JHK 2007

Drei Besatzungen unter zwei Diktaturen. Eine vorläufige Bilanz der Forschungsarbeiten der internationalen Historikerkommissionen in Lettland, Litauen und Estland

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 276-296 | Aufbau Verlag

Autor/in: Walter M. Iber/Peter Ruggenthaler

Im Herbst 1998 wurden in Lettland, Litauen und Estland internationale Historikerkommissionen eingesetzt, die es sich zur Aufgabe machten, sich mit der »Epoche« der drei Besatzungen zwischen 1940 und 1991 auseinanderzusetzen. Der folgende Beitrag stellt eine Bilanzaufnahme der bisherigen Forschungsergebnisse der Kommissionen, vor allem im Hinblick auf zu Tage gefördertes Zahlenmaterial, dar. Auf die historischen Hintergründe der 51 Jahre währenden Besatzungen der baltischen Staaten kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden.[1]

Das grundlegende Problem der Historiographie in den baltischen Ländern lag lange Zeit im unzureichenden wissenschaftlichen Austausch mit dem Ausland. Hierfür spricht die fast ausschließliche Heroisierung des Partisanenkampfes gegen die sowjetische Besatzung in den diversen Publikationen. In den sowjetischen Publikationen wurden die baltischen Partisanen als Nationalisten und Banditen dargestellt. Die russischen Publikationen seit 1991 setzen diese Darstellung teilweise bruchlos fort.[2] Diese Konfrontation dient bis heute als Sinnbild für politische Gräben, die nicht zuletzt durch unterschiedliche, jedoch von der jeweiligen Seite als »richtig« angesehene Interpretationen der Geschichte noch vertieft wurden. War das Bild vom baltischen NS-Kollaborateur in der russischen Historiographie stets ein wesentlicher Faktor, so wandte sich nach der Erlangung der Unabhängigkeit der baltischen Staaten auf der anderen Seite die Forschung im Baltikum auch offiziell gegen das Bild von der UdSSR als »Befreierin« und »Friedensstifterin«. Dieses Grundproblem stellt einen der wichtigsten Ansätze der 1998 ins Leben gerufenen Historikerkommissionen dar, die die Erreichung einer Verflechtung mit der internationalen – auch der russischen – Forschung als eines ihrer wesentlichen Ziele definieren. Das inhaltliche Hauptaugenmerk der Kommissionen ist identisch. Es richtet sich auf die »Epoche« der drei Besatzungsregime zwischen 1940 und 1991. Alle drei Historikerkommissionen haben sich neben der historischen Forschung auch der Öffentlichkeitsarbeit und einer entsprechenden Einwirkung auf den Schul- und Hochschulunterricht verschrieben.[3]

Die lettische Historikerkommission 

Die lettische Kommission mit der einfachen Bezeichnung »Historikerkommission Lettlands« unter dem Vorsitz von Professor Andris Caune wurde 1998 auf Initiative des damaligen Staatspräsidenten Guntis Ulmanis (1993 bis 1999) gegründet. Dementsprechend ist sie auch heute bei der Präsidentin Lettlands Vaira VīkeFreiberga (seit 1999) angesiedelt. Die Hauptaufgabe der Kommission besteht in der Erforschung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Besatzungen 1940 bis 1956. Ihr gehören Experten aus Schweden, den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich an.[4] Von der Beteiligung ausländischer Wissenschaftler erwartete man sich von lettischer Seite einen wichtigen Beitrag zur Objektivität der Arbeit, gleichzeitig aber auch ein Kennenlernen neuer Methoden der Geschichtsforschung, die im Westen angewandt werden. Die Sitzungen der Kommissionsmitglieder finden zweimal jährlich statt. 

Innerhalb der Kommission wurden vier voneinander unabhängige Arbeitsgruppen gebildet, die sich den Themen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem Territorium Lettlands 1940–1941« (Leitung Valdis Berzins), »Holocaust in Lettland« (Leitung Aivars Stranga), »Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem Territorium Lettlands während der nationalsozialistischen Okkupation 1941– 1944« (Leitung Inesis Feldmanis) und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Lettland während der sowjetischen Okkupation 1944–1956« (Leitung Heinrihs Strods) widmen. Da neue Archivmaterialien erschlossen werden müssen, ist für die Arbeiten eine längere Zeitdauer eingeplant.[5] Insbesondere lettische Historiker beklagen, in Moskauer Archiven gleichgültig behandelt zu werden. Dennoch war die Forschungsarbeit bisher recht fruchtbar, die Publikationsreihe der Historikerkommission umfasst bereits 18 Tagungsbände.[6] Der Großteil der Bände ist in lettischer Sprache verfasst, weist jedoch zumindest englische Zusammenfassungen bzw. vereinzelt auch Beiträge in deutscher und englischer Sprache auf. Nur der 5.[7] und der 14. Band[8] erschienen zur Gänze in englischer Sprache, wobei in Letzterem ausgewählte Forschungsergebnisse aus den vorangegangenen Bänden präsentiert werden. Er kommt somit einer vorläufigen Zwischenbilanz der Arbeit der Historikerkommission gleich.  

Wichtig ist anzumerken, dass sich neben der Historikerkommission in Lettland das 1993 eröffnete Okkupationsmuseum in Riga als bedeutender Faktor in der Erforschung der drei Besatzungsregime etabliert hat. Die Geschichte Lettlands im Zeitraum von 1940 bis 1991 wird hier in Form einer umfangreichen Ausstellung dokumentiert.[9] Das Okkupationsmuseum ist in personeller Hinsicht eng mit der Historikerkommission vernetzt. Mitarbeiter der Museumsverwaltung, u. a. Valters Nollendorfs, Heinrihs Strods und Andrejs E. Feldmanis, gehören auch der Historikerkommission an.[10] 

Die litauische Historikerkommission

In Litauen ist die »Internationale Kommission zur Erforschung der Verbrechen des Nationalsozialistischen und des Sowjetischen Besatzungsregimes in Litauen« eine Parlamentskommission, der der litauische Parlamentsabgeordnete Emanuelis Zingeris vorsitzt.[11] Die Kommission ist in zwei Subkommissionen unterteilt, von denen sich eine den beiden sowjetischen Besatzungen (Vorsitzender Julius Šmulkštys), die andere der Zeit unter deutscher Herrschaft (Vorsitzende Dalia Kuodytė) widmet. Mit den von den Sowjets in Litauen begangenen Verbrechen setzen sich vor allem Historiker aus Litauen, aber auch solche aus Russland und Frankreich auseinander, die NS-Verbrechen werden von litauischen, deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern untersucht.

Im Hinblick auf Öffentlichkeitsarbeit und Publikationstätigkeit war die Kommission bisher sehr aktiv. Es sind bereits mehrere Newsletter und Broschüren erschienen, die über die Arbeit der Historikerkommission informieren.[12] Ebenso kann sie auf eine Reihe von internationalen Konferenzen und jährlich organisierte Workshops verweisen.[13] Bereits im Jahr 2000 erschien mit Hilfe der Kommission der Tagungsband zum in Vilnius veranstalteten »Internationalen Forum über in der Ära des Holocausts erbeutete Kulturgüter«.[14] Als Publikation der Kommission gab Vytautas Tininis 2003 ein dreibändiges Werk über die Verbrechen des kommunistischen Regimes in Litauen von 1944 bis 1953 heraus.[15] Jeder der drei Bände gliedert sich in einen litauisch/englischen Textteil und einen umfangreichen Dokumenten-Anhang. Einzelne Berichte der Historikerkommission im Hinblick auf die deutsche Besatzung befassen sich mit dem Antisemitismus in Litauen, der Ermordung von Kriegsgefangenen und Repressionen gegen die jüdische und nicht-jüdische litauische Bevölkerung. Weitere Berichte, so z. B. über die litauische Polizei unter der NS-Herrschaft, die Rolle der litauischen Massenmedien während der deutschen Besatzung oder litauische Zwangsarbeiter in Deutschland[16] befinden sich in Vorbereitung.[17] 

Neben der Internationalen Historikerkommission ist in Litauen vor allem die Arbeit des Genocide and Resistance Research Centre of Lithuania zu nennen, das sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte Litauens in den verschiedenen Besatzungsperioden beschäftigt. Als Ergebnis liegen zahlreiche Publikationen vor.[18] Eine Fülle an Tagungen und internationalen Konferenzen, bei denen das Forschungszentrum als Veranstalter bzw. Mitveranstalter auftrat, ergänzen die rege wissenschaftliche Tätigkeit.[19] Die Leiterin des Forschungszentrums Dalia Kuodytė ist, wie bereits erwähnt, auch Mitglied der litauischen Historikerkommission. Die »Epoche« der drei Besatzungen Litauens nimmt zudem breiten Raum in Publikationen zur litauischen Nationalgeschichte ein.[20]

Die etwas besseren gegenwärtigen diplomatischen Beziehungen zwischen Vilnius und Moskau machen sich auch in der Forschung bemerkbar. Kürzlich erschien eine gemeinschaftliche Publikation litauischer Historiker und des Instituts für allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften, ein einmaliger Dokumentenband über die erste sowjetische Besatzung in Litauen 1940/41. Diese Publikation führte zu freudigen Reaktionen im Baltikum, da die russische Mitherausgeberin Natalija Lebedeva erstmals den Terminus »Okkupation« (»okkupacija«) für die Zeit nach dem Einmarsch 1940 verwendete. Heftige Reaktionen in Russland veranlassten die russische Seite jedoch, einen Schritt zurückzusetzen. Die Publikation befindet sich bislang unter Verschluss und ist auf dem russischen Buchmarkt nicht erhältlich. Nur in Litauen kursieren 20 Exemplare. Immerhin wird nunmehr jedoch auch in Russland zumindest die Zeit bis zu den Referenden in den baltischen Ländern 1940 als militärische Besetzung anerkannt.[21]

Die estnische Historikerkommission

Ähnlich wie lettische Historiker klagen auch ihre estnischen Kollegen über einen restriktiven Zugang zu russischen Archiven.[22] Die bereits im Jahr 1992 gegründete Estonian State Commission on Examination of the Policies of Repression hält in ihrem jüngst herausgegebenen White Book über die menschlichen und materiellen Verluste der estnischen Nation während der Besatzungsherrschaften von 1940 bis 1991 fest, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse nach wie vor nur auf estnischem Archivmaterial beruhen, »because till the present day it has not been possible to use materials in the archives of occupation regimes«[23]. Zumindest im Hinblick auf Deutschland dürften diesem Mangel wohl eher fehlende finanzielle Projektmittel zugrunde liegen. 

Die von Präsident Lennart Meri (1992 bis 2001) eingesetzte unabhängige Historikerkommission, die »Estnische Internationale Kommission zur Erforschung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit« steht unter dem Vorsitz des renommierten ehemaligen finnischen Diplomaten Max Jakobson. Sie setzt sich aus Mitgliedern aus den USA, Dänemark, Russland und Deutschland zusammen[24] und besteht aus zwei Arbeitsgruppen, von denen sich eine den beiden sowjetischen Besatzungen, die andere der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 widmet. Erst jüngst legte die Kommission ihre Forschungsergebnisse zur ersten sowjetischen und zur deutschen Besatzung Estlands in Form einer umfangreichen, weit über 1 000 Seiten umfassenden Publikation vor.[25] Die in den insgesamt 69 Artikeln behandelten Themen reichen von der Besatzung Estlands 1940, den Deportationen und politischen Repressionen zur Zeit der ersten Sowjetherrschaft über Judenverfolgung, Kooperation und Kollaboration unter deutscher Besatzung bis hin zum Kriegsende in Estland. Die Publikation ist zur Gänze in englischer Sprache abgefasst. Allerdings werden die Autoren dem Attribut »international« kaum gerecht: Sämtliche Beiträge wurden von Esten verfasst. Forschungsergebnisse zur Phase der zweiten sowjetischen Besatzung ab 1944 stehen zum Großteil noch aus.[26]

Eine Vorreiterrolle im Hinblick auf die Erforschung des Kommunismus in Estland nahm der ehemalige estnische Ministerpräsident (1992 bis 1994; 1999 bis 2002) und Mitarbeiter am Schwarzbuch des Kommunismus, Mart Laar, ein.[27] Laar beschäftigte sich besonders intensiv mit der zweiten Besatzung Estlands durch die UdSSR, insbesondere mit dem estnischen Partisanenkampf gegen die Sowjetherrschaft.[28] 

Anmerkungen zu den folgenden Ausführungen

Die intensiven Forschungsarbeiten der drei baltischen Historikerkommissionen, aber auch diverser baltischer Historiker und Forschungsinstitutionen haben eine Fülle neuer Erkenntnisse über die beiden sowjetischen und die deutsche Besatzung in Lettland, Litauen und Estland gebracht. In der Folge soll vor allem der Frage nachgegangen werden, welche Bilanzen die Forschung bisher im Hinblick auf die Opfer der Besatzungsregime im Baltikum (Tote, Deportierte, Verurteilte, Verbannte, Opfer des Holocaust, sowjetische Kriegsgefangene) zu Tage gefördert hat. Es gilt dabei auch aufzuzeigen, inwieweit sich die Angaben der Historikerkommissionen von den Forschungsergebnissen anderer Institutionen bzw. Historiker unterscheiden.

Die erste sowjetische Besatzung in Lettland 1940/41

Die direkten Bevölkerungsverluste aus der Zeit der ersten sowjetischen Besatzung 1940/41 werden für Lettland im 2002 erschienenen Katalog des Okkupationsmuseums der Republik Lettland mit 35 000 angegeben.[29] Die Forschungen der lettischen Historikerkommission haben allerdings inzwischen ergeben, dass diese Zahl zu hoch ist, sich die besagten Bevölkerungsverluste jedoch immer noch auf ein Prozent der Bevölkerung Lettlands vor dem Zweiten Weltkrieg (20 000 von 1,951 Millionen, laut dem Zensus von 1935) belaufen.[30] Irēne Šneidere diskutiert in ihrem Artikel die von verschiedenen Quellen und Historikern angeführten Opferzahlen und kommt zu dem Schluss, »that in the first period of the Soviet occupation 20 000–21 000 persons were repressed.«[31] 

Was die zu trauriger Berühmtheit gelangten Massendeportationen vom 14. Juni 1941 betrifft, so kann die Historikerkommission auch hier mit aktualisierten bzw. präzisierten Zahlenangaben aufwarten. Das Okkupationsmuseum schätzte 2002 die Zahl der deportierten lettischen Bürger auf 15 500. Auf der Basis der Akten der Rehabilitationsabteilung des Innenministeriums der Republik Lettland geht Uldis Paulis Strēlis in einer Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung von »mindestens 14 194« deportierten Personen aus, wobei er jedoch festhält, dass »viele unterwegs gestorbene Kinder oder Minderjährige, die vor dem Erreichen des Verbannungsortes verstarben«, in diesen Statistiken nicht erfasst wurden.[32] Im 14. Tagungsband der staatlichen Historikerkommission präzisiert Jānis Riekstiņš die bisher gemachten Angaben und nennt 15 424 Personen.[33] Die Sterblichkeitsrate war in Anbetracht der Verhältnisse im Exil freilich hoch. »According to the State Archive of Latvia more than 1 900 of the persons deportated from Latvia on 14 June 1941 died in special settlements.«[34] 

Auf den bewaffneten lettischen Widerstand gegen die erste Sowjetherrschaft wurde insbesondere von Juris Ciganovs hingewiesen. Im Jahr 1941 kämpften lettische Verteidigungs- und Partisaneneinheiten gemeinsam mit deutschen Kräften gegen die Rote Armee. Von deutscher Seite wurde mit lettischen Verbänden, die eine Stärke von 6 000 bis 8 000 Mann erreichten, zunächst jedoch nicht geplant. Noch im Juli 1941 ordnete Generalmajor Stahlecker[35] daher ihre Abrüstung an.[36] Juris Pavlovičs spricht im 14. Tagungsband der Historikerkommission von einer »amorphous 6000-man large paramilitary organization«, die den Deutschen im Sommer 1941 zur Verfügung stand, und nennt daneben ein Netz von etwa 100 Bezirkskommandanturen und bis zu »400 parish Self-Defense Groups«.[37] 

Die deutsche Besatzung Lettlands 1941 bis 1944

Im Hinblick auf den Holocaust in Lettland meinte Andrew Ezergailis im Jahr 1996, dass »the total number of Latvian Jews killed perhaps did not exceed 61 000.«[38] Egil Levits führt in einem Artikel im Nordost-Archiv dagegen an, dass »fast alle der 80 000 Juden Lettlands« ermordet wurden.[39] In der Enzyklopädie des Holocaust wiederum heißt es: »Von den 70 000 in Lettland gebliebenen Juden haben höchstwahrscheinlich nicht mehr als 3 000 die Massaker der Nationalsozialisten überlebt. Von den 20 000 Juden, die aus Österreich, der Tschechoslowakei und Deutschland nach Lettland deportiert wurden, haben nur etwa 1 000 den Krieg überlebt.«[40]

Die Opferbilanz in den Forschungen der Historikerkommission weist nun 70 000[41] lettische Juden aus. Hinzu kommen noch 20 000 Juden, die aus dem Deutschen Reich oder aus Ungarn nach Lettland gebracht worden waren, und 1 000 Juden, die im Juni 1941 aus Litauen nach Lettland geflüchtet oder ins Ghetto von Riga deportiert und von dort ins Konzentrationslager Kaiserwald bei Riga gebracht worden waren. Die Gesamtzahl beläuft sich demnach auf ca. 90 000 Opfer.[42] Eine weitere große Opfergruppe in der Zeit der NS-Besatzung stellten die bolschewistischen Aktivisten dar. Nach Heinrihs Strods wurden schätzungsweise 10 000 von ihnen getötet, 10 000 weitere wurden interniert und bis zu 20 000 nach Deutschland deportiert.[43] Das lettische Okkupationsmuseum schätzt die Zahl der »other victims of Nazis and evacuated inmates of concentration camps« auf 20 000, jene der zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich Deportierten auf 20 000.[44] 

Unter der deutschen Herrschaft wurden nach Egil Levits knapp 150 000 Letten – zum Großteil durch Zwangsmobilisierung – in verschiedene Militärverbände einberufen.[45] Levits gibt die Verluste der lettischen Soldaten in den Reihen von Waffen-SS-[46] oder Wehrmachtsverbänden mit 50 000 bis 60 000 Personen an, stützt sich dabei jedoch auf den zweiten Band der in Stockholm erschienenen Lettischen Enzyklopädie aus dem Jahr 1952/53.[47] Hans Werner Neulen liefert eine Aufstellung aller Letten, die mit Stand 1. Juli 1944 auf deutscher Seite unter Waffen standen, bei der sich die Gesamtzahl auf 110 249 beläuft.[48] Das lettische Okkupationsmuseum geht schließlich von 115 000 Letten in verschiedenen deutschen Verbänden aus, von denen allerdings nur 15 Prozent wirklich Freiwillige waren.[49] Im 14. Band der lettischen Historikerkommission scheint zu diesem Thema zwar keine entsprechende Gesamtzahlenangabe auf, Inesis Feldmanis geht aber auf die beiden lettischen Divisionen der Waffen-SS[50] ein und nennt für diese insgesamt mehr als 52 000 Mitglieder.[51] 

Die zweite sowjetische Besatzung Lettlands ab 1944

Der Wechsel von der deutschen zur sowjetischen Besatzung von Juli 1944 bis Mai 1945 war von heftigen Kampfhandlungen begleitet. Bereits zu Beginn dieser Periode wurden Letten wieder in die Verbände der Roten Armee eingezogen. Bis zum 1. Juni 1945 hatte die Sowjetunion schließlich 57 422 lettische Männer für ihre Streitkräfte mobilisiert. Jānis Riekstiņš betont, dass es nicht möglich sei, auf der Basis der bisher bekannten und zugänglichen Quellen die Gesamtzahl der 1944/45 mobilisierten und an der Front gefallenen Letten zu eruieren. Er hält aber fest, »dass die Zahl sehr groß gewesen sein muss«. Seinen Angaben zufolge wurden im Januar 1945 in Lettland 1 199 Todesnachrichten ausgestellt, im März 1 846, im April 2 283 und im Mai 1 233.[52]

Nach Heinrihs Strods flüchteten vor der zweiten sowjetischen Besatzung Lettlands ca. 240 000 Menschen (13 Prozent der Bevölkerung) vor dem bolschewistischen Terror, den sie bereits in den Jahren 1919 und 1940/41 erlebt hatten.[53] Die Gesamtzahl der in Lettland zwischen 1944 und 1991 aus politischen Gründen bestraften Personen liegt bei ca. 150 000, was ca. 7,5 Prozent der Bevölkerung entsprach. Allein am 25. März 1949 wurden bei einer Massendeportation 43 000 Menschen nach Sibirien verbracht.[54] Zudem waren ca. 600 000 Menschen (30 Prozent der Bevölkerung) Repressalien in anderer Form ausgesetzt: Verlust der Arbeit, Ausschluss vom Besuch der Schule oder Beschränkung der Karrieremöglichkeiten.[55]

Heinrihs Strods hat sich in seinen Arbeiten für die lettische Historikerkommission ausführlich mit dem bewaffneten Widerstand gegen die zweite Sowjetherrschaft auseinandergesetzt. Er geht davon aus, dass sich ungefähr 20 000 Partisanen aktiv am Kampf gegen die Sowjets beteiligten. Etwa 3 000[56] fielen im Kampf, ungefähr 5 000 wurden in Gulag-Lagern inhaftiert, aus denen die meisten von ihnen nicht mehr zurückkehren sollten.[57] Niedrigere Zahlen nennt hingegen Egil Levits, der exakt 13 488 lettische Teilnehmer am Partisanenkampf (10 750 Partisanen, 2 738 aktive Unterstützer), davon 2 420 im Kampf Gefallene angibt.[58] Aktualisiertes Zahlenmaterial lieferte hierzu Ritvar Jansons im 17. Tagungsband der Kommission: »As a result of the combat operations during 1944 there were killed or captured 1075 partisans, 6016 in 1945, and 4218 in 1946.«[59]

Die erste sowjetische Besatzung in Litauen 1940/41

Wichtige Zahlen, Daten und Fakten zu den Repressionen während der ersten sowjetischen Besatzung in Litauen finden sich in Zigmantas Kiaupas History of Lithuania. Demnach wurden allein im Juni 1941 12 000 Personen inhaftiert, 85 Prozent davon »were charged with anti-soviet behaviour«[60]. Von der sowjetischen Deportationspolitik waren nach Kiaupa insgesamt 21 214 Litauer betroffen, wovon allein 13 000 den Juni-Deportationen des Jahres 1941 zum Opfer fielen.[61] Laut dem Zensus von 1923 hatte Litauen 2,159 Millionen Einwohner. Im Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung führte Vanda Kašauskiene 1993 an, dass nach dem 14. Juni 1941 insgesamt 12 682 verbannte Litauer in der RSFSR und in der Kasachischen SSR angesiedelt wurden.[62] Von einer weit höheren Zahl gehen Dalia Kuodytė und Ronaldas Tracevskis aus. Sie sprechen von insgesamt 16 246 Litauern, die zwischen dem 14. und dem 18. Juni 1941 deportiert wurden.[63]

In Litauen fand bereits 1940/41 ein intensiv geführter antisowjetischer Partisanenkampf statt. Valentinas Brandišauskas verweist in seinem Artikel in einem Sammelband des Genocide and Resistance Research Centre of Lithuania auf eine in der Forschung oftmals angenommene Zahl von insgesamt 90 000 bis 131 000 Partisanenkämpfern, von denen 2 000 bis 6 000 allein während der Revolte im Juni 1941 fielen. Brandišauskas geht von 16 000 bis 20 000 bewaffneten Widerstandskämpfern aus, von denen seiner Schätzung nach nicht mehr als 650 getötet wurden.[64]

Die deutsche Besatzung Litauens 1941 bis 1944

Nach der Enzyklopädie des Holocaust verblieb ein überwiegender Teil der insgesamt 220 000 litauischen Juden auch unter der deutschen Besatzung in seiner Heimat. Das Ende des Jahres 1941 überlebten lediglich 40 000 Juden.[65] Kiaupa tradiert diese Angaben weiter: »According to various calculations (these are not exact since there are no surviving lists and documentary evidence is in short supply), during the war around 190 000–200 000 or 90–95 percent of Lithuanian Jews perished.«[66] Der Franzose Yves Plasseraud spricht schließlich von 200 000 bis zum Kriegsende im Jahr 1945 umgekommenen Juden.[67] Christoph Dieckmann, Mitarbeiter der litauischen Historikerkommission, präzisiert in einem im Jahr 2003 erschienenen Sammelband über den Holocaust in Litauen die Angaben seines französischen Kollegen: »Von über 200 000 Juden blieben nur etwa 45 000 Juden in den Ghettos in den größeren Städten und einigen Dutzend Arbeitslagern vorläufig am Leben. Das Kriegsende im Frühjahr 1945 erlebten nur noch etwa 8 000 in ganz Europa verstreute litauische Juden.«[68] Im Newsletter der Internationalen Litauischen Historikerkommission »Looking back at the Holocaust: Recent Developments in Lithuania« findet sich dieselbe Zahlenangabe wie bei Plasseraud. 94 Prozent aller litauischen Juden wurden ermordet.[69]

Christoph Dieckmann nennt neben den Juden die sowjetischen Kriegsgefangenen und zwangsevakuierte sowjetische Zivilisten als weitere große Opfergruppen des NS-Regimes in Litauen. In den Kriegsgefangenenlagern kamen in Litauen mindestens 170 000 Rotarmisten ums Leben.[70] Die Opferzahl unter den sowjetischen Zivilisten, die von der auf dem Rückzug befindlichen Wehrmacht zwangsevakuiert und auf improvisierte Lager verteilt wurden, betrug mindestens 40 000. Daneben nennt Dieckmann weitere 10 000 Todesopfer aus der Zeit der deutschen Besatzung: »nichtlitauische Juden, sowjetische Aktivisten, zurückgebliebene Familien sowjetischer Funktionäre, Mitglieder verschiedener Partisanengruppierungen, Zigeuner und psychisch Kranke«[71]. Im Hinblick auf die Opfer unter den sowjetischen Kriegsgefangenen verweist auch Emanuelis Zingeris auf die von Dieckmann angegebene Zahl.[72]

Hans Werner Neulen weist auf die nicht unbedeutende Zahl der im Verlaufe des Krieges auf deutscher Seite unter Waffen stehenden Litauer hin. Mit Stand Jänner 1945 führt er eine Gesamtzahl von 36 800 Mann an.[73]  

Die zweite sowjetische Besatzung Litauens ab 1944

Im 17. Sammelband der lettischen Historikerkommission zieht Ronaldas Račinskas eine Bilanz der bisherigen Forschungsergebnisse der litauischen Historikerkommission zu den Verbrechen der zweiten Sowjetherrschaft in Litauen und kann dabei auch mit detailliertem Zahlenmaterial aufwarten.[74] Zunächst erwuchsen aus den seit 1944 vorgenommenen Zwangsrekrutierungen von Litauern in die Rote Armee erhebliche Bevölkerungsverluste. Insgesamt wurden 82 000 Litauer eingezogen. Vytautas Tininis meinte 2003 in einer Publikation der Historikerkommission, dass »presumably about 25 000 of the Lithuanians serving in the Soviet Army perished on the battlefield«.[75] Ronaldas Račinskas’ Betonung der Unmöglichkeit einer präzisen Zahlenangabe unterstreicht den Schätzwert-Charakter der Angaben Tininis’. Fest steht lediglich, dass nach der Demobilisierung am 25. November 1946 42 898 Soldaten, davon 30 000 Litauer, nach Litauen zurückkehrten.[76] Račinskas zufolge wurden in den Jahren von 1944 bis 1953 186 000 Personen verhaftet, davon galten 80 000 als politische Gefangene. Des Weiteren wurden 8 000 Personen als NS-Kollaborateure verhaftet. Von insgesamt 142 579 Litauern, die oftmals ohne rechtmäßige Verurteilung in sowjetische Gulag-Lager verbracht wurden, mussten zehn bis zwölf Prozent ihr Leben lassen.

Die Zahl der insgesamt zwischen 1945 und 1952 von den Sowjets aus Litauen Verbannten wird von Vanda Kašauskiene im Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung mit 108 363 angegeben.[77] Die Historikerkommission schätzte im Jahr 2003 für den Zeitraum 1945 bis 1953 eine Zahl von 106 000 bis 108 000 deportierten Personen.[78] Mittlerweile geht man aber davon aus, dass in der Zeit von 1945 bis 1952 mindestens 118 000 Einwohner Litauens, darunter 20 000 Kinder, der sowjetischen Deportationspolitik zum Opfer fielen. Ein Großteil von ihnen kam in das Gebiet Irkutsk oder in die Region Krasnojarsk. Die Zahl der ums Leben gekommenen Deportierten im Zeitraum von 1945 bis 1958 wird auf 20 000 (davon 5 000 Kinder) geschätzt. Eine große Zahl jener 48 000 bis 50 000 Litauer, die sich zum Zeitpunkt des 1. Jänner 1958 noch im Exil befanden, kehrte nie mehr in die Heimat zurück.[79] 

Zahlenangaben über die litauischen Opfer des antisowjetischen Partisanenkampfes lassen sich zunächst bei der Historikerkommission selbst feststellen. Vytautas Tininis führt dazu in seiner Publikation[80] aus dem Jahr 2003 detailliertes Zahlenmaterial an: Von 1944 bis 1952 kämpften insgesamt 120 570 Personen gegen die Sowjetherrschaft. Davon wurden 62 000 verhaftet (darunter 14 850 unbewaffnete Widerstandskämpfer), 20 093 wurden getötet, 38 106 wandten sich vom Widerstandskampf ab. Des Weiteren beruft sich Tininis auf eine Schätzung von Arvydas Anušauskas, wonach sich die Gesamtzahl der zwischen 1944 und 1952 verhafteten Personen auf 186 000 belief. Etwas andere Angaben macht Nijole Gaškaitė-Zemaitiene in ihrem Aufsatz über den litauischen Partisanenführer Jonas Zemaitis. Sie führt 20 200 im Kampf getötete Partisanen und 5 000 ums Leben gekommene unbewaffnete Widerstandskämpfer an. Keine Abweichungen gibt es bei den insgesamt verhafteten Personen – offenbar in Anlehnung an Anušauskas nennt auch Gaškaitė-Zemaitiene die Zahl von 186 000.[81] Dalia Kuodytė und Rokas Tracevskis geben dagegen im Hinblick auf die Todesopfer niedrigere, jedoch auch weniger detaillierte Zahlen an. Ihnen zufolge forderte der Partisanen-Guerillakrieg – 1945 hielten sich rund 30 000 Personen in den litauischen Wäldern versteckt – rund 22 000 Todesopfer.[82] Arvydas Anušauskas nannte jüngst wiederum genaue Zahlen für die Verluste unter den Widerstandskämpfern in den Jahren 1946 und 1947. In diesem Zeitraum verloren insgesamt 2 928 litauische Partisanen im Kampf ihr Leben, während 8 140 in sowjetische Gefangenschaft gerieten. Im Vergleich mit den anderen baltischen Ländern, der Ukraine und Weißrussland erreichte der Partisanenkampf damit in Litauen nach der Westukraine die größte Intensität.[83]

Die erste sowjetische Besatzung in Estland 1940/41

Im Jahr 1934 belief sich die Bevölkerungszahl in Estland auf 1 126 000 Menschen (88 Prozent Esten, 8 Prozent Russen, Weißrussen, Ukrainer und 1,5 Prozent Deutsche). In seiner 2005 erschienenen Publikation zu Estland im Zweiten Weltkrieg geht Mart Laar von 52 750 Esten aus, gegen die von den Sowjets zwischen 1940 und 1945 Repressalien ausgeübt wurden. Die Zahl der ums Leben Gekommenen bzw. Ermordeten gibt er mit 18 090 an.[84] Den Angaben in den Berichten der Estnischen Historikerkommission über Estland in den Jahren 1940 bis 1945 zufolge wurden während der ersten Phase der sowjetischen Besatzung nahezu 7 000 Esten von Organen des NKVD und des NKGB gefangen genommen und verhaftet. Davon fielen 1 850 der Exekution zum Opfer, während fast 4 500 in der Gefangenschaft starben.[85] Interessanterweise weichen die Angaben der Estonian State Commission on Examination of the Policies of Repression von jenen der staatlichen Historikerkommission ab. Aigi Rahi-Tamm nennt ca. 8 000 verhaftete Personen, von denen mindestens 1 950 hingerichtet wurden.[86] Allein von Juni bis Oktober 1941 töteten Organe des NKVD und NKGB 2 000 estnische Zivilisten, darunter auch estnische Partisanen, die so genannten »Waldbrüder«.[87]  Am 14. Juni 1941 wurden aus Estland über 10 000 Menschen deportiert. Die Historikerkommission verweist auf Quellenangaben, wonach es sich um exakt 10 861 Verschleppte handelte. Die Schicksale der Betroffenen wurden folgendermaßen kategorisiert: Ungefähr 300 Männer und 150 Frauen wurden von den übrigen getrennt und in Gefangenenlager verbracht, wo der Großteil von ihnen der Exekution zum Opfer fiel. Der Großteil der Deportierten, darunter auch 400 estnische Juden, kam in die Verbannung nach Sibirien.[88]

Im Verlauf des Sommers 1941 wurden insgesamt 25 000 Personen in die UdSSR »evakuiert«. Einen großen Anteil davon bildeten estnische Staatsbürger, die oftmals zwangsweise, unter der Androhung von Haft oder Hinrichtung, ihre Heimat verlassen mussten. Auch ganze Firmen wurden inklusive Personal und Ausstattung nach Russland evakuiert.[89] Eine detaillierte Auflistung der Historikerkommission über die Gesamtzahl der Bevölkerungsverluste ist nicht vorhanden. Die estnische staatliche Kommission gibt diese mit insgesamt 78 600 (davon 42 800 Tote) an. 10 000 davon waren jene im Krieg Gefallenen, die 1940/41 in die Rote Armee zwangsmobilisiert worden waren.[90] 

Bezüglich der deutsch-sowjetischen Konfrontation in Estland im Sommer 1941 wird in den Berichten der estnischen Historikerkommission festgehalten, dass insgesamt 12 000 »Waldbrüder« an den Kämpfen gegen die Rote Armee teilnahmen.[91]

Die deutsche Besatzung Estlands 1941 bis 1944

Im Hinblick auf die deutsche Besatzung spricht Mart Laar von »7 798 estnischen Bürgern, die während der drei Besatzungsjahre hingerichtet wurden oder in Gefangenenlagern ums Leben kamen«[92]. Dem Holocaust fielen »929 in Estland lebende Juden und 243 Zigeuner [sic!]«[93] zum Opfer. Die staatliche Kommission geht davon aus, dass 7 800 estnische Staatsbürger von 1941 bis 1944 hingerichtet wurden oder unter den Repressionen der NS-Herrschaft starben. Eine höhere Opferzahl wird als unwahrscheinlich erachtet. Nach den Angaben im White Book waren 70 Prozent der Opfer Esten, 15 Prozent Russen und zwölf Prozent Juden.[94]

Die von Laar und der staatlichen Kommission angegebenen Zahlen fügen sich im Hinblick auf ihre Größenordnung zumindest in etwa in das Gesamtbild, das auch die aktuellen Ergebnisse der staatlichen Historikerkommission zum Holocaust vermitteln. Ihren Angaben zufolge gelang es 75 Prozent der estnischen Juden, vor den Nationalsozialisten in die UdSSR zu fliehen. Letztlich blieben zwischen 950 und 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder in Estland zurück, die von den Nationalsozialisten fast ausnahmslos noch vor Ende des Jahres 1941 ermordet wurden.[95] Nach dem aktuellen Wissensstand der Forschung überlebte nicht einmal ein Dutzend von ihnen. Neben den estnischen Juden wurden auch Juden aus Litauen, der Tschechoslowakei und anderen Ländern von den NSBesatzern nach Estland deportiert und dort ermordet. Die Historikerkommission nennt als Beispiel etwa 3 000 »nicht arbeitsfähige« Juden, die im Frühling 1943 erschossen wurden.[96] Neben den Juden fielen der NS-Besatzung in Estland 400 bis 1 000 Roma, 6 000 ethnische Esten und 1 000 Russen zum Opfer.[97] Wieviele Esten insgesamt im Krieg auf deutscher Seite gefallen sind, konnte die Historikerkommission bislang nicht ermitteln. Aigi Rahi-Tamm benennt diese Zahl im White Book mit 10 000.[98] Mit der Behandlung der auf estnischem Boden umgekommenen sowjetischen Kriegsgefangenen hat sich die Historikerkommission einem echten Forschungsdesiderat gewidmet. Jedenfalls wagt sie eine vorsichtige Schätzung auf der Basis des bisher verfügbaren, jedoch ihren Angaben nach spärlichen Beweismaterials: »Of some 30 000+ Soviet POWs [Prisoners of War] held in Estonia about 15 000 died.«[99]

Wiederum ist es Neulen, der auch den nicht unerheblichen Beitrag der Esten zu den deutschen Kriegsanstrengungen vor Augen führt. Seinen Angaben zufolge gehörten im Jahr 1944 insgesamt 69 000 estnische Soldaten verschiedenen bewaffneten Verbänden auf deutscher Seite an.[100] Innerhalb der Historikerkommission hat man sich etwa mit der estnischen 20. Waffen-Grenadier-Division der SS beschäftigt.[101] Am 7. Mai 1945 bestand diese Division schätzungsweise noch aus 6 500 bis 7 000 Mann. Es wird angenommen, dass nach deren bedingungsloser Kapitulation in Böhmen etwa 500 Mann von Rotarmisten und tschechischen Kommunisten getötet wurden. Insgesamt fielen rund 5 000 Angehörige der 20. SS-Division in die Hände der Roten Armee.[102]

Die zweite sowjetische Besatzung Estlands ab 1944

Zur zweiten sowjetischen Besatzung Estlands liegen von Seiten der staatlichen Historikerkommission noch kaum Ergebnisse vor. Aufschlüsse über die Opferbilanz lassen daher in erster Linie das von der Estonian State Commission on Examination of the Policies of Repression publizierte Zahlenmaterial und die Forschungen von Mart Laar zu. In der Zeit von 1944 bis 1989 wurden insgesamt 30 000 Personen verhaftet und 23 000 deportiert. Zusätzlich kam es zwischen 1953 und 1988 zu 500 Verhaftungen aus politischen Gründen. Nach den Schätzungen der staatlichen Kommission forderte die zweite Sowjetherrschaft in Estland unter den Verhafteten, Deportierten und unter den bewaffneten Widerstandskämpfern insgesamt rund 16 000 Todesopfer.[103]

Angaben über die Zahl der insgesamt am Kampf gegen die Sowjetherrschaft beteiligten estnischen »Waldbrüder« schwanken nach Aigi Rahi-Tamm zwischen 15 000 und 30 000,[104] während Mart Laar sogar von bis zu 40 000 bewaffneten Widerstandskämpfern in Estland ausgeht[105] und die Anzahl der im Kampf gefallenen bzw. in Haft verstorbenen Partisanen auf ca. 8 000 schätzt.[106] Sirje Kivimäe nennt, Frauen und Kinder eingeschlossen, »bis zu 35 000 Menschen, die in der Nachkriegszeit kürzere oder längere Zeit im Wald verbrachten«[107].

Zur Forschungstätigkeit der Historikerkommissionen – ein Ausblick

Auch wenn einerseits viele der oben dargelegten Zahlen der Historikerkommissionen nahezu nahtlos an ältere Forschungsergebnisse anknüpfen bzw. nur eine Bestätigung derselben darstellen, so konnten andererseits neue beachtenswerte Erkenntnisse hervorgebracht werden. Zu erwähnen wären hier die Eruierung niedrigerer Opferzahlen während der ersten sowjetischen Besatzung in Lettland bzw. der Todesrate sowjetischer Kriegsgefangener in Litauen. Interessant erscheinen auch die teilweise unterschiedlichen Ergebnisse der beiden estnischen Historikerkommissionen.

Die folgenden Punkte mögen auch vor Augen führen, welch große Desiderata in der Erforschung der Besatzungen im Baltikum nach wie vor bestehen:

- Das äußerst diffuse Themenfeld der Kollaboration[108] mit den nationalsozialistischen Machthabern blieb bisher zwar keineswegs unberücksichtigt,[109] dennoch stehen hierzu noch sehr viele offene Fragen im Raum. Eine Auseinandersetzung mit Fragen der Kollaboration unter der zweiten sowjetischen Herrschaft fand, mit Ausnahme der litauischen Historikerkommission,[110] bisher überhaupt nicht statt. Die lettische Historikerkommission fasste auf der Sitzung im Oktober 2006 zumindest den Beschluss, sich diesem Thema in Zukunft stärker zu widmen. 

- In Lettland stellt die Auseinandersetzung mit dem Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen nach wie vor, vielfach auch aufgrund mangelnden Interesses, ein Desiderat dar. In Estland gibt es hierzu lediglich eine erste vorsichtige Schätzung.

- Zur Zahl der auf deutscher und sowjetischer Seite gefallenen Esten, Letten und Litauer können zwar vereinzelte Angaben gemacht werden, Gesamtzahlen fehlen bisher jedoch völlig. 

- Die estnische Historikerkommission hat zwar eine detaillierte Studie für die Besatzungszeit(en) 1941 bis 1945 vorgelegt. Forschungsergebnisse zur zweiten sowjetischen Besatzung lassen aber nach wie vor auf sich warten.

- Ergebnisse eines wissenschaftlichen Austausches mit Russland sind, mit Aus-nahme Litauens, nach wie vor kaum vorhanden. 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Historikerkommissionen in Estland, Lettland und Litauen bereits auf eine umfangreiche Forschungstätigkeit verweisen können. Dabei wurden viele Forschungsfelder sehr intensiv und mit großer Sorgfalt aufgearbeitet, während bei einigen anderen zumindest in Ansätzen erste Ergebnisse zu Tage treten. Auf die Historikerkommissionen wartet jedoch noch sehr viel Arbeit, wenn sie dem Anspruch einer lückenlosen Aufarbeitung vollends gerecht werden wollen. Eine stärkere internationale Zusammenarbeit und Vernetzung entsprechender internationaler Forschungseinrichtungen wäre wünschenswert.


[1]  Hier soll nur kurz auf wichtige neuere Forschungen baltischer, russischer und internationaler Wissenschaftler zum Thema verwiesen werden. Egorova, N. I. u. a.: Meždunarodnyj krizis 1939–1941 gg. Ot sovetsko-germanskich dogovorov 1939 g. do napadenija Germanii na SSSR [Die internationale Krise 1939–1941. Von den sowjetisch-deutschen Verträgen 1939 bis zum Überfall Deutschlands auf die UdSSR], Moskau 2006; Musial, Bogdan: »Wir werden den ganzen Kapitalismus am Kragen packen«. Sowjetische Vorbereitungen zum Angriffskrieg in den dreißiger und Anfang der vierziger Jahre, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54 (2006), H. 1, S. 45–64; Mertelsmann, Olaf (Hrsg.): Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zu Stalins Tod. Estland 1939–1953, Hamburg 2005; Kõll, Anu Mai (Hrsg.): The Baltic Countries under Occupation. Soviet and Nazi Rule 1939–1991 (= Acta Universitatis Stockholmensis. Studia Baltica Stockholmensia, Bd. 23), Stockholm 2003; Kiaupa, Zigmantas u. a.: Geschichte des Baltikums, Tallinn 2002; Laur, Mati u. a.: History of Estonia, Tallinn 2002. 

 Die Recherchen zu diesem Artikel wurden am Ludwig-Boltzmann-Institut für KriegsfolgenForschung Geschichte-Cluster (Graz) durchgeführt.

[2]  Zum Beispiel Krysin, M. Ju.: Pribaltika meždu Stalinym i Gitlerom [Das Baltikum zwischen Stalin und Hitler], Moskau 2004.

[3]  Im Falle Lettlands ergaben sich auf diesem Gebiet unter Präsidentin Vīke-Freiberga bedeutende Impulse, von der die Aktivitäten der Kommission im Bereich Lehrerfortbildung und Lehrbuchschreibung besonders gefördert wurden. Onken, Eva-Clarita: Lettische Geschichte im Demokratisierungsprozess, in: <http://www.eurozine.com/articles/2006-06-13-onken-de.html> am 4. Oktober 2006. 

[4]  Personelle Zusammensetzung der Historikerkommission Lettlands: Andris Caune (Vorsitzender), Mitglieder: Valdis Berzins, Inesis Feldmanis, Aivars Stranga, Heinrihs Strods, Erik Jekabsons, Valters Nollendorfs, Armands Gutmanis, Vilnis Zarins, Margeris Vestermanis (assoziierter Professor, Berater der Staatspräsidentin in Fragen der Geschichte), Antonijs Zunda, Carl Bildt (aktuell schwedischer Außenminister), Christer Wahlback, Karlis Kangeris, Per Ahlmark (alle Schweden), George D. Schwab, Alfred Erich Senn (beide USA), Erwin Oberländer (Deutschland), David Cesarani (Großbritannien), Norman M. Naimark (USA), Alain Besançon (Frankreich), Aleksandr Čubar’jan (Russland), Steven Springfield (Präsident von Jewish Survivors of Latvia). <http://www.president.lv/pk/content/?cat_id=7 &lng=de> am 3. Oktober 2006.

[5]  Ebenda.

[6]  Latvijas Vēsturnieku Komisijas raksti/Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bde. 1–18, Riga 2001–2006. Zuletzt erschienen Caune, Andris/Stranga, Aivars/Vestermanis, Margeris (Hrsg.): Holokausta Latvijā. Starptautiskās konferences materiāli, 2004. gada 3.–4. jūnjis, Riga, un 2004.–2005. gada pētījumi par holokaustu Latvijā. Latvijas Vēsturnieku Komisijas raksti, 18. sējums/Holocaust in Latvia. Materials of an International Conference 3–4 June 2004. Riga and the Holocaust Studies in Latvia in 2004–2005. Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bd. 18, Riga 2006.

[7]  Ezergailis, Andrew (Hrsg.): Stockholm Documents. The German Occupation of Latvia 1941– 1945. What did America know? Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bd. 5, Riga 2002. 

[8]  Nollendorfs, Valters/Oberländer, Erwin (Hrsg.): The Hidden and Forbidden History of Latvia. Under Soviet and Nazi Occupations 1940–1991. Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bd. 14, Riga 2005.

[9]  Siehe dazu Nollendorfs, Valters (Hrsg.): Latvijas Okupācijas Muzejs. Latvija zem Padomju Savienības un nacionālsociālistikās Vācijas varas 1940–1991/Museum of the Occupation of Latvia. Latvia under the Rule of the Soviet Union and National Socialist Germany 1940–1991, Riga 2002; Ders. u. a. (Hrsg.): The three Occupations of Latvia 1940–1991. Soviet and Nazi Take-Overs and their Consequences, Riga 2005. Siehe auch die Homepage des Okkupationsmuseums: <http://www.occupationmuseum.lv>. 

[10]  <http://www.occupationmuseum.lv/eng/about_us/administracija.html>, am 30. Oktober 2006.

[11]  Personelle Zusammensetzung: Emanuelis Zingeris (Vorsitz), Liudas Truska (geschäftsführender Vorsitz, Litauen), Jurij Afanas’ev (Russland), Andrew Baker (USA), Toma Birmontienė (Litauen), Dalia Kyoditė (Litauen), Nicholas Lane (USA), Vytautas Razvilas (Litauen), Julius Šmulkštys (Litauen); Ytzhak Arad (Israel), Daniel S. Mariaschin (USA), Don Levin (Israel); Paulus Sužiedėlis (Litauen), Joachim Tauber (Deutschland), Kęstutis K. Girnius (Litauen), Jonas Boruita (Litauen), Alfredas Bumblauskas (Litauen). mb.unit.lt/KOMISIJA_LT/ 3_1.htm> am 3. Oktober 2006. Siehe auch The International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania: Newsletter, Vilnius o. J., S. 5 f.  

[12]  <http://mb.unit.lt:8080/KOMISIJA_LT/6_1.htm> am 3. Oktober 2006.

[13]  Zingeris, Emmanuel: Reports on the Nazi Occupation in Lithuania. Made by the Lithuanian International Historical Commission, in: Caune/Stranga/Vestermanis: Holokausta Latvijā (Anm. 6), S. 33–36, hier S. 34.

[14]  Račinskas, Ronaldas (Hrsg.): International Vilnius Forum on Holocaust-Era Looted Cultural Assets. October 3–5, 2000, Vilnius 2000.  

[15]  Tininis, Vytautas: Komunistinio Režimo Nusikaltimai Lietuvoje 1944–1953/The Crimes of the Communist Regime in Lithuania in 1944–1953. 3 Bde., Vilnius 2003. Siehe dazu auch mb.unit.lt/KOMISIJA_LT/6_2.htm&gt; am 3. Oktober 2006.

[16]  An dieser Stelle sei auch auf eine im Rahmen der Arbeiten der »Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich« erschienene Studie verwiesen, die sich u. a. mit litauischen Zwangsarbeitern in der »Ostmark« beschäftigt. Knoll, Harald u. a.: »Anwerbung« und Verschleppung ziviler Zwangsarbeiter, in: Karner, Stefan/Ruggenthaler, Peter: Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939 bis 1945 (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NSZeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 26/2), Wien u. München 2004, S. 90–221, hier S. 135–162.

[17]  Siehe Zingeris: Reports on the Nazi Occupation (Anm. 13), S. 34–36. 

[18]  Zum Beispiel das seit 1997 zweimal jährlich erscheinende Journal Genocidas ir rezistencija. Die einzelnen Artikel sind jeweils auch in englischer Sprache zusammengefasst. Zu den publizierten Büchern siehe <http://www.genocid.lt/centras/en/283/c> am 5. Oktober 2006.

[19]  <http://www.genocid.lt/GRTD/Konferencijos/eng/confer.htm> am 5. Oktober 2006. 

[20] So z. B. Kiaupa, Zigmantas: The History of Lithuania, Vilnius 2002, S. 368–434.

[21]  Lebedeva, N./Kasparavičius A./Laurinavičius, Č. (Hrsg.): SSSR i Litva v gody Vtoroj Mirovoj Vojny. Tom I: SSSR i Litovskaja Respublika (mart 1939-avgust 1940gg.). Sbornik dokumentov [Die UdSSR und Litauen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges. Bd. 1: Die UdSSR und die Litauische Republik, (März 1939–August 1940). Dokumentensammlung], Vilnius 2006.

[22]  Estonian State Commission on Examination of the Policies of Repression: The White Book. Losses inflicted on the Estonian Nation by Occupation Regimes 1940–1991, Tallinn 2005, S. 7.

[23] Ebenda.

[24]  Personelle Zusammensetzung: Max Jakobson (Vorsitz), Nicholas Lane (USA), Uffe Ellemann-Jensen (Dänemark), Peter Reddaway (USA), Arsenij Roginskij (Russland), Paul Goble (USA), Wolfgang Freiherr von Stetten (Deutschland). 

[25]  Hiio, Thomas/Maripuu, Meelis/Paavle, Indrek (Hrsg.): Estonia 1940–1945. Reports of the International Commission for the Investigation of Crimes against Humanity, Tallinn 2006. 

[26]  Die einzige Ausnahme Roosi, Ranno: Repatriations to Estonia and Repatriations Policy in ESSR 1944–1955, in: Hiio/Maripuu/Paavle: Estonia 1940–1945 (Anm. 25), S. 1113–1126.

[27]  Siehe Laar, Mart: Estland und der Kommunismus, in: Das Schwarzbuch des Kommunismus 2. Das schwere Erbe der Ideologie. München/Zürich 2004, S. 261–323. Diese auf Deutsch veröffentlichte Arbeit stellt den Einführungstext zur estnischen Ausgabe des ersten Bandes des Schwarzbuches dar. 

[28]  Ders.: Forest Brothers, Tallinn 1992. Siehe dazu auch Ders.: Armed Resistance Movement in Estonia from 1944 to 1956, in: Anušaukas, Arvydas: The Anti-Soviet Resistance in the Baltic States, Vilnius 1999, S. 209–241. Jüngst erschienen, jedoch populärwissenschaftlich und knapp gehalten. Ders.: Der vergessene Krieg. Die bewaffnete Widerstandsbewegung in Estland 1944–1956, Tallinn 2005; Ders.: Der Rote Terror. Repressalien der sowjetischen Besatzungsmacht in Estland, Tallinn 2005.

[29]  Nollendorfs: Latvijas Okupācijas Muzejs (Anm. 9), S. 89.

[30]  Riekstiņš, Jānis: Colonization and Russification of Latvia 1940–1989, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 228–241, hier S. 228.

[31]  Šneidere, Irēne: The First Soviet Occupation Period in Latvia 1940–1941, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 33–42, hier S. 41. Siehe auch Vīksne, Rudīte: Soviet Repression against Residents of Latvia in 1940–1941: Typical Trends, in: Ebenda, S. 53–61. 

[32]  Strēlis, Uldis Paulis: Deportation als Vernichtungsmethode, in: Konrad-Adenauer-Stiftung: Terroropfer unter zwei Diktaturen in den baltischen Ländern/Divu diktatūru terora upuri Baltijas valstīs, Tapals 2005, S. 52–66, hier S. 54. 

[33]  Riekstiņš: Colonization and Russification (Anm. 30), S. 228.

[34]  Riekstiņš, Jānis: The 14 June 1941 Deportation in Latvia, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 62–74, hier S. 72. 

[35]  Walter Stahlecker, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, ab Juni 1941 Führer der Einsatzgruppe A (baltische Staaten und Gebiet westlich Leningrads), ab Herbst 1941 Befehlshaber der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD) im Reichskommissariat Ostland. Im März 1942 bei einem Zusammenstoß mit sowjetischen Partisanen getötet. Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a. M. 2003, S. 595; Jäckel, Eberhard/Longerich, Peter/Schoeps, Julius (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. 2. Aufl. München u. Zürich 1998, Bd. 3: Q–Z, S. 1367 f. 

[36]  Ciganovs, Juris: The Resistance Movement against the Soviet Regime in Latvia between 1940 and 1941, in: Anušauskas, Arvydas (Hrsg.): The Anti-Soviet Resistance in the Baltic States. (Genocide and Resistance Research Centre of Lithuania), Vilnius 2002, S. 122–130, hier S. 129. 

[37]  Pavlovičs, Juris: Change of Occupation Powers in Latvia in Summer 1941: Experience of Small Communities, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 92–103, hier S. 103. 

[38]  Ezergailis, Andrew: The Holocaust in Latvia 1941–1944. The Missing Center, Riga 1996, S. XIX. 

[39]  Levits, Egil: Der Zweite Weltkrieg und sein Ende in Lettland, in: Nordost-Archiv. Neue Folge 5 (1996), H. 1 (= Das Jahr 1945 und das nördliche Ostmitteleuropa. Rückblicke in die Zukunft), S. 37–62, hier S. 45.

[40]  Jäckel/Longerich/Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust (Anm. 35), Bd. 2: H–P, S. 856 f. Ein Forschungsprojekt zur Erforschung des Schicksals der österreichischen Juden, die vor dem

Zweiten Weltkrieg von Lettland aufgenommen wurden, wird vom Ludwig-BoltzmannInstitut für Kriegsfolgen-Forschung (Graz/Wien/Klagenfurt) und der Universität Lettland gemeinsam vorbereitet.

[41]  Diese Zahl wird auch genannt bei Nollendorfs: Latvijas Okupācijas Muzejs (Anm. 9), S. 89.

[42]  Stranga, Aivars: The Holocaust in Occupied Latvia: 1941–1945, in: Nollendorfs/Oberländer:

The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 161–174, hier S. 161.

[43]  Strods, Heinrihs: Persecutions of Soviet Activists in Latvia during the Years of Nazi Occupation (23 June 1941–1945). Summary, in: Caune, Andris u. a. (Hrsg.): Okupētā Latvija 20. Gadsimta 40. Gados. Latvijas Vēsturnieku komisijas 2004 gada pētījumi. Latvijas Vēsternieku Komisijas raksti, 16. sējums/Occupied Latvia in 20th Century (1940-s). Research of the Commission of the Historians of Latvia 2004. Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bd. 16, Riga 2005, S. 203 f. 

[44]  Nollendorfs: Latvijas Okupācijas Muzejs (Anm. 9), S. 89.

[45]  Levits: Der Zweite Weltkrieg (Anm. 39), S. 47.

[46]  Mit den lettischen Einheiten der Waffen-SS hat sich innerhalb der lettischen Historikerkommission u. a. Inesis Feldmanis auseinandergesetzt. Feldmanis, Inesis: Waffen-SS Units of Latvians and other Non-Germanic Peoples in World War II: Methods of Formation, Ideology, Goals, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 122–131. 

[47]  Levits: Der Zweite Weltkrieg (Anm. 39), S. 47.

[48]  Neulen, Hans Werner: An deutscher Seite. Internationale Freiwillige von Wehrmacht und Waffen-SS, 2. Aufl. München 1992, S. 275–296, hier S. 293. 

[49]  Nollendorfs: The Three Occupations (Anm. 9), S. 30. Siehe auch Nollendorfs: Latvijas Okupācijas Muzejs (Anm. 9), S. 80;

[50]  Es handelte sich um die 15. und 19. Division der Waffen-SS. Siehe dazu z. B. Tessin, Georg: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Bd. 4, Frankfurt am Main o. J., S. 21–23 u. 127 f.; Neulen: An deutscher Seite (Anm. 48), S. 289–296. 

[51]  Feldmanis: Waffen-SS Units  (Anm. 46), S. 122–131, hier S. 127.

[52]  Riekstiņš, Jānis: Mobilisierung der Einwohner Lettlands in die Rote Armee (1944–1945). Zusammenfassung, in: Caune: Okupētā Latvija (Anm. 43), S. 449. 

[53]  Strods, Heinrihs: Sovietization of Latvia 1944–1991, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 209–227, hier S. 216.

[54]  Schon in einer Publikation aus dem Jahr 1967 meinte Ādolfs Šilde, dass »die Deportationen aus Lettland [während des gesamten Zeitraumes der zweiten sowjetischen Besatzung, Anm.

d. Verf.] 180 000 bis 270 000 Personen betrafen«. Šilde, Ādolfs: Die Sowjetisierung Lettlands (= Berichte des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, Nr. 1/1967), o. O. 1967, S. 23.

[55]  Strods: Sovietization (Anm. 53), S. 217.

[56]  Diese Zahl wird auch genannt bei Nollendorfs: Latvijas Okupācijas Muzejs (Anm. 9), S. 101.

[57]  Strods, Heinrihs: Resistance in Latvia 1944–1991, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 286–298, hier S. 290. In einer Publikation aus dem Jahr 1999 führte Strods noch die Zahl von ungefähr 2 500 im Kampf gefallenen Partisanen an. Strods, Heinrihs: The Latvian Partisan War between 1944 and 1956, in: Anušauskas: The Anti-Soviet Resistance (Anm. 36), S. 149–160, hier S. 157.

[58]  Levits: Der Zweite Weltkrieg (Anm. 39), S. 58.

[59]  Jansons, Ritvars: Combat Operations of the Soviet Security Agents (Chekists) against Latvian National Partisans (1944–1956). Summary, in: Caune, Andris/Strods, Heinrihs/Zunda, Antonijs (Hrsg.): Nacionālā Pettrošanās Komunistiskajiem Režīmiem Austrumeiropā Pēc Otrā Pasaules Kara. Starptautiskās konferences materiāli, 2004. gada 7.–8. jūnjis, Riga. Latvijas Vēsturnieku Komisijas raksti, 17. sējums/National Resistance to Communist Regimes in Eastern Europe after World War II. Materials on International Conference 7–8 June 2005, Riga. Symposium of the Commission of the Historians of Latvia, Bd. 17, Riga 2006, S. 103.

[60]  Kiaupa: The History of Lithuania (Anm. 20), S. 377.

[61]  Ebenda, S. 378 f. Kiaupa bezieht sich hierbei auf verfügbare Daten aus dem Jahr 1942, betont aber, dass die Zahl der deportierten Juden nicht inkludiert ist und zwischen 1 000 und 7 000 liegen dürfte.

[62]  Kašauskiene, Vanda: Verbannungen der Einwohner Litauens in den Jahren 1941 und 1945– 1952: Überblick über Publikationen der Jahre 1988–1992, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1993, S. 276–283, hier S. 279. 

[63]  Kuodytė, Dalia/Tracevskis, Ronaldas: Siberia. Mass Deportations from Lithuania to USSR (Genocide and Research Centre of Lithuania), Vilnius 2004, S. 19. 

[64]  Brandišauskas, Valentinas: Antis-Soviet Resistance in 1940 and 1941 and the Revolt of June 1941, in: Anušauskas: The Anti-Soviet Resistance (Anm. 36), S. 8–22, hier S. 18.

[65]  Jäckel/Longerich/Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust (Anm. 35), Bd. 2: H–P, S. 871–873. 

[66]  Kiaupa: The History of Lithuania (Anm. 20), S. 390.

[67]  Plasseraud, Yves: The Shoah in Lithuania, in: Kõll: The Baltic Countries (Anm. 1), S. 158. 

[68]  Dieckmann, Christoph: Deutsche und litauische Interessen. Grundlinien der Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944, in: Bartusevičius, Vincas/Tauber, Joachim/Wette, Wolfram (Hrsg.): Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration im Jahre 1941, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 63–76, hier S. 63. 

[69]  The International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania: Looking back at the Holocaust: Recent Developments in

Lithuania. Vilnius o. J., S. 7. 

[70]  Eine demnächst erscheinende, von Christoph Dieckmann verfasste Publikation der litauischen Historikerkommission widmet sich dem Problemfeld der sowjetischen Kriegsgefangenen und präsentiert neueste Erkenntnisse.

[71]  Dieckmann: Deutsche und litauische Interessen (Anm. 68), S. 63.

[72]  Zingeris: Reports on the Nazi Occupation (Anm. 14), S. 34.

[73]  Neulen: An deutscher Seite (Anm. 48), S. 280.

[74]  Račinskas, Ronaldas: Crimes of the Communist Regime in Lithuania after Worls War II and National Resistance. Conclusion of Lithuanian International Historical Commission, in: Caune/ Strods/Zunda: Nacionālā Pettrošanās Komunistiskajiem Režīmiem (Anm. 59), S. 45–63. 

[75]  Tininis: Komunistinio Režimo (Anm. 15), Bd. 3, S. 68.

[76]  Račinskas: Crimes of the Communist Regime (Anm. 74), S. 50 f. u. 60.

[77]  Kašauskiene: Verbannungen der Einwohner Litauens (Anm. 62), S. 280.

[78]  Tininis: Komunistinio Režimo (Anm. 15), Bd. 2, S. 48.

[79]  Račinskas: Crimes of the Communist Regime (Anm. 74), S. 50–55.

[80] Tininis: Komunistinio Režimo (Anm. 15), Bd. 2, S. 39. 

[81]  Gaškajtė-Zemaitiene, Nijolė: Jonas Zemaitis during the Resistance 1944–1953. The Fourth Lithuanian President, in: Kõll: The Baltic Countries under Occupation (Anm. 1), S. 71–76, S. 75.

[82]  Kuodytė, Dalia/Tracevskis, Rokas: The Unknown War. Armed Anti-Soviet Resistance in

Lithuania in 1944–1953 (Genocide and Resistance Research Centre of Lithuania), Vilnius 2004, S. 7 u. 22. 

[83]  Anušauskas, Arvidas: A Comparison of the Armed Struggles for Independence in the Baltic States and Western Ukraine, in: Anušauskas: The Anti-Soviet Resistance (Anm. 36), S. 63–70, hier S. 65–67. 

[84]  Laar, Mart: Estland im Zweiten Weltkrieg, Tallinn 2005, S. 13.

[85]  Reports of the Estonian International Commission for the Investigation of Crimes against Humanity: Phase II: The German Occupation of Estonia 1941–1944, in:

Hiio/Maripuu/Paavle: Estonia 1940–1945 (Anm. 25), S. XII–XXIII, hier S. XII. 

[86]  Rahi-Tamm, Aigi: Human Losses, in: Estonian State Commission on Examination of the Policies of Repression: The White Book. Losses Inflicted on the Estonian Nation by Occupation Regimes 1940–1991, S. 25–46, hier S. 27.

[87]  Reports of the Estonian International Commission (Anm. 85), S. XIII.

[88]  Ebenda.

[89] Ebenda.

[90]  Rahi-Tamm: Human Losses (Anm. 86), S. 38. Siehe auch Rahi-Tamm, Aigi: Deportation und Verfolgung in Estland 1940–1953, in: Mertelsmann: Vom Hitler-Stalin-Pakt (Anm. 1), S. 211–237, hier S. 212. 

[91]  Kaasik, Peeter/Raudvassar, Mika: Estonia from June to October, 1941: Forest Brothers and Summer War, in: Hiio/Maripuu/Paavle: Estonia 1940–1945 (Anm. 25), S. 495–502, hier S. 502. Zum »Sommerkrieg« 1941 siehe auch Laar: Estland (Anm. 84), S. 14–21. 

[92]  Laar: Estland (Anm. 84), S. 25.

[93]  Ebenda.

[94]  Rahi-Tamm: Human Losses (Anm. 86), S. 29.

[95]  Siehe dazu auch im Detail Kuusik, Argo: Die deutsche Vernichtungspolitik in Estland 1941– 1944, in: Mertelsmann: Vom Hitler-Stalin-Pakt (Anm. 1), S. 130–150, hier S. 139–142; Jäckel/Longerich/Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust (Anm. 35), Bd. 1: A–G, S. 419–421; Auch nach Ruth Bettina Birn wird man »von etwas weniger als 1 000 Opfern ausgehen müssen.« Birn, Ruth Bettina: Die Sicherheitspolizei in Estland 1941–1944. Eine Studie zur Kollaboration im Osten, München/Wien/Zürich 2006, S. 169.

[96]  Reports of the Estonian International Commission (Anm. 85), S. XVIII.

[97]  Rahi-Tamm: Human Losses (Anm. 86), S. 29. 

[98]  Ebenda, S. 39. In einem anderen, im selben Jahr publizierten Artikel nennt Rahi-Tamm jedoch eine Zahl von 14 500. Rahi-Tamm: Deportation und Verfolgung (Anm. 90), S. 213.

[99] Reports of the Estonian International Commission (Anm. 85), S. XIX. Auch die deutsche Historikerin Ruth Bettina Birn befasste sich jüngst mit der Problematik der sowjetischen Kriegsgefangenen in Estland, konnte jedoch keine Angaben im Hinblick auf eine mögliche Gesamtopferzahl machen. Birn: Die Sicherheitspolizei in Estland (Anm. 95), S. 207–213. 

[100] Neulen: An deutscher Seite (Anm. 48), S. 288.

[101] Zu dieser Division siehe Tessin: Verbände und Truppen (Anm. 50), Bd. 4, S. 150–152; Neulen: An deutscher Seite (Anm. 48), S. 285–287. 

[102] Hiio, Toomas/Kaasik, Peeter: Estonian Units in the Waffen-SS, in: Hiio/Maripuu/Paavle: Estonia 1940–1945 (Anm. 25), S. 927–967, hier S. 966 f. 

[103] Siehe Rahi-Tamm: Human Losses (Anm. 86), S. 39. In Bezug auf die estnischen Partisanen nennt die Autorin jedoch an anderer Stelle auch die Zahl von bis zu 4 000 Todesopfern. Ebenda, S. 32.

[104] Ebenda.

[105] Laar: The Armed Resistance (Anm. 28), S. 217.

[106] Laar: Der Rote Terror (Anm. 28), S. 39.

[107] Kivimäe, Sirje: Estland unter der Sowjetherrschaft 1941/44–1954, in: Nordost-Archiv. Neue Folge 4 (1995), H. 2 (= Estland und seine Minderheiten. Esten, Deutsche und Russen im 19. und 20. Jahrhundert), S. 577–599, hier S. 593. 

[108] Zum Verschwimmen der Grenzen zwischen Kollaboration und Widerstand siehe etwa Felder, Björn Michael: Das Unternehmen »Wildkatze«. Die lettische Kollaboration im Zweiten Weltkrieg am Beispiel des SS-Jagdverbandes Ost, Tübingen 2001.

[109] Die meisten Forschungsergebnisse hierzu liegen aus Lettland vor. Siehe etwa Kangeris, Kārlis: »Closed« Units of Latvian Police – Lettische Schutztmannschafts-Bataillone: Research Issues and Pre-History, in: Nollendorfs/Oberländer: The Hidden and Forbidden History (Anm. 8), S. 104–121; Ders.: Der Aufbau der Polizei in Lettland während der deutschen Okkupation (1941–1945), in: Caune (Hrsg): Okupētā Latvija (Anm. 43), S. 316–318; Feldmanis: Waffen-SS Units (Anm. 46), S. 122–131; Ezergailis: Stockholm Documents (Anm. 7), S. 30– 34 sowie zahlreiche andere Arbeiten.

[110] Siehe Tininis: Komunistinio Režimo (Anm. 15), Bd. 1, S. 96–98. 

Inhalt – JHK 2007

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