozialismus sah, sondern nur noch den perfekten Weichensteller. Stalin konnte sich sicher sein, in Renner einen Gesprächspartner haben zu können und nicht einen Politiker, der zu keinerlei Kompromissen bereit sein würde. Renner war für Stalin zweifelsohne der geeignetste Kanzler einer »antifaschistischen« Regierung. Renner selbst hatte den Sowjets sogar eine »Entfaschisierung« (Entfernung von ÖVPlern aus der Regierung) angeboten. Doch die Sowjets gingen darauf nicht ein, noch wollten sie alle »antifaschistischen« Parteien in der Regierung vertreten sehen. Renner hatte mehrere strategische Vorteile: sein großer Bekanntheitsgrad,[25] die zahllosen »dunklen Punkte« und »Schönheitsfehler« in seiner Biographie (vor allem seine Befürwortung des »Anschlusses« an NS-Deutschland), die noch als Druckmittel zu verwenden waren.[26] Weiters die Möglichkeit, ihn den Westalliierten als Antikommunisten zu verkaufen, seine gewisse Akzeptanz beim politischen Gegner, der ÖVP. Darüber hinaus stand Renner bereits im 76. Lebensjahr und schien kompromissbereiter, um seine Ziele noch zu Lebzeiten verwirklicht zu sehen.[27]

Renner trat von Anfang an selbstbewusst gegenüber den Sowjets auf. Politoffizier Aleksej Želtov soll ihn aufgefordert haben, ein Memorandum an die Rote Armee zu richten, was Renner jedoch ablehnte, um nicht als Beauftragter der Roten Armee auftreten zu müssen.[28] Renner verfasste in Folge seine Proklamationen an das österreichische Volk und skizzierte den Sowjets die Grundzüge seiner Politik. Am 15. April richtete er seinen bekannt gewordenen Brief an Stalin, in dem er ihm überschwänglich für seine Verdienste um Österreich und für die ruhmreichen Heldentaten der Roten Armee dankte.[29] In der Stavka konnte man sich ein Lächeln nicht verkneifen.[30] Am selben Tag wandten sich Tolbuchin, Želtov und der ebenso nach Wien entsandte Diplomat Andrej Smirnov mit der Bitte um Beschleunigung der Entscheidung zur Bildung einer österreichischen Administration und provisorischen Regierung an Stalin. Sie unterbreiteten ihm das Angebot Renners, alle noch lebenden Abgeordneten des letzten frei gewählten National- und Bundesrates (mit Ausnahme der Nationalsozialisten) von 1933 einzuberufen. Eine von diesen gebildete provisorische Regierung hätte die Verfassungsgrundlage aufrecht erhalten, doch Tolbuchin und Želtov warnten zugleich, dass eine solche Regierung einen starken Block bilden würde, der »das Wachsen neuer demokratischer Kräfte behindern würde«[31]. Stalin ließ sich darauf jedoch nicht ein und gab schließlich am 17. April 1945 Tolbuchin »grünes Licht«: »Den Vorschlag Renners zur Bildung einer provisorischen Regierung halten wir für annehmbar. Es sollen sich Renner und andere Persönlichkeiten Österreichs über die Bildung einer provisorischen Regierung absprechen. Die Frage der Bildung einer Initiativgruppe muss verneint werden, weil dies die Sache nur in die Länge zieht.«[32] Am 19. April wurde Renner schließlich zu Tolbuchingebracht. Renner erklärte sich mit der Bildung einer provisorischen Regierung unter Einbeziehung aller demokratischen Parteien einverstanden und versprach, bis zum 23. April eine Kabinettsliste vorzulegen.[33] Am folgenden Tag nahm Renner die ersten Gespräche mit den anderen Parteien auf.[34] Die Sowjets gaben Renner dabei freie Hand in der Erstellung eines Vorschlages; in der Frage des Innenressorts stieß er freilich an eine Grenze. Renner musste dem sowjetischen Druck nachgeben und das Ressort der KPÖ überlassen. Am 25. April wollte Renner seine provisorische Staatsregierung der Öffentlichkeit vorstellen, musste dies jedoch auf den 27. April verschieben, weil das sowjetische Außenamt die Westalliierten noch nicht einmal über Renner informiert und wohl eine derart rasche Regierungsbildung nicht erwartet hatte. Die Bilder des Jubels, den die österreichische Bevölkerung der provisorischen Regierung am 29. April 1945 beim Marsch vom Rathaus zum Parlament mit dem Hissen der rot-weiß-roten Fahne entgegenbrachte und die Renner gemeinsam mit sowjetischen Militärs vor dem Parlament zeigten, hatten schließlich das Misstrauen der Westmächte gegenüber Renner verstärkt.

Renner war von Anfang an bemüht, die Regierungsgewalt auf alle sowjetisch besetzten Gebiete und auf ganz Österreich auszudehnen.[35] Mit der Errichtung der Zentralen Gruppe der Streitkräfte und der Bestellung Ivan S. Konevs zum Militärkommissar (später Hochkommissar) in Österreich wurde dieses Problem gelöst. Die Regierung Renner wurde in der Folge massiv von den Sowjets unterstützt: Lebensmittellieferungen für die Hungerleidende Bevölkerung, ein millionenschwerer Sofortkredit und Maßnahmen auf allen Gebieten zur Wiederherstellung des kulturellen Lebens in Wien. Selbst in der Frage der Demontagen einer Reihe von Fabriken signalisierten die Sowjets Gesprächsbereitschaft. Tolbuchin versprach Renner, die Nahrungsmittel-, leichte und kommunale Industrie werde »bis auf einzelne Objekte […] nicht angerührt werden«, und erklärte sich bereit, »jeden einzelnen konkreten Einwand zu prüfen und eine Beratschlagung mit österreichischen Spezialisten in Betracht zu ziehen«[36], Gegenüber Konev sprach Renner vorsichtig auch die Ängste der Österreicher vor der sowjetischen Besatzungsmacht an. Konev versicherte dabei Renner, dass die Sowjets »weit von einer Rachepolitik entfernt« wären und »zu allen einzelnen Vorfällen (Gewalt, Konfiszierungen) entschiedene Maßnahmen zu deren Einstellung verfügt hätten«[37].

Die Westmächte versagten der Regierung Renner zunächst ihre Anerkennung. Die Einschätzungen des US-Geschäftsträgers in Moskau, George Kennan, ließen die Amerikaner auf ihrem Standpunkt beharren. Kennan drückte vor allem seine Bedenken gegenüber der Besetzung des Innenministeriums durch den Kommunisten und Moskau-Kader Franz Honner aus und verwies auf die diesbezüglichen Erfahrungen in Polen, in der Tschechoslowakei und in Rumänien. Die USA und Großbritannien sahen Österreich Gefahr laufen, kommunistisch zu werden.  Doch die intensiven Bemühungen aller politischen Kräfte in den folgenden Monaten führten schließlich zur Anerkennung der Renner-Regierung durch die Westmächte am 20. Oktober 1945. Als entscheidende Vorbedingung wurde auf der Länderkonferenz im September 1945 in Wien eine wichtige Änderung in der Zusammensetzung der Regierung Renner erreicht. »Westösterreicher«, allen voran Karl Gruber (ÖVP) für das neu geschaffene Außenamt, kamen in die Regierung. Josef Sommer übernahm das neue Unterstaatssekretariat für Inneres und hatte somit die ersten Wahlen vorzubereiten. Die Briten sahen ihre Forderung erfüllt und bezeichneten die geringfügige Regierungsumbildung als Regierungsneubildung.[38]

Zu diesem Zeitpunkt hegten die Sowjets gegenüber Renner bereits stärkeres Misstrauen. Erste negative Einschätzungen zu Renner finden sich sehr früh. Nachdem Renner am 10. Mai 1945 erklärt hatte, künftig nur noch Minister zu den Plenarsitzungen einladen zu wollen, war den sowjetischen Beobachtern klar, was dieser Schritt bedeutete: »Damit strebt Renner danach, die 9 stellvertretenden kommunistischen Staatssekretäre und genau so viele Vertreter der Volkspartei loszuwerden.« Die österreichischen Kommunisten beschwerten sich zusehends, dass ÖVP und SPÖ »offen gegen die Kommunisten« eingestellt seien, »um den Einfluss der Kommunisten zu beseitigen.«[39] KPÖ-Chef Koplenig ging mit Renner hart ins Gericht: »Renner hat keine Lust, mit uns zu arbeiten. […] Renner berücksichtigt uns überhaupt nicht.«[40] Ernst Fischer hob jedoch zumindest positiv hervor, dass es auf der unteren Ebene bereits gelungen sei, mit den Sozialdemokraten gemeinsame Tätigkeiten in den Massen zu setzen. Er stellte fest, dass man einen »Drang zur Einheit« beobachten könne, verwies aber auf den eklatanten Kadermangel in den Reihen der KPÖ, den er mittels heimkehrender antifaschistischer Kriegsgefangener aus Moskau zu beheben hoffte. Die anschließende Stellungnahme von Politoffizier Želtovspiegelt deutlich die Strategie Moskaus wieder: Etablierung der KPÖ in der Öffentlichkeit und Eroberung möglichst breiter  Bevölkerungsschichten unter Ausnutzung des »Feigenblattes« einer demokratisch gebildeten Regierung auf der Basis der Drittelparität aller zugelassenen demokratischen antifaschistischen Parteien. Želtov machte deutlich, »dass die Hauptaufgabe der KPÖ die Eroberung der Masse sein muss. […] Die Massen müssen erobert werden und nicht die Regierung.« Die Kritik an Renner gab Želtov jedoch keinen Anlass zu großer Sorge: »Ihn können wir nicht bessern. Was brauchen wir? Wir brauchen eine praktische Arbeitsumgebung auf der Grundlage der Einheit aller demokratischen Parteien. Renner unterstützen wir.« Želtov weiter: »Das Wichtigste ist, […] in der gegenwärtigen Zeit die Einheit aller demokratischen Parteien zu erhalten und keine Sprengung von innen zuzulassen.«[41] Zumindest in Wien hatten die Sowjets erkannt, dass Renner »bisweilen ein Schlitzohr« war.[42] Bereits vor den Novemberwahlen hatten die Sowjets vernommen, dass Renner auf dem SPÖ-Parteitag Angriffe gegen die Sowjetunion geritten und die Kommunisten als »Feinde der Demokratie« bezeichnet hatte.[43] Unmittelbar vor den Wahlen waren sich die sowjetischen Diplomaten in Österreich bereits darüber im Klaren, dass die KPÖ nicht erfolgreich abschneiden werde. Renner prognostizierte zwar den Kommunisten einen Stimmenanteil von 20 Prozent, was der sowjetische politische Vertreter in Wien, Evgenij Kiselev, jedoch für übertrieben hielt. Kreml teilte diese Meinung freilich nicht. Die Wahl wurde für die KPÖ ein

Debakel, sie erreichten nur 5,42 Prozent der Stimmen.[44]

Nach den Wahlen trat Renner, nunmehr in der Funktion des Bundespräsidenten, noch selbstbewusster gegenüber den Sowjets auf. Er brachte seine Unzufriedenheit über die gegenwärtige Lage Österreichs zum Ausdruck. Es sei nicht klar, ob Österreich ein befreites oder ein besiegtes Land sei, mit allen Ländern würden Friedensverträge vorbereitet, mit Österreich geschehe nichts. Renner kritisierte nun erstmals offen die sowjetische Behandlung der SPÖ, nicht ohne dabei die Sowjets für die schlechten Wahlresultate für die KPÖ verantwortlich zu machen: »Ihr Russen macht das nicht richtig, indem ihr euch nur an die eine kommunistische Partei anlehnt. Die KPÖ hatte und hat in Österreich keine Wurzeln und nicht solchen Einfluss, wie die SPÖ. Sie [die KPÖ] wird von den Österreichern als fremde Partei angesehen. […] Ich muss nach Moskau fahren und Genossen Stalin persönlich über den fehlerhaften Umgang mit der SPÖ, die die stärkste Arbeiterpartei ist, aufklären.«[45] Spätestens seit den Wahlen hatten die Sowjets Renners Manövrieren erkannt. Hatte der stellvertretende politische Vertreter, Michail Koptelov, noch wenige Tage vor seinem Besuch bei Renner die SPÖ als Partei heftigst kritisiert – ohne jedoch den Namen Renner zu nennen –, so wurde nun auch Renner »durchschaut«: Anfang 1946 bezeichnete Kiselev die Politik der SPÖ, »die Renner anführt«, als »doppelzüngig«. Die SPÖ sah er als eine der rechtesten und reaktionärsten sozialdemokratischen Parteien Europas. Die Regierungspolitik Renners sei »prinzipienlos«, ihre Innen- und Außenpolitik »ohne Rückgrat, den Interessen der österreichischen und ausländischen Bourgeoisie dienend«.[46] Zunächst hüteten sich die Sowjets noch, Renner offen zu kritisieren. Erst bei der Abschlusserklärung des Kominform im September 1947 wurde Karl Renner schließlich in eine Reihe mit anderen »Rechtssozialisten« Europas gereiht, die als Handlanger der »Imperialisten« eine verräterische Politik unter der »Maske der Demokratie und sozialistischer Phraseologie« betreiben würden.[47]

 

 

Die Novemberwahlen 1945 und ihre Folgen 

Die Novemberwahlen 1945 und später die De-facto-Akzeptierung des MarshallPlans für Österreich durch die UdSSR markieren den Anfang vom Ende der Hoffnungen, Österreich möglicherweise auf friedlichem Weg zum Sozialismus zu führen. Österreich wurde in der Folge wirtschaftlich gespalten. Dem Osten des Landes blieb die Marshall-Plan-Hilfe vorenthalten. Die geringfügig geleisteten Investitionen in Ostösterreich wurden von den Amerikanern aus propagandistischen Gründen getätigt und nicht, um die Wirtschaft Ostösterreichs anzukurbeln, auch wenn dies die österreichischen Politiker wünschten. 

Karl Renner hatte von Anfang an in seinen Sondierungsgesprächen mit den Sowjets darauf bestanden, so rasch wie möglich in ganz Österreich freie Wahlen abhalten zu lassen. Für die Sowjetführung sprach nichts dagegen, noch 1945 auch in Österreich wählen zu lassen. Warnungen der österreichischen Kommunisten wurden heruntergespielt, trotz des schlechten KP-Ergebnisses in Ungarn, wo drei Wochen zuvor gewählt worden war. 1945 galt das primäre Interesse Stalins den Entwicklungen in Rumänien und Bulgarien. Den Wahlausgang in Ungarn konnte man (noch) verschmerzen, der Wahlgang in Österreich war von noch geringerer Bedeutung. Das KPÖ-Debakel am 25. November 1945 war allerdings ein »Warnschuss« für Stalin hinsichtlich seines weiteren Vorgehens in der SBZ.[48] Zwar war die KPÖ im Wahlkampf von den Sowjets intensiv unterstützt worden, das Interesse an Österreich selbst hielt sich im sowjetischen Außenamt jedoch in Grenzen. Erst vier Tage vor der Wahl wurden die sowjetischen Vertreter in Wien wegen ihres Nichtstuns gerügt. Erst jetzt wurden sie aufgefordert, endlich über den Wahlkampf zu berichten.[49]Die sowjetischen Diplomaten in Wien wurden mit zunehmender Zeit Realisten. Wurden in der Anfangszeit der Besatzung viele Politdossiers vermutlich auch noch mit persönlicher Überzeugung verfasst, zeugen Berichte aus dem Spätsommer und Herbst eher von gewissem Zwang zur Schönfärberei und zu positiver Berichterstattung. Auch den sowjetischen Geheimdiensten in Wien war nicht entgangen, dass die österreichischen Kommunisten einen schweren Stand hatten. Ihnen blieb nicht verborgen, dass die ÖVP auf einer »illegalen Versammlung« in Niederösterreich die Anweisung ausgegeben hätte, Kommunisten »schnell aus den Dörfern« zu verjagen und zu verprügeln.[50] Molotov selbst soll die KPÖ, die sich über den frühen Wahltermin bei den Sowjets beklagt hatte, beruhigt haben. Er dürfte tatsächlich ein besseres Abschneiden der KPÖ erwartet haben.[51] Die Wahlen markierten aus österreichischer Sicht zweifelsohne einen Wendepunkt. Immerhin lehnten die Österreicher in eindrucksvoller Weise den Kommunismus ab und zumindest die Gefahr, dass Österreich auf demokratischem Wege kommunistisch werden könnte, war gebannt. Sie war infolge der Plünderungen und Vergewaltigungen sowie der zahlreichen Demontagen ohnedies gering gewesen. Das »Experiment Renner« war aus Stalins Sicht gescheitert. 

Nach den Wahlen wurde die SPÖ für die Sowjets zum Feindbild Nummer Eins. Doch auch die ÖVP war für die Sowjets kein akzeptabler Partner mehr. Während man die SPÖ als »gefährlichste Partei« sah, die der britischen Labour Party nacheifere, orientiere sich die ÖVP in Richtung USA. Leopold Figl und Karl Gruber bezeichnete der stellvertretende sowjetische Politvertreter als »Agenten der Amerikaner«.[52] Der sowjetische Geheimdienst konstatierte »offene Auftritte« der Sozialisten gegen die Sowjetunion. Evgenij Kiselev schätzte in dieser Situation den »Kampf für eine einheitliche Arbeiterklasse auf dem Weg der Gründung einer Einheitspartei als unmöglich« ein, andererseits stellte er eine sinkende Popularität der Regierungsparteien und steigenden Einfluss der Kommunisten fest. Tatsächlich interessierte sich das sowjetische Außenministerium Ende 1946 dafür, unter welchen Umständen in Österreich Neuwahlen vonstatten gehen könnten. Die provisorische wieder eingeführte Verfassung von 1929 wurde eingehend studiert, man musste aber erkennen, dass Neuwahlen nur als Folge des Austretens zumindest einer Großpartei möglich werden würden. Das ZK der KPÖ hielt dies jedoch frühestens im Frühling bzw. erst im Herbst 1947 für möglich.[53]

Unter Berücksichtigung der zunächst behutsamen und langsamen sowjetischen Vorgehensweise in Ostmittel- und Osteuropa können die Wahlen in Österreich in der mittelfristigen sowjetischen Österreich-Politik keine Zäsur darstellen, wie dies etwa in Ungarn der Fall war, wo Stalin nach den Wahlen 1945 darauf beharrte, das Schlüsselressort des Innenministeriums den Kommunisten zu übertragen. Im Gegensatz zu Ungarn und allen anderen ausschließlich von der Roten Armee besetzten Ländern war Österreich vierfach besetzt. In Österreich hätte eine ähnliche Vorgangsweise zu ernsten Konflikten mit den Westalliierten geführt. Der Kreml konnte daher »nur« auf wirtschaftliche Repressionsmaßnahmen setzen, um primär wirtschaftlich noch mehr Beute aus Österreich herauszuholen. Demontagen etwa wurden nun nicht weiter begründet, wie dies von Seiten Tolbuchins und Konevs gegenüber Renner versprochen wurde. Das wirtschaftliche Ziel der sowjetischen Besatzung, Ostösterreich weitgehend wirtschaftlich für sich nutzbar zu machen und die Ressourcen auszubeuten, wurde durch die getroffenen Maßnahmen bereits vor den Wahlen 1945 evident, auch wenn die Sowjets seit dem Sommer 1945 immer wieder bekräftigten, nur jene Fabriken und Industrieanlagen zu demontieren, die ihnen nach dem Potsdamer Abkommen als Kriegsbeute zustanden. Das mehrfache Angebot der Sowjets, bilaterale Gesellschaften zu gründen, wurde von österreichischer Seite abgelehnt. Dies führte noch 1945 zu einer weiteren Forcierung der wirtschaftlichen Exploitationspolitik in Österreich. Am 5. Juli 1946 sorgte schließlich der völlig unerwartete Befehl Nr. 17 des sowjetischen Hochkommissars Vladimir Kurasov für einen Schock in der österreichischen Öffentlichkeit. Das gesamte deutsche Eigentum (nach breit angelegter sowjetischer Definition) wurde unter direkte sowjetische Kontrolle gestellt und ging in das Eigentum der UdSSR über. Der vor das Verstaatlichtengesetz rückdatierte Befehl war allerdings keine Schnellschuss-Aktion, sondern schon bald nach den Wahlen 1945 konkret ins Auge gefasst worden, d. h. er war eine unmittelbare Folge der enttäuschenden Wahlen. Im Februar/März 1946 wurde Molotov ein diesbezüglicher ausgearbeiteter Ministerratsbeschluss vorgelegt und.[54]

Das erste politische Zeichen für eine härtere Umgangsart mit Österreich, die sich auch in einem strengeren Ton der diplomatischen Sprache niederschlug, war das von der UdSSR im Alliierten Rat eingelegte Veto gegen einige von Bundeskanzler Figl vorgesehene Minister. Eine Regierungsbeteiligung der KPÖ stand keinesfalls fest. Nachdem das ZK der KPÖ die Empfehlung abgegeben hatte, sich an der Regierung zu beteiligen, holte man in Moskau Zustimmung ein. Die Vorgehensweise zeugt nicht gerade von einer Geradlinigkeit der sowjetischen Politik in Österreich und gegenüber der KPÖ, sondern vielmehr von einer der Stringenz actio reactio folgenden Vorgehensweise. Die Sowjets in Wien waren unsicher, wie sie nach dem Wahdelbabel der KPÖ weiter vorgehen mussten oder sollten.[55] Der Kreml entschied sich schließlich zu einer Regierungsbeteiligung der KPÖ. Karl Altmann besetzte fortan den einzigen kommunistischen Ministerposten (für Elektrifizierung und Energiewirtschaft) in der Geschichte der Zweiten Republik.

 

Zwischen »Ost« und »West«: Österreich im frühen Kalten Krieg

Anfang 1947 ging Stalin zur Konsolidierung seines Satellitenorbits in Ostmittel- und Osteuropa über.[56] Oppositionelle wurden verfolgt und liquidiert. Den Verhaftungswellen folgten Schauprozesse. Maßnahmen einer brutalen Sowjetisierung wurden in Österreich jedoch nicht ergriffen. Ab September 1947 wurden die Tätigkeiten der kommunistischen Parteien Osteuropas durch das neugegründete Kominform gelenkt, dessen vorrangigstes und wichtigstes Ziel für Stalin die Festigung des »cordon sanitaire« war. 1948 übernahmen die Kommunisten in Österreichs nördlichen und östlichen Nachbarländern die uneingeschränkte Macht und beschritten den Weg Moskau treuer Vasallen. Die Hauptziele in Österreich blieben die Durchführung der Entmilitarisierung der ehemaligen Rüstungsindustrie, die Kontrolle über die Tätigkeit der österreichischen Regierung in der Frage der Gründung einer österreichischen Armee, die Verhinderung einer Wiedergeburt des Militarismus in Österreich und die Arbeit in den militärischen Organen.[57] 1947 mussten die Sowjets jedoch eingestehen, dass ihre Politik in Österreich versagt hatte: »Es ist offensichtlich, dass die österreichische Regierung zu einer folgsamen Marionette in den Händen der Amerikaner geworden ist und mit ihrer Hilfe in Österreich eine amerikanische Politik betrieben wird«[58]. Als Ursache der entstandenen Situation kritisierten die Sowjets jedoch auch die »überaus schwache« Position der österreichischen Kommunisten. Aber in den eigenen Reihen suchte man ebenfalls nach Sündenböcken.[59] Die Sowjets bedauerten nunmehr, der österreichischen Regierung durch den Abschluss des Zweiten Kontrollabkommens zu viel Freiraum ermöglicht zu haben. Der Verzicht auf die Durchführung einer Landreform und auf ausreichende Wahrnehmung einer Kontrolle durch die Militäradministration hätte vor allem den Westmächten Vorteile gebracht. Intern wurde die bis dato gehandhabte »Nichteinmischung in Angelegenheiten der lokalen Verwaltung« kritisiert, was »auf Grund des Mangels an notwendiger Energie« der KPÖ zu einem ungehinderten Beamtenaustausch zugunsten von ÖVP und SPÖ geführt hatte.[60]

Die Ereignisse des Juni 1947 im Zuge der »Figl-Fischerei«,[61] die in der österreichischen Historiographie lange Zeit als ernsthafter sowjetischer Versuch, die KPÖ an die Macht zu hieven, interpretiert wurde, führten zu einer weiteren Annäherung der SPÖ an die USA. Im Juni 1947 führte der KP-Nationalratsabgeordnete Ernst Fischer »Geheimgespräche« mit Bundeskanzler Figl. Dabei gab er zu verstehen, dass die UdSSR möglicherweise zu größeren Zugeständnissen gegenüber Österreich bereit wäre, wenn einige der Sowjetunion feindselig gesinnte Minister zurücktreten würden. Fischer war jedoch eigenmächtig aufgetreten, »ohne Wissen oder Erlaubnis des ZK der KPÖ«[62]. Für die Propaganda der Westmächte waren die Vorkommnisse um die »Figl-Fischerei« Wasser auf den Mühlen. Rechtfertigungsversuche seitens der KPÖ fanden in der Öffentlichkeit kein Gehör. Für die österreichische Regierung war der richtige Zeitpunkt gekommen, sich des KP-Staatspolizeichefs, Heinrich Dürmayer, zu entledigen.[63] Die westliche Propaganda verbreitete immer intensiver Putschgerüchte. In Ungarn hatten die Kommunisten die Macht übernommen und in Österreich wurden unter der Devise »Nach Budapest kommt Wien« vehement Ängste geschürt. Die Ernennung Vladimir Sviridovs zum neuen Hochkommissar in Österreich im Mai 1949 hatte zusätzlich Sorgen bereitet, war er doch zuvor Stellvertreter von Marschall Kliment Vorošilov in Ungarn.[64] Streiks kommunistischer Arbeiter in Wien wurden von den Westmächten als konkrete Putschpläne und Versuche einer gewaltsamen kommunistischen Machtübernahme bewusst hochstilisiert. Entdeckte Putschpläne der KPÖ stammten jedoch wahrscheinlich aus der Produktion der eigenen Geheimdienste, die auf drastische Weise Ängste der österreichischen Regierung und Bevölkerung vor einer permanenten kommunistischen Gefahr stärkten.[65] Das hatten auch die sowjetischen Geheimdienste erkannt, die die »Putschhysterie« als Vorwand zur Stärkung »reaktionärer Organisationen« und Entfernung von Kommunisten aus der Polizei einschätzten: »Im Juni, Juli d. J. [1947] verbreiteten sich verstärkt Gerüchte über einen im Land anstehenden ›kommunistischen Putsch‹. In Zusammenhang mit diesen Gerüchten, die auf alle Art von den ›Alliierten‹ und reaktionären Kreisen unterstützt wurden, verstärkte sich die Hetzjagd auf die KPÖ und die Angriffe auf die Sowjetunion, die angeblich diese ›Pläne‹ der Kommunisten unterstützt.«[66] Auch wenn Stalin revolutionäres Vorgehen oder Putschversuche in Österreich nicht wünschte, kann nicht geleugnet werden, dass die Putschgefahr reell war und es der Verdienst derjenigen war, die Widerstand leisteten, war, dass alle angeblichen Putschversuche scheiterten. 

Das Jahr 1948 schien in dieser Hinsicht für Österreich noch schwieriger zu werden. Im Frühjahr 1948 unternahmen die Sowjets in Finnland den letzten ernsthaften Versuch, einen Kurswechsel zugunsten der Kommunisten zu erreichen. Der Plan scheiterte jedoch. In der Folge gab sich Stalin mit dem Abschluss eines Friedensvertrages zufrieden, verbot Finnland allerdings die Teilnahme am Marshall-Plan.[67] Eine Teilnahme Österreichs am European Recovery Program (ERP) konnte er freilich nicht verhindern. Die Sowjets protestierten im Alliierten Rat und propagierten eine Untergrabung der Unabhängigkeit Österreichs durch die wirtschaftliche Vereinnahmung seitens der USA. In Prag übernahmen die Kommunisten 1948 die Macht, die bevorstehenden Wahlen in Italien stellten eine ernsthafte Bedrohung dar, die Kommunisten könnten auf legalem Wege an die Macht kommen. Stalins Druck auf Finnland und die Berlin-Krise ließen die Gerüchteküche über Putschpläne und Blockaden auch für Wien brodeln. Die Westmächte begannen, Flugplätze in Wien zu planen, um im Notfall die Wiener Bevölkerung versorgen zu können.[68] In den Lageberichten der westlichen Geheimdienste tauchten wiederholt Gerüchte über Putschpläne auf, die Franzosen hatten sogar vernommen, dass die KPÖ angeblich aus Moskau gerügt worden sei, »nicht genügend zu agitieren«[69]. 

Getadelt wurde sie tatsächlich, Anweisungen für Putschpläne bekam sie aber keine, im Gegenteil. Im Februar 1948 zitierte der Kreml die KPÖ-Führung (Johann Koplenig und Friedl Fürnberg) zu einer Unterredung mit Andrej Ždanov im ZK der Partei nach Moskau. Dabei schob Ždanovjeglichen, in der KPÖ kursierenden Teilungswünschen Österreichs einen Riegel vor: »Bei den österreichischen Genossen gab es sogar  Gespräche darüber, dass eine Teilung Österreichs besser als irgendeine andere Perspektive sei.«[70] Ždanov »brachte seinen Wunsch zum Ausdruck«, die KPÖ möge ihre Taktik ändern. Er machte unmissverständlich klar, dass die Sowjetische Armee nicht in Österreich bleiben werde. Für die KPÖ-Führer war es ein Canossagang. Sie mussten eingestehen, dass der bisherige Weg der KPÖ der falsche war und »bedankten« sich für die Klarstellungen. Sie versuchten zwar, die schwierige Lage darzulegen und zu erklären, dass ihr Spielraum klein war. Österreich wäre ihrer Meinung nach nach wie vor nicht »demokratisiert« und die österreichische Regierung zudem eine »Agenten-Einrichtung Amerikas«.

Der Kreml wünschte sich also ein inhaltlich ähnliches Auftreten der KPÖ wie jenes der deutschen Genossen, »die mit Erfolg die Parole des Kampfes für ein einheitliches Deutschland benützten«. Die gleiche Strategie mit unterschiedlichen Zielen: die weitere Sowjetisierung der Ostzone in Deutschland und der 1948 wohl noch gewünschte, aber auf Grund der Unterstützung der jugoslawischen Gebietsforderungen blockierte Abschluss des Staatsvertrages mit Österreich.

 

Ostösterreich als Konsolidierungsfaktor des »Ostblocks«: Das Ende der Hoffnungen auf den Abschluss des Staatsvertrages

Zum Abschluss der Konferenz des Rates der Außenminister in Paris verlautbarten die vier Großmächte am 20. Juni 1949, den österreichischen Staatsvertrag bis zum 1. September unterschriftsreif zu machen. Der neue sowjetische Außenminister Andrej Vyšinskij erklärte, man könne »den Österreich-Vertrag nicht ad infinitum hinausschieben«.[71] Es waren keine leeren Worte. Sie entsprachen den Intentionen Stalins. Noch im Juli informierte das sowjetische Außenministerium das ZK über den »bevorstehenden Abschluss des Friedensvertrages [sic!] mit Österreich bis zum Ende des laufenden Jahres«.[72] Die wirtschaftlichen Vorteile wären bei einem Vertragsabschluss 1949 für die UdSSR von großem Nutzen gewesen.[73] Im August war Stalin sogar in einigen Detailfragen des für die UdSSR wichtigsten Artikels 35 (Ablöse des deutschen Eigentums) zu Kompromissen bereit.[74] Dass es im Sommer 1949 dennoch nicht zum Abschluss des Staatsvertrages kam, lag v. a. an der Haltung der USA. US-Präsident Truman hatte erst am 26. Oktober grünes Licht für den Abschluss der Verhandlungen gegeben.[75]

Zwischen Juni und Oktober 1949 veränderte sich die weltpolitische Lage nachhaltig: Die UdSSR zündete Ende August die erste Atombombe, die Auseinandersetzung zwischen Stalin und Tito eskalierte Ende September, die SBZ wurde Anfang Oktober zur DDR, und die chinesischen Kommunisten errangen den Sieg im Bürgerkrieg. Die Briten traten nun am entschiedensten für einen raschen Verhandlungsabschluss ein. Sie wollten einerseits den Sowjets die Argumentationsmöglichkeit nehmen, den »Start« der Bundesrepublik zu verhindern, andererseits wünschten sie den sowjetischen Abzug aus der Nähe Jugoslawiens. Zudem hätte ein Abzug aus Österreich auch die Truppenpräsenz der UdSSR in Ungarn und Rumänien nicht mehr gerechtfertigt, die der UdSSR nach Kriegsende zur Aufrechterhaltung der Verbindungswege nach Österreich zugestanden worden war.[76]

Die Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag blieben Ende August stecken. Noch waren die Westmächte nicht bereit, den Sowjets in der Frage des so strittigen Artikels 35 derart weitreichende Konzessionen zu machen. Immerhin einigte man sich jedoch, am Rande der UN-Generalversammlung Ende September 1949 weiterzuverhandeln, denn an einen baldigen Abschluss des Staatsvertrages war sowieso nicht zu denken, und so konnte Vyšinskij in New York großzügig erklären, Stalin habe ihn angewiesen, den Österreich-Vertrag abschließen zu müssen.[77]

Die Verhandlungen begannen. Die Westmächte überrumpelten die Sowjets bereits am ersten Verhandlungstag mit großen Zugeständnissen in der Frage des deutschen Eigentums, die, so der stellvertretende Außenminister Andrej Gromyko an Stalin, »vorteilhaft für die UdSSR« wären. Kurz darauf berichtete Vyšinskij aus New York, dass es angebracht wäre, einige kleine Konzessionen zu machen, sollten die Westmächte die sowjetischen Vorschläge zu Artikel 35 annehmen. Stalin zeigte sich mit den Vorschlägen einverstanden, und das Politbüro hatte diese abzusegnen.[78] Die Sowjets machten in der Folge einige kleinere Konzessionen, viel mehr noch die Westmächte. Am 21. Oktober 1949, also noch bevor sich USPräsidentTruman zur Grundsatzentscheidung in der Österreich-Frage durchgerungen hatte, hatten die sowjetischen Verhandler vernommen, dass die Position der Westmächte »davon zeugt, dass die Westmächte ein Interesse an einer Beschleunigung des Abschlusses des Vertrages mit Österreich an den Tag legen«[79]. Gromyko sah sich veranlasst, Stalin gleichsam zu warnen, dass bei weiteren Zugeständnissen der Westmächte »alle grundlegenden Uneinigkeiten, die den Abschluss des österreichischen Vertrages verzögern könnten, beseitigt seien«. Trotz der von den vier Außenministern am 6. Oktober in New York erzielten Vereinbarung, bis zum 22. Oktober »über den Wortlaut des Vertrages zu einer endgültigen Einigung zu kommen«,[80] und trotz des Verhandlungsfortschritts hielt es Gromyko nun für notwendig, die eigene Position festzulegen. Gromyko warnte Stalin, dass »das Bestreben der Westmächte, den Abschluss des österreichischen Vertrages zu beschleunigen, allem Anschein nach mit ihren Plänen verbunden sei, die Grundlagen einer weiteren Präsenz sowjetischer Truppen in Österreich wie auch in Ungarn und Rumänien zu beseitigen.« Gromyko empfahl daher eine Verzögerungstaktik: »Nach unserer Meinung sollten wir uns nicht einmal mit kleinen Zugeständnissen im Staatsvertragsentwurf beeilen […] und die Entscheidung dieser Frage bis zur endgültigen Klärung der Bereitschaft der Westmächte, all unsere Hauptforderungen in den noch gebliebenen ungeklärten Fragen zufrieden zu stellen, aufschieben.«[81] Gromyko legte dem Schreiben an Stalin einen von Molotov abgesegneten Entwurf eines Politbüro-Beschlusses bei. Stalin übernahm aber nicht – wie sonst in Österreich betreffenden Fragen – den Wortlaut des Vorschlags. 

Zwei Tage später hatte das Politbüro die von Stalin redigierte Direktive an Vyšinskij abzusegnen. Darin hieß es nun: »Auf Grund einer Reihe von Hinweisen ist ersichtlich, dass die Angloamerikaner begonnen haben, sich mit dem Abschluss des österreichischen Vertrages zu beeilen, womit sie, wie ersichtlich ist, bestrebt sind, auch Jugoslawien politische Unterstützung zu erweisen. Unsere Vertreter haben davon auszugehen, dass wir nicht an einem schnellen Abschluss des österreichischen Vertrages interessiert sind. Deshalb ist es für Sie unabdingbar, bestehende Uneinigkeiten zu nutzen und auf der New Yorker Konferenz der Sonderbeauftragten die Vorbereitung des Vertrages nicht zu Ende zu führen.«[82] Vyšinskij wurde zudem angewiesen, die Positionen der Westmächte zu allen sowjetischen Vorschlägen auszuloten, »ohne auch in nur einer einzigen wesentlichen Frage« von der sowjetischen Position abzuweichen. Uneinigkeiten gab es freilich noch, allen voran die Frage der »Erbsenschulden«[83], die von den Sowjets dazu benützt werden konnten, den Vertrag in New York nicht unterschriftsreif zu machen. Die sowjetische Seite hatte somit am 24. Oktober die klare Direktive erhalten, den österreichischen Staatsvertrag nicht abzuschließen, also zwei Tage, bevor der amerikanische Präsident nach vier Monaten interner Auseinandersetzungen den Weg zu einem Staatsvertragsabschluss frei machte. Am 18. November 1949 erzielten die Verhandler schließlich Einigung über Artikel 35.[84] Doch aus dem Abschluss des Staatsvertrages wurde wieder nichts. Die sowjetische Delegation hatte der Anweisung Stalins Rechnung zu tragen, den Staatsvertragsabschluss zu verzögern. Die nunmehr abschlussfreudige Haltung der Westmächte wurde lediglich noch rasch zum Abschluss des für die UdSSR lukrativen Artikels 35 genutzt.

 

In Abhängigkeit von der Weltpolitik – Der Übergang zur längerfristigen Besatzung Österreichs

Stalin war nun nicht mehr bereit, die sowjetischen Truppen aus Österreich abzuziehen. Solange es keine reale Chance auf einen Abschluss der Staatsvertragsverhandlungen bestand, konnte er Verhandlungen problemlos zustimmen. Im Oktober 1949 stand jedoch erstmals ein möglicher Abschluss im Raum, und Stalin meinte auf die Bremse treten zu müssen. Die Sowjets »retteten« sich mehr oder weniger über die Verhandlungen in New York hinweg. Die »Erbsenschuld« erwiesen sich, so Gerald Stourzh, »als Instrument der immer klarer zutage tretenden Verzögerungstaktik der Sowjets«. Als in Ostdeutschland gerade durch die Gründung der DDR ein zweiter deutscher Staat entstanden und die spätstalinistische Epoche des Kalten Krieges angebrochen war, zeigte sich Stalin in der Österreichfrage scheinbar noch gesprächsbereit, auch wenn er einen Truppenrückzug aus Österreich nicht mehr ins Kalkül zog. Die plötzliche getretene Abschlussbereitschaft der Westmächte wertete Stalin als Unterstützung für Tito. Das brachte bei ihm wohl das Fass zum Überlaufen. Er musste aus seiner Sicht die Verhandlungen stoppen, um nicht die Konsolidierung des »Ostblocks« zu gefährden.

Die nicht gelöste Schuldenfrage und weitere nicht ausverhandelte Artikel boten den Sowjets schließlich den willkommenen Anlass, die Staatsvertragsverhandlungen zu vertagen, um sich eine diplomatische Atempause zu verschaffen und verhandlungsstrategisch neu positionieren zu können. Denn noch sprach sich Stalin nach außen hin für weitere Verhandlungen aus. Er ließ die ab 9. Jänner 1950 anberaumten Sitzungen der Sonderbeauftragten in London nicht verschieben, erlaubte jedoch keinen Verhandlungsspielraum mehr.[85] Die wenigen 1950 stattgefundenen Sitzungen führten zu keinem Ergebnis. Es ging nur noch darum, sich gegenseitig den »Schwarzen Peter« für die Verhandlungsabbrüche zuzuschieben. Infolge der sich verschleppenden Staatsvertragsverhandlungen vertrat die KPÖ erstmals Neutralitätsparolen.[86] Eine Rückendeckung aus Moskau in dieser Frage dürfte vom sowjetischen Politvertreter, Michail Koptelov, und dem Hochkommissar, Georgij Cinev, in Österreich initiiert worden sein. Diese hatten zu dieser Zeit einen »Lösungsvorschlag für die österreichische Frage« im sowjetischen Außenministerium eingebracht, demzufolge Österreich verpflichtet werden sollte, »keinerlei militärisch-politischem Block beizutreten«.[87] Der Leiter der für Österreich zuständigen 3. Europäischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums, Michail Gribanov, reagierte jedoch ablehnend, weil derartige Verpflichtungen »in gewissem Maße eine diskriminierende Haltung gegenüber Österreich« bedeuten würden und die Westmächte zum Schluss kommen könnten, dass die UdSSR eine »große Unruhe« vor der NATO entwickle. Beachtenswert ist die Wortwahl Gribanovs. Im Friedensvertragsvorschlag in der Stalin-Note vom 10. März 1952 sollte Deutschland sehr wohl verpflichtet werden, »keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen«. Eines der Hauptziele des österreichischen Staatsvertrages, so Gribanov, war die »Verhinderung einer Vereinigung Österreichs mit Deutschlands«, die ohnedies durch einen eigenen Artikel gewährleistet wurde. Seine weiteren Schlussfolgerungen erfolgten bereits unter der Prämisse, dass die UdSSR nicht an einem Abschluss des Staatsvertrages interessiert war und kamen einer Suche nach Gründen, die Verschleppungstaktik rechtzufertigen, gleich. Die sowjetischen Vertreter in Wien wussten dies freilich nicht.

Vyšinskij hatte mittlerweile für die UdSSR plausible Gründe gefunden, den Staatsvertrag nicht abschließen zu müssen: die Entnazifizierung und Entmilitarisierung Österreichs. Molotov reklamierte zudem eine »Verstärkung von Maßnahmen gegen die Rückkehr des Faschismus in Österreich«.[88] Mit der Junktimierung der österreichischen mit der Triest-Frage hatte man zudem noch ein völkerrechtlich überzeugendes »Argument« gefunden, den Staatsvertragsabschluss auf lange Zeit zu vertagen. Was konnte Stalin 1950 tatsächlich die Sicherheit geben, dass sich der Westen an die Staatsvertragsbestimmungen halten und nicht absichtlich Vereinbarungen ähnlich wie mit Triest brechen würde? Er ortete in der Österreichfrage eine Unterstützung Jugoslawiens durch den Westen. Zudem hätte ein Abschluss des Staatsvertrages mit Österreich unmittelbar nach Gründung der DDR viele Kräfte ermuntern können, nach einer ähnlichen Lösung für Deutschland zu streben. Stalin war nicht ernsthaft an einer Umsetzung des Friedensvertrages mit Italien in Bezug auf die Triest-Frage (Einsetzung eines UN-Hochkommissars) interessiert. Triest war eine Trumpfkarte, die die UdSSR zu jeder Zeit zücken konnte, um nicht aus Österreich abziehen zu müssen und in weiterer Folge den Verbleib Ungarns und Rumäniens im sowjetischen Orbit zu gefährden. Österreich war ab 1949/50 nur noch Mittel zum Zweck. Es hatte nun den Preis der politischen Eiszeit zu zahlen. Die Zeit des »Einigelns« der weltpolitischen Kontrahenten hatte begonnen.

In Österreich kam es angesichts der Aussichtslosigkeit eines Staatsvertragsabschlusses und der wirtschaftlichen Rezession nach dem Auslaufen der Hilfen des Marshall-Plans im Herbst 1950 zu Unruhen. Vornehmlich Arbeiter aus den so genannten USIA-Betrieben[89] gingen auf die Straße. Die Streiks erreichten eine enorme Intensität, die die KPÖ auszunützen versuchte. Sie rief zum Generalstreik auf. Doch der Widerstand antikommunistisch gesinnter Österreicher war größer. Die Streiks brachen zusammen. Eine Unterstützung durch die Rote Armee blieb aus.[90] Im Politbüro des ZK standen die Ereignisse vom Herbst 1950, die ganz Österreich in Atem hielten, lediglich einmal auf der Tagesordnung. Der sowjetische Hochkommissar Vladimir Sviridov und sein Politberater Michail Koptelov wurden auf deren Empfehlung hin angewiesen, »Aktivitäten der österreichischen Verwaltungsorgane, die gegen die Teilnehmer des Generalstreikversuchs in der sowjetischen Besatzungszone in Österreich sind, zu verbieten«.[91] Dennoch gelang es der österreichischen Regierung, sich in der Folge durchzusetzen, mit einer, wie man sagen könnte, typisch »österreichischen Lösung«. Die Disziplinarverfahren gegen kommunistische Bezirkskommissariatsleiter und gegen Kommunisten in der Polizei wurden eingestellt und die bereits Abgesetzten verblieben in ihrem Amt. Infolgedessen ergab sich die paradoxe Situation, dass es auf der Bezirksebene zwei Polizeikommissariatsleiter gab: einen, der die Befehle der sowjetischen Kommandantur, und einen, der die Befehle vom österreichischen Innenministerium entgegennahm.

In der Folge richteten sich die Sowjets in Ostösterreich auf eine länger währende Besatzung ein. Im September 1951 ließ das Politbüro des ZK der VKP (b) die Arbeit des Sowjetischen Teils der Alliierten Kommission für Österreich (Sovetskaja Čast’ Sojuzničeskoj Kommissii po Avstrii, SČSK) überprüfen, um Verbesserungsvorschläge zur »Stärkung des sowjetischen Einflusses« in Österreich auszuarbeiten. Die Außenpolitische Abteilung des ZK hatte vernommen, dass »Wien […] zum Zentrum, in dem feindliche Organisationen subversive Arbeit gegen die Länder der Volksdemokratie führen«, geworden sei. Dies wurde v. a. auf die »Untätigkeit der SČSK zurückgeführt«[92]. Zwar hätte die SČSK einerseits die ihr 1945 übertragenen Aufgaben (Kontrolle über die österreichischen Behörden, Entmilitarisierung etc.) in der sowjetischen Zone in den sechs Jahren Besatzungszeit großteils erfüllt (Liquidierung von NS-Organisationen, Repatriierung sowjetischer Bürger, Inbetriebnahme der USIA-Betriebe etc.), andererseits jedoch fiel die Kritik an der SČSK heftig aus: keine wirkungsvolle Kontrolle über die österreichische Regierung, Verantwortung für die Schwäche der KP-Organisationen in Österreich und die Entfernung der Kommunisten aus dem Staatsapparat und eine ungenügende »Demokratisierung« der sowjetischen Besatzungszone. Neben mangelnder Qualifikation der Bevollmächtigten des sowjetischen Hochkommissars in den Bundesländern und der ihnen untergeordneten Militärkommandanten wurde auch das Verhältnis zur KPÖ als »nicht ganz normal« sei bezeichnet. Verantwortlich gemacht wurden in erster Linie der sowjetische Hochkommissar Sviridov und sein Politberater Koptelov, die nicht einmal die Namen der wesentlichen Parteiführungskader der KPÖ kannten, und in weiterer Folge das sowjetische Außen- und Kriegsministerium. Diese hätten es versäumt, der SČSK die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen und unabdingbare Hilfe zu leisten.[93] Die Hauptverwaltung sowjetischen Eigentums im Ausland (Gosudarstvennnoe upravlenie sovetskim imuščestom zagranicej, GUSIMZ) wurde gerügt, nicht die notwendige Kontrolle über die sowjetischen Betriebe in Österreich gewährleistet zu haben.[94] Die KPÖ-Spitze wurde ebenso ins Visier genommen: sie sei nicht besonders daran interessiert, gute Beziehungen zur SČSK zu unterhalten, und ihre Funktionäre reisten zu wenig durch das Land.

Die KPÖ-Führung trat nun die Flucht nach vorne an. ZK-Sekretär Koplenig wandte sich im September 1951 an Stalin persönlich und übermittelte ihm die Leitsätze des ZK seiner Partei und bat ihn um »Bemerkungen«. Stalin antwortete einen Monat später. Er forderte von der KPÖ, »gegen die Remilitarisierung und Faschisierung Österreichs sowie für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Werktätigen« einzutreten und »zur Vereinigung aller demokratischen und patriotischen Kräfte Österreichs für den Kampf um die Unabhängigkeit Österreichs und zur Verhinderung der Nutzung [Österreichs] als Aufmarschgebiet des amerikanischen Imperialismus konkrete organisatorische Formen dieser Vereinigung aufzuzeigen (gesamtösterreichische Friedensfront, Nationale Front u. ä.)«. Von enormen Interesse sind Stalins weitere Ausführungen. Er untersagte der KPÖ eine »wahllose Vergrößerung«: »Es erscheint uns falsch, als Mittel zur Verbesserung und Stärkung der Parteiorganisationen einen Wettstreit in der Parteiarbeit zu liefern. Besonders falsch ist es, die Parole eines Wettstreits bei der Anwerbung von Parteimitgliedern aufzubringen. Das Aufbringen einer solchen Parole veranlasst die Parteiorganisationen zu einer wahllosen Vergrößerung [ogul’noe uveličenie] der Reihen der KPÖ, was zu deren Verunreinigung führt und sich nicht mit den grundlegenden organisatorischen Prinzipen des Aufbaus einer Partei der Arbeiterklasse vereinbaren lässt. Es wäre unserer Ansicht nach wünschenswert, die Parteiorganisationen zu einer kritischen Beurteilung ihrer Tätigkeit und zur Entwicklung von Selbstkritik in den Parteireihen als unbedingt notwendige Voraussetzung für eine Mobilisierung der Kommunisten Österreichs für den Kampf zur Erfüllung der der kommunistischen Partei bevorstehenden großen, bislang ungelösten Aufgaben zu veranlassen.«[95]

 

Die Stärkung des sowjetischen Einflusses

Am 1. November 1951 segnete das Politbüro schließlich ein Maßnahmenpaket »Zur Stärkung des sowjetischen Einflusses in Österreich« ab.[96] Die darin enthaltenen Anweisungen stellen die weitreichendsten Änderungen mit personellen Konsequenzen und Umstrukturierungen sowjetischer Organe während der Besatzungszeit in Österreich dar. Die SČSK wurde verpflichtet, die Aufmerksamkeit künftig vor allem auf die Arbeit in der sowjetischen Zone zu konzentrieren und die Kontrolle über die Tätigkeit der österreichischen Regierung und örtlichen Behörden zu verstärken. Am 20. Februar 1952 verfügte der Ministerrat der UdSSR die Umstrukturierung der SČSK. Die wesentlichste Änderung betraf die Unterstellung der sowjetischen Militärkommandanturen unter die SČSK, um vor allem den Parallelismus aufzuheben. Nur einen Monat später wurde Stalin berichtet, dass der Ministerratsbeschluss im Wesentlichen umgesetzt worden sei.[97] 

Dem Kreml ging es ab 1951 um die »Festigung des sowjetischen Einflusses« in der sowjetischen Besatzungszone. Und dies ist im wortwörtlichen Sinne zu verstehen. Sogar in ihrer Zone hatte die Sowjetmacht eine Unterwanderung durch kapitalistische Elemente festgestellt. Dies konnte keinesfalls zugelassen werden, war aber auch nicht mit keinesfalls Unterstützungsmaßnahmen für die KPÖ verbunden. Stalin ließ die KPÖ wissen, dass er keine »unbegründete Vergrößerung« wünschte. Die Wortwahl Stalins ist an und für sich ein Paradoxon schlechthin. Die österreichischen Kommunisten hatten den »Vožd« selbst um Rat gefragt, überzeugt davon, dass die ZK-Kommission die Missstände in Österreich aufzeigen würde. Doch Stalin schien die politische Lage in Österreich nicht unangenehm zu sein. Es bestand kein Anlass, in Österreich durch zu aktive Tätigkeiten der KPÖ einen weiteren Krisenherd zu schaffen. In einem Nebensatz »empfahl« Stalin, eine »allösterreichische Friedensfront, Nationale Volksfront usw.« vorzubringen.

Allein die Wortwahl und der Vergleich zur »Friedensfront« und anderen Organisationsstrukturen zeugt nicht von einer mit Vehemenz geforderten Forcierung der Umsetzung der Strategien einer »Nationalen Volksfront«, dem theoretischen Konzept des friedlichen Übergangs zum Sozialismus unmittelbar nach Kriegsende. Ein »friedlicher Übergang« zum Sozialismus in ganz Österreich war nicht realistisch.[98] Es hatte sich in fast allen Ländern längst gezeigt, dass die »NationaleVolksfront-Strategie« nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatte. Überall musste der Kreml Gewalt und Terror anwenden, um den Weg zur Volksdemokratie in Osteuropa zu ebnen. Die im allgemeinen Siegestaumel von Chefideologen und Parteikadern ausgearbeitete Strategie, den Kommunisten mithilfe des Aufbaus einer »Nationalen Volksfront« auf demokratischem Weg zur Macht zu verhelfen, blieb Theorie, die sich in der Praxis nicht umsetzen ließ. In Österreich hatte sich dies spätestens Ende 1945 gezeigt. 

Stalin konnte freilich nicht die KPÖ selbst in Frage stellen, deshalb wurde sie auch finanziell massiv unterstützt.[99] Die Empfehlung der – zu diesem Zeitpunkt bereits antiquierten – »Nationalen-Volksfront-Strategie« war hierbei ein willkommenes Mittel zum Zweck, die KPÖ-Spitze zu beruhigen und eine Eskalation in einem potentiellen neuen Gefahrenherd in Mitteleuropa, der unweigerlich zu unnötigen, vom Kreml nicht gewünschten Provokationen mit den Westmächten geführt hätte, zu vermeiden. Die KPÖ war folglich kaltgestellt, unterstützt wurde sie aber weiterhin. Dies konnte ohne Vorbehalte in hohem Maße geschehen, denn die Wahlen 1945 und 1949 hatten klar aufgezeigt, dass die KPÖ nie in die Nähe der Regierungsbeteiligung oder -bildung kommen würden. Die enormen finanziellen Zuwendungen an die KPÖ blieben nicht die einzige tatkräftige Unterstützung für die KPÖ. Die sowjetische Besatzungsmacht legte gegenüber neu gegründeten Parteien, auch wenn sie in ihren Augen neonazistischen und »faschistischen« Charakter hatten, kein Veto im Alliierten Rat ein und ließ sie zur Wahl antreten. Man erhoffte sich eine Schwächung der ÖVP und SPÖ. 

Doch die Rechnung für eine Stärkung der KPÖ nicht auf, denn beide Großparteien verloren gleichermaßen. Es ergab sich ebenso wenig eine Stärkung der Position der KPÖ wie bei den Wahlen 1953. Durch Versuche, andere Parteien zu spalten, sollte der KPÖ geholfen werden, auf legalem Wege stärker zu werden. Weder im Falle der SPÖ (Ausschluss Erwin Scharfs 1948, der in der Folge mit anderen Linkssozialisten auf einer gemeinsamen Liste mit den Kommunisten kandidierte) noch im Falle der ÖVP (Abspaltung Josef Dobretsbergers und im Weiteren die – auch finanzielle – Unterstützung seiner Demokratischen Union auf dem Wege über die KPÖ) war die sowjetische Strategie der Unterstützung von Abspaltungstendenzen von Erfolg gekrönt.[100] Kurz vor Stalins Tod wurde die KPÖ bei den dritten Nachkriegswahlen endgültig als 5-Prozent-Partei eingestuft.

Ende 1951 erklärten die Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreichs, es gebe keinen Grund, den Abschluss des österreichischen Staatsvertrages weiter hinauszuschieben.[101] Doch die sowjetische Position war klar. »An einer Beschleunigung des Abschlusses des österreichischen Vertrages«[102] war der Kreml nicht interessiert. Stalin stimmte einer Verhandlungsrunde zu, unter der Bedingung, dass die Missachtung des italienischen Friedensvertrages durch die Westmächte bezüglich Triest und die Frage der Entnazifizierung und Entmilitarisierung erörtert würden.[103] Die Sowjets wollten allerdings nicht ernsthaft über Triest diskutieren, sondern lediglich eine Möglichkeit ausloten, die ihnen sicher stellen würde, dass die Westmächte später weiteren Verhandlungen nicht zustimmen würden. Anfang 1952 war die sowjetische Position festgefahren. Das Politbüro segnete die vorläufig letzte Direktive an den sowjetischen Unterhändler ab, der schließlich auftragsgemäß die sowjetischen Forderungen (Triest, Entnazifizierung, Entmilitarisierung) gegenüber den Westmächten wiederholte und erklärte, er könne an der für den 21. Jänner 1952 anberaumten Sitzung der Sonderbeauftragten nicht teilnehmen.[104]

 

Österreich im Schatten der deutschen Frage

Ein Abschluss des Staatsvertrages hing längstens – und das hatten auch die österreichischen Politiker erkannt[105] – einzig und allein von der Weltpolitik ab. Im März 1952 übernahmen die Westmächte die alles andere als österreichischen Zwecken dienende Initiative zur Wiederbelebung der Österreichfrage und boten der UdSSR den so genannten »Kurzvertrag« an.[106] Der Westen sah den »Kurzvertrag« als Prüfstein für die sowjetischen Absichten in der Deutschland-Frage. Die seltsame Logik dahinter: Im Falle eines sowjetischen Ablehnens des »Kurzvertrages« sei die »mangelnde Ernsthaftigkeit der Deutschlandvorschläge Stalins« bewiesen.[107] Am 12. März 1952, zwei Tage nach der ersten Stalin-Note, wurde der »Kurzvertrag« auf diplomatischem Wege Moskau übermittelt, wo dieser zunächst ad acta gelegt wurde. Nachdem die Westmächte am 9. Mai 1952 auf eine Antwort drängten, empfahl Vyšinskij Stalin am 12. Mai »auf die Note […] über einen Kurzvertrag für Österreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Antwort zu geben, um nicht die Aufmerksamkeit zur Erörterung der deutschen Frage, zu welcher, wie bekannt ist, auch die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs streben, zu schwächen.«[108] 1952 hatte die deutsche Frage eindeutig Priorität, und die österreichische Frage war nur insofern an sie gekoppelt,[109] als die österreichische Frage nicht gelöst werden durfte, um nicht eine »Modellfalllösung« für die deutsche Frage zu inszenieren. Die Sowjetunion lehnte erst am 14. August 1952 den »Kurzvertrag« in einer Note ab und wiederholte dies im September.[110]

Alles in allem war der »Kurzvertrag«, der eindeutig den Interessen der UdSSR widersprach und für Molotov eine »Verletzung der Rechte der UdSSR (nach dem Potsdamer Abkommen)«[111] darstellte, ein für die Sowjets weiteres, geradezu ideales diplomatisches Mittel zu dem Zweck, nicht in Staatsvertragsverhandlungen eintreten zu müssen. Der Westen wollte mit der Österreich-Frage abtesten, inwieweit Stalins »Lösungsvorschläge« in der deutschen Frage und später die »Notenschlacht«[112] ernst gemeint waren, eine tatsächlich bizarre Logik: Denn die österreichische Frage war weder für die Westmächte von besonderer Bedeutung noch für Stalin. Der Kreml wollte durch das Nichteingehen auf den Vorschlag des »Kurzvertrages« schlicht nicht von der vorrangigen, deutschen Frage ablenken. Ein Entgegenkommen in der österreichischen Frage oder gar ein Lösen dieser wäre Stalin wohl kaum genehm gewesen. Dies hätte ja schließlich nicht nur die Gesprächsbereitschaft Stalins, die ja in der deutschen Frage in den vielen Noten 1952 scheinbar zutage getreten war, bekräftigt, sondern auch gezeigt, dass sie zu konkreten Ergebnissen führen könnte. So also musste Stalin die Österreichfrage offen lassen und folglich eine »Modellfall«-Lösung im Hinblick auf Deutschland verhindern. Der Nicht-Abschluss des österreichischen Staatsvertrages zwischen 1949 und 1952/53 ist unter diesem Aspekt ein weiteres Mosaiksteinchen in der Forschung, das bekräftigt, dass Stalins Angebot in seiner berühmten Note vom 10. März 1952 nicht ernst gemeint sein konnte.[113]


Im Herbst 1952 hatte der »Noten-Krieg« um Deutschland ein Ende gefunden.

Die Positionen waren festgefahren, die Sowjetisierung der DDR war als Resultat weiter fortgeschritten und unumkehrbarer denn je. Stalin soll im Herbst 1952 gegenüber Molotov Überlegungen angestellt haben, »den Kriegszustand zwischen der UdSSR und Österreich« zu beenden. In diese Zeit fiel auch die erste konkrete sowjetische »Empfehlung«, Österreich sollte den Weg einer strikten Neutralitätspolitik ähnlich der Schweiz und Schwedens einschlagen. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass Stalin in seinen letzten Lebensmonaten unter gewissen Umständen zu einem Abschluss des Staatsvertrages bereit gewesen wäre. Auf jeden Fall machte er im Februar 1953 den Weg für weitere Verhandlungen der Sonderbeauftragten frei.[114] Die interne sowjetische Positionierung blieb allerdings unverändert: Forderung nach Rücknahme des Kurzvertrages durch die Westmächte, Durchführung einer Überprüfung der Entmilitarisierung und Entnazifizierung in Österreich in allen Besatzungszonen, Erfüllung des Friedensvertrages mit Italien bezüglich Triests (»eine der wichtigsten Bedingungen des Abschlusses des Staatsvertrages mit Österreich«). Solange diese Forderungen nicht erfüllt wurden, durfte keine Übereinkunft erzielt werden.[115] Dies ließ keinen Spielraum für einen raschen Vertragsabschluss zu. Nach nur zwei Sitzungen wurden die Verhandlungen unterbrochen. Vyšinskij hielt daher die Entsendung Andrej Gromykos nach New York zur 7. UNO-Generalversammlung für nicht angebracht.[116] Der sowjetische Außenminister konnte jedoch ohnedies keine Anweisungen mehr erhalten. Stalin war bereits sterbenskrank. Am 5. März 1953 erlag er den Folgen mehrerer Schlaganfälle.

 

Österreich – Vom Objekt für Handel und Kompromisse zum  Konsolidierungsfaktor des »Ostblocks«

Auf Grund der im Rahmen des österreichisch-russischen Forschungsprojektes »Die Rote Armee in Österreich 1945–1955« erstmals freigegebenen Aktenbestände der höchsten sowjetischen Entscheidungsträger kann nunmehr ein umfassendes Bild der sowjetischen Österreich-Politik gezeichnet werden. Hierfür waren vor allem zwei Bestände aus dem Archiv des Präsidenten (AP RF) und dem ehemaligen Archiv der KPdSU (RGASPI) von größter Relevanz. Es handelt sich hierbei um die unlängst teilweise geöffneten Politbürobeschlüsse aus der »Sondermappe« (»osobaja papka«)[117], die einer strengen Geheimhaltung unterlagen – im Gegensatz zu den »gewöhnlichen« Politbüro-Beschlüssen, die seit längerem zugänglich sind.[118]Da die Politbürobeschlüsse von 1945 bis Ende 1952 im Archiv des Präsidenten in Stalins Österreich-Unterlagen überprüft und ergänzt werden konnten, kann bezüglich der wichtigsten politischen Entscheidungen der KremlFührung erstmals im Hinblick auf sowjetische Ziele in Österreich ein gewisser Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.[119] Der zweite Bestand des Parteiarchivs erlaubt es, die Genese der Politbüro-Entscheidungen von 1949 bis Ende 1952 zu rekonstruieren. Es handelt sich hierbei um die Österreich betreffenden Akten Molotovs in dessen Funktion als »Überwacher« der Außenpolitischen Kommission des ZK der VKP (b).[120] Hierbei zeigte sich, dass Molotov auch nach seiner Absetzung als Außenminister der UdSSR 1949 weiterhin ein Hauptakteur der sowjetischen Außenpolitik blieb, freilich als ausführende Hand Stalins. Sein offizieller Nachfolger, Andrej Vyšinskij, hatte Molotov alle relevanten Entscheidungen vorzulegen. Lediglich bei rasch zu fällenden Beschlüssen erging die Korrespondenz des sowjetischen Außenministeriums direkt an Stalin. Darüber hinaus wurden die Bestände des sowjetischen Außenministeriums (vor allem der Österreich-Abteilung für die Jahre 1945 bis 1955 und des Molotov-Bestandes 1945 bis 1949) herangezogen. Für das letzte Kriegs- bzw. erste Besatzungsjahr wurden zudem die teilweise geöffneten Bestände des Archivs des russischen Verteidigungsministeriums (CAMO) in Podol’sk verwendet. Eine Auswahl an Dokumenten aus dem Archiv des ehemaligen KGB (CA FSB RF) und aus dem ehemaligen ZK-Archiv (RGANI) ergänzten die wichtigsten Quellenbestände.

Mit der Etablierung der Provisorischen Österreichischen Staatsregierung unter Karl Renner, die auf dem Feigenblatt-Prinzip der Drittelparität aller drei zugelassenen »antifaschistischen« Parteien (ÖVP, SPÖ und KPÖ) beruhte, hatte Stalin erhofft beabsichtigt Österreich, ähnlich den anderen von der Roten Armee besetzten Ländern Osteuropas, auf den Weg zu einer Volksdemokratie zu bringen. Es war ein illusorischer Versuch. Die KPÖ sollte an einer Partnerschaft mit den Koalitionspartnern in der Regierung, ÖVP und SPÖ, so lange festhalten, bis sie die Massen der Bevölkerung auf ihre Seite gezogen hätte. Renners prosowjetisches Auftreten wurde sehr früh als unehrlich erkannt, doch ließ ihm die sowjetische Besatzungsmacht in seiner Tätigkeit dennoch freie Hand. Die provisorische Regierung sollte unter keinen Umständen von innen gesprengt werden, um den Anschein einer von den Sowjets unabhängig agierenden Regierung aufrechtzuerhalten, selbst als die KPÖ die Sowjets warnte, Renner betreibe eine Untergrabung des Schlüsselressorts Innenministerium, um eine Staatspolizei zu seiner Verfügung zu schaffen. Auch in Österreich war es aus sowjetischer Sicht zunächst die wichtigste Aufgabe, das Land von den Nationalsozialisten zu säubern, auch wenn dies vorerst in hohem Maß den Österreichern selbst überlassen wurde. Die Entnazifizierung stellte zweifelsohne eines der Grundziele der sowjetischen Politik in Österreich nach 1945 dar. Im Gegensatz zu den ostmittel- und osteuropäischen Nachbarn Österreichs wurden die Maßnahmen zur Entnazifizierung nicht mit einer brutalen Repression gegen alle Oppositionelle verknüpft. 

Vor Kriegsende 1945 schien sich mit Karl Renner der geradezu ideale Weichensteller für eine volksdemokratische Zukunft Österreichs anzubieten. Renner erschien geeignet, die Hoffnungen des Kremls umsetzen zu können. Eine »Nationale Volksfront« benötigte einen starken Führer, der das nötige Ansehen hatte, um alle Kräfte vereinen zu können. Stalin aber täuschte sich in Renner. Das »Schlitzohr« ließ keine sowjetische »Marionette« aus sich machen und stellte die Weichen für eine stabile Zweite Republik Österreich. In Österreich bzw. in der sowjetischen Besatzungszone Österreichs wurde die nächste Phase der Sowjetisierung nicht eingeleitet. Die Rote Armee erhielt nie Befehle, zugunsten der KPÖ einzugreifen. Terror und Verfolgungen wie in den späteren Ostblock-Staaten blieben in Österreich aus. Selbst Finnland war nach 1944 aus Moskaus Sicht nicht mehr der Mühe wert, es unter möglicherweise hohen militärischen Verlusten wie im Winterkrieg 1939/40 gewaltsam zur Volksdemokratie zu »bekehren«. Österreich war für den Kreml noch unwichtiger. Wegen Österreich, das nunmehr unter den Prämissen der amerikanischen »Containment«-Politik auf keinen Fall den Sowjets in die Hände fallen sollte, konnte und wollte Stalin keinen Dritten Weltkrieg riskieren. Wie Finnland sollte auch Österreich der Sowjetunion freundlich und friedlich gesinnt sein. Eine gewaltsame Sowjetisierung war während des Krieges und unmittelbar danach für kein von der Roten Armee besetztes Land geplant, schon gar nicht für Österreich. 

Die Bilder der Amtsübernahme der Provisorischen Österreichischen Staatsregierung vom 29. April 1945 erregten auf Seiten der Westmächte tiefstes Misstrauen und Unbehagen. Die Westmächte waren nicht bereit, diese österreichische »Marionettenregierung« Stalins anzuerkennen. Stalin hatte aber zunächst in Bezug auf die Nachkriegsplanungen zu Österreich seine Position durchgesetzt. Österreich entstand als kleiner Staat wieder, der vierfach besetzt wurde. Stalin hielt sich an alle Vereinbarungen und unterstützte auch nicht die Forderungen Titos nach einer eigenen jugoslawischen Besatzungszone in Südösterreich. Die einzige Ausnahme bildete sein einseitiges Vorgehen bei der Regierungsbildung. Die Frage des Regierungsaufbaus war von den Alliierten in der EAC in London nicht ernsthaft diskutiert worden. 

Was bewegte Stalin Karl Renner aus der Versenkung zu holen? War es das Auftauchen von Fritz Molden und Ernst Lemberger, die im März 1945 bei den Sowjets in Paris vorsprachen und die Regierungspläne des Provisorischen Österreichischen Nationalkomitees (POEN), des politischen Arms der Widerstandsbewegung »O5«, die angeblich von den Amerikanern unterstützt wurden, darlegten? Verstärkte dies Stalins Misstrauen gegenüber den Westalliierten? Dies ist anzunehmen. Ein endgültiger Beweis steht jedoch noch aus. Das Verhältnis zu den Westmächten war wohl schon zu diesem Zeitpunkt vom Misstrauen Stalins und von seiner Furcht geprägt, sie könnten sich auf einen Separatfrieden mit NSDeutschland einlassen. Verleiteten Stalin angebliche, nicht wahre westliche Pläne zur Bildung einer österreichischen Regierung zu seinem einseitigen Vorgehen? Was gab für Stalin den Ausschlag, die Initiative in der Frage der Regierungsbildung noch vor Einnahme Wiens zu übernehmen? Wollte er den Westalliierten zuvorkommen und eine prowestliche Regierung verhindern? War dies der Impuls, dass sich Stalin nun erstmals Gedanken zu Österreich machte, seine Wahl auf Karl Renner fiel und er ihn suchen ließ? Spätere Aussagen Molotovs, die sowjetische Führung hätte sich schon vorzeitig entschieden, »Österreich nicht anzurühren«, deuten auf eine Ad-hoc-Entscheidung Stalins hin. Für Stalin schien dies eine ideale Ausgangssituation zu sein. Er konnte nun den Alliierten melden, dass Renner erschienen war und sich bereit erklärt hatte, eine provisorische Regierung zu bilden. Die Westmächte, allen voran der Exponent der amerikanischen Diplomatie, George Kennan, Botschafter in Moskau, erkannte das allzu schemenhafte Vorgehen des Kremls. Der Westen war fortan nicht mehr bereit, einseitige Handlungen Moskaus in Österreich zu dulden. Dennoch unterstützte Stalin weiterhin unbeirrt Renner und ließ ihn fast nach Belieben walten. Gegen die Notwendigkeit eines »Impulses« für das einseitige Vorgehen Stalins spricht jedoch die Tatsache, dass Stalin stets geschickt kalkulierte und auslotete, wie weit er gehen konnte. Just zu dieser Zeit starb am 12. April 1945 der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, mit dem es der Kreml, wie Molotov später einmal sagte, »leichter hatte«. Trotz allem, Stalin setzte weiter auf Renner und ließ ihm alle Freiheiten eines Regierungschefs, auch wenn schon frühzeitig Renners unehrliches Verhalten gegenüber den Sowjets erkannt wurde und sich die Kommunisten in der provisorischen Regierung nicht etablieren konnten. Es stellt sich dennoch die Frage, ob Stalin nur deshalb in Österreich einseitig vorging, um dem Westen zuvorzukommen und eine prowestliche österreichische Regierung zu verhindern. Vermutlich nicht. Beide Varianten schließen einander jedoch nicht aus. Stalin wäre höchstwahrscheinlich ohnedies einseitig vorgegangen. Das Auftreten Moldens und Lembergers dürften seine Entscheidungsfindung in Bezug auf Österreich bekräftigt haben. Österreich spielte in Stalins sicherheitspolitischem Denken ohnedies nur die Rolle eines zur Schwächung Deutschlands abgetrennten, wiedererrichteten Staates mit dem Auftrag, in der Folge keine sowjetfeindliche Politik zu betreiben. Wie schnell sich Österreich auch gegenüber der Sowjetunion emanzipieren würde, konnten die Sowjets noch nicht ahnen. Die Erwartungen für die Novemberwahlen 1945 dürften aus sowjetischer Sicht wenigstens bis zu den Wahlen in Ungarn nicht gering gewesen sein, erst unmittelbar vor den Wahlen hatten zumindest die in Wien stationierten Diplomaten erkannt, dass die KPÖ auf verlorenem Posten stand. Im November 1945 erlitt die KPÖ ein vernichtendes Wahldesaster. 

Mit den Wahlen zerplatzten die illusorischen Hoffnungen des Kremls wie eine Seifenblase. Moskau ließ der neuen österreichischen Regierung unter Leopold Figl (ÖVP) bei der Regierungsbildung freiere Hand als der ungarischen, wo eine härtere Gangart eingeschlagen wurde und Stalin immer weniger Rücksicht auf die Alliierten nehmen musste. Der östliche Nachbar war immerhin zur Gänze von der Roten Armee besetzt. Die KPÖ wurde massiv unterstützt, seriösere Destabilisierungsversuche der politischen Landschaft Österreichs können jedoch kaum als Indizien für einen von Moskau ernsthaft gewollten Machtumschwung zugunsten der KPÖ nach 1946 gewertet werden. Die wirtschaftliche Exploitationspolitik der sowjetischen Besatzungszone wurde in der Folge verstärkt. Ende 1946 im sowjetischen Außenministerium diskutierte Neuwahlen konnten freilich nicht herbeigeführt werden. ÖVP und SPÖ verfolgten in den prinzipiellen Fragen dieselbe politische Zielsetzung: gemeinsam gegen ein kommunistisches Österreich. Stalin zog 1946 die letzten Regimenter der Grenztruppen des NKVD, denen in den Ländern Osteuropas eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung von Sowjetisierungsmaßnahmen zukam, aus Österreich ab.

1947 musste die Sowjetmacht eingestehen, dass ihre Politik in Österreich auf allen Linien versagt hatte. In allen Lebensbereichen setzte sich der »Westen«, der die freie Welt und Konsumgesellschaft verkörperte, zunehmend in der österreichischen Bevölkerung, auch in der sowjetischen Besatzungszone, durch. Die sowjetische Propaganda, die die klassenlose Gesellschaft und das friedliebende Wesen der UdSSR predigte, stand auf verlorenem Posten. Lange Zeit als von Moskau gesteuerte Umsturzversuche gewertete Manöver (»Figl-Fischerei«), angebliche Putschversuche (Oktober 1950) etc. standen zu keiner Zeit im Einklang mit den Intentionen des Kremls, im Gegenteil, sie können nunmehr endgültig als nicht von Moskau gesteuerte Aktionen der KPÖ widerlegt werden. Lagen dem Verhandlungsfortschritt in der Frage des österreichischen Staatsvertrages seitens der UdSSR anfänglich u. a. noch ernsthafte Sorgen um die bedingungslose Entnazifizierung des Landes zugrunde, zeigt sich nun, dass Stalin zumindest bis zum Sommer 1949 tatsächlich bereit war, den Staatsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Ende 1949 lag jedoch ein Abschluss des österreichischen Staatsvertrages nicht mehr im Interesse Stalins. Der Kreml-Chef willigte in eine weitere Verhandlungsrunde Ende 1949 in New York nur deshalb ein, weil die Positionen zu festgefahren waren und ohnedies kein Vertragsabschluss zu erwarten war. Als die Westmächte die sowjetische Delegation in den Verhandlungen überrumpelte und ein Vertragsabschluss plötzlich im Raum stand, wurde Stalin quasi um die Direktive gebeten, die Verhandlungen abzubrechen, um sich nicht selbst des Argumentes, auch weiterhin sowjetische Truppen in Rumänien und Ungarn stationiert zu lassen, zu berauben. Stalin vermutete im Verhalten der Westmächte eine offen zur Schau gestellte Unterstützung für Tito und erteilte die Direktive, die nächste sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um die Staatsvertragsverhandlungen abzubrechen, die Schuld jedoch den Westmächten aufzubürden. Der Westen konnte durch Propagierung der »Erbsenschuld« jedoch geschickt die Schuld den Sowjets in die Schuhe schieben. Moskau konnte sich in eine diplomatische Verschnaufpause retten und in der Folge zu Recht auf die Nichterfüllung des italienischen Friedensvertrages durch die Westmächte in der Triest-Frage verweisen. Die Triest-Frage war jedoch nur Mittel zum Zweck. Stalin war nicht mehr bereit, die sowjetischen Truppen aus Ostösterreich abzuziehen. 

Die Sowjetmacht richtete sich in der Folge auf eine längere Präsenz in Österreich ein, ohne jedoch Maßnahmen zu ergreifen, Ostösterreich in den sowjetischen Orbit einzubeziehen. Österreich war ein Legitimationsmittel zur Konsolidierung des »Ostblocks« (Recht auf die Truppenpräsenz in Ungarn und Rumänien). Im Herbst 1951 vernahm die Außenpolitische Kommission des ZK der VKP (b) (ab 1952 KPdSU), dass die sowjetische Position sogar in den einstigen Hochburgen der USIA-Betriebe infolge der Unterwanderung westlicher Propaganda ernsthaft geschwächt war. Das Politbüro verabschiedete einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung des sowjetischen Einflusses. In der Folge wurde der Parallelismus der sowjetischen Administration in Österreich aufgehoben und der militärische Apparat den Stellen der SČSK unterstellt. Zeitgleich gab Stalin der KPÖ-Führung die »Empfehlung«, nicht den Weg zu einer Massenpartei zu beschreiten, sondern auf »Qualität« zu achten. In Österreich sollte kein weiterer Krisenherd entstehen. Ein »friedlicher Übergang« zum Sozialismus war in Österreich nicht realistisch. Sowjetische Überlegungen zur Teilung Österreichs sind nach heutigem Wissensstand auszuschließen. Das Eintreten für die Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs in seinen Grenzen der Zwischenkriegszeit blieb stets, auch nach Stalins Tod, ein Mittel der Schwächung Deutschlands bzw. ab 1949 der NATO.  Die Jahreswende 1951/52 stellte eine Zäsur in der sowjetischen ÖsterreichPolitik dar. Die Initiative zur »Festigung des sowjetischen Einflusses« ging von Molotov aus, der im Hintergrund nach wie vor die Fäden zog[121] und vielleicht nunmehr Hoffnungen hegte, Österreich »demokratisieren« zu können. In diesem Licht erscheinen die späteren, widersprüchlich anmutenden Äußerungen Molotovs nicht mehr völlig gegensätzlich. Einerseits hatten sich die Sowjets 1945 nicht einer »unvorbereiteten Angelegenheit« annehmen und diese »verkomplizieren«,[122] andererseits (1945 bis 1951/52) sich nicht in ein »Abenteuer« mit den Westmächten einlassen können, wie es Molotov später bezeichnete.[123] 1952 war die Ausgangslage eine andere geworden. Weder der Westen noch Moskau waren nunmehr bereit, aus Österreich abzuziehen. Die Fronten hatten sich verhärtet, der Kalte Krieg in der Zeit des Spätstalinismus seinen Höhepunkt erreicht. Der Ostblock war gefestigter als je zuvor. 

Welche Schlussfolgerungen kann man für die sowjetische Österreich-Politik nach 1952 ziehen? Das wichtigste Kriegsziel des Kremls, Österreich nach dem Krieg klein und schwach zu machen, wurde verwirklicht. Strategisches Sicherheitsdenken in Bezug auf Österreich spielte nur insofern eine Rolle, als eine Sowjetisierung Ostösterreichs mehr Schaden als Nutzen gebracht hätte. Hier ergibt sich der wesentliche Unterschied zwischen der sowjetischen Deutschland- und Österreich-Politik. Hier: die forcierte Teilung und Sowjetisierung, dort: keine Teilung und keine Sowjetisierung. Beide Ziele basierten in erster Linie auf sowjetischen sicherheitspolitischen Interessen. Ein Anschluss Westösterreichs an Westdeutschland und damit an die NATO konnte aus sowjetischer Sicht nicht zugelassen werden. Im Falle der DDR war der Aufbau des Sozialismus in erster Linie Mittel zum Zweck. Sicherheitspolitische Ziele erfüllten hier freilich auch sowjetideologische, sie gingen Hand in Hand. Im Falle Österreichs konnte nicht nur, sondern es musste auf die ideologische Mission verzichtet werden. 1952 lehnte die UdSSR den von den Westmächten vorgeschlagenen, alles andere als österreichischen Interessen dienenden »Kurzvertrag« ab, um nicht die Aufmerksamkeit von der für sie primären deutschen Frage zu lenken. Die Österreichfrage war in dieser Zeit im Kreml insofern an die deutsche gekoppelt, als sie wohl kaum erfolgreich abgeschlossen werden durfte, um keine »Modellfalllösung« für Deutschland zu schaffen. Die Positionen waren erneut festgefahren, die Konsolidierung der DDR weiter fortgeschritten. Kurz vor Stalins Tod fand die letzte Runde der Staatsvertragsverhandlungen statt. Die Direktiven an die sowjetische Delegation ließen jedoch keinen Spielraum für einen Vertragsabschluss.

Nach dem Tod Stalins 1953 bewahrte die sowjetische Außenpolitik durch den wieder eingesetzten Außenminister Molotov die Kontinuität im Stalinschen Sinne. Trotz der Besatzungserleichterungen, die Österreich gewährt wurden, vergingen weitere zwei Jahre, bis am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere in Wien der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet werden konnte, gegen den Willen des eigenen Außenministers, wie es Nikita Chručšev später in seinen Memoiren festhielt. 1955 war die West-Integration der Bundesrepublik Deutschland soweit fortgeschritten, dass in Moskau die Alarmglocken läuteten, die auch den Beitritt West-Österreichs in die NATO verhießen, womöglich als Teil der Bundesrepublik.[124]Unter dem Deckmantel, einen neuen »Anschluss« zumindest von Teilen Österreichs an Deutschland verhindern zu müssen, trat Chruščev auf den Plan und setzte mit der Forcierung und Bereitschaft der Lösung der österreichischen Frage ein Zeichen der Entspannung im Ost-West-Konflikt. Die geographische Spaltung der NATO durch die Neutralen, Schweiz und Österreich, ergab zudem ein angenehmes »Nebenprodukt«.[125] Chruščev ließ mit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Österreich die Welt wissen, dass die Sowjetunion auch zu Konzessionen bereit war. Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war erheblich reduziert. Doch Molotov kam zur Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages in Wien direkt aus Warschau. Dort war am 14. Mai der Warschauer Pakt gegründet worden. Die UdSSR sicherte sich auch weiterhin ihr »Recht« auf eine Truppenstationierung in Ungarn und Rumänien.

 


[1] Der Beitrag beruht auf den im Zuge des am Ludwig Boltzmann-Institut für KriegsfolgenForschung, Graz, Wien, Klagenfurt durchgeführten und vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst geförderten österreichisch-russischen Forschungsprojektes »Die Rote Armee in Österreich 1945–1955« und stellt eine Zusammenfassung der die sowjetische Österreich-Politik bis 1953 betreffenden Beiträge der Autoren in der unlängst erschienenen gleichnamigen zweibändigen Publikation dar. Siehe hierzu Karner, Stefan/StelzlMarx, Barbara (Hrsg.): Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945–1955. Beiträge, Graz/Wien/München 2005. Siehe Karner, Stefan: Zu den Anfängen der sowjetischen Besatzung in Österreich 1945/46, in: Rauchensteiner, Manfried/Kriechbaumer, Robert

(Hrsg.): Die Gunst des Augenblicks. Neuere Forschungen zu Staatsvertrag und Neutralität, Wien/Köln/Weimar 2005, S. 139–185. Die Schlüsseldokumente der in der Folge zitierten Archivquellen sind abgedruckt in Karner, Stefan/Stelzl-Marx, Barbara/Tschubarjan, Alexander (Hrsg.): Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945–1955. Dokumente/Krasnaja Armija v Avstrii. Sovetskaja okkupacija 1945–1955, Graz/Wien/München 2005.

[2]  Im Sinne der Abtrennung Ostpreußens, Österreichs, nicht aber der Gründung eines zweiten deutschen Staates, der später als DDR entstand. Siehe Filitow, Alexej: Stalins Deutschlandplanung und -politik während und nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Meissner, Boris/Eisfeld, Alfred (Hrsg.): 50 Jahre sowjetische und russische Deutschlandpolitik sowie ihre Auswirkungen auf das gegenseitige Verhältnis, Berlin 1999, S. 43–54, hier S. 49; Filitov, Aleksej: Sowjetische Planungen zur Wiedererrichtung Österreichs 1941–1945, in: Karner/Stelzl-Marx: Die Rote Armee in Österreich (Anm. 1), S. 27–37; Kynin, G./Laufer, J.: SSSR i germanskij vopros. 22 ijunja 1941 g.–8 maja 1945 g./Die UdSSR und die deutsche Frage. 22. Juni 1941–8. Mai 1945. Bd. 1, Moskau 1996, S. 33, 38 u. 40.

[3]  Narinskij, M. M.: Sovetskaja vnešnjaja politika i Komintern 1939–1941 [Die sowjetische Außenpolitik und das Komintern 1939–1941], in: Čubarjan, A. O. (Hrsg.): Vojna i Politika 1939– 1941 [Krieg und Politik 1939–1941], Moskau 1999, S. 38–49, hier S. 43.

[4]  Stalin in einer Rede am 6. November 1941. Laufer, Jochen: Der Friedensvertrag mit Deutschland als Problem der sowjetischen Außenpolitik. Die Stalin-Note vom 10. März 1952 im Lichte neuer Quellen, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 52 (2004) H. 1, S. 99–118, hier S. 103 f.

[5]  Wettig, Gerhard: Stalins Deutschland-Politik 1945–1949 vor dem Hintergrund seines Vorgehens im Osten Europas, in: Creuzberger, Stefan/Görtemaker, Manfred (Hrsg.): Gleichschaltung unter Stalin? Die Entwicklung der Parteien im östlichen Europa 1944–1949. Paderborn u. a. 2002, S. 15–44.

[6]  O’Sullivan, Donal: Stalins »Cordon sanitaire«. Die sowjetische Osteuropapolitik und die Reaktionen des Westens 1939–1949, Paderborn u. a. 2003, S. 235 u. 317.

[7] Stourzh, Gerald: Um Einheit und Freiheit: Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-WestBesetzung Österreichs 1945–1955 (= Studien zu Politik und Verwaltung, Bd. 62), 4., völlig überarb. u. erw. Aufl. Graz/Wien/Köln 1998, S. 16. Zu den amerikanischen Österreich-Planungen Bischof, Günter: Between Responsibility and Rehabilitation: Austria in International Politics 1940–1950 (Disseration), Cambridge/Mass. 1989, S. 14–25.

[8]  Auch eine Militärpräsenz in Westungarn war demnach Anfang Februar nicht in Erwägung gezogen worden. Filitov, Aleksej: Die sowjetischen Planungen zu Österreich 1941 bis 1945, in: Karner, Stefan/Stangler, Gottfried: »Österreich ist frei!«. Der österreichische Staatsvertrag. Begleitband zur Ausstellung auf Schloss Schallaburg, Horn/Wien 2005, S. 5–8.

[9]  Laufer, Jochen: Die UdSSR und die Zoneneinteilung Deutschlands (1943/44), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 (1995), S. 309–331, hier S. 329 f. Zur sowjetischen Position bei den Verhandlungen um die Besatzungszonen in Österreich siehe Archiv vnešnej politiki Rossijskoj Federacii/Archiv der Außenpolitik der Russischen Föderation (im Folgenden: AVP RF), f. 07, op. 10, p. 13, d. 159, Bl. 77–84.

[10]  Bischof, Günter: Die Planung und Politik der Alliierten 1940–1954, in: Steininger, Rolf/ Gehler, Michael (Hrsg.): Österreich im 20. Jahrhundert. Vom Weltkrieg bis zur Gegenwart.

Bd. 2, Wien/Köln/Weimar 1997, S. 107–146, hier S. 112.

[11]  Volokitina, T. V.: Stalin i smena stratičeskogo kursa Kremlja v konce 40-ch godov: ot kompromissov k konfrontacii [Stalin und die Änderung des strategischen Kurses des Kreml Ende der 40er Jahre: von Kompromissen zur Konfrontation], in: Čubar’jan, Aleksandr (Hrsg.): Stalinskoe desjatiletie cholodnoj vojny [Stalins Jahrzehnt des Kalten Krieges], Moskau 1999, S. 10–22, hier S. 13. Unseres Erachtens handelt es sich jedoch nicht um eine »wichtige Klarstellung der während des Krieges entwickelten und wohl auch bei Kriegsende gültigen sowjetischen Zukunftsvorstellungen von Österreich« (siehe Mueller, Wolfgang: Sowjetbesatzung, Nationale Front und der »friedliche Übergang« zum Sozialismus: Fragmente sowjetischer Österreich-Planung 1945– 1955, in: 200 Jahre Russisches Außenministerium (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Bd. 50), Wien 2003, S. 139 f.) sondern eher um den Ausdruck einer Wunschvorstellung. Im Falle Ungarns hatte Stalin mit erheblichem Interesse seitens der Westmächte für das Land gerechnet. Sein Handeln basierte lange Zeit auf den Vereinbarungen des »Prozentabkommens« (in Ungarn 50-50-Prozent-Einfluss zugunsten der UdSSR und Großbritanniens). 

[12]  Siehe dazu Molden, Fritz: Fepolinski & Waschlapski. Auf dem berstenden Stern. Wien/München/Zürich 1976, S. 352–354. Rauchensteiner, Manfried: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Neuaufl. Graz/Wien/Köln 1995, S. 68.

[13]  Siehe Aichinger, Wilfried: Sowjetische Österreichpolitik 1943–1945. Materialien zur Zeitgeschichte. Bd. 1, Wien 1977, S. 160 f.

[14]  Dimitrov an Stalin vom 6. April 1945, in: Rossijskij gosudarstvennyj archiv social’nopolitičeskoj Istorii/Russisches Staatsarchiv für sozial-politische Geschichte (im Folgenden: RGASPI), f. 495, op. 74, d. 25, Bl. 7 f.

[15]  Molden: Fepolinski & Waschlapski (Anm. 12), S. 354 f. Die Berichterstattung über den von Major Szokoll geplanten Aufstand kann nunmehr auch mit sowjetischen Quellen belegt werden. Bericht des Kommandierenden der 9. Garde-Armee an den Chef des Generalstabes der Roten Armee über den in Wien vorbereiteten Aufstand, in: Central’nyjarchiv Ministerstva oborony Rossijskoj Federacii/Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (im Folgenden: CAMO), f. 243, op. 2912, d. 146, Bl. 118–120. 

[16]  Štemenko, S. M.: General’nyj štab v gody vojny [Der Generalštab in den Kriegsjahren], Moskau 1974, S. 356. Stalin hatte Renner nie persönlich kennen gelernt, jedoch seine Veröffentlichungen zur Nationalitätenfrage in der österreichisch-ungarischen Monarchie auf Grund seines »Forschungsaufenthaltes« in Wien 1912/13 gelesen.

[17]  Ebenda. 

[18]  Generaloberst Béla Miklós wechselte im Oktober 1944 auf die Seite der Sowjets. Seine Aufrufe an die Truppen, die Kämpfe einzustellen, blieben jedoch wirkungslos. Rainer, János M.: Der Weg der ungarischen Volksdemokratie. Das Mehrparteiensystem und seine Beseitigung

[19]  Banac, Ivo (Hrsg.): The Diary of Georgi Dimitrov 1933–1949, New Haven/London 2003, S. 365.

[20]  Direktive der Stavka vom 2. April 1945, in: CAMO, f. 148a, op. 3763, d. 212, Bl. 10 f.; Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 491.

[21]  RGASPI, f. 495, op. 74, d. 25, Bl. 1 f. Siehe Lebedeva, Natal’ja: Österreichische Kommunisten im Moskauer Exil. Die Komintern, die Abteilung für internationale Information des ZK der VKP (b) und Österreich 1943–1945, in: Karner/Stelzl-Marx: Die Rote Armee in Österreich (Anm. 1), S. 39–60.

[22]  Chiffretelegramm Nr. 167376/š vom 4. April 1945. Tolbuchin an Stalin, in: CAMO, f. 48, op. 3411ss, d. 196, Bl. 309–311.

[23]  Molotov oder Mikojan gegenüber Schärf im April 1955 in Moskau, in: ebenda. Nasko, Siegfried: Zur Rolle Dr. Renners im April 1945, in: Ders. (Hrsg.): Gedenkraum 1945. Hier entstand Österreich wieder. Katalog zu »Gedenkraum 1945«. Wien/Wiener Neustadt/Hochwolkersdorf 1981, S. 22. 

[24]  Chiffretelegramm Nr. 29904/š vom 4. April 1945. Stalin an Tolbuchin, in: CAMO, f. 243, op. 2912, d. 146, Bl. 113 f.

[25]  Mueller: Sowjetbesatzung (Anm. 11), S. 148 f. Mueller vermutet, dass die Sowjets »nur nach irgendeinem potentiellen Staatsoberhaupt Ausschau gehalten« hätten. Diese Deutung ist u. E. nicht schlüssig und unrichtig. Im nun zugänglichen Schriftverkehr zwischen Stalin und Tolbuchin bzw. Želtov finden sich keine Hinweise über Alternativen seitens Stalins. Sehr wohl aber wurden die Ministerkandidaten diskutiert.

[26]  Siehe dazu etwa die Rolle des Gheorghe Tatarescu in Rumänien. O’Sullivan, Stalins »Cordon sanitaire« (Anm. 6), S. 250, 302 u. 308.

[27]  Aichinger: Sowjetische Österreichpolitik (Anm. 13), S. 127 f.

[28]  Nasko: Zur Rolle Dr. Renners im April 1945 (Anm. 23), S. 23 u. 340; Aichinger: Sowjetische Österreichpolitik (Anm. 13), S. 125. In der Berichterstattung Tolbuchins und Želtovs an Stalin finden sich jedoch, was keineswegs verwundert, keine Hinweise auf Renners Ablehnung. CAMO, f. 243, op. 2912, d. 146, Bl. 123–125.

[29]  Dallin, David J.: Stalin, Renner und Tito. Österreich zwischen drohender Sowjetisierung und den jugoslawischen Gebietsansprüchen im Frühjahr 1945, in: Europa-Archiv 1958, H. 13–17, S. 11030–11034. Am 12. Mai antwortete Stalin Renner und sicherte ihm zu, dass es auch seine Sorge sei, »Österreich in seiner Gänze zu bewahren«. Der telegrafierte Brief wurde Renner von Marschall Tolbuchin ausgehändigt. AVP RF, f. 066, op. 25, p. 119, d. 10, Bl. 1.

[30]  »Es war nicht leicht, in den begeisterten Auslassungen Renners über die Befreiungsmission der Roten Armee Aufrichtigkeit von eigennütziger Schmeichelei zu trennen.« Štemenko: General’nyj štab (Anm. 16), S. 414.

[31]  CAMO, f. 48, op. 3411, d. 196, Bl. 315–319.

[32]  Semenov und Štemenko an Tolbuchin, Chiffretelegramm Nr. 11070 vom 17. April 1945, in: CAMO, f. 148a, op. 3763, d. 213, Bl. 84.

[33]  Koptelov an Dekanozov über die Bildung der Provisorischen Regierung vom 19. April 1945, in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 7, Bl. 1–5.

[34]  Siehe hierzu Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), Bl. 68–73; Portisch, Hugo: Am Anfang war das Ende. Österreich II. Die Geschichte Österreichs vom 2. Weltkrieg bis zum Staatsvertrag. Bd. 1, München 1993, S. 229–235.  

[35]  Gesprächsnotitz M. Koptelovs vom 11. Mai 1945, in: AVP RF, f. 06, op. 7, p. 26, d. 322, Bl. 14 f. Der Einflussbereich der Regierung Renner beschränkte sich auf das Gebiet der 3. Ukrainischen Front.

[36]  CAMO, f. 48, op. 3411ss, d. 196, Bl. 370–372.

[37]  CAMO, f. 275, op. 353761, d. 1, Bl. 866. Im Kabinettsrat erstattete Renner davon nur einen abgeschwächten Bericht. Siehe dazu Enderle-Burcel, Gertrude/Jeřábek, Rudolf/Kammerhofer, Leopold (Hrsg.): Protokolle des Kabinettsrates der Provisorischen Regierung Karl Renner 1945. Bd. 1, Horn/Wien 1995, S. 357.

[38]  Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 73 f.; Cronin, Audrey Kurth: Great Power Politics and the Struggle over Austria 1945–1955, Ithaca/New York 1986, S. 31. De jure erkannte auch die UdSSR die Provisorische Regierung Renner erst am 20. Oktober 1945 nach der Empfehlung des Alliierten Rates vom 1. Oktober an. AVP RF, f. 66, op. 26, p. 32, d. 24, Bl. 3.

[39]  Bericht von Oberstleutnant Merkulov vom 11. Mai 1945, in: CAMO, f. 243, op. 2914, d. 268, Bl. 12–14. 

[40]  AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 7, Bl. 64–69.

[41]  Ebenda.

[42] Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Lavrov, Mitarbeiter der 3. Europäischen Abteilung, und Oberst Piterskij vom 24. Mai 1945, in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 8, Bl. 10 f.

[43]  Bericht des Chefs der Propagandaabteilung der SČSK, Pasečnik, an den stellvertretenden Hochkommissar, Želtov, nicht nach dem 23. November 1945, in: Central’nyj archivFederal’noj služby bezopasnosti Rossijskoj Federacii/Zentralarchiv des FSB der Russischen Föderation (im Folgenden: CA FSB RF), f. 135, op. 1, d. 21, Bl. 100–113. 

[44]  Rathkolb, Oliver: Sonderfall Österreich? Ein peripherer Kleinstaat in der sowjetischen Nachkriegszeit 1945–1947, in: Creuzberger/Görtemaker: Gleichschaltung unter Stalin? (Anm. 5),

S. 353–373, hier S. 368; Bericht Lun’kovs an Dekanozov, in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, Bl. 61 f.; Befehl des Oberkommandierenden der CGV [Central’najaGruppa Vojsk, Zentrale Gruppe der Streitkräfte] Konev, über materielle Hilfe für die Österreichische Provisorische Regierung zum Wiederaufbau der Wiener Staatsoper in: CAMO, f. 275, op. 426039, d. 4, Bl. 13 f.

[45]  Gesprächsniederschrift Koptelovs, Wien vom 28. Dezember 1945, in: CAMO, f. 275, op. 174769s, d. 1, Bl. 262–264.

[46]  Koptelov an Smirnov vom 24. Dezember 1945, in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, Bl. 71–73; Kiselev an Molotov vom 26. Januar 1946, in: AVP RF, f. 066, op. 26, p. 121, d. 10, Bl. 20; Memorandum E. Kiselevs »Die politische Lage in Österreich und die Aufgaben unserer Politik« vom 4. Juni 1946, in: AVP RF, f. 012, op. 7, p. 101, d. 80, Bl. 41; Bericht des Leiters der Propagandaabteilung der SČSK, Pasečnik vom Mai 1946; in: RGASPI, f. 17, op. 125, d. 392, Bl. 62 u. 73; Bericht Pasečniks an Suslov. Wien vom August 1946, in: RGASPI, f. 17, op. 128, d. 117, Bl. 30.

[47]  Deklaration der ersten Sitzung des Kominform, Protokoll der ersten Sitzung, in: Federal´naja archivnaja služba Rossii/Rossijskij centr chranenija i izučenija novejšej istorii u. a. (Hrsg.): Soveščanija Kominforma 1947, 1948, 1949 [Die Sitzungen des Kominform 1947, 1948, 1949], Moskau 1998, S. 243 u. 664. 

[48]  Gerhard Wettig zieht aus der Niederlage der KPÖ den Schluss, der Ausgang der Wahlen sei für Moskau eine Überraschung gewesen, und interpretiert den Wahlausgang als Auslöser für die eigentlich erst für später vorgesehene, schließlich aber vorgezogene Zwangsvereinigung der KPD mit der SPD. Wettig: Stalins Deutschland-Politik (Anm. 5), S. 33. Ähnlich Rolf Steininger, der das »Österreich-Syndrom« als Mitgrund der Forcierung der Zwangsvereinigung sieht. Steininger, Rolf: Deutsche Geschichte. Darstellung und Dokumente in vier Bänden. Bd. 1: 1945–1947, Frankfurt a. M. 2002, S. 174. Aleksej Filitovhingegen argumentiert nachvollziehbar, dass Stalin die Forcierung bereits früher beschlossen hatte, was einen engeren Zusammenhang mit den Wahlen in Österreich ausschließt. Zur Sowjetisierung der SBZ selbst muss sich Stalin zwischen Ende Mai und Anfang Juli 1945, also vor der Potsdamer Konferenz, entschieden haben. Siehe dazu Filitov, Aleksej M.: SSSR i germanskij vopros: Povorotnye punkty (1941–1961gg.) [Die UdSSR und die deutsche Frage: Wendepunkte (1941– 1961)], in: Egorova, N. I./Čubar’jan, A. O.: Cholodnaja Vojna 1945–1963gg. Istoričeskaja retrospektiva. Sbornik statej [Der Kalte Krieg 1945–1963. Eine historische Retrospektive. Beitragsband], Moskau 2003, S. 223–256, hier S. 231 f.

 

[49] AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 3, Bl. 29. 

 

[50] Bericht des Assistenten des Chefs der Hauptverwaltung für Gegenspionage SMERŠ, Roza-nov, an Želtov vom 21. Oktober 1945, in: CA FSB RF, f. 135, op. 1, d. 23, Bl. 36 f. 

 

51        [51] AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 324, Bl. 20 f. Zur KPÖ siehe Gärtner, Heinz: Zwischen Mos-kau und Österreich. Die KPÖ – Analyse einer sowjetabhängigen Partei. Wien 1979, S. 93. Beer, Siegfried: Wien in der frühen Besatzungszeit. Erkundungen des US-Geheimdienstes OSS/SSU im Jahre 1945. Eine exemplarische Dokumentation, in: Opll, Ferdinand/Fischer, Karl (Hrsg.): Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Bd. 51, Wien 1995, S. 35–92, hier S. 83. 

 

[52]  AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 2, Bl. 71–73.

[53]  Memorandum E. Kiselevs »Die politische Lage in Österreich und die Aufgaben unserer Politik« vom 4. Juni 1946, in: AVP RF, f. 012, op. 7, p. 101, d. 80, Bl. 40–43. Eine Kopie des Dokuments befindet sich im Bruno-Kreisky-Archiv. Karl Gruber wurde bereits nach den Novemberwahlen von sowjetischen Diplomaten als »offener amerikanischer Agent« beurteilt. Bericht G. Dzjubenkos über die neuen Regierungsmitglieder o. D., in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 8, Bl. 55.

[54]  AVP RF, f. 06, op. 8, p. 22, d. 312, Bl. 4–8. Das Ziel der Wiederherstellung Österreichs als unabhängigen Staat beinhaltet jedoch noch nicht explizit ein Beuterecht. Karner: Zu den Anfängen (Anm. 1), S. 139–185. Anders bei Rathkolb: Sonderfall Österreich? (Anm. 44), S. 256 f., der bereits aus Stalins Wiederherstellungsplänen 1941 ein angedachtes Beuterecht ableitet. Siehe auch Klambauer, Otto: Die USIA-Betriebe (Dissertation), Wien 1978, hier S. 18. Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 180–184. Der Befehl Nr. 17 wurde auf den 27. Juni 1946, d. h. auf den Vortag der Unterzeichnung des Zweiten Kontrollabkommens, rückdatiert. Rathkolb, Oliver: Historische Fragmente und die »unendliche Geschichte« von den sowjetischen Absichten in Österreich 1945, in: Ableitinger, Alfred/Beer, Siegfried/Staudinger, Eduard (Hrsg.): Österreich unter alliierter Besatzung 1945–1955, Wien 1998, S. 137–158, hier S. 52.

[55]  AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 7, Bl. 204–208; Kiselev an Vyšinskij. Wien vom 4. Dezember 1945, in: AVP RF, f. 066, op. 25, p. 118a, d. 3, Bl. 18 f.; Pavlenko, Ol’ga: Österreich im Kraftfeld der sowjetischen Diplomatie 1945, in: Karner/Stelzl-Marx: Die Rote Armee in Österreich (Anm. 1), S. 565–601. Auch vor dem Austritt aus der Regierung im November 1946 holte das ZK der KPÖ die Erlaubnis dazu in Moskau ein. AVP RF, f. 012, op. 7, p. 101, d. 80, Bl. 90.

[56]  O’Sullivan: Stalins »Cordon sanitaire« (Anm. 6), S. 400.

[57]  Kurzannotation zum Abschlussbericht der Militärabteilung des sowjetischen Teils der Alliierten Kommission für Österreich 1947, in: AVP RF, f. 66, op. 26, p. 32, d. 29, Bl. 15.

[58]  AVP RF, f. 66, op. 26, p. 32, d. 29, Bl. 25–30.

[59]  Mueller, Wolfgang: »Die Kanonen schießen nicht… Aber der Kampf geht weiter«. Die Propaganda der sowjetischen Besatzungsmacht in Österreich im Kalten Krieg, in: Karner/StelzlMarx: Die Rote Armee in Österreich (Anm. 1), S. 339–362.

[60]  AVP RF, f. 66, op. 26, p. 32, d. 29, Bl. 29 f. Zur Entstehung des Zweiten Kontrollabkommens siehe neuerdings Mueller, Wolfgang: Anstelle des Staatsvertrages: Die UdSSR und das Zweite Kontrollabkommen 1946, in: Rauchensteiner/Kriechbaumer: Die Gunst des Augenblicks (Anm. 1).

[61]  Siehe Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 204–206. Michael Gehler, »…this nine days wonder«? Die »Figl-Fischerei« von 1947 eine politische Affäre mit Nachspiel, in: Gehler Michael/Sickinger, Hubert (Hrsg.): Politische Affären und Skandale. Thaur/Wien/München 1995, S. 346–381.

[62]  Charakteristik Ernst Fischers, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 117, Bl. 22 f. 

[63]  Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 213. Die von langer Hand von der Regierung vorbereitete »Reorganisation« der Staatspolizei mit dem Ziel, sich der Kommunisten zu entledigen, wurde vom sowjetischen Nachrichtendienst bei der SČSK genau beobachtet. Bereits Ende 1946 hatten die Sowjets vernommen, dass Figl eine Versetzung Dürmayrs »in die englische oder amerikanische Zone« plante, was schließlich zur Verhaftung durch diese führen sollte. Bogdanov an stellvertretenden Hochkommissar vom 17. Dezember 1946, in: CA FSB RF, f. 135, op. 1, d. 23, Bl. 257–267; Bogdanov an den MGB der UdSSR vom 9. September 1947, in: CA FSB RF, f. 4, op. 5, d. 870, Bl. 172–181

[64]  Bericht Bogdanovs an den MGB vom 9. Juli 1947, in: CA FSB RF, f. 4, op. 5, d. 870, Bl. 172–181; Rauchensteiner; Der Sonderfall (Anm. 12), S. 287.

[65]  Bischof, Günter: »Prag liegt westlich von Wien«, in: Bischof, Günter/Leidenfrost, Josef (Hrsg.): Die bevormundete Nation. Österreich und die Alliierten 1945–1949 (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte. Bd. 4), Innsbruck 1988, S. 315–345, hier S. 334–337; Olah, Franz: Die Erinnerungen. Wien/München/Berlin 1995, S. 339–345. Knoll, Reinhold/Haidinger, Martin:

Spione, Spitzel und Agenten. Analyse einer Schattenwelt, St. Pölten 2001, S. 305–309.

 

[66] Bericht Bogdanovs an den MGB vom 9. Juli 1947, in: CA FSB RF, f. 4, op. 5, d. 870, Bl. 172–181.

 

[67] Siehe u. a. Narinsky, Mikhail: The Soviet Union, Finland and the Marshall Plan, in: Nevakivi, Jukka (Hrsg.): Finnish-Soviet Relations 1944–1948, Helsinki 1994, S. 80–99.

 

[68] Siehe Mähr, Wilfried: Der Marshallplan in Österreich, Graz 1989, S. 113; Lewis, Jill: Auf ei-nem Seil tanzen: Die Anfänge des Marshall-Planes und des Kalten Krieges in Österreich, in: Bischof, Günter/Stiefel, Dieter (Hrsg.): »80 Dollar«. 50 Jahre ERP-Fonds und Marshall-Plan in Österreich 1948–1998, Wien/Frankfurt a. M. 1999, S. 297–314, hier S. 304; Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 224 f. u. 232. Zu den Planungen der Alliierten, Österreich im Notfall ähnlich wie Berlin mit Lebensmitteln zu versorgen, siehe vor allem Schmidl, Erwin A. (Hrsg.): Österreich im frühen Kalten Krieg 1945–1958. Spione, Partisanen, Kriegspläne, Wien/Köln/Weimar 2000; zu den Planungen zum Bau von Flugplätzen in den westlichen Sektoren Wiens siehe Hufschmied, Richard: Wien im Kalkül der Alliierten (1948–1955). Maßnahmen gegen eine sowjetische Blockade, Wien/Graz 2002.

 

[69]  Bischof: »Prag liegt westlich von Wien« (Anm. 65), S. 315–345, hier S. 334.

[70]  Gesprächsnotiz A. A. Ždanovs vom 13. Februar 1948, in: RGASPI, f. 77, op. 3, d. 100, Bl. 1–16.

[71]  Siehe Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 151 u. 154 f.; Cronin, Audrey Kurth: Eine verpasste Chance? Die Großmächte und die Verhandlungen über den Staatsvertrag im Jahre 1949, in: Bischof/Leidenfrost (Hrsg.): Die bevormundete Nation (Anm. 65), S. 347–370.

[72]  L. Il’ičev an G. Malenkov vom 14. Juli 1949, in: RGASPI, f. 17, op. 118, d. 455, Bl. 238. Hinweise für eine sowjetische Abschlussbereitschaft finden sich mehrfach. Siehe dazu im Detail Ruggenthaler, Warum Österreich nicht sowjetisiert wurde. Sowjetische Österreich-Politik 1945– 1953/55, in: Karner/Stelzl-Marx: Die Rote Armee in Österreich (Anm. 1), S. 649-726. Rolf Steininger interpretiert den Sinneswandel Stalins, den österreichischen Staatsvertrag nun doch abschließen zu wollen, als Ausdruck der Hoffnungen, nunmehr die deutsche Frage lösen zu können. Steininger, Rolf: Der Staatsvertrag. Österreich im Schatten von deutscher Frage und Kaltem Krieg 1938–1955, Innsbruck 2005, S. 108.

[73]  Im Juni hatte der sowjetische Hochkommissar in Wien Fabriken angewiesen, »keine Aufträge mehr anzunehmen, deren Ausführung mehr als ein paar Monate benötigen würden.« Cronin: Eine verpasste Chance? (Anm. 71), S. 351 u. 363 f.

[74]  Vyšinskij an Stalin vom 21. August 1949, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 34; Politbürobeschluss Nr. P 70 (386) vom 23. August 1949, in: RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1077, Bl. 188–193.

 

[75]   Cronin: Eine verpasste Chance? (Anm. 71), S. 361.

[76]  Siehe hierzu Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 161–172. Rauchensteiner: Der Sonderfall (Anm. 12), S. 275 f.; Cronin: Eine verpasste Chance? (Anm. 71), S. 355 f.

[77]  Vyšinskij empfahl Stalin am 9. September 1949, weitere Verhandlungen nicht auszuschlagen. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 45.

[78]  A. Gromyko an Stalin vom 24. September 1949, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 69 f.; Anweisungen an Vyšinskij und Zarubin. A. Gromyko an Stalin vom 4. Oktober 1949, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1118, Bl. 68–73; Politbürobeschluss 71-op (237) vom 28. September 1949, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 41, Bl. 17 u. 21; Politbürobeschluss 71-op (324) vom 6. Oktober 1949, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 41, Bl. 22, 

[79]  Zwei Entwürfe von Berichterstattungen über die Verhandlungen in New York. Gromyko an Stalin, mit Ausbesserungen Molotovs vom 21. u. 22. Oktober 1949, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 90–97.

[80]  Arbeiter-Zeitung vom 20. Okotber 1949, S. 1.

[81]  RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 91 f. Somit bestätigt sich die Vermutung Cronins, dass Stalin Ende 1949 aus eben diesem Grund nicht bereit war, die Truppen aus Österreich zurückzuziehen. Cronin: Eine verpasste Chance? (Anm. 71), S. 365 f.

[82]  Politbürobeschluss P 71 (479)-op. des ZK der VKP (b) vom 24. Oktober 1949, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 42, Bl. 103.

[83]  Auf Befehl Stalins stellte die Rote Armee zur Versorgung Wiens vom 1. Juni bis 30. September 1945 Tausende Tonnen Lebensmittel zur Verfügung. Da es sich in erster Linie um Hülsenfrüchte handelte, verankerten sich die lange aufgeschobenen Warenkompensationen im Volksmund als „Erbsenschulden“. Die UdSSR erließ diese Schulden im Gegensatz zu den Westmächten nicht und beharrte auf einer Bezahlung.

[84]  »Am 26. Oktober 1949 […] hatte Truman tatsächlich die endgültige Entscheidung getroffen.« Cronin: Eine verpasste Chance? (Anm. 71), S. 361 f.; Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 175–179. Bericht über die Zugeständnisse der Westmächte von A. Gromyko an Stalin vom 16. Oktober 1949, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1118, Bl. 86–88.

[85]  Politbürobeschluss Nr. 72 (190) des ZK der VKP (b) vom 7. Januar 1950, in: RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1079, Bl. 43 u. 158.; RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 107–110.

[86]  Siehe dazu Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 267.

[87]  Gribanov an Vyšinskij zu den Vorschlägen Cinevs und Koptelovs vom 28. Februar 1950, in: AVP RF, f. 66, op. 29, p. 49, d. 11, Bl. 25–27.

[88]  Vyšinskij an Stalin vom 2. April 1950, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 146–148; Entwurf von Anweisungen für den sowjetischen Sonderbeauftragten für den österreichischen Staatsvertrag in London vom 2. April 1950, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1114, Bl. 150.

[89]  USIA = Upravlenie sovetskim imuščestvom v Avstrii (Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich) 

[90]  Lediglich in Wiener Neustadt griffen die Sowjets »zugunsten der Streikenden« ein. Gromyko legte dies in einem Bericht an Stalin als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dar. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1120, Bl. 92 f. Rauchensteiner: Der Sonderfall, (Anm. 12), S. 292 f.

[91]  Politbürobeschluss Nr. 78 (335) des ZK der VKP (b) vom 25. Oktober 1950, in: RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1085, Bl. 66 u. 188.

[92]  Grigor’jan an Molotov vom 11. August 1951, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1117, Bl. 29–31; Grigor’jan und Smirnov an Molotov vom 7. September 1951, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1117, Bl. 32–34.

[93]  Smirnov und Šatilov an das Politbüro des ZK der VKP (b) vom 17. Oktober 1951, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1117, Bl. 43–55.

 

[94]   Ebenda, Bl. 50–52.

[95]  Politbürobeschluss Nr. 84 (84)-op des ZK der VKP (b) vom 18. Oktober 1951, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 47, Bl. 5 u. 56.

[96]  Politbürobeschluss Nr. 84 (215)-op des ZK der VKP (b) vom 1. November 1951, in: RGASPI, F. 17, op. 162, d. 47, Bl. 11–13.

[97]  Ministerratsbeschluss Nr. 986-317ss, in: Archiv Prezidenta Rossijskoj Federacii/Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation (im Folgenden: AP RF), f. 3, op. 64, d. 10, Bl. 82–90; RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1117, Bl. 112. 

[98]  Der von Wolfgang Mueller aufgestellten These, dass die Umstrukturierung eine Maßnahme des »friedlichen Übergangs zum Sozialismus« in Österreich war, kann auf Grund der Vorgangsweise bei der Umsetzung der erwogenen Maßnahmen nicht beigepflichtet werden. Der diesbezügliche ZK-Beschluss zur »Festigung des sowjetischen Einflusses« kann zudem nicht als Indiz eines beibehaltenen Kurses des »friedlichen Übergangs« zum Sozialismus nach dem Wahldebakel der KPÖ 1945 gesehen werden. Siehe hierzu Mueller: Sowjetbesatzung, Nationale Front und der »friedliche Übergang« zum Sozialismus (Anm. 11), S. 152 f. Dass die KPÖ bei der »Verwirklichung der sowjetischen Ziele in Österreich« eine »große Bedeutung« hatte, ist u. E. zurückzuweisen, ebenso, dass »die UdSSR zweiffellos« auch noch in den späten 40er Jahren eine Machtübernahme der KPÖ »wünschte«. Mueller, Wolfgang: Die Teilung Österreichs als politische Option für KPÖ und UdSSR 1948, in: Zeitgeschichte 2005, H. 1, S. 47– 54, hier S. 48.

[99]  Siehe Ruggenthaler: Warum Österreich nicht sowjetisiert wurde (Anm. 72), S. 725 f.

[100] Zumindest die Propagandaabteilung der SČSK erhoffte sich eine Schwächung: »Im Entstehen ist eine vierte Partei, die Stimmern zu Lasten von ÖVP und SPÖ gewinnen wird.« AVP RF, f. 66, op. 26, p. 32, d. 26, Bl. 53–58; RGASPI, f. 17, op. 132, d. 5, Bl. 59–114. Siehe auch Portisch, Hugo: Der lange Weg zur Freiheit. Österreich II. Die Geschichte Österreichs vom 2. Weltkrieg bis zum Staatsvertrag. Bd. 4, München 1993, S. 185–194.

[101] Siehe Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 183.

[102] Gromyko an Stalin vom 16. Januar 1952, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 62–64; Entwürfe mit Ausbesserungen Molotovs, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 38 f. u. 67–69.

[103] Politbürobeschluss Nr. 85 (283)-op des ZK der VKP (b) vom 17. Januar 1952, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 48, Bl. 13, 63 f.

[104] Politbürobeschluss Nr. 85 (296)-op. des ZK des VKP (b) vom 20. Januar 1952, in: RGASPI,

f. 17, op. 162, d. 48, Bl. 14 u. 66; Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 183.

[105] Gehler, Michael: Der Staatsvertrag, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Frage 1937/49–1955, in: Rauchensteiner/Kriechbaumer: Die Gunst des Augenblicks (Anm. 1), S. 379–431.

[106] Dem Vorschlag zufolge sollten sich die vier Besatzungsmächte verpflichten, Österreich innerhalb von 90 Tagen nach Inkrafttreten zu räumen. Alle bisher offen gebliebenen Fragen der bisherigen Verhandlungen fanden im »Kurzvertrag« keine Erwähnung mehr.

[107] Auch wenn gegenüber den österreichischen Diplomaten immer wieder betont wurde, der »Kurzvertrag« sei keine Antwort auf die »Stalin-Note« gewesen. Siehe Bischof, Günter: Karl Gruber und die Anfänge des »Neuen Kurses« in der österreichischen Außenpolitik 1952/53, in: Huber, Othmar/Höbelt, Lothar (Hrsg.): Für Österreichs Freiheit. Karl Gruber – Landeshauptmann und Außenminister 1945–1953 (=Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, Bd. 7), Innsbruck 1997, S. 143–183. Gehler, Michael: Kurzvertrag für Österreich? Die westliche Staatsvertrags-Diplomatie und die Stalin-Noten von 1952, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 42 (1994), H. 2, S. 243–278, hier S. 253; Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 184–192; Steininger: Der Staatsvertrag (Anm. 75), S. 116.

[108] Am 14. März wurden die entsprechenden Noten mit beiliegendem »Kurzvertrag« in russischer Übersetzung Molotov vorgelegt. Vyšinskij an Stalin vom 12. Mai 1952, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 95–108 u. 110.

[109] Somit bestätigen sich im Wesentlichen die Vermutungen von Gehler: Kurzvertrag für Österreich? (Anm. 108), S. 253.

[110] Die entsprechenden Antworten wurden von Vyšinskij im Sommer 1952 vorbereitet und Molotov zweimal zur Korrektur vorgelegt, ehe sie Stalin vorgelegt wurden. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 113–127; RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1096, Bl. 151–153; Politbürobeschluss Nr. 89 (316) des ZK der VKP (b) vom 27. September 1952, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 128–135 u. 152–158.

 

[111] Entwurf einer Antwortnote zum »Kurzvertrag« an die Westmächte von Vyšinskij mit handschriftlichen Anweisungen Molotovs vom 31. Juli 1952, in: RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1115, Bl. 114.

 

[112] Siehe dazu den guten Überblick bei Steininger, Rolf: Deutsche Geschichte. Darstellung und Dokumente in vier Bänden. Bd. 2: 1948–1955, Frankfurt a. M. 2002, S. 195.

 

[113] Zur kontroversen Debatte um die Ernsthaftigkeit der »Stalin-Note« vom 10. März 1952 siehe Zarusky, Jürgen: Die Stalin-Note vom 10. März 1952. Neue Quellen und Analysen. Mit Beiträgen von Wilfried Loth, Hermann Graml und Gerhard Wettig, München 2002; Steininger: Deutsche Geschichte, Bd. 2 (Anm. 112), S. 173–207. Selbst die unter besonders strenger Geheimhaltung gefassten Politbürobeschlüsse, die seit kurzem teilweise zugänglich sind, werden auf die »Jahrhundertfrage« der deutschen Zeitgeschichte keine Antwort geben. Die Diktion der Politbürobeschlüsse ist ebenso propagandistisch gehalten. Siehe z. B. die Anweisung des Politbüros an V. Semenevvom 8. Februar 1952 »Über Maßnahmen zur Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland und Gründung eines einheitlichen,  demokratischen und friedliebenden deutschen Staates«, in der Semenov und V. Čujkov aufgetragen wurde, der DDR-Führung zu empfehlen, eine entsprechende Note »über die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland« an die Westmächte zu schicken. Politbürobeschluss P 85 (425) vom 8. Februar 1952, in: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 48, Bl. 18 u. 70–72. 

 

[114] Stourzh: Um Einheit und Freiheit (Anm. 7), S. 183, 221 u. 454.

[115] Vyšinskij an Stalin vom 2. und 4. Februar 1953, in: RGASPI, f. 17, op. 164, d. 212, Bl. 101– 105.

[116] Malik an Malenkov vom 4. Februar 1953, in: RGASPI, f. 17, op. 164, d. 212, Bl. 212.

 

[117]  »Sondermappe« der Politbürobeschlüsse 1945–1953, in: RGASPI, f. 17, op. 162.

[118] »Gewöhnliche« Politbürobeschlüsse 1945–1953, in: RGASPI, f. 17, op. 3. Eine vollständige Auflistung aller Tagesordnungspunkte ohne weitere inhaltliche Angaben wurde vom Archiv im Jahr 2001 publiziert. Adibekov, G. M. u. a. (Hrsg.): Politbjuro CK RKP (b)–VKP (b). Povestki dnja zasedanij. Tom III: 1940–1952. Katalog. [Das Politbüro des ZK der RKP (b)– VKP (b). Tagesordnungspunkte der Sitzungen. Bd. 3: 1940–1952, Katalog], Moskau 2001.

[119] »Österreich, Sowjetischer Teil der Alliierten Kommission für Österreich und Hochkommissar in Österreich« vom 4. Juli 1945 bis 1. Oktober 1955, in: AP RF, f. 3, op. 64, d. 10.

 

[120]   RGASPI, f. 82, op. 2 (ehemals im AP RF).

[121] Zur Tragweite der Rolle Molotovs, die weitaus größer war, als bislang angenommen, siehe Creuzberger/Görtemaker: Das Problem der Gleichschaltung osteuropäischer Parteien im Vergleich. Eine Synthese, in: Stefan Creuzberger – Manfred Görtemaker (Hg.), Gleichschaltung unter Stalin? Die Entwicklung der Parteien im östlichen Europa 1944–1949. Paderborn u. a. 2002, S. 419–434, hier S. 434.

[122] Čuev, Feliks: Molotov. Poluderžavnyj Vlastelin [Halbmajestätischer Machthaber], Moskau 1999, S. 21 (Molotov zu Čuev am 28. November 1974) u. S. 106 (Molotov zu Čuev, 14. August 1973).

[123] »Wir hätten uns in ein vollkommen neues Abenteuer begeben.« Vjačeslav Molotov zu Feliks Čuev auf die Frage, warum Israel, Finnland und Österreich nicht sozialistisch »gemacht wurden« am 4. Oktober 1972. Čuev: Molotov (Anm. 122), S. 128. Siehe dazu Ruggenthaler: Warum Österreich nicht sowjetisiert werden sollte, in: Karner/Stelzl-Marx: Die Rote Arme in Österreich (Anm. 1), S. 61–87.

[124] Siehe dazu Mastny, Vojtech: Die NATO im sowjetischen Denken und Handeln, in: Ders./ Schmidt, Gustav: Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1949–1956, München 2003, S. 381–471, hier S. 440.

 

[125]   Ebenda, S. 440.

Inhalt – JHK 2005

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