Seit ihrer Gründung in der Übergangsphase zwischen der Stände- und der Industriegesellschaft ist die Gewerkschaftsbewegung von ideologischer, politischer und organisatorischer Vielfalt gekennzeichnet. Die unterschiedlichen programmatischen Akzentuierungen, binnengewerkschaftlichen Differenzierungen und richtungsgewerkschaftlichen Fragmentierungen spiegeln konkrete historische Entstehungsbedingungen und nationale Entwicklungsvarianten wider, zugleich drücken sich in ihnen für alle modernen Industriestaaten typische sozioökonomische Konstellationen aus, die für den Antagonismus von Kapital und Arbeit bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts konstitutiv waren und die diesen strukturellen Dauerkonflikt bis heute prägen. Auf die immer wieder gestellte Frage, welche Funktionen Gewerkschaften als solidarische Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern und als autonome Akteure im System der industriellen Beziehungen eigentlich wahrzunehmen hätten, wurden bekanntlich im Laufe der mittlerweile mehr als anderthalb Jahrhunderte langen Existenz von Gewerkschaftsverbänden sehr unterschiedliche Antworten gegeben. Die Bandbreite der Zuschreibungen reicht von Positionen, die den Gewerkschaften eine systemsprengende Mission als programmatische Richtmarke setzen, bis hin zu Konzepten, die ihre systemimmanente Ordnungsfunktion in der Marktwirtschaft betonen und ihre Rolle als Sozialpartner der Arbeitgeber hervorheben.
In Deutschland wurden die sozialistischen Gewerkschaften schon in ihrer Gründungsphase in richtungspolitische Auseinandersetzungen verwickelt. Man stritt darüber, ob ihre Tätigkeit letztlich nicht nur ein Kampf gegen Windmühlenflügel sei, eine Sisyphosarbeit, deren vermeintlicher Ertrag immer wieder aufs Neue durch die Intensivierung der Arbeit, die zunehmende Konzentration des Kapitals und eine sinkende Lohnquote verloren gehe. Am Beginn dieser jahrzehntelang andauernden Diskussionen über die spezifische Rolle der Gewerkschaften im Rahmen des Emanzipationskampfes der Arbeiterbewegung stand das dialektische Diktum von Karl Marx, die Gewerkschaften müssten einerseits den alltäglichen und unvermeidlichen Kleinkrieg im bestehenden Lohnsystem führen, andererseits müssten sie aber auch eine organisierte Kraft zur Beseitigung der Kapitalherrschaft sein. Diese Akzentuierung des Doppelcharakters der Gewerkschaftsarbeit löste zwischen den sozial-demokratischen Parteiintellektuellen, aber auch zwischen ihnen und den gewerkschaftlichen Pragmatikern jahrzehntelange Grundsatzkontroversen aus, die sich in der Begriffstrias Reformismus, Revisionismus und Revolution theoretisch verdichteten. Dabei stellte sich bereits im späten Kaiserreich heraus, dass die sozialrevolutionären Zielsetzungen der marxistischen Theorie mit der sozialreformerischen Tagesarbeit der Gewerkschaften nicht auf Dauer zur Deckung gebracht werden konnten. Eine Opposition aus Prinzip gegen die privatkapitalistische Marktwirtschaft hätte die Solidarität der gewerkschaftsgebundenen Arbeitnehmer überfordert, deren Herz vielleicht für den sozialistischen Zukunftsstaat schlug, deren reale Existenz aber von messbaren Erfolgen im Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit im Gegenwartsstaat abhing. Deshalb sahen die Gewerkschaften die Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen als ihre Hauptaufgabe an und konzentrierten sich darauf, im bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem das sozial Erreichbare durchzusetzen. Die ihnen von der marxistischen Theorie abgeforderte grundsätzliche antikapitalistische Konfliktorientierung spielte in den gewerkschaftlichen Strategiedebatten keine prominente Rolle. Geradezu zwangsläufig entstand so ein ideologischer Zwiespalt zwischen den Gewerkschaften und den marxistischen Gralshütern in der Sozialdemokratie, der bis zum Ende des Kaiserreichs für die ideologischen Differenzen in den Reihen der deutschen Arbeiterbewegung kennzeichnend blieb.
Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes und der Rückkehr der SPD in die Legalität war in der Partei zunächst die Meinung weit verbreitet, dass nur der politische Kampf erfolgreich sein könne und die Gewerkschaftsbewegung keine großen Zukunftschancen besäße. Vor dem Hintergrund gewerkschaftlicher Streikniederlagen und sozialdemokratischer Wahlerfolge machte sich August Bebel im Jahrzehnt nach 1890 zum Wortführer einer gewerkschaftskritischen Haltung in der politischen Arbeiterbewegung. Seine Attacken gegen die gewerkschaftlichen Reformer und seine Hoffnungen auf einen baldigen Zusammenbruch der bestehenden wirtschaftlichen und staatlichen Ordnung entsprachen dem vulgärmarxistischen Optimismus vieler seiner Parteigenossen, die – wie ihr Parteivorsitzender – die Gewerkschaften allenfalls als Rekrutenschulen der Sozialdemokratie akzeptieren wollten und an der Vorrangstellung der politischen Bewegung keinen Zweifel aufkommen ließen. Für ihre Strategie der kleinen Schritte innerhalb des kapitalistischen Systems bekamen die Gewerkschaftsführer in diesen Jahren keine theoretische Rückendeckung in der Sozialdemokratie.
Dies sollte sich erst ändern, als die gewerkschaftlichen Organisationserfolge die der Partei deutlich übertrafen und als mit Eduard Bernstein ein Parteitheoretiker die politische Bühne betrat, der die Zusammenbruchstheorie, die den baldigen Kollaps des Kapitalismus prognostizierte, in Frage stellte. Die Revolutionshoffnungen der sozialdemokratischen Parteiführung spielten in seinem strategischen Denken nur eine periphere Rolle. Der von Bernstein entfachte Revisionismusstreit, den Rosa Luxemburg unmittelbar vor der Jahrhundertwende auf die Alternativen »Sozialreform oder Revolution« zuspitzte, tangierte den Kern des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses. Die von Luxemburg formulierte These, die Tätigkeit von Gewerkschaften in der bürgerlichen Gesellschaft sei letztlich eine überflüssige Flickarbeit zur Rettung der kapitalistischen Ordnung, rückte die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung in die Nähe der Gegner der Sozialdemokratie. Nicht zufällig tauchten dann auch in der sozialdemokratischen Presse Stimmen auf, die vor einer »Vergewerkschaftung« oder »Versumpfung« der politischen Arbeiterbewegung warnten.
Doch mit dem Revisionismusstreit begann auch die Suche nach einer neuen Strategie für die von der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung angestrebte fundamentale Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung. Je mehr sich alle Spekulationen über einen baldigen »Kladderadatsch« des Kapitalismus als falsch erwiesen, desto stärker musste man sich auf einen längeren Weg bis zur Verwirklichung des angestrebten sozialistischen Endziels einrichten. Dabei rückte immer mehr die Frage in den Vordergrund, ob durch reformerische Alltagsarbeit der Transformationsprozess vom Kapitalismus zum Sozialismus angebahnt werden könne und ob ein politischer Generalstreik die schärfste Waffe der Arbeiterbewegung sei. Nun richteten die sozialdemokratischen Strategen ihren Blick auf den Zusammenhang von Aktion und Organisation, wobei sie die Vetoposition der Gewerkschaften in Rechnung stellen mussten, deren Mitgliederpotenzial das der Partei weit überflügelt hatte. Karl Kautsky, der programmatische Vordenker in der SPD, kam zu der Schlussfolgerung, dass die sozialdemokratische Bewegung ihre Emanzipationsstrategie auf Sand baue, wenn sie diese ohne die Kerntruppen der Gewerkschaften plane. Nur die Gewerkschaften seien in der Lage, die organisierbaren und kampffähigen Massen des Proletariats auf Dauer an sich zu binden und für einen politischen Massenstreik zu mobilisieren.
Mit ihrer auf dem Mannheimer Parteitag 1906 verabschiedeten Resolution zog die SPD die Konsequenz aus der realen Entwicklung: Die Sozialdemokratie gab ihren Primatsanspruch auf, akzeptierte die gewerkschaftliche Autonomie bei Auseinandersetzungen auf dem Arbeitsmarkt und erkannte eine gemeinsame Verantwortung von politischer und gewerkschaftlicher Arbeiterbewegung bei der Verwirklichung der sozialistischen Zielvorstellungen an. Die Einsicht, dass ohne den organisatorischen Rückhalt der Gewerkschaften ein politisch motivierter Generalstreik scheitern musste, gehörte seit dem Abschluss des Mannheimer Abkommens zu den gemeinsamen Überzeugungen der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer – sieht man einmal davon ab, dass Rosa Luxemburg an ihrer Position festhielt und auf die Spontaneität der Massen setzte, wenn es zu einer revolutionären Eskalation in Deutschland kommen sollte.
Der das politische Denken und Handeln der Vorkriegssozialdemokratie bestimmende Dualismus von reformerischer Praxis und revolutionärer Ideologie konnte nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht länger die strategische Leitlinie der deutschen Arbeiterbewegung sein. SPD und Gewerkschaften standen nun vor dem Problem, ihre attentistische Position preisgeben zu müssen. Sie hatten sich zwischen einer radikalen Antikriegspolitik und dem Burgfrieden mit dem Kaiserreich zu entscheiden. Das gewerkschaftliche Votum für die Vaterlandsverteidigung und die sozialdemokratische Zustimmung zu den Kriegskrediten beinhalteten eine programmatische Festlegung auf ein reformistisches Konzept. Die Befürworter eines Schulterschlusses zwischen Arbeiterbewegung und Monarchie verfolgten damit keine strategielose Anpassungspolitik an den kaiserlichen Obrigkeitsstaat. Vielmehr setzten sie auf dessen Reformfähigkeit während des Krieges und plädierten auch deshalb für eine Einbindung der Arbeiterbewegung in die nationale Einheitsfront. Hierbei gingen die Gewerkschaften am weitesten, die sich mit ihrer Zustimmung zum Hilfsdienstgesetz die staatliche Anerkennung erwarben. Doch die politischen Reformhoffnungen der Linken wurden enttäuscht. Nicht zuletzt deshalb kam es zu einer Spaltung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung im Krieg. Die innerparteilichen Frontlinien zwischen einem reformerischen und einem revolutionären Politikverständnis brachen endgültig auf, nach 1918 konnten sie nicht mehr überbrückt werden. Fortan fielen der gewerkschaftliche Pragmatismus und das von Lenin ideologisch inspirierte kommunistische Avantgardedenken auseinander.
Während der revolutionären Übergangsphase zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik entfaltete sich in Deutschland aber nicht nur eine kommunistische Bewegung, die sich in ihrem Partei- und Gewerkschaftsverständnis am Leninismus orientierte. Regionalen Widerhall fanden jetzt zeitweise auch anarchistisch-syndikalistische Strömungen, deren organisatorische und ideologische Heimat eigentlich in den romanischen Ländern lag und die bis dahin in Deutschland nur auf wenig Interesse gestoßen waren. Ideen des französischen Syndikalismus, vor allem sein antiparlamentarischer Aktivismus und seine versammlungsdemokratischen Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen, hatten zwar schon vor 1914 im gewerkschaftlichen Lokalismus einzelner Berufe und Branchen Nachahmung gefunden, doch diese unabhängig von den etablierten Dachverbänden der Richtungsgewerkschaften operierenden Gruppen waren im Kaiserreich eine Randerscheinung geblieben. Syndikalistische Aktions- und Organisationsformen wurden überwiegend von einer jüngeren Generation getragen, die sich den Disziplinbegriffen der traditionellen Gewerkschaftsbewegung entzog, militante kollektive Verhaltensformen propagierte und die »direkte Aktion« zu ihrer Kampfstrategie machte. Sie breiteten sich dann während der Gründungsphase der Weimarer Republik vor allem im rheinisch-westfälischen Industriegebiet aus und gewannen für die Radikalisierung der Bergarbeiter an Rhein und Ruhr eine große Bedeutung. Trotz seiner regionalen Resonanz im »wilden Westen« des Ruhrgebiets und in den mitteldeutschen Industriezonen gelang es dem Syndikalismus jedoch nicht, in den Gewerkschaften fest Fuß zu fassen. Die syndikalistischen Arbeiterorganisationen blieben im Vergleich zu den gewerkschaftlichen Zentralverbänden bescheidene Ansätze einer organisatorischen und programmatischen Alternative mit begrenzter Ausstrahlungskraft.
Auch die von heterogenen linksradikalen Gruppen gegründete Kommunistische Partei konnte keinen Massenzulauf aus den Gewerkschaften verbuchen. Da man die Arbeiterklasse als ein revolutionäres Subjekt definierte und in der frühen Weimarer Republik auf einen unmittelbar bevorstehenden und erfolgreichen bolschewistischen »Generalaufstand« setzte, erschien den Protagonisten der KPD die Vertretung von tagespolitischen Interessen als eine der historischen Umbruchsituation nicht angemessene Ablenkung. In ihren innerparteilichen Kämpfen, in denen es um die Suche nach einem eigenen Standort zwischen Syndikalismus und Sozialdemokratie ging, korrigierte die KPD zwar nach dem Abebben der revolutionären Nachkriegswelle ihre antigewerkschaftliche Ausrichtung, doch von den Irrungen und Wirrungen eines putschistischen und utopischen Arbeiterradikalismus hat sie sich während der Weimarer Republik nie völlig frei machen können. Gleichzeitig wurde der Bewegungsspielraum des deutschen Kommunismus im von der Moskauer Komintern-Führung geschnürten ideologischen Korsett des Marxismus-Leninismus immer enger und seine Abhängigkeit vom schwankenden Kurs der stalinistischen Realpolitik immer größer.
Die kommunistische Gewerkschaftspolitik war während der Zeit der Weimarer Republik von einer verwirrenden Abfolge von strategischen Wendungen und taktischen Manövern geprägt. Diese spiegelten zum einen die permanenten Führungskämpfe und häufigen Richtungswechsel in der KPD wider, zum anderen wurde aber bei der Beantwortung der Gewerkschaftsfrage auch das ideologische Grunddilemma der KPD als marxistisch-leninistischer Klassenpartei sichtbar. Sie verstand sich als die einzige theoretisch legitimierte Sachwalterin der politischen und sozialen Interessen der Arbeiterklasse, und sie orientierte ihre Gewerkschaftspolitik am Modell des revolutionären Weges, dessen Verlauf in der Theorie des Kommunismus alternativlos vorgezeichnet war.
Aus dem scheinbar wissenschaftlich felsenfest untermauerten Wahrheitsanspruch dieser Theorie ergaben sich verbindliche Prinzipien für das Verhältnis der KPD zu den Gewerkschaften, die nicht in Frage gestellt werden konnten: Die Partei besaß die strategische Hegemonie in allen zu entscheidenden Fragen, der sich auch die Gewerkschaften zu unterwerfen hatten. Ihr politisches Ziel, die revolutionäre Realisierung der Zukunftsgesellschaft, hatte stets Priorität gegenüber der gewerkschaftlichen Gegenwartsarbeit. Der von Marx formulierte dialektische Dualismus zwischen der Arbeit in der Klassengesellschaft und der Überwindung der Klassengesellschaft wurde also um seine alltags- und interessenpolitische Komponente immer dann verkürzt, wenn – wie zunächst am Anfang und dann am Ende der Weimarer Republik erneut – die proletarische Revolution auf der Tagesordnung des Kommunismus stand. Ferner verkörperte die Kommunistische Partei die proletarische Klasse und duldete deshalb neben sich weder eine programmatische noch eine organisatorische Konkurrenz in der Arbeiterbewegung. »Revolutionäre Gewerkschaftspolitik« nach bolschewistischem Vorbild kannte also keine Gleichberechtigung von Partei und Gewerkschaften, sondern unterwarf die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung dem Primat der Politik.
Sowohl die 1921 in Moskau gegründete Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI), die sich als Gegenspielerin des sozialdemokratisch beeinflussten Internationalen Gewerkschaftsbundes mit Sitz in Amsterdam verstand, wie auch die 1929 von der KPD im Vollzug eines RGI-Beschlusses ins Leben gerufene Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) zielten mit ihren verbalradikalen Mobilisierungskampagnen und ihren organisatorischen Spaltungsversuchen auf eine Zerschlagung des gewerkschaftlichen Reformismus. Beide Gründungen waren nicht das Ergebnis von Basisbewegungen in den Gewerkschaften, mit denen sich eine revolutionär stimulierte Arbeiterschaft neu formierte, sondern sie erfolgten auf Geheiß der internationalen und nationalen kommunistischen Führungsgremien, die auf die Karte der Konfrontation setzten. In Deutschland scheiterte die RGO-Politik mit ihren weit gesteckten revolutionären Zielen während der Weltwirtschaftskrise, die man in der Moskauer Zentrale des Kommunismus als finale Krise des Kapitalismus fehldeutete. In keiner Branche konnte die RGO eine Mehrheitsposition erringen, und ihr gewerkschaftlicher Einfluss blieb sogar innerhalb des kommunistischen Lagers sektoral und betrieblich begrenzt.
Auch die Geschichte der Roten Gewerkschaftsinternationale endete nach 1933 in der Isolation. Aufgeschreckt vom Triumph des Nationalsozialismus in Deutschland verabschiedete sich die Sowjetunion nämlich von ihrer transnationalen Konfrontationspolitik gegen den sozialdemokratischen Reformismus und liquidierte auch auf der internationalen Ebene ihre kommunistischen Parallelgewerkschaften. Doch die Phase der Einheitsfrontpolitik war nur ein Zwischenspiel, dessen definitives Ende der Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes im August 1939 markierte. Nach der Niederwerfung des Nationalsozialismus durch die west-östliche Anti-Hitler-Koalition kehrten mit Beginn des Kalten Krieges die Konstellationen und Konfrontationen der Vorkriegszeit auf die nationale und transnationale Gewerkschaftsebene zurück. Dies dokumentieren die Entwicklung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Sowjetischen Besatzungszone und die erneute Spaltung der internationalen Gewerkschaftsbewegung, in der parallel zur Blockbildung zwischen Ost und West die ideologischen, politischen und organisatorischen Flügelkämpfe von Kommunisten, Sozialisten und Christen wieder auflebten.
Nachdem die kommunistische Gewerkschaftspolitik in der Weimarer Republik nur einen geringen organisatorischen Widerhall in der Arbeiterschaft gefunden und ihre strategischen Ziele weit verfehlt hatte, eröffnete sich ihr nach 1945 im »realsozialistischen« Lager des Ostblocks und auch im geteilten Deutschland eine zweite Chance. Die Geschichte der DDR als erfolglose Gegengesellschaft zur Bundesrepublik ist jedoch auch aus der gewerkschaftlichen Perspektive zu einer Geschichte des Scheiterns geworden. Selbst wenn der 1946 gegründete FDGB nicht von Anfang an eine kommunistisch gelenkte Kaderorganisation war, sondern zunächst auch an die sozialdemokratisch-freigewerkschaftliche Praxis der Zwanzigerjahre anknüpfen und die dort tradierten Aufgaben der Interessenvertretung übernehmen wollte, vollzog sich unter der Regie der sowjetischen Siegermacht innerhalb weniger Jahren seine Umwandlung in eine von der SED bevormundete und gesteuerte Massenorganisation. Drahtzieher in diesem Prozess waren immer wieder ehemalige RGO-Funktionäre, die bereits im Mai 1945 in Berlin als Gewerkschaftsgründer aktiv geworden waren. Die im Zuge der kommunistischen Entmündigung einer freien Gewerkschaftsbewegung in der SBZ und DDR eingesetzten Instrumente von Druck und Drohung, aber auch von Werbung und Verlockung wirkten auf die zur führenden Klasse geadelte Arbeiterschaft widersprüchlich. Da sie von der tonangebenden Monopolpartei der DDR ideologisch privilegiert wurde, erwartete sie sich vom Realsozialismus auch größere materielle Zuwendungen, als dieser in den Notjahren der unmittelbaren Nachkriegszeit unter sowjetischer Regie zu erwirtschaften vermochte.
Bereits in der frühen Phase der DDR-Geschichte offenbarte sich auch in Deutschland, dass der Stalinismus mit vielfältigen Methoden und Mitteln der Indoktrination in seinem Machtbereich operierte und nicht davor zurückschreckte, Terror und Gewalt einzusetzen, um seine Herrschaft abzusichern. Wie wenig Rücksicht kommunistische Parteiführer im Konfliktfall auf Arbeiterinteressen nahmen, offenbarte sich während und nach dem Juniaufstand von 1953 in aller Deutlichkeit. Zur Vorgeschichte und zum Verlauf dieses Aufstandes gehörte aber auch die Tatsache, dass sich auf den unteren Funktionärsebenen des FDGB und vor allem an seiner Basis viel Unmut über die Wirtschafts- und Sozialpolitik der SED angesammelt hatte: Zwischen der von der Staatspartei geforderten Regimeloyalität und dem in der Arbeiterschaft lebendig gebliebenen traditionellen Gewerkschaftsverständnis bestand immer noch eine tiefe Kluft. So streikten viele Mitglieder des FDGB im Juni 1953, während dessen Führungsapparat als Streikbrecherzentrale operierte. Die anschließenden ideologischen Attacken der SED-Führung gegen den »Opportunismus« und »Sozialdemokratismus« in der Arbeiterbewegung und die von ihr im Gewerkschaftsapparat vorgenommenen personellen »Säuberungen« sind Belege dafür, dass das Projekt einer kommunistisch durchherrschten Gesellschaft in der DDR längst noch nicht verwirklicht war.
Der schon in der Zwischenkriegszeit immer wieder aufgebrochene Gegensatz zwischen der leninistischen Gängelung der Gewerkschaften und den materiellen Interessen der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft konnte auch unter den Systembedingungen des Staatssozialismus nicht eingeebnet werden. Obwohl der absolute Herrschaftsanspruch der SED, die sich wie alle kommunistischen Parteien als Avantgardepartei der Arbeiterklasse verstand, in der Mangelgesellschaft der DDR immer wieder an Grenzen der kollektiven Hinnahme oder des individuellen Eigen-Sinns stieß und in der Praxis des Regimealltags häufig auf dem Prüfstand stand, ließ das Prinzip des Primats der Partei keinen großen Spielraum für konkurrierende Ideen und anders akzentuierte Konzepte aus den Reihen des FDGB. Aus ideologischer Perspektive hatten die Gewerkschaften als Transmissionsriemen der Partei zu fungieren und waren als »Schulen des Sozialismus« für eine flächendeckende Indoktrination und die Vermittlung der SED-Politik zuständig. Als breit in der Gesellschaft verankerte Massenorganisation, deren Arbeitsfelder von der Sozialpolitik bis zur Freizeitgestaltung reichten, hatte der FDGB aber auch eine wichtige Integrationsfunktion im staatssozialistischen System zu erfüllen. Er war nämlich Ansprechpartner der Betriebsbelegschaften in ihrem Arbeitsalltag, er fungierte zugleich als sozialpolitischer Akteur und er organisierte auch die Freizeit und den Urlaub in der DDR. Und schließlich war er noch ein Instrument der Kontrolle bei der Disziplinierung der Erwerbsbevölkerung, denn die Gewerkschaftsfunktionäre hatten die Staatsorgane ausführlich über die Stimmung am Arbeitsplatz sowie über »besondere Vorkommnisse« im Arbeitsalltag zu informieren. Ihr eigenes Sanktionspotenzial war mit dem der SED und dem der Staatssicherheit wechselseitig vielfach vernetzt. Hinzu kamen die systemtypischen Machtressourcen von linientreuen Gewerkschaftsfunktionären, die über die berufliche Weiterbildung und die betrieblichen Aufstiegschancen ihrer Arbeitskollegen entschieden und sich bei der Verteilung von Privilegien als Gönner in Szene setzen konnten. Bestrafung und Belohnung gehörten zu ihren Herrschaftsmitteln und zu ihrer Herrschaftspraxis.
Die Verstaatlichung der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung erwies sich in der Geschichte des gesamten Ostblocks als eine Fehlkonstruktion mit fatalen Folgen. Denn mit ihr brachte man die Gewerkschaften in eine schizophrene Situation. Sie sollten als Akteure des Staatssozialismus auftreten und zugleich für die Interessen der Erwerbstätigen eintreten. Diesen Widerspruch vermochte der Marxismus-Leninismus in seiner ideologischen Welt zwar dialektisch zu ummanteln, in seiner »realsozialistischen« Welt konnte er ihn aber nicht auflösen. Politisch brisant wurde der Widerspruch immer wieder bei Arbeitskonflikten. Sie waren in der DDR und in den anderen Ostblockstaaten nie nur Verteilungskonflikte, bei denen es um mehr Lohn und um weniger Arbeitszeit ging. Sie waren immer auch Systemkonflikte, denn sie erschütterten die Architektur der sozialen Beziehungen zwischen dem Regime und der Gesellschaft und stellten den Führungsanspruch der Staatspartei im kommunistischen Herrschaftsgefüge in Frage. Und sie konnten zu Aufständen eskalieren. Dies ließe sich am Beispiel des Juniaufstandes von 1953 in der DDR ebenso dokumentieren wie an der erstickten Revolution in Ungarn im Herbst 1956, am Prager Frühling von 1968 oder am Streik der Danziger Werftarbeiter und der Konfliktgeschichte der Gewerkschaft Solidarność in Polen zu Beginn der 1980er-Jahre.
In seiner Ideologie und politischen Praxis negierte der Kommunismus eine fundamentale Erkenntnis der nichtkommunistischen Arbeiterbewegung, wonach eine Verstaatlichung der Produktionsmittel allein noch keine ausreichende Garantie für eine am Prinzip der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit orientierte Politik war. Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung wollte deshalb die Unabhängigkeit der Gewerkschaften gegenüber dem Staat und der politischen Arbeiterbewegung auch nach der Verwirklichung des demokratischen Sozialismus unbedingt bewahren. Garanten dieser Autonomie sollten das Koalitions- und Streikrecht sowie die gewerkschaftliche Selbstbestimmung als Arbeitsmarktpartei sein. Auf diese Prinzipien hatte sich im Sommer 1919 bereits der Gründungskongress des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes verständigt, dessen reformistisch orientierte Delegierte folgende programmatische Leitlinie festlegten: Der Sozialismus kann nur durch die Demokratie und nicht durch die Diktatur des Proletariats verwirklicht werden.
An dieser Leitlinie orientierte sich nach 1945 auch der gewerkschaftliche Wiederaufbau in den drei Westzonen. Er vollzog sich unter dem Vorzeichen der Einheit und zielte auf die Zusammenführung der kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und liberalen Richtungsgewerkschaften unter einem gemeinsamen Dach ab. Doch dieser Gründungskonsens erwies sich von Anfang an als nicht besonders belastbar, blickt man auf die Rolle der Kommunisten in der neu entstehenden Gewerkschaftsbewegung im Westen. Da das geteilte Deutschland bereits vor der doppelten Staatsgründung in Bonn und Ostberlin zum Kerngebiet des Kalten Krieges wurde, gerieten auch die Gewerkschaften und ihre politischen Mentoren in den verschiedenen Parteien sehr schnell in den Sog der Systemkonfrontation des Ost-West-Konflikts. Namentlich die kommunistischen Gewerkschafter, die nach Kriegsende vor allem im Ruhrgebiet über einen beachtlichen Rückhalt in den Belegschaften verfügten, standen schon bald zwischen den Fronten der Partei- und der Gewerkschaftsloyalität.
Da die kommunistischen Gewerkschaftsfunktionäre in den Westzonen nicht auf die fürsorgliche Unterstützung der Besatzungsmächte rechnen konnten, die ihnen in der Ostzone gleichzeitig so überreich zuteil wurde, mussten sie prinzipiell die Frage klären, wie sie mit dem Faktum einer Hegemonie der sozialdemokratischen Gewerkschafter in den Betrieben und den Führungsgremien der im Westen Deutschlands entstehenden Verbände umgehen sollten. Zunächst orientierte man sich an der Devise der »Einheit der Arbeiterklasse« und suchte in den Gewerkschaften die Zusammenarbeit mit allen Nicht-Kommunisten. Doch parallel zur Eskalation des Kalten Krieges entwickelte sich auch in den Gewerkschaften eine scharfe Parteienkonkurrenz von KPD und SPD, die schließlich in einem offenen Konflikt mündete. Zum Katalysator des Zerfalls der überparteilichen Aktionseinheit wurde 1947 der Marshall-Plan, für dessen Annahme die sozialdemokratischen Gewerkschafter nach langen Diskussionen fast einhellig optierten, während die kommunistischen Gewerkschafter ihn als Kapitulation vor dem Dollar-Imperialismus kompromisslos ablehnten. Sie schlossen sich mit diesem Votum der Generallinie der Kominform an und folgten fortan den ihnen über Ostberlin aus Moskau übermittelten Weisungen. Gleichzeitig mit der kommunistischen Selbstisolierung in den westdeutschen Einheitsgewerkschaften forcierten die SPD und die ihr loyal verbundenen Gewerkschaftsfunktionäre die Ausgrenzung von Kommunisten aus den Verbandsführungen und der Betriebsarbeit in den Westzonen.
Nach der Währungsreform und der Berlin-Blockade, als Deutschland zum Brennpunkt des Kalten Krieges wurde, und nach der Gründung der beiden deutschen Staaten erreichte die innergewerkschaftliche Konfrontation von Kommunisten und Sozialdemokraten ihren Höhepunkt. Während die KPD nun zum dogmatischen Rigorismus der Zwischenkriegszeit zurückkehrte und den »Kampf gegen die Kapitalistenklasse« und gegen die »rechten Gewerkschaftsführer« auf ihre Fahnen schrieb, koordinierte die SPD ihre antikommunistische Gewerkschaftsarbeit auf allen Organisationsebenen immer intensiver. Als die KPD zu Beginn der 50er-Jahre endgültig auf das klassische Arsenal von ideologischen Formeln und taktischen Anweisungen zurückgriff, dabei die Spaltertaktik der RGO in den Gewerkschaften wiederzubeleben versuchte und den sozialdemokratischen Reformismus als Verrat an der Arbeiterklasse attackierte, war auch für den DGB die Toleranzschwelle für parteipolitische Meinungsvielfalt in der Einheitsgewerkschaft definitiv überschritten: Er und seine Mitgliederverbände suchten nun die kompromisslose Auseinandersetzung mit der kommunistischen Gewerkschaftspolitik und leiteten eine rigorose personelle Säuberung ihrer hauptamtlichen Kader ein. Wer sich nicht von der KPD distanzierte, wurde entlassen. Das Ergebnis war für die Kommunisten katastrophal. Sie wurden so gut wie völlig aus gewerkschaftlichen Funktionsstellen in der Bundesrepublik verdrängt. Auf der Ebene der Betriebe hinterließ die demonstrative Ausgrenzung der Kommunisten ebenfalls ihre Spuren, auch wenn die Marginalisierung und Isolierung von kommunistischen Strömungen an der Gewerkschaftsbasis nicht überall restlos gelang. Doch von den wenigen Stützpunkten in einigen Traditionsgebieten an Rhein und Ruhr aus konnten die Kommunisten in der Folgezeit weder außerparlamentarische Massenbewegungen organisieren noch soziale Konflikte schüren. Das Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht richtete sich 1956 gegen eine Partei, die sich selbst bereits vorher politisch und gewerkschaftlich als westdeutsche Außenstelle der SED im Kalten Krieg ruiniert hatte.
In der Ära des Wirtschaftswunders kam es dann zu einer spürbaren Anpassung der bundesrepublikanischen Gewerkschaften an die Spielregeln des »rheinischen Kapitalismus« und zu einem weitgehenden Bedeutungsverlust von basisorientierten oder revolutionären Konzepten in der praktischen Gewerkschaftsarbeit. Die völlige Stilllegung des betrieblichen Eigen-Sinns und Syndikalismus in den zentral gesteuerten DGB-Gewerkschaften wurde lediglich am Ende der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre durch spontane Streiks in verschiedenen Industriezweigen unterbrochen. Zwei Streikwellen im September 1969 und im Sommer 1973 signalisierten eine wachsende Unzufriedenheit der Beschäftigten mit der Tarifpolitik der Verbände in der Metall-, Stahl- und Textilindustrie sowie im Steinkohlenbergbau. Diese bis dahin in der Gewerkschaftsgeschichte der Bundesrepublik unbekannte »Rebellion« gegen die Organisationsdisziplin weitete sich jedoch nicht zu einem antigewerkschaftlichen Flächenbrand aus, denn die betroffenen Industrieverbände reagierten auf die Unzufriedenheit an der Basis mit einer Intensivierung ihrer Interessenpolitik beim Streit um mehr Lohn und weniger Arbeitszeit mit den Arbeitgebern.
Aus heutiger Sicht waren die spontanen Streiks am Beginn der sozial-liberalen Ära zugleich erste Anzeichen einer tiefen Vertrauenskrise zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Mit dem sich anbahnenden Wandel der industriellen Arbeitsgesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft, mit den Diskussionen über die ökologischen Grenzen des Wirtschaftswachstums, mit dem Anstieg der Massenarbeitslosigkeit und der Staatsverschuldung stand eine kontinuierliche Ausweitung der sozialstaatlichen Sicherheit nicht mehr auf der politischen Agenda, sondern es ging um ihre Begrenzung auf einem kalkulierbaren Niveau. Fortan wurde die Loyalität vieler Gewerkschafter zur regierenden Sozialdemokratie einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt, weil zwischen den Maximen der gewerkschaftlichen Interessenpolitik und den Notwendigkeiten der staatlichen Konsolidierungspolitik nur noch mühsam ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss zu finden war. Dieser Dissens überdauerte die sozial-liberale Koalition und dramatisierte sich dann während der rot-grünen Regierungszeit vor und nach der Jahrhundertwende, als die SPD unter seelenlos-technokratischen Formeln wie Agenda 2010 oder Hartz I bis IV den Umbau des Sozialstaates vorantrieb und die Parole »Fordern und Fördern« zu ihrem Maßstab machte.
Die jüngsten Entwicklungen sind geprägt von der Renaissance alter Gegensätze zwischen Reformismus und Radikalismus. Dazu gehört, dass ausgerechnet am Vorabend des 17. Juni 2007 linientreue Altkommunisten aus dem Osten und frustrierte Sozialisten aus dem Westen eine gesamtdeutsche Linkspartei gründeten. Dazu gehören die dramatischen Mitgliederverluste, die sowohl die SPD wie auch die Gewerkschaften in den letzten Jahren verzeichnen mussten. Zurzeit sehen sie manchmal wie gealterte Riesen aus, die immer mehr an Kraft und Jugendlichkeit verlieren – wie in der späten Weimarer Republik. Wenn sich aber der Volkstribun der Linkspartei, der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, auf das Vorbild von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Willy Brandt beruft, dann verbeugt er sich vor Leitfiguren und Leitideen, die nicht einmal virtuell in einer historischen Einheitsfront vereint werden können. Zwischen dem revolutionär-kommunistischen Erbe der Spartakisten Liebknecht und Luxemburg aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und den demokratisch-sozialistischen Positionen der Sozialdemokratie, die Brandt verkörperte, besteht nach wie vor eine nicht zu überbrückende Distanz. Ein Spagat zwischen diesen grundverschiedenen Orientierungen ist schon einmal misslungen, blickt man auf die ebenso kurze wie verworrene Geschichte der USPD zwischen 1917 und 1922 zurück.
Derzeit findet die Wiederbelebung des milieuzentrierten Traditionalismus der alten Arbeiterbewegung und die Inszenierung eines symbolischen Aktionismus mit roten Fahnen, Trillerpfeifen und Transparenten als nostalgische Suche nach der verlorenen Zeit auch in den Gewerkschaften viel Zustimmung. Doch sollten sich deren Mitglieder und Funktionäre dessen bewusst sein, dass sie sich heute in einer Welt behaupten müssen, die sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert hat. Diese Welt ähnelt kaum mehr der Welt, in der die Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert entstand. Wer über eine neue Kultur der Solidarität nachdenkt, muss auch über alte Grundwerte neu nachdenken und deren Verhältnis zueinander neu definieren. Überzeugungskraft gewinnt man auf Dauer nicht mit dem Dogmatismus von gestern. Wenigstens diese Lehre aus der Geschichte der gescheiterten kommunistischen Gewerkschaftsbewegung sollte die neu gegründete Linkspartei beherzigen.
Demonstration der RGO in der Endphase der Weimarer Republik