Im Archipel Gulag kreuzten sich die Lebenswege von Millionen Menschen. So begegneten sich auch Max Menzel und Horst Hennig, die exemplarische Vertreter zweier deutscher Häftlingsgenerationen des Gulag darstellen. Der Kommunist Menzel, geboren am 6. September 1903 in Dresden, war 1931 freiwillig aus Deutschland in die Sowjetunion gekommen und hatte dort zunächst als Gastarbeiter gelebt. Er hatte bereits zehn Jahre Zwangsarbeit im Gulag geleistet, als er den 22 Jahre jüngeren Horst Hennig (geboren am 28. Mai 1926 in Siersleben/Mansfelder Land) 1953 im unwirtlichen Lager Vorkuta, 160 Kilometer nördlich des Polarkreises, traf. Hennig war zwei Jahre zuvor aus der DDR nach Vorkuta deportiert worden.
Beide Männer hatten damals keine Vorstellung davon, in was für ein menschenunwürdiges Lagersystem sie geraten waren. VorkutLag, das von 1931 bis 1956 existierte, zählte zu den berüchtigsten Lagerkomplexen des Gulags. Der Name des Lagers leitete sich vom Fluss Vorkuta her, der auch der Stadt Vorkuta den Namen gab. VorkutLag eröffnete im Mai 1931 mit 45 Gefangenen, die in Erdlöchern vegetierten und mit dem Bau von Probeschächten begannen. Das Lager wuchs auf bis zu 60 Zwangsarbeitslager und Spezialobjekte mit 30 Schächten an und war damit einer der größten Lagerkomplexe in der Sowjetunion. Vorkutlag durchliefen mehr als eine Million Männer und Frauen, darunter etwa 50 000 Deutsche. Bis zu Stalins Tod 1953 starben hier 250 000 Menschen.[1]
Max Menzel und Horst Hennig waren in der Häftlingsgesellschaft rechtlose Gefangene. Beide schufteten an unterschiedlichen Arbeitsplätzen im Schacht. Hennig legte in metertief gefrorenem Boden den Grundstein für jenes Gebäude, in dem Menzel später wohnen sollte. Trotz strenger Isolierung und Kontaktverbots gingen sie aufeinander zu. Nach der Haftentlassung 1955 lebten sie in getrennten Welten in West- bzw. Ostdeutschland. Die Erinnerungen an das gemeinsam Durchlittene konnten aber nicht verlöschen. Sie lebten im vereinigten Deutschland nach 1989/90 wieder auf. Horst Hennig führte seine Suche nach Max Menzel, der eine seiner wichtigen Bekanntschaften im Lager[2] gewesen war, zu Menzels Töchtern, da der ehemalige Haftkamerad bereits verstorben war.
Max Menzel – Klassenbruder und Feind im Freundesland
Max Menzel lernte von 1918 bis 1921 im Sachsenwerk in Dresden-Niedersedlitz Werkzeugmacher. Seine Mutter, eine Strohhutnäherin, und sein Vater, der als Fräser arbeitete, gehörten seit 1903 der SPD an. Der jüngere Bruder Hans, Schlosser, war ebenfalls SPD-Mitglied. Mit der Revolution 1918 kam Menzel im Januar 1919 zur Freien Sozialistischen Jugend (FSJ), wo seine politische Suche ihren Anfang nahm.[3] Die auch für seinen Beruf damals übliche Wanderschaft führte ihn über Waren in Mecklenburg, nach Kassel und Köln. Das Krisenjahr 1923 mit seinen Massenaufmärschen und Arbeiterstreiks, dem Einsatz der Reichswehr gegen die sozialdemokratisch-kommunistischen Koalitionsregierungen in Sachsen und Thüringen sowie den sowjet-kommunistischen Vorbereitungen für einen deutschen Oktober politisierte ihn weiter. 1924 wurde er Mitglied der SPD, die ihn bald wieder ausschloss, weil er mit einer Gruppe von Jungsozialisten während des zweiten Wahlgangs zur Reichspräsidentenwahl im April 1925 für den KPD-Kandidaten Ernst Thälmann gestimmt hatte.
Seit Januar 1927 war Max Menzel Mitglied der KPD. In Köln arbeitete er bei der Firma Gebrüder Rodenkirchen, wo er 1928 in den Betriebsrat gewählt wurde. Nachdem er aber im Auftrag der KPD für die Liste der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) kandidierte, wurde Menzel von dieser Funktion entbunden und verlor seine Mitgliedschaft im Metallarbeiterverband. Mit der Schließung der Fabrik 1930 in die Arbeitslosigkeit entlassen, konnte er aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit von mehr als 14 Prozent keine neue Anstellung finden. Er blieb jedoch bei den Roten Sportlern aktiv und gehörte deren Leitung im Bezirk Mittelrhein an. In dieser Funktion wurde er vermutlich von Bezirksfunktionären der KPD zum Beschaffen von Informationen für die Sowjetunion eingesetzt.[4] Die Sache wurde brenzlig, als die Polizei auf ihn aufmerksam gewordenen war, und deshalb ging Menzel auf Empfehlung seiner KPD-Gruppe im August/September 1931 in die Sowjetunion.
Auf seiner Zugreise begleitete Menzel vor allem die Hoffnung, im »gelobten Land« Sicherheit und einen Arbeitsplatz zu finden. Dabei folgte er nicht unbedingt einer weltrevolutionären Illusion, obgleich Losungen wie »Für die proletarische Weltrevolution« in der Öffentlichkeit zu lesen waren. Vielmehr ließ er sich von einem hohen Arbeitsethos leiten, das seit den 20er Jahren, vor allem aber seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929, viele deutsche und andere ausländische Facharbeiter für Industrialisierungsprojekte auf die »Baustellen des Sozialismus« lockte. Unter ungewohnt harten Arbeits- und Lebensbedingungen arbeitete Menzel zunächst mit etwa 20 Deutschen und fünf Sowjetbürgern in einer Versuchswerkstatt für Sauerstoffgeräte in Moskau. Im Frühjahr 1932 zog das Kollektiv dann nach Orechovo-Suevo, einer alten Textilstadt im Moskauer Gebiet. Hier, wo ein Werk für Sauerstoffgeräte – das Werk Nr. 3 – errichtet wurde, blieb er einige Jahre. Die allgemeine Not wurde in der Provinz noch augenscheinlicher als in dem aufstrebenden Moskau und beschädigte das in der Heimat durch geschönte Informationen entstandene Bild über die Sowjetunion. Dies konnte aber Menzels jungkommunistischen Optimismus nicht brechen, und so stimmte er 1932 seiner »Überführung« in die Kommunistische Partei der Sowjetunion zu. Im Werk wurde er Obermeister des Werkzeugbaus. Als gewerkschaftliche Auszeichnung erhielt er 1934 eine Wolga-Reise. Im gleichen Jahr begegnete er Antonina Fomina, einer 1912 geborenen Technikerin für Maschinenbau, die er nach Annahme der sowjetischen Staatsbürgerschaft 1935 am 6. November 1936 heiratete. Als Sylvester 1936 von der Sowjetunion diejenigen Deutschen nach Deutschland ausgewiesen wurden, die weder Parteimitglied noch Sowjetbürger waren, musste Menzel, der im Werk die Arbeit der Deutschen leitete, diesem Verfahren ohnmächtig zusehen.
1937 meldete er sich freiwillig zu den »Internationalen Brigaden« in Spanien. Doch es kam anders. Ein Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees der VKP (b) vom 20. Juli 1937 erteilte dem NKVD den Auftrag, alle Deutschen, die in Rüstungsbetrieben arbeiteten, zu verhaften. Den bisherigen Festnahmen einzelner Personen aufgrund konstruierter Anschuldigungen folgte nun die »deutsche Operation«, die alle in der Sowjetunion lebenden Deutschen kriminalisierte.[5] »Am 21. September 1937«, so Menzel, »wurde ich von der NKWD verhaftet. Man wollte mich zwingen, irgend etwas zu unterschreiben, irgend etwas sollte ich auf mich nehmen, der Untersuchungsrichter dachte es sich immer selbst aus. Ich habe jedoch niemals etwas unterschrieben.«[6] Menzel wurde zum Vorwurf gemacht, als Faschist in irgendwelche Mordvorbereitungen verwickelt gewesen zu sein und die Sprengung des Werkes geplant zu haben. Damit war er in die gewaltige Terrormaschine, die 1937/1938 auf Hochtouren lief, geraten. Auch die nationalistischen, antideutschen Stimmungen, die nach dem Machtantritt Hitlers angeheizt wurden, richten sich nun gegen ihn. Er war mit diesem Schicksal nicht allein, denn es betraf auch andere anerkannte deutsche Politemigranten und kommunistische Funktionäre aus anderen Ländern. Im Sommer 1938 wandte sich seine 58-jährige Mutter an die Deutsche Botschaft in Moskau, um Auskunft über ihren Sohn zu erhalten. Am 18. August 1938 teilte man ihr mit, »dass er von den Sowjetbehörden verhaftet wurde«.[7] Menzel hatte Glück. Er überlebte den »Großen Terror«, der aufgrund eines Beschlusses des Rates der Volkskommissare und des ZK der VKP (b) vom November 1938 beendet wurde. Bis zu seiner Verhandlung vor dem Moskauer Gebietsgericht am 3. Mai 1939 saß Menzel im Butyrka-Gefängnis in Moskau. Nach standhafter Abwehr aller Beschuldigungen wurde er freigesprochen.
In sein altes Werk zurückgekehrt, quälte ihn die Ungewissheit über das Schicksal seiner Mitverhafteten.[8] Das Abebben des Terrors, das zunächst den Anschein einer politischen Normalisierung erweckte, ließ aber die Angst, das Misstrauen und den seelischen Druck nicht weichen. Vielleicht sinnierte Menzel schon in jenen Jahren über seine viele Jahrzehnte später ausgesprochene Betroffenheit: »Stalin hat Langzeitminen gelegt, die in den nächsten Generationen explodieren werden.«[9]
Der Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR am 22. Juni 1941 veränderte das Leben in der Sowjetunion schlagartig. Während die Bevölkerung, die zentralen Institutionen und Betriebe der Stadt evakuiert wurden, war die flächendeckende Umstellung des Landes auf den Krieg von starkem Misstrauen gegen die deutschstämmige Bevölkerung und gegen deutsche Politemigranten begleitet. Mit Ausbruch des Krieges setzten erneut Säuberungen gegen die Deutschen ein, die man nach Kasachstan deportierte.
In seinen Aufzeichnungen schrieb Max Menzel nieder: »Anfang des Krieges wurde ich ausgesiedelt in die Hungersteppe nach Südkasaxstan [Südkasachstan]. Von dort Januar 1942 mobilisiert […]«.[10] Im Rahmen der Mobilisierung wurde Menzel für die »Arbeitsarmee« (trudovaja armija) rekrutiert, die aufgrund eines Befehls des Verteidigungskomitees der UdSSR vom 10. Januar 1942 zur Mobilisierung von Personen deutscher Nationalität für Baubataillone gebildet worden war. Der Befehl des NKVD vom 12. Januar 1942 »Über die Organisierung von Abteilungen aus mobilisierten Deutschen bei den Lagern des NKVD« unterstellte das Lagerleben der »Arbeitsarmee« dem NKVD.[11] Nachdem er 1941 in der Hungersteppe als Baumwollpflücker im Sovchos »Pachta Aral« eingesetzt war, schuftete er nun von Januar 1942 in einem Bataillon im Eisenbahnbau bei Kazan’ bis er ab Anfang 1943 in den Schächten Vorkutas als Bergarbeiter arbeiten musste. In der Arbeitsarmee, ein spezieller Bereich der Gulag-Systems, waren die Arbeits- und Lebensbedingungen fast ebenso elend wie die der Gulag-Häftlinge. Normentreiberei, Hunger und Wassersuppe, Krankheiten und Karzer gehörten zum Alltag. [12] Als einzige »Vergünstigung« durften häufiger Post und Pakete empfangen werden, was jedoch für Menzel als Deutscher unerheblich blieb. 1945 wurde Menzel für die Mechanischen Werke im Raum Vorkuta zwangsverpflichtet, wo er bis 1947 als Werkzeugmacher arbeitete.
Sein Selbstverständnis, als Nazigegner den Kampf der Sowjetunion gegen die Deutschen mit seiner Arbeit zu unterstützen, sowie seine hohe Anpassungsfähigkeit halfen Menzel, selbst unter sehr harten Bedingungen zu bestehen. Im Sommer 1947 stellte er mit anderen Kollegen in Moskau eine gemeinsame Erfindung zur weiteren Veredelung (Entwässerung) der Vorkuta-Kohle vor.[13] Dabei nutzte er die Gelegenheit, seine Ehefrau zu finden. Nach dem er Antonina in Pachta Aral (Kasachstan) gefunden hatte, wohin sie während des Krieges deportiert worden war, beschloss Antonina 1948, Max Menzel nach Vorkuta zu folgen. Im November desselben Jahres wurde Menzel formal demobilisiert und als Deutscher »zum lebenslänglich Verbannten«[14] in Vorkuta erklärt. Der Status galt für die ganze Familie, sofern sie den Namen des Vaters trug – und damit auch für die im Mai 1948 geborene Tochter Tatjana Menzel. Die ehemaligen Gefangenen waren de facto vom MVD kontrollierte Ex-Häftlinge. Sie arbeiteten als »Freie Mitarbeiter« im Lager oder als »Freie in Verbannung« in einem Betrieb, verfügten aber über ein eigenes Quartier. Die Ansiedlung von »Zwangsarbeitern« war für die Stadtentwicklung Vorkutas und seine wachsende Kohleförderung[15] von fundamentaler Bedeutung. Menzel war in den Jahren 1948 bis 1951 Leiter (vermutlich Abteilungsleiter) für Versuchs- und Werkzeugbau, in den Jahren 1952 bis 1955 im Schacht Nr. 29 Leiter der mechanischen Reparaturwerkstätten und Hauptmechaniker in der Kohleaufbereitungsfabrik.
Nach Kriegsende wurden die Lager überall kräftig aufgefüllt. Die meisten Personen kamen aufgrund des Vorwurfs der »Kollaboration mit den Faschisten« oder »wegen bewaffneter Aktionen gegen die Sowjetmacht« ins Lager und waren dafür bereits in den westlichen Landesteilen verurteilt worden. Hinzukamen ehemalige Kriegsgefangene und Deportierte aus den befreiten Gebieten sowie (eindeutig) unschuldig Verhaftete. Nach der Vorgabe des Erlasses »Über die Einrichtung von Lagern und Gefängnissen mit strenger Anstaltsordnung zur Verwahrung besonders gefährlicher Staatsverbrecher«[16] durch den Minister für Staatssicherheit Viktor Abakumov und den Innenminister Sergej Kruglov wurde im Februar 1948 eine Reorganisation des Lagersystems begonnen. Dabei wurden die Lagergebiete um die neue Kategorie der Sonderlager oder Regimelager erweitert (u. a. für »Trotzkisten«, ehemalige »Abweichler« oder »Oppositionelle«, vermeintliche oder tatsächliche »Spione« und »Diversanten«). In Vorkuta entstanden deshalb zehn weitere Lager mit »strengem Regime«. Das bedeutete vor allem eine verstärkte Bewachung, eine Vielzahl von Wachtürmen, ein zweifacher Innen- und Außenzaun mit dichtem Stacheldraht, eine Sperrzone im Lagerinnern, die Inhaftierung im Lager selbst, vergitterte Barackenfenster, die Markierung der Gefangenen mit einer Nummer, »Begleitschutz« durch bewaffnete Soldaten und scharfe Hunde auf dem Weg zur Arbeit in einen entfernten Schacht oder auf den Bau, Besuchsverbot und – für die Deutschen – Schreibverbot bis Ende 1953. In diese neuen Lager wurden auch Häftlingsgruppen aus den von der Sowjetunion besetzten Ländern, darunter auch aus der SBZ/DDR eingeliefert. Es waren Kriegsgefangene mit SMT-Urteil sowie Zivilisten, die nach Paragraph 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR als »Politische« verurteilt worden waren. Sie wurden in »völliger Isolierung« eingesperrt.[17]
Kontakt mit den Gefangenen der Sonderlager war strengstens verboten. So wurden die »Alteingesessenen« bzw. die »Freien in der Verbannung«[18], darunter auch Max Menzel, aufgefordert, zwei Verpflichtungserklärungen zu unterschreiben. Davon untersagte die erste Verpflichtungserklärung[19] mit Berufung auf das MVD jeglichen Kontakt mit »Häftlingen und Zwangsarbeitern« sowie jedwede persönliche Hilfeleistungen. Die zweite Verpflichtungserklärung stellte eine regelrechte Straftatdirektive dar, bei der die Weitergabe jeglicher Informationen über Strukturen, Maßnahmen und Vorgänge im gesamten Lagerbereich – einschließlich des Gedankenaustauschs – sowohl für die Zeit des unmittelbaren Aufenthalts im Bereich als auch nach dem Ausscheiden daraus strengstens und unter Androhung von langjährigen Strafmaßnahmen verboten war. Persönliche Beziehungen oder Freundschaften, wie bei Max Menzel und Horst Hennig, stellten somit faktisch ein Straftatdelikt dar.
Horst Hennig – »Mit dem Leben abgeschlossen«
Horst Hennig entstammt einer Familie von mittelständischen Geschäftsleuten.
Um nicht in die Hitlerjugend eintreten zu müssen, folgte er dem Zeitungsaufruf der »Inspektion des Erziehungs- und Bildungswesens des Heeres«. Im Alter von 14 Jahren besuchte er ab November 1940 eine Heeresunteroffiziervorschule in Marienberg in Sachsen. Für die nächsten drei Jahre legte er seine Zivilkleidung ab und lebte mit 164 Kameraden in einer Kaserne mit spartanisch eingerichteten Stuben. Seine Familie wurde nun von Militärs ersetzt, dem Range nach Oberstleutnant, Hauptmann, Leutnant und Hauptfeldwebel. Einige Offiziere und Unteroffiziere waren im Zivilberuf Pädagogen. Der allgemein bildende Unterricht fand in Baracken statt und führte im Stundenplan die Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Rechnen, Naturlehre, Biologie, Nationalpolitik und technischen Unterricht. Der »praktische Dienst« mit Sport, Geländedienst, Schießen, Ordnungsübungen und Werkstattdienst war physisch sehr anstrengend. Vom morgendlichen Wecken, dem kontrollierten Aufstehen und Waschen, vom Stuben- und Revierdienst bis hin zum Spindappell vor der Nachtruhe um 21.00 Uhr galt strengste Disziplin. Bereits Ende 1942 wurde ihm vom Heeres-Rektor, der schon den Ersten Weltkrieg erlebt hatte, mit Blick auf die Europa-Karte der Ausgang des Krieges prophezeit: »Was ich Ihnen jetzt sagen werde, meine lieben jungen Kameraden, muß absolut unter uns bleiben, es käme hier sonst zu einer Katastrophe, vielleicht mehr für mich als für Sie! Was ist passiert? In Stalingrad wurde in den vergangenen Stunden unter General Paulus eine Armee von 250 Tausend Mann mit allmöglichen Waffen und Gerät ohne nennenswerten Nachschub eingeschlossen, der Vernichtung preisgegeben. Ich bin Ihnen diese Wahrheit schuldig […] Wir haben diesen Krieg verloren!«[20] Auch verurteilte der Rektor später den Krieg gegen Zivilisten, Frauen und Kinder als »ein Verbrechen«[21] und drückte seinen Abscheu gegenüber der Proklamation des »totalen Krieges« durch Goebbels am 30. Januar 1943 aus. Mit diesem bitteren Eingeständnis seines militärischen Ausbilders zog Hennig in den Krieg, den er in der Dezember-Offensive 1944/45 an der luxemburgischen Grenze mit allen seinen Schrecken kennen lernte. Er gelangte im Februar 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst Ende Mai 1946 mit einem Lazarett-Schiff aus England zurückkehrte.
Wieder im Elternhaus, holte Horst Hennig im März 1948 an der MartinLuther-Universität in Halle-Wittenberg in Sachsen das Abitur nach und nahm im Sommersemester 1948 sein Studium an der Medizinischen Fakultät auf. Eine gemischte Studentengeneration aus ehemaligen jungen Kriegsteilnehmern, Gymnasiasten und Arbeiterkindern mit Oberschulabitur hielt nun an den Universitäten Einzug. Friktionen wegen der sozialen Unterschiede wurden von Gemeinsamkeiten wie
Freude an Bildung, Kultur und politischem Engagement nicht aufgehoben. Wie viele Hunderte von Studenten konnte auch Hennig, nun Mitglied der FDJ und der SED, die nachfolgenden Entwicklungen nicht voraussehen. Infolge von Verhaftungen und des Verschwindens von Studenten wuchsen seit 1948 zunehmend die Spannungen und Unruhen an den Universitäten, so auch in Halle. Bei den Wahlen zu den Studenten- und Fakultätsräten, die bisher Vertretern aller Parteien und Parteilosen offen gestanden hatten, strebte die SED-Führung 1949/50 jedoch eine vorher festgelegte Einheitsliste an. Damit sollte die Dominanz der SED durchgesetzt und auf die Wahlen zur Volkskammer im Oktober 1950, die nach dem Blockwahlprinzip stattfand, eingestimmt werden. In dem berechtigten Gefühl, mit ihrem demokratisch-kritischen Verständnis aus politischer Mitbestimmung ausgegrenzt zu werden, wuchsen unter den Studenten Unmut und Widerstand. Für Horst Hennig war dieses Aufbegehren gegen die parteiliche Autorität der geistige Versuch, »dem ›Kategorischen Imperativ‹«[22] gerecht zu werden.
Nachdem sowjetische Offiziere am 10. März 1950 gegen 23.00 Uhr in sein studentisches Untermieterzimmer in Halle eingedrungen waren und ihn unter Anwendung physischer Gewalt zur Vernehmung verschleppt hatten, fand sich Horst Hennig in einem Vernehmungskeller wieder. Während der sechstägigen Verhöre, die oft bis zu 17 Stunden dauerten, warf man ihm Spionage, antisowjetische Tätigkeit und die Organisation einer illegalen Studentengruppe an der Universität vor. Der »Haftbefehl Nr. 906« des »Operativen Sektors der Sowjetischen Militäradministration der Provinz Sachsen« wurde am 16. März, dem Tag der Überstellung in das Zuchthaus »Roter Ochse« in Halle, ausgestellt und noch am selben Tag dem »Mitarbeiter des operativen Sektors des MGB des Landes SachsenAnhalt« ausgehändigt. In dieser Aktion spiegelt sich das Zusammenwirken der operativen Sektoren des MVD und des MGB wider, wobei das MGB vor allem zur Verfolgung politischer »Übertretungen« befugt war.[23] Für die DDR war dies kein Einzelfall. Mit Unterstützung deutscher Helfer, insbesondere des MfS, wurden bis 1955 vielfach »politisch zweifelhafte« Personen an das MGB überstellt.
Hennig schloss innerlich mit dem Leben ab, nachdem man ihm im tiefen Gewölbe des MGB-Blocks im »Roten Ochsen« den Eindruck vermittelt hatte, dass er erschossen werden soll.[24] Bis zur Verurteilung durch ein Sowjetisches Militärtribunal am 18./19. September 1950 blieb er von Einzelhaft, Hunger, Prügel durch Wachtposten und Dunkelzelle gequält.
Auf Fragen an den Vernehmer, warum er von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet wurde und warum überhaupt die sowjetischen Organe solche Verhaftungen vornehmen, wo doch die DDR ein souveräner Staat sei, erhält er Antworten, die seit 1948/49 in der SBZ typisch waren: »Du bist ein Trotzkist!«; und da Hennig verneinte, Trockij zu kennen, wurde er eben als »Titoist« bezeichnet. In Bezug auf die Frage nach der Souveränität erklärte ihm der sowjetische Vernehmungsoffizier: »Diese Schweinereien, die Du gemacht hast, werden von uns abgeurteilt.«[25]
Der Begriff Tribunal gewann mit den Kriegsverbrechen sowie den Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit durch das Naziregime höchste politische Brisanz. Am Ende des Zweiten Weltkrieges bestand unter den Alliierten weitgehend Konsens über das Wirken von Militärtribunalen zur Bestrafung von Kriegs- und NS-Verbrechen. Entsprechende Gesetze und Direktiven definierten die Täterkreise. Sie ermächtigten die Oberbefehlshaber der Streitkräfte, in ihrem Besatzungsgebiet über die einzusetzenden Gerichte zu bestimmen und Rechtsnormen des eigenen Landes anzuwenden. Sowjetische Militärtribunale wendeten sowohl Strafgesetze des Alliierten Kontrollrats als auch sowjetisches Recht, insbesondere den Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR an. War das Wirken der Tribunale nach alliierten Vorstellungen rechtlich begründet, so war die Verfahrensweise in der SBZ/DDR stalinistisch. Nach Leonid Kopalin war die Hauptursache dafür »das Bestreben der Stalinschen Führung, Aufsässige und Andersdenkende möglichst schnell zu ›neutralisieren‹, in der östlichen Besatzungszone ›Einmütigkeit‹ herzustellen und die deutsche Bevölkerung sowie die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu ›sowjetisieren‹«.[26]
Diese »Neutralisierung« bekam auch Horst Hennig zu spüren. Während der nicht öffentlichen Verhandlung sah er sechs seiner Studienfreunde wieder. Nach dem Verlesen der Anklageschrift (übersetzt von einer Dolmetscherin) und einer kurzen Befragung verkündet das Militärgericht des Truppenteils 07335 das zusammengefasste Urteil Nr. 00254. Darin wurden die studentischen Freundschaftsbande als »illegale Organisation« kriminalisiert, als »Zusammenrottung«, die »antisowjetische und antidemokratische Agitation« betrieben und die Weitergabe von Informationen an den Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) zum Ziel gehabt habe. Paragraph 58 des Strafgesetzbuches bestimmte Hennigs Urteil: Absatz 6 (Spionage), Absatz 10 (konterrevolutionäre Verbrechen) und Absatz 11 (Teilnahme an einer Organisation zur Vorbereitung oder zum Begehen eines Verbrechens). Das Urteil lautet auf 25 Jahre Freiheitsstrafe, die in einem Arbeitslager zu verbüßen waren.[27] Eine Berufung konnte dagegen nicht eingelegt werden.
Die Erzählungen Hennigs über seinen Aufenthalt in einem Gefängnis in Berlin-Lichtenberg im November 1950 erinnern an Häftlingsberichte über die Haft in den Gebäuden des Militärtribunals der sowjetischen Garnison in Berlin und an die Haftanstalt in der Magdalenenstraße, die seit 1947 dem operativen Sektor des MGB in Deutschland unterstand.[28] Bereits am 6. Dezember 1950 wurde das geheime Dokument für seine Deportation am nächsten Tag ausgestellt.[29] Ausgewiesen wurde darin die Überstellung in ein »Osobyj Lager (Tjur’mu)«, das heißt in ein Sonderlager, das einem Gefängnis gleichgestellt war. Noch heute erinnert Hennig seine Reise dorthin als »qualvoll«: Die Häftlinge waren eingepfercht in einen Eisenbahnwaggon, der als Postwagen getarnt war und regulären Zügen angehängt wurde, danach in vergitterte Güterwaggons, die Verpflegung bestand nur aus Wasser und Salzfisch. Wahrscheinlich am 3./4. Januar 1951 am Bestimmungsort angekommen, wurde er in das Sonderlager der Lagerabteilung Nr. 10 eingewiesen. »Hier überlebst Du nicht«, glaubte Hennig, als er mit etwa 100 anderen politischen Häftlingen aus der DDR aus dem Gefängniswaggon auf die schnee- und eisbedeckten Gleisanlagen stieg. Acht Monate Winter mit klirrend-frostigen Temperaturen von minus 40 Grad und weniger standen noch bevor. Nachdem man Hennig registriert hatte, wurde er mit ca. 25 deutschen Schicksalsgefährten dem Schacht Nr. 29, später »Juur Šor«, zugeordnet – etliche Kilometer nordöstlich von Vorkuta. Unter den 3 000 Gefangenen der Lagerabteilung sollen auch 165 Deutsche gewesen sein.[30]
Die Lebensbedingungen in der Abteilung Nr. 10 unterschieden sich von denen in der Anfangszeit der Lagerhaft, in der »sich die Häftlinge metertief in die gefrorene Polarerde« wühlen mussten.[31] Jetzt gab es Baracken, drei Pritschen im Doppelstock aus Holzbrettern und einen Sack mit Holzspänen sowie einen Trockenraum. Der »Barackenälteste« war für das Heizen des Kanonenofens zuständig, auf dem auch Wasser warm gemacht wurde. »Strenges Regime« bedeutete hier: ein drei Meter hoher, mehrfacher Stacheldraht mit Wachhunden am Außenring und einer Sperrzone, acht Postentürme, vergitterte Barackenfenster und nachts verschlossene Türen, keinen Kontakt zur Außenwelt. Flucht war unmöglich; selbst der Tote in seiner armseligen Holzkiste wurde beim Passieren der Wache kontrolliert, ob er tatsächlich eine Leiche war. Deutsche, Ukrainer, Balten, Polen, Ungarn, Rumänen, Chinesen befanden sich in der Lagerabteilung. Sie arbeiteten gemeinsam im Schicht-System im Schacht oder auf dem weiträumigen Schachtgelände und auf Baustellen. Die Normerfüllung wurde zu einer existenziellen Frage, weil die Zuteilung der Essenrationen davon abhing. Jähzornige, prügelnde Brigadiere setzten den Gefangenen zu. Der Karzer, den Hennig ebenso kennen lernte, bedeutete für eine Woche 200 Gramm Brot pro Tag und einen Liter abgekochtes Wasser. Ein Recht auf eine kollektive Beschwerde gab es nicht. Die Sterblichkeit war hoch. Vor allem schwerste Arbeit, kärgliches Essen (je nach Kategorie 400 Gramm oder 600 Gramm Brot und Wassersuppe pro Tag, Hirse- oder Buchweizengrütze am Mittag), ständiger Hunger, unzureichende Bekleidung, Mangel an Medikamenten in der Sanitätsabteilung verursachten Krankheiten oder führten zu einem schnellen Tod. Im Winter legten die Häftlinge des Beerdigungskommandos die Verstorbenen auf dem tief gefrorenen Tundra-Boden ab, weil sie nicht die Kraft aufbrachten, die Erde aufzubrechen.
1951 arbeitete Horst Hennig in einer Baubrigade mit Normsoll, die aus der 8 bis 10 Meter tief gefrorenen Erde Fundamente für Wohnanlagen ausheben sollte, u. a. für Menzels künftiges Wohnhaus. Hennig riskierte eine Eingabe an die Lagerverwaltung, um wegen seiner Entkräftung, die die Normerfüllung der Brigade gefährdete, eine andere Arbeit zu bekommen.[32] Sein neuer Arbeitsplatz wurde darauf hin eine Brigade, in der er Steine aus der Kohle zu lesen hatte. Durch tägliche Selbstmotivierung und -disziplinierung konnte sich Hennig seinen Überlebenswillen erhalten: »schwäche deinen Körper nicht unnötig«, diene nicht »diesem menschenfeindlichen diktatorischen System«, suche einen Weg, »der dir die kärgliche Essensration bei annehmbarer leichterer Arbeit als im Schacht garantiert«[33]. Schon bald suchte er vertrauenswürdige Kontakte mit deutschen Häftlingen sowie mit dem ukrainischen Apotheker Ivan Demkiv, dem russischen Arzt Suslin und einigen jüdischen Lagerkameraden.
Auch Max Menzel suchte zu dieser Zeit nach Haltepunkten. In einem Brief an seine Familie vom 29. Dezember 1951, einer der wenigen, die er selbst aufbewahrt hat, beschwert er sich, lange keine Post mehr erhalten zu haben.[34] Menzels Mutter versuchte unterdessen die Freilassung ihres Sohnes zu erreichen und schrieb 1952 an den »Hochverehrte[n] Generalissimus Stalin«. Menzel ahnte von diesen Bemühungen nichts und beklagt sich im Juli 1952 erneut in einem Brief, dass er seit über einem Jahr von zuhause keine Post mehr bekommen hatte.
Der Vorkuta-Aufstand 1953
Der Aufstand in der Lagerabteilung Nr. 10 des Schachts Nr. 29 am 1. August 1953 und sein blutiger Ausgang wurden von Max Menzel und Horst Hennig auf sehr unterschiedliche Weise erlebt. Vor allem der Tod Stalins und die im Lagerfunk bekannt gemachte Verhaftung des Geheimdienstchefs Lavrentij Berija sowie die Streiks in anderen Schächten (seit dem 24. Juli) wiegelten die Lagergemeinschaft auf. Der Streik in der Lagerabteilung Nr. 10, der am 26. Juli begann,[35] gab Anlass, sich an höchster Stelle mit der Frage der Lager zu beschäftigen.[36] Die Deutschen forderten den Kontakt zu ihren Angehörigen, ihre Rückführung in die Heimat und die Überprüfung aller Urteile, solidarisierten sich aber auch mit dem Interesse der anderen Gefangenen, nämlich »der Freilassung aller politischen Häftlinge aus den Lagern; die Möglichkeit für Ausländer, in ihre Heimat zurückzukehren; die Garantie der Straflosigkeit für alle Streikenden«[37]. Wortführer des Streikkomitees waren vor allem Russen, Ukrainer, zwei Polen und Balten. Von der Lagerleitung und von einer offiziellen Offiziersdelegation aus Vorkuta verlangten die Häftlinge mit Regierungsvertretern aus Moskau zu sprechen. Dann organisierten sie eine zeitweilige Selbstverwaltung des Lagers. Am 29./30. Juli erschien in den Lagerabteilungen eine hochrangige zwölfköpfige Delegation aus Moskau mit dem stellvertretenden Innenminister Maslennikov an der Spitze, dem Leiter der Verwaltung des Lagers Rečnoj und einem Oberjustizrat als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft der UdSSR. Aus Angst vor Meuterei wurde es jedoch den in der Lagerabteilung Nr. 10 aufmarschierten Häftlingen nicht gestattet, ihre gemeinsame Eingabe vorzubringen. Maslennikov ließ nur Einzelsprecher zu, die er giftig unterbrach. Die Gefangenen mussten Beschimpfungen der Regierungskommission über sich ergehen lassen. Schließlich klagten die Geschundenen ihre Peiniger an: »Die Verbrecher seid Ihr!«.
Am Sonnabend, dem 1. August, standen MVD-Soldaten in Schützenreihe mit Schnellfeuergewehren und Maschinenpistolen hinter dem Zaun rechts und links vom äußeren Toreingang. Die Lageraufseher befahlen den Häftlingen aufzugeben, dennoch versammelten sich 350 bis 400 Häftlinge[38] unweit vom Eingang des Innentores zum Lager. Gegen 10.00 oder 10.30 Uhr eröffneten die MVD-Truppen das Feuer, das 123 Schwer- und Leichtverletzte, darunter 14 Deutsche, sowie 53 Tote, darunter zwei Deutsche[39], forderte. Die aus dem Lager flüchtenden Gefangenen versuchten, sich in der Tundra zu retten, wo sie unter dem Auge der Lagerwache zusammenliefen. Im Schutze des verbluteten litauischen Jesuitenpaters Pertrix, der über ihm lag, überlebte Hennig das Gemetzel und schwor sich dabei: »Das wirst du nie vergessen!«. Auch Menzel, der das Massaker beobachtet oder von ihm gehört hatte, wusste von der Erschießung Deutscher. In seiner Familie sprach er stets mit Erschütterung darüber, wie seinen
Töchtern in Erinnerung blieb.[40]
Begegnung in der Zeit der Lockerung des Haftregimes
Nach den Streiks in Vorkuta wurde das Lagerleben gelockert durch die Einführung des 9-Stunden-Arbeitstages, die Abschaffung der Häftlingsnummern auf der Kleidung, die Erlaubnis von Verwandtschaftsbesuch und Briefwechsel. Ende 1953 konnte Hennig schließlich ein Lebenszeichen nach Hause schicken, und seit Anfang 1954 durften die Deutschen Post und Pakete empfangen. In dieser sich wandelnden Atmosphäre kamen sich Menzel, der »Freie in der Verbannung« und der Häftling Hennig näher. Als Leiter der mechanischen Werkstatt ermöglichte Menzel Hennig vom 20. Februar bis 24. März 1954 einen Lehrgang als Transportbandmaschinist zu besuchen und eine Prüfung abzulegen, wodurch Hennig eine kleine Besserstellung erreichte. Menzel, den es nach Moskau drängte, erfuhr beim Roten Kreuz, dass er bei der DDR-Botschaft einen Antrag auf Rückkehr stellen könne. Die sowjetische Politik kam in Bewegung und die Problematik der SMTVerurteilten und der Kriegsgefangenen wurde auf der höchsten politischen Ebene diskutiert.[41] Die Verfügung des Ministerrats der UdSSR vom 2. Juni 1953 »Über die Gesundung der politischen Lage in der DDR« erklärte rückwirkend, dass der zustimmende Beschluss des Politbüros des ZK der KPdSU zur politischen Linie der DDR seit 1952 ein Fehler gewesen war und forderte die Überprüfung von Gerichtsunterlagen verurteilter Bürger sowie die Beseitigung von Mängeln bei der Ausübung des Besatzungsregimes. Die Beschlüsse des ZKPräsidiums der KPdSU 1953 bereiteten die Repatriierung der deutschen SMTVerurteilten aus der UdSSR sowie die Freilassung der SMT-Verurteilten aus den Haftanstalten der DDR vor. Im Januar 1954 kamen fast 6 000 Gefangenen in der
DDR frei, und im Oktober 1954 teilte die Moskauer Führung der DDRRegierung mit, dass alle SMT-Verurteilten, die in der DDR ihre Strafe verbüßten, freigelassen werden sollten.[42] Listen für 5 001 Personen wurden übermittelt, worauf hin im Januar 1955 die Entlassungsaktion »Tempo« begann. Am Rande einer Konferenz in Moskau vom 29. November bis zum 2. Dezember 1954 sprach Ministerpräsident Otto Grotewohl mit Außenminister Vjačeslav Molotov über die Rückkehr der noch »festgehaltenen« Emigranten, Kriegsgefangenen, Deportierten, Wissenschaftler und Techniker.[43]
Nach der Einladung Chruščovs an Bundeskanzlers Konrad Adenauer erfuhren Walter Ulbricht und Otto Grotewohl am 14. Juli 1955, dass bei den bevorstehenden Verhandlungen mit Adenauer die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik erklärt und die Freilassung der Kriegsgefangenen positiv entschieden werden würde. Mit dem Begriff der »Kriegsgefangenen« waren nicht allein 3 708 tatsächliche Kriegsgefangene und 180 Generale erfasst, sondern auch 1 726 Zivilpersonen, d. h. auch ehemalige Emigranten sowie nach 1945 zu Unrecht verurteilte Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Bürger. Die eigentliche Abschlusszeremonie war schon perfekt.[44] Was Konrad Adenauer nach seiner Moskau-Reise vom 9. bis 13. September 1955 in der Bundesrepublik Jubel einbrachte, war das Ergebnis des sowjetischen Konzepts der Verständigung mit der Bundesrepublik und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie der Anerkennung der Existenz von zwei deutschen Staaten.[45] Adenauer blieb trotz harter Attacken seiner Widersacher konsequent bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
Bereits im März 1955 wurde der Rückkehr- bzw. Repatriierungsprozess eingeleitet. Max Menzel, der sich aktiv um seine schnelle Rückkehr bemühte, verließ im Mai 1955 Vorkuta und kam am 23. Juni 1955 mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Ostberlin an. Auch Horst Hennig und seine Kameraden brachen im März 1955 auf. Mit der Transsibirischen Eisenbahn kamen sie von Sverdlovsk über Novosibirsk und Irkutsk wieder im Raum von Sverdlovsk in ein Kriegsgefangenenlager. Hier übertrug der Lagerlautsprecher am 13. September den erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen Adenauers mit der Moskauer Führung. Aufatmen und
Zuversicht begleiteten ab Oktober 1955 den Weitertransport über Moskau, BrestLitovsk nach Frankfurt (Oder). Hennigs Wahlheimat wurde die Bundesrepublik. Gemeinsam mit anderen Heimkehrern stand er am 15. Dezember 1955 auf einem Bahnsteig des Bahnhofs Zoo in Westberlin.
Heimkehr in unterschiedliche Welten
Horst Hennig nutzte sofort seine Chance, sein Medizinstudium fortzusetzen. Nach dem Staatsexamen und der Promotion an der Universität Köln diente Hennig seit Juni 1962 bis zu seinem Ruhestand 1983 in der Bundeswehr als Arzt. In seiner Funktion als Truppenarzt, Ausbilder für Luftrettungsmeister, Chef der Luftwaffensanitätsstaffel beim Jagdgeschwader 71 »Richthofen« schloss er eine medizinische Zusatzausbildung an der »School of Aerospace Medicine« in Texas/USA ab und wurde anschließend zum Fliegerarzt berufen. Pflichtbewusstsein, Fachwissen und hohes Engagement führten ihn in das Amt des Kommandeurs der Sanitätsschule der Luftwaffe, des Sanitätsoffiziers im Luftwaffenamt sowie des Unterabteilungsleiters für Sanitätswesen der Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens im Bundesministerium der Verteidigung. Seiner Beförderung zum Generalarzt der Bundeswehr 1980 folgten Auszeichnungen, wie die US-Army Commandation Medal und das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik. Trotz seiner vielen Einsätze widmete sich Hennig seinem Interesse für Geschichte und nutzte die Zugangsmöglichkeiten zu kommunismuskritischer Literatur. Kontakte mit ehemaligen Haftkameraden halfen ihm darüber hinweg, dass auch in der Bundesrepublik die aus der Sowjetunion zurückgekehrten politischen Häftlinge bis heute nicht die Aufmerksamkeit genossen haben, wie sie anfangs den ehemaligen Kriegsgefangenen entgegengebracht wurde.
Menzel kam nach 24 Jahren mit seiner Familie in eine andere Welt zurück. In der Kaderabteilung des ZK der SED in Berlin füllte er einen umfangreichen Fragebogen aus und legte seinen Lebenslauf sowie seine Erfahrungen in der Emigration handschriftlich nieder. Beide Dokumente verschwanden in einem besonderen Archiv. Am 5. Juli reiste er mit seiner Familie in seine alte Heimat Dresden. Ein Überbrückungsgeld half ihm über die ersten Wochen. Langsam konnten die bitteren Erinnerungen an den Polarkreis zurücktreten, seinen chronischen Gelenkrheumatismus, den er aus Vorkuta mitgebracht hatte, konnte er jedoch nicht verdrängen. In der Verwaltung des Industriewerks Dresden wurde er Abteilungsleiter. Bis zu seinem Renteneintritt 1966 war Max Menzel in der Zentralen Unterlagenverwaltung des Forschungszentrums der Flugzeugwerft tätig. Von der SED wurde seine Parteimitgliedschaft durchgehend anerkannt. Mit der Entlarvung Stalins als Massenmörder auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956, rührte sich auch bei ihm eine Hoffnung: »Endlich kann man offen über alles reden«. Die Halbherzigkeit des Chruščevschen Referats musste diese Hoffnung enttäuschen und führte letztlich weg von der Aufklärung der Verbrechen zur Unterdrückung von Kritik durch die poststalinistische Politik der SED.
Die ersten Jahre beschäftigten Menzel offensichtlich sehr; denn er vernachlässigte die Rückgabe der sowjetischen Staatsbürgerschaft. 1959 wurde er als Verfolgter des Naziregimes (VdN) anerkannt. Die Anerkennung als »Kämpfer gegen den Faschismus« musste er sich mit Nachdruck bis 1965 erkämpfen. Die angeschriebene Betreuungsstelle für die »Kämpfer gegen den Faschismus« beim Rat des Bezirkes Dresden[46] konnte seine in der Sowjetunion verbrachten Jahre offensichtlich nicht nachvollziehen und wendete sich deswegen an das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR mit der Bitte um eine Entscheidung durch die Sonderkommission. Nachdem sich das Komitee wiederum an die Abteilung Kader beim ZK mit der »Bitte um Überprüfung«[47] gewendet hatte, wurde das Anliegen am 7. Dezember 1965 positiv entschieden mit der Begründung, dass Menzel »vom Kriegskommissariat mobilisiert wurde und der Roten Armee – Arbeitskompanie – angehörte«[48]. So erhielt Menzel 1966 die »Medaille Kämpfer gegen den Faschismus 1933–1945« und die Familie eine kleine, zusätzliche Rente. Er blieb ein bescheidener und volksverbundener Mann, der sich bis weit in die 70er Jahre besonders in der Arbeit seiner SED-Wohnparteiorganisation und der Nationalen Front in seinem Dresdener Wohngebiet engagierte. Dem Antrag der SED-Stadtbezirksleitung Dresden an die Abteilung Parteiorgane beim ZK 1968, Max Menzel mit dem Vaterländischen Verdienstorden auszuzeichnen, wurde erst sieben Jahre später statt gegeben. 1988 gehörte Menzel mit zu den ersten Remigranten, die eine historische Aufklärung über Schicksale des NKVD-Terrors begleiteten. Im Dezember berichtete er in einem Interview über seine Verhaftung und Gerichtsverhandlung[49], wobei er seine tiefe Berührung über die Stalinschen Schauprozesse zum Ausdruck brachte und die 30er Jahre als »dunkle Zeit« erinnerte. Menzel starb am 7. November 1996.
Wege zur Klärung der Gulag-Schicksale eröffneten sich erst mit dem Gesetz der RSFSR »Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen« vom 18. Oktober 1991 und mit der Freigabe der Dokumente für ausländische Bürger durch den Obersten Sowjet im Juni 1992. Horst Hennig wurde von der Generalstaatsanwaltschaft der UdSSR am 16. Oktober 1992 juristisch rehabilitiert. Er organisiert bis heute Zusammenkünfte mit russischen Militärarchivaren sowie mit der Zentralverwaltung des ehemaligen KGB um Archivzugänge für deutsche Betroffene zu gewährleisten und ist in der »Lagergemeinschaft Vorkuta« engagiert. Das erwähnte Rehabilitierungsgesetz hat inzwischen breite Anwendung gefun-
den.[50]
[1] Angaben von Leonid Kopalin, Leiter der Abteilung Rehabilitierung bei der Militärstaatsanwaltschaft der RSFSR und Oberst der Justiz am 31. Juli 1995 in Vorkuta.
[2] Siehe Hennig, Horst: Begegnungen, in: Foitzik, Jan/Hennig, Horst (Hrsg.): Begegnungen in Workuta. Erinnerungen, Zeugnisse, Dokumente, Leipzig 2003, S. 185–227.
[3] Siehe Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (im Folgenden: SAPMO-BArch), DY/30/IV 2/11/v. 5023.
[4] SAPMO-BArch, DY30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 40; Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (im Folgenden: HstADD), Bezirkstag/Rat des Bezirkes, VdN-Akten Nr. 5104.
[5] Siehe McLoughlin, Barry: »Vernichtung des Fremden«. Der »Große Terror« in der UdSSR 1937/38. Neue russische Publikationen, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2000/2001, S. 50–88.
[6] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 36.
[7] HstADD, Bezirkstag/Rat des Bezirkes, VdN-Akten Nr. 5104.
[8] Von neun seiner Genossen wurden zwei am 3. November 1937 erschossen, vier wurden an Nazi-Deutschland ausgeliefert. Von zwei Deportierten starb einer während des Transportes.
[9] Interview der Autorin mit den Töchtern Menzels Alevtina (Tina Grumbach) und Tatjana (Tatjana Schulzki) vom 13. Januar 2006.
[10] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 37.
[11] Siehe Erler, Peter: Zwischen stalinistischem Terror und Repression. Staatlicher Zwang und parteipolitische Strafmaßnahmen gegen deutsche Politemigranten in der UdSSR nach dem 22. Juni 1941, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1996, S. 155.
[12] Siehe Ruge, Wolfgang: Berlin – Moskau – Berlin. Stationen einer Emigration, Bonn 2003.
[13] Interview der Autorin (Anm. 9).
[14] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 37; HstADD, Bezirkstag/Rat des Bezirkes, VdN-Akten Nr. 5104.
[15] Nach Angaben im Heimatgeschichtlichen Museum in Vorkuta betrug die Förderung im Steinkohlenbecken 1945 3,3 Millionen Tonnen, 1948 5,7 Millionen Tonnen, 1950 6,7 Millionen Tonnen, 1952 11,4 Millionen Tonnen und 1955 14,2 Millionen Tonnen.
[16] Wolkogonow, Dmitri: Triumph und Tragödie. Politisches Porträt des J. W. Stalin. 2 Bde., Berlin 1990, hier Bd. 1/2, S. 229.; Hilger, Andreas: Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene: Wege in eine terra incognita der Kriegsgefangenengeschichte, in: Hilger, Andreas/Schmidt, Ute/Wagenlehner, Günther (Hrsg.): Sowjetische Militärtribunale, Bd. 1: Die Verurteilung deutscher Kriegsgefangener 1941–1953, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 107 ff., Anm. 82.
[17] Nach unvollständigen Angaben des Deutschen Roten Kreuzes von 1995 kamen folgende Transporte von Deutschen: 13 000 Wolgadeutsche 1943, 4 200 Volksdeutsche aus dem Balkangebiet 1947, 2 500 verurteilte deutsche Kriegsgefangene aus anderen Lagern 1948, 4 500 verurteilte deutsche Kriegsgefangene und 1 000 verurteilte Zivilisten aus der SBZ 1949 (alle Kriegsgefangenen wurden 1950 in andere sowjetische Lager überstellt), 2 000 internierte Verurteilte aus dem sowjetischen Speziallager in Sachsenhausen (Oranienburg) in der DDR 1950. Hinzu kamen Deportierte aus Ostpreußen und SMT-Verurteilte der Jahre 1951 und 1953.
[18] 1953 werden für den Raum Vorkuta 105 000 Häftlinge und 12 000 »Freie« angegeben. Siehe Stettner, Ralf: »Archipel Gulag«: Stalins Zwangslager – Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant. Entstehung, Organisation und Funktion des sowjetischen Lagersystems 1928–1956, Paderborn u. a.1996, S. 228, Anm. 206. Der Begriff »Freie« könnte auch strafversetzte Bedienstete einschließen.
[19] Horst Hennig überließ der Autorin freundlicherweise die Kopien der im Folgenden erwähnten russischen Dokumente.
[20] Zitiert nach Hennig, Horst: Die Heeres-Unteroffizier-Vorschule zu Marienberg /Sachsen, in: Marienberg/Sachsen vor 50 Jahren. Gründung der Heeresunteroffizierschule. 1. November 1940 – 1. November 1990, Bonn 1990, S. 20.
[21] Zitiert nach ebenda.
[22] Horst Hennig im Gespräch mit der Autorin.
[23] Siehe Foitzik, Jan: Organisationseinheiten und Kompetenzstruktur des Sicherheitsapparates der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), in: Plato, Alexander von u. a.
(Hrsg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945–1950, Berlin 1998, Bd. 1, S. 117–131.
[24] Hennig im Gespräch mit der Autorin.
[25] Hennig im Gespräch mit der Autorin.
[26] Kopalin, Leonid: Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung widerrechtlich repressierter deutscher Staatsbürger, in: Hilger/Schmidt/Wagenlehner: Sowjetische Militärtribunale (Anm. 16), S. 365.
[27] Hennig wurde mit vier Kommilitonen zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt, zwei (eine Frau und ein Mann) erhielten je zehn Jahre. Hennig und ein zweiter Kamerad verbüßten die Strafe in Vorkuta, zwei kamen nach Tajšet, zwei verblieben im Zuchthaus Bautzen, die Frau in Waldheim.
[28] Siehe Erler, Peter: Der Lagerstandort Frankfurt an der Oder und das Gefängnis Nr. 6 in Berlin Lichtenberg, in: Plato: Sowjetische Speziallager in Deutschland, Bd. 1 (Anm. 23), S. 445–451.
[29] Horst Hennig überließ der Autorin freundlicherweise eine Kopie des erwähnten Dokuments.
[30] Mitteilung von Leonid Kopalin am 28. Juli 1995 in Moskau.
[31] Schüler, Horst: Workuta. Erinnerung ohne Angst, 2. Aufl. Dießen 2001, S. 24.
[32] Siehe Foitzik/Hennig: Begegnungen in Workuta (Anm. 2), S. 233.
[33] Ebenda, S. 219.
[34] Für das Überlassen der Briefkopien dankt die Autorin den Töchtern von Max Menzel.
[35] Siehe Binski, Sigurd: Zwischen Waldheim und Workuta, Bonn 1967; Schüler: Workuta (Anm. 31), S. 53–72; Fritsche, Heinrich Paul: Workuta 1953 – die Terrormaschinerie, in: Foitzik/Hennig: Begegnungen in Workuta (Anm. 2), S. 127–154; Foitzik/Hennig: Begegnungen in Workuta (Anm. 2), S. 238–279 u. 286–299; Jakowlew, B.: Koncentracionnye lagery SSSR [Konzentrationslager in der UdSSR], München 1955, S. 107–110.
[36] Ein Bericht des stellvertretenden Innenministers, Armeegeneral Ivan Maslennikov, erfasst Ausschnitte des Geschehens und objektiviert damit Häftlingserinnerungen. Da er die Aufsände darin als »konterrevolutionäre Sabotage« diffamiert und den Waffeneinsatz auf groteske Wiese begründet (Häftlinge wollten mit Messern angreifen) ist der Bericht jedoch mit Distanz zu lesen.
[37] Foitzik/Hennig: Begegnungen in Workuta (Anm. 2), S. 235–237.
[38] Erinnerungen von Häftlingen erwähnen mehrere hundert Häftlinge, die sich versammelten.
[39] Diese Angaben sind der vom Ministerium des Innern der UdSSR am 6. August 1953 namentlich aufgestellten Liste der Toten und Verletzten entnommen. Siehe Foitzik/Hennig: Begegnungen in Workuta (Anm. 2), S. 240–264. Der Bericht von Maslennikov spricht von 42 Toten und 132 Verwundeten. Dass sich die Zahl der Toten von 53 auf 60 und darüber hinaus erhöht haben könnte, kann sich aus dem nachfolgenden Sterben von Schwerverletzten (49) ergeben haben.
[40] Interview der Autorin (Anm. 9).
[41] Siehe Hilger, Andreas/Schmeitzner, Mike/Schmidt, Ute (Hrsg.): Sowjetische Militärtribunale, Bd. 2: Die Verurteilung deutscher Zivilisten 1945–1955, Köln/Weimar/Wien 2003.
[42] Siehe Neues Deutschland vom 19. Oktober 1954; Possekel, Ralf: Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik. Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945–1950, Berlin 1998, Bd. 2, S. 385–389.
[43] Siehe SAPMO-BArch, NY 4090/460; Neues Deutschland vom 24./25. März 1990
[44] Siehe SAPMO-BArch, DY 30/3749; Neues Deutschland vom 7./8. Juli 1990.
[45] Siehe Verhandlungen zwischen Delegationen der Regierung der UdSSR und der Regierung der DDR in Moskau vom 17. bis zum 20. September 1955 zum Abschluss eines Staatsvertrags.
[46] Siehe SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 7–10, 14/15; HstADD, Bezirkstag/Rat des Bezirkes, VdN-Akten Nr. 5104.
[47] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v. 5023, Bl. 8.
[48] Ebenda, Bl. 7.
[49] Plener, Ulla: Richard Ulbricht, ein deutscher Facharbeiter. Hat sich als schuldig bekannt – und wurde erschossen, Dokumente aus dem Archiv des Komitees für Staatssicherheit der UdSSR (KGB), in: Utopie kreativ, Heft 9, Mai 1991, S. 93–106.
[50] Am 30. November 2000 registrierte die Deutsche Botschaft in Moskau, dass von 12 658 bearbeiteten Anträgen 7 251 Rehabilitierungen erfolgten. 1 054 Anträge wurden abgelehnt. In 1 400 Fällen wurde das Rehabilitierungsverfahren eingestellt, weil keine Archivunterlagen existierten. Siehe Kopalin: Die Rechtsgrundlagen der Rehabilitierung (Anm. 26), S. 375.