JHK 2008

Die Finanzierung der illegalen Antikriegsflugschriften im Ersten Weltkrieg: Spartakusgruppe und linksbürgerliche Pazifisten im Bund »Neues Vaterland«

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 32-45 | Aufbau Verlag

Autor/in: Ottokar Luban

In der Woche vom 28. Januar bis 3. Februar 1918 fand mit über einer halben Million streikender Arbeiter, vor allem in den Munitionsfabriken Berlins,1 die größte Massenaktion für den Frieden in Deutschland während des Ersten Weltkrieges statt. Sie wurde organisatorisch meist von den oppositionellen Betriebsvertrauensleuten der Gewerkschaften, den späteren ›Revolutionären Obleuten‹, getragen und gleichzeitig propagandistisch von einer massiven illegalen Flugblattagitation vorbereitet und begleitet. Zum einen hatte die USPD ein von allen ihren Reichstagsabgeordneten unterzeichnetes Flugblatt mit einem indirekten Aufruf zum Handeln an die Arbeiterschaft »in vielen Orten in großen Mengen« verbreiten lassen.2 Zum anderen hatte die der USPD angehörende linksradikale Spartakusgruppe, der Kreis um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, in der Zeit der Vorbereitung und Durchführung des Munitionsarbeiterstreiks acht Flugschriften mit einer Auflage von »25 000 – 100 000« herausgebracht.3 Angesichts der hohen Papier- und Druckkosten waren erhebliche Geldmittel für die illegalen Druckschriften aufzubringen, wie auch die Politische Polizei in Berlin im Februar 1918 feststellte. Sie vermutete »Gelder von bürgerlichen Friedensfreunden«, möglicherweise sogar aus dem feindlichen Ausland, dahinter.4 Konkrete gerichtsverwertbare Erkenntnisse über die Geldgeber konnten die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen wegen versuchten Landesverrats gegen die an der illegalen revolutionären Flugschriftenagitation Beteiligten aber nicht erlangen. Erst durch Veröffentlichungen in der Zwischenkriegszeit sind hierzu einige wenige Angaben ans Licht der Öffentlichkeit gekommen.5

»[…] 30 000 Mark sind in Berlin innerhalb weniger Tage für die Verbreitung illegaler geheimer Flugschriften gesammelt worden, die dem Kampf gegen die Generäle und der Unterstützung der Friedensbestrebungen dienen sollen.« Diese Information über die massive finanzielle Unterstützung aus dem linken bürgerlich-pazifistischen Lager, offensichtlich für die agitatorische Vorbereitung des geplanten Massenstreiks gedacht, vertraute Geheimrat Richard Witting, Aufsichtsratsvorsitzender der Darmstädter und Nationalbank und einer der führenden Linkspazifisten der Kriegszeit,6 am 10. Januar 1918 während einer Unterredung in Berlin dem gleich gesinnten Hans Peter Hanssen, einem Reichstagsabgeordneten der dänischen Minderheit, an. 1924 wurde diese Äußerung durch die in Kopenhagen publizierten Tagebücher Hanssens bekannt.7 1928 beschrieb der sozialistische Schriftsteller Arthur Holitscher die politischen Aktivitäten des im November 1914 gegründeten, von Witting mitgeprägten Bundes »Neues Vaterland« (BNV), dem er selbst angehörte.8 Er charakterisierte – weitgehend überzogen – diese »im Geiste der Unabhängigen [Sozialdemokratischen Partei]« agierende, aber »fast ausschließlich« aus bürgerlichen Intellektuellen bestehende linkspazifistische Gruppierung als »das bürgerlich-sozialistische Hauptquartier der werdenden Revolution [vom November 1918]«.9 Bereits 1926 wies der ebenfalls in diesem Kreis mitarbeitende Journalist Hellmut von Gerlach außerdem darauf hin, dass der BNV in der Kriegszeit zusammen mit der Spartakusgruppe die sogenannte Lichnowsky-Broschüre herausgebracht und verbreitet hatte, einen kritischen Bericht des vor Kriegsausbruch in London tätigen deutschen Botschafters Fürst von Lichnowsky über die kriegsfördernde Politik der kaiserlichen Regierung.10

Unter Berufung auf die Angaben Wittings und Holitschers und ohne zusätzliche Quellen anzugeben, konstatierte der politisch rechts stehende Archivar des Reichsarchivs Hans Thimme 1932 zusammenfassend: Aus dem Kreise um Witting »wurde die Presse und Propaganda der Unabhängigen Sozialdemokratie mit Geld, und zwar mit sehr beträchtlichen Summen, unterstützt, auch der politische Streik im Januar des Jahres 1918 gefördert. Illegale Literatur wurde von hier aus systematisch verbreitet.«11 Seitdem hat die bemerkenswerte Tatsache einer Zusammenarbeit linksbürgerlicher pazifistischer Kräfte mit der sozialistischen Linken im Ersten Weltkrieg und die umfangreiche Finanzierung der linksradikalen Antikriegsflugschriften durch bürgerliche Pazifisten kaum noch Beachtung durch die historische Forschung gefunden, weder in der Zwischenkriegszeit noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Lediglich die DDR-Historiker Erwin Gülzow und Dieter Fricke haben sich dieses Themas angenommen, Gülzow 1969 in einer bisher unveröffentlichten umfangreichen Dissertation, Fricke 1983 in einem Handbuchbeitrag, wobei beide in Bezug auf die Finanziers der Flugschriftenagitation nur geringfügig über den Erkenntnis- und Quellenstand von Thimme hinausgelangen.12

Unterdessen lassen neu erschlossene archivalische Quellen eine detaillierte Darstellung der Finanzierung der Spartakusflugschriften sowie der Zusammenarbeit der linken Kräfte zu, wenn auch nicht alle Einzelheiten geklärt werden können. Aufgrund von Notizen des Leiters der Spartakusgruppe Leo Jogiches13 über die 1917 und Anfang 1918 bei seiner illegalen politischen Arbeit14 angefallenen Einnahmen und Ausgaben und weiterer archivalischer Quellen schälen sich zwei Schlüsselfiguren heraus, die als Verbindungsleute zwischen der Spartakusführung und dem linken bürgerlichen Lager und für den Geldtransfer dienten: der Kaufmann und Druckereibesitzer Julius Gerson sowie der Kunst- und Kulturhistoriker, Schriftsteller und Kunstsammler Eduard Fuchs, beide in Berlin.

Der Spendensammler Julius Gerson

Julius Gerson, geboren am 28. Juli 1868, war zusammen mit seinem Bruder Martin Besitzer der Steindruckerei Pittius in Berlin, Köpenicker Str. 110. Die Familien wohnten auf zwei einander benachbarten Grundstücken im vornehmen Villenviertel in Berlin-Dahlem. Ihre Häuser dienten wie die »Salons« in den Wohnungen anderer gut situierter Pazifisten als Treffpunkte für Persönlichkeiten aus dem Spektrum des linken Bürgertums und des linken Flügels der Sozialdemokratie, ob bei geselligen Gelegenheiten oder aus Anlass von offiziellen Sitzungen des BNV. Julius Gerson gehörte zu jenem Typus des wohlhabenden Geschäftsmannes, der die republikanischen und sozialen Ziele der Sozialdemokratie voll unterstützte, und zwar nicht nur seit 1898 als SPD-Mitglied (ab 1917 USPD), sondern auch als großzügiger Spender sowohl für Parteizwecke wie für bedürftige Genossinnen und Genossen. Die Politische Polizei registrierte seine freundschaftlichen Kontakte zu linken Sozialdemokraten wie dem Parteiführer Hugo Haase, dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Dittmann und dem bekannten Partei- und Literaturhistoriker Franz Mehring,15 die alle offenbar genauso Gast in seinem Hause waren wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg.16

Wahrscheinlich war es Julius Gerson, der im ersten Kriegsjahr dem langjährigen Kampfgefährten Rosa Luxemburgs Leo Jogiches, der von seinen Einkünften aus dem Familienvermögen in Wilna abgeschnitten war, eine Beschäftigung und Verdienstmöglichkeit im Büro der Druckerei Pittius verschaffte.17 Auf Vermittlung von Luise Kautsky, Karl Kautskys Ehefrau, gewährten Julius und Martin Gerson der Familie Duncker humanitäre Hilfe: Käte Duncker, die – mit einigen Unterbrechungen – seit August 1916 zusammen mit Leo Jogiches die illegale Arbeit der Spartakusgruppe leitete und diesen Kreis zeitweise auch nach außen offiziell vertrat, war durch die Mehrfachbelastung – Haushalt, Erziehung ihrer drei Kinder, intensive politische Betätigung – gesundheitlich stark angeschlagen. Um ihr etwas Erholung zu verschaffen und den Kindern eine bessere Ernährung zu bieten, wurde Karl, der damals 13-jährige Sohn von Käte und Hermann Duncker, später auch dessen 7-jähriger Bruder Wolfgang zeitweise bei den Gersons aufgenommen.18 Käte Duncker lernte bei dieser Gelegenheit Anfang Oktober 1916 die Gersons erstmals persönlich kennen und empfand sofort Sympathie: »Sie stehen ganz auf unserem Boden, sind nette, gebildete Leute.«19

In der Folgezeit wurden diese Kontakte intensiver und familiärer, auch zwischen den Gersons und Hermann Duncker nach dessen Rückkehr von der Front Ende 1917. Sie dauerten bis mindestens 1919 fort, wobei die Briefe der Dunckers – schon aus konspirativen Gründen – keine Angaben über die Beteiligung Julius Gersons an der illegalen Flugschriftenherstellung enthalten.20 Man kann aber fest davon ausgehen, dass es in den Gesprächen der Ehepaare auch um die illegale Spartakusarbeit und deren finanzielle Unterstützung durch die linken Pazifisten ging. Höchstwahrscheinlich hat es auch direkte Kontakte zwischen Julius Gerson und Leo Jogiches anlässlich der Geldübergaben gegeben, da in Jogiches’ Notizen Julius Gerson als »Jul.« bzw. einmal (am 18. 2. 1918) als »J.« im Zusammenhang mit folgenden Zahlungseingängen21 auftaucht:

• 500 Mark am 8. 12. 1917,

• 500 Mark am 14. 1. 1918 »(à conto Ly [Lichnowsky-Broschüre])«,

800 Mark »(à conto Flbl. [Flugblatt])« am 24. 1. 1918,

• 615 Mark »(davon 500.– Rest für Ly, 115.– Beilage)« am 31. 1. 1918,

• 900 Mark »(800.– Matr. + 100.– gesammelt)« am 2. 2. 1918,

• 1500 Mark »1000 (+ 500. T.)« am 18. 2. 1918,

also zusammen 4815 M, davon 1000 M für die Lichnowsky-Broschüre. Einmal, im Oktober 1917, ging ein Betrag von 500 M an »J.«, möglicherweise für das »Konto G [Gerson?]«, das einige Male in Jogiches’ Notizen auftaucht. Auffällig ist, dass die Geldbeträge von Julius Gerson gerade in der Zeit um den Massenstreik vom 28. Januar bis 5. Februar 1918 an Jogiches übergeben werden, was mit der zitierten Aussage Wittings vom Januar 1918 über die von den linken bürgerlichen Pazifisten gesammelten Gelder korrespondiert. Wie stark Gerson in die Logistik der Streikbewegung vom Januar / Februar 1918 involviert war, zeigt ein Schreiben aus Berlin an Kurt Eisner in München, in dem um Antwort über die dortige Streikbeteiligung an die Telegrammadresse »Pittius cand Berlin« gebeten wird.22 Gerson wurde von der Politischen Polizei als »Geldgeber, resp. Hintermann« für den Vertrieb der Lichnowsky-Broschüre verdächtigt, 23 für einige Tage inhaftiert,24 aber in einem Kriegsgerichtsverfahren am 11. Februar 1918 freigesprochen.25

Mit der Verhaftung von Leo Jogiches am 24. März 1918 war zwar die Verbindung Gersons zu diesem führenden Spartakusmitglied abgebrochen, seine Beziehungen zur Leitung der Gruppe, zu der 1918 beide Dunckers gehörten, wurden aber fortgesetzt. In der Korrespondenz des Ehepaares Duncker werden im Juli und August 1918 Beträge von 100 und 300 Mark erwähnt, die von »Julius« gekommen seien, wahrscheinlich für politische Zwecke, möglicherweise aber auch zur Unterstützung der Dunckers,26 die nach dem Krieg die Verbindung mit Gerson aufrecht erhielten.27 Aus all diesen Fakten ergibt sich eine beträchtliche Mitwirkung Julius Gersons an der illegalen Arbeit der Spartakusgruppe.

Arthur Holitscher beschreibt die »Gebrüder G[erson]« bzw. »G« [Julius Gerson] als aktive Mitglieder des Bundes »Neues Vaterland« und großzügige Spender.28 Julius Gersons Villa in Berlin-Dahlem diente den führenden BNV-Mitgliedern häufig als Besprechungsort. Gemeinsam mit der – trotz Verbots einer politischen Betätigung durch die Politische Polizei – weiterhin aktiven früheren Sekretärin des BNV Lili Janasch und ihrer Nachfolgerin Elsbeth Bruck war Gerson an der Herstellung und dem Vertrieb der Lichnowsky-Broschüre maßgeblich beteiligt.29 Nach dem Krieg gehörten die Gebrüder Gerson in den 1920er-Jahren zum Vorstand der »Deutschen Liga für Menschenrechte«, der Nachfolgeorganisation des BNV. Julius Gerson konnte 1933 noch rechtzeitig den rassistischen Verfolgungen in Deutschland durch Emigration nach Frankreich entkommen. Dort wurde er 1942 auf die Polizeipräfektur von Nizza bestellt und ist nicht mehr zu seiner Familie zurückgekehrt. Höchstwahrscheinlich wurde er in ein Vernichtungslager deportiert und dort ein Opfer des Holocaust.30

Der Spendensammler Eduard Fuchs

Der am 31. Januar 1870 in Göppingen geborene, in Stuttgart aufgewachsene, den schwäbischen Dialekt seiner Heimat nie ablegende Eduard Fuchs31 war eine für die Sozialdemokratie äußerst ungewöhnliche Persönlichkeit. Nach Betätigung in anarchistischen Kreisen trat er Ende der 1880er-Jahre der SPD (1917 USPD, 1919 KPD) bei und wirkte unter dem Sozialistengesetz an der illegalen Verbreitung der SPD-Schriften mit. Ab 1890 in München, profilierte er sich schnell als kulturell progressiver, experimentierfreudiger und politisch eindeutig links stehender Redakteur der satirischen Zeitschrift »Süddeutscher Postillon« und der »Münchner Post«. Die Satire in Wort und Bild war sein Spezialgebiet. 1900 nach Berlin übergesiedelt, konnte er sein künstlerisches Gespür und Engagement, gekoppelt mit großem organisatorischem Geschick, in den Jahren 1901 bis 1907 als Herausgeber der beim Vorwärts-Verlag erschienenen Festschriften der Sozialdemokratie – vor allem zum 1. Mai – beweisen. Auf Parteitagen dieser Zeit verteidigte er sein modernes Kunstverständnis. Nachdem er aus der Herausgeberschaft der Festschriften hinausgedrängt worden war, widmete er sich verstärkt der Publikation kultur- und kunstgeschichtlicher Bücher, vor allem von Karikaturensammlungen, sowie mehrerer Werke zur Sittengeschichte und gelangte bald zu Wohlstand. Seine Wohnung bzw. ab 1921 sein von Mies van der Rohe entworfenes Haus im gut situierten Vorort Berlin-Zehlendorf barg viele Kunstschätze und vor allem die größte Privatsammlung von Graphiken des französischen Künstlers Honoré Daumier.32

Parteipolitisch ist Fuchs seit 1908 kaum mehr öffentlich hervorgetreten, beteiligte sich aber bereits in der Vorkriegszeit mit der ihm eigenen Verve an humanitären Vereinigungen und Aktionen. Gleich nach Kriegsbeginn wurde er Vorstandsmitglied eines Hilfskomitees zur Betreuung russischer Zivilisten und Kriegsgefangener in Deutschland und erhielt für dieses humanitäre Engagement sogar einen Orden für Zivildienst. Wie schon in den Vorkriegsjahren verkehrte der autodidaktische Kunstexperte und hochgebildete agile Publizist während des Ersten Weltkrieges sowohl in Künstlerkreisen wie in den Salons des linken Bildungsbürgertums. Auch bei Treffen der linken Sozialdemokraten von mehr privater Natur war er ein willkommener Gast. Dabei beeindruckte er seine Gesprächspartnerinnen und -partner mit seinem konsequenten Bekenntnis zu den sozialistischen Ideen wie mit seinen Ausführungen zu Kunst und Ästhetik.33

Auch wenn er in den Vorkriegsjahren und während der Kriegszeit offensichtlich kaum an Parteiversammlungen teilnahm, pflegte Fuchs die Kontakte mit den führenden linken und linksradikalen Sozialisten im kleinen informellen Kreise. Eine enge Freundschaft verband ihn mit Franz Mehring, der ihn zum Verwalter seines geistigen Nachlasses einsetzte.34

Mit dem Ehepaar Duncker sowie mit Karl Liebknecht und seiner Frau Sophie stand er genauso in Verbindung wie mit Rosa Luxemburg und dem ebenfalls zur Spartakusführung gehörenden jungen Vorwärts-Redakteur Ernst Meyer.35 Wahrscheinlich war es Fuchs, der Leo Jogiches schon seit dem zweiten Kriegsjahr als »Privatsekretär und literarische Hilfskraft an einem kulturgeschichtlichen Werk« bis zu seiner Verhaftung beschäftigte.36 Fuchs gehörte damit zu den engsten Vertrauenspersonen der Gruppierung um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, ab 1916 Spartakusgruppe, und diente ihr mehrfach als Nachrichtenübermittler im Inland wie im Ausland. Als bekannter international aktiver Kunstsammler und vor allem als führendes Mitglied des Hilfskomitees zur Betreuung russischer Zivilisten und Kriegsgefangener in Deutschland hatte er keine Schwierigkeiten, während der Kriegszeit ins neutrale Ausland wie 1915 und Anfang 1917 in die Schweiz und im Spätsommer 1917 nach Schweden zu reisen. Dabei ist er wohl jedes Mal im Auftrage der Spartakusführung mit linken Sozialdemokraten, auch mit Radek und den Bolschewiki, in Kontakt getreten und hat Anfang September 1917 an der III. Zimmerwalder Konferenz in Stockholm teilgenommen.37 Da seine Tätigkeit als Kunstsammler und Schriftsteller und sein humanitäres Engagement eine gute Tarnung für die vielen Reisen und Treffen im In- und Ausland abgaben, geriet er während der Kriegszeit nicht in das Fadenkreuz der Politischen Polizei, zumal er offensichtlich seine politischen Aufträge sehr konspirativ ausführte.38

Seine bekannteste Mission für die Spartakusführung spielte sich in der Revolutionszeit ab, als er mit einem Schreiben von Rosa Luxemburg an Lenin und mündlichen Botschaften der Spartakuszentrale Ende Dezember 1918 nach Moskau reiste.39

Als Mitglied des Bundes »Neues Vaterland« beteiligte er sich sowohl an Diskussionen auf dessen Sitzungen40 als auch an Gesprächen im informellen Kreise mit einzelnen führenden Mitgliedern.41 Im Frühsommer 1915 besuchte Fuchs im Auftrage des BNV den französischen Pazifisten und Schriftsteller Romain Rolland in Genf,42 wobei er höchstwahrscheinlich auch Kontakte zu schweizerischen Sozialisten und zu russischen Genossen aufnahm. Im BNV galt er als Verbindungsmann zur Luxemburg-Liebknecht-Gruppe.43 Schon 1915 war er für sie als Geldsammler tätig, indem er erfolgreich bei dem BNV-Mitglied und reichen SPD-Genossen Hugo Simon um finanzielle Unterstützung für die Herausgabe des Liebknecht-Flugblattes »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!« warb.44 Im Jogiches-Notizbuch kann anhand der Einträge über die Einzahlungen von »Ed.« oder »E.« vom März 1917 bis März 1918 nachgewiesen werden, dass Eduard Fuchs bei den linken bürgerlichen Pazifisten kontinuierlich erhebliche Spendenbeträge für die Antikriegsagitation der Spartakusgruppe eingesammelt hat:

• 200 Mark im März 1917 (ohne Tagesdatum),

• 100 Mark am 12. 5. 1917 mit dem Zusatz »(April)«,

• 50 Mark am 27. 5. 1917,

• 100 Mark am 5. 6. 1917,

• 100 Mark am 25. 6. 1917,

• 250 Mark mit dem Zusatz »(von Konto G.)« im Juni 1917 (ohne Tagesdatum),

• 48 Mark mit dem Zusatz »(Rest)« im September 1917 (ohne Tagesdatum),

• 1500 Mark am 17. 10. 1917,

• 500 Mark am 5. 11. 1917,

• 270 Mark mit dem Zusatz »(7.)« [Spartakusbrief Nr. 7] am 10. 11. 1917,

• 600 Mark mit dem Zusatz »(für Br. 100 [Lichnowsky-Broschüre?])« am 8. 12. 1917,

• 150 Mark mit dem Zusatz »für Br.« im Dezember 1917 (undatiert, aber zwischen Eintragungen dieses Monats notiert),

• 1500 Mark am 4. 1. 1918,

• 1500 Mark mit dem Zusatz »(extra)« am 25. 1. 1918,

• 1000 Mark am 5. 3. 1918.

Nicht eindeutig ist die Bedeutung einer Eintragung vom 2. 2.1918 »Ed. - 1000.– (für Febr.)«, da das Minuszeichen eigentlich bedeutet, dass der Betrag von Jogiches an Eduard Fuchs ausgezahlt worden ist, die Notiz »(für Febr.)« aber auf eine regelmäßige Einzahlung wie in den vorangegangenen Monaten hindeutet.

Insgesamt hat Eduard Fuchs von März 1917 bis März 1918 eine Summe von 7868 bzw. 8868 Mark (bei Einberechnung der 1000 vom 2. 2.1918) für die Antikriegsagitation gesammelt, davon 750 Mark für die Lichnowsky-Broschüre. Wie Julius Gerson hat auch er Geld aus der Jogiches-Kasse erhalten, wahrscheinlich um selbst in Einzelfällen den Druck von Flugschriften zu organisieren, und zwar 150 Mark am 9.6.1917 und 205 Mark am 6. 1. 1918. Bei letzterem Posten ist durch den Zusatz »(8)« klar, dass der Betrag für den Druck des Spartakusbriefes Nr. 8 vom Januar 1918 gedacht war.45

Von Fuchs gingen auch monatlich 200 Mark für Rosa Luxemburgs Ausgaben während ihrer Haftzeit (für die Aufrechterhaltung der Berliner Wohnung und für Zusatzkost) an Mathilde Jacob. Fuchs konnte dabei offensichtlich auf regelmäßige Spenden von Tilla Durieux, der bekannten Schauspielerin und Ehefrau des Kunsthändlers Paul Cassirer, zurückgreifen.46 Diese Beträge liefen jedoch nicht im Notizbuch von Jogiches auf, der nur seine gelegentlichen Zahlungen an Mathilde Jacob anlässlich ihrer Gefängnisbesuche bei Rosa Luxemburg vermerkte.

Die von Julius Gerson und Eduard Fuchs für die illegale Antikriegsagitation gesammelten Beträge summierten sich auf 13 683 Mark. Wahrscheinlich stammen weitere Einzahlungen in Höhe von insgesamt 1640,60 Mark von einem von mir nicht identifizierten »Ottoni« sowie 500 Mark vom »Konto G.« im Juli 1917 ebenfalls aus Pazifistenkreisen, sodass für die Herstellung von illegalen Flugschriften durch die Spartakusgruppe von linken Bürgerlichen insgesamt 15 823,00 Mark gespendet wurden. Davon waren 1750 Mark für die Lichnowsky-Broschüre bestimmt.

Doch auch in Arbeiterkreisen kam für den Zeitraum März 1917 bis März 1918 durch Sammlungen in Berlin und im übrigen Reichsgebiet die beachtliche Summe von ca. 6160 Mark für die Spartakusagitation zusammen. Beim Vergleich der beiden Beträge wird allerdings klar, dass die Spartakusgruppe ihre Flugblattherstellung in diesem Umfange ohne die massive finanzielle Unterstützung durch die BNV-Gruppierung nicht hätte verwirklichen können. Andererseits war das Ziel des linksbürgerlichen Pazifistenkreises, der »Kampf gegen die Generäle« und die »Unterstützung der Friedensbestrebungen«,47 nur durch die Spartakusgruppe wirkungsvoll zu realisieren, da die Pazifisten keinen eigenen effektiven Apparat für die Herstellung und den Vertrieb der Flugschriften zur Verfügung hatten. Das besondere Verdienst von Eduard Fuchs besteht darin, dass er zusammen mit Julius Gerson – in dauernder enger Verbindung mit dem Spartakusführer Leo Jogiches – kontinuierlich, mindestens in dem vom Jogiches-Notizbuch abgedeckten Zeitraum März 1917 bis März 1918, mit einer Steigerung zum Januarstreik 1918, die finanzielle Grundlage für die Herstellung der Spartakusflugschriften abgesichert hat, jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil. Dieser wichtige Beitrag Eduard Fuchs’ zur Antikriegsarbeit der Spartakusgruppe und des Pazifistenkreises um Richard Witting wurde bisher mangels entsprechender Quellen weder in der ausführlichen Eduard-Fuchs-Biographie von Ulrich Weitz noch in anderen relevanten Publikationen gewürdigt.48

Nach der Verhaftung von Jogiches Ende März 1918 konnte Fuchs gleich Anfang April 1918 durch die wichtigste Assistentin der Spartakusführung Mathilde Jacob wieder für die Beteiligung an der illegalen Arbeit gewonnen werden.49 Aus den Quellen geht jedoch nicht sicher hervor, ob er dabei erneut als Spendensammler tätig wurde. Auf jeden Fall wirkte er in den Monaten vor der Novemberrevolution und in den Revolutionstagen im Umkreis der Spartakusführung weiterhin an der politisch-organisatorischen Arbeit mit. Beispiele sind der Empfang für den amnestierten Karl Liebknecht Ende Oktober 1918 in der Russischen Botschaft und der aus technischen Gründen gescheiterte Versuch, Rosa Luxemburg nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Breslau am 8. / 9. November 1918 in einem Armeelastwagen nach Berlin zu bringen.50 Nach der Rückkehr von seiner Moskauer Mission Anfang 1919 beteiligte sich Fuchs einige Zeit an der Arbeit des westeuropäischen Büros der Komintern, gehörte – zusammen mit mehreren linksbürgerlichen Mitgliedern des BNV (ab 1922 Deutsche Liga für Menschenrechte) – zum Vorstand der von ihm 1923 mitbegründeten »Gesellschaft der neuen Freunde Russlands«, wirkte maßgeblich an der Gründung des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main mit und baute in Berlin im Zusammenhang damit ein sozialwissenschaftliches Archiv auf. Von der von ihm geplanten Herausgabe des Gesamtwerks Franz Mehrings konnte er in den Jahren 1929 bis 1933 nur sechs von zwölf Bänden und zusätzlich die Karl-Marx-Biographie realisieren. Dies ist nur ein Teil seiner vielfältigen politischen, publizistischen und humanitären Aktivitäten, die er nicht einschränkte, als er 1928 die KPD verließ und zur KPO überging. Um als Sozialist und Jude den Unterdrückungsmaßnahmen der Nazis zu entgehen, floh er 1933 über die Schweiz nach Paris. Dort starb er wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag am 26. Januar 1940.51

Die weitere Zusammenarbeit nach dem Januarstreik 1918

Auch nach der Beendigung des Munitionsarbeiterstreiks am 5. Februar 1918 gingen noch Geldspenden aus Pazifistenkreisen bei Jogiches ein, und zwar am 18. Februar 1918 von »J. 1000.– (+ 500 T.)« sowie am 5. März von „Ed. 1000«. Offenbar wollten der fast immer zweckoptimistische Spartakusführer Jogiches wie auch die linksbürgerlichen Spender für den Fall eines erneuten Auflebens der Massenaktionen die finanzielle Grundlage für eine intensive Flugschriftenagitation gesichert haben.52 Doch die Verhaftung von Jogiches und seiner Helfergruppe Ende März sowie die anschließenden umfangreichen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden legten den gesamten Propagandaapparat der Spartakusgruppe lahm. Erst Anfang Mai 1918 fand sich ein Nachfolger für Jogiches, und zwar der als Soldat desertierte Arbeitersekretär Karl Schulz. Die Aushebung der Spartakusdruckerei im Juni 1918 und die Verhaftung von Schulz zusammen mit zwei Helfern Mitte August 1918 unter Beschlagnahme des Spartakus-Adressenmaterials verhinderten jedoch bis Anfang Oktober 1918 den Wiederaufbau einer effektiven Herstellungs- und Vertriebsorganisation.53 Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass nach der Jogiches-Verhaftung noch weiterhin größere Geldsummen aus Pazifistenkreisen an die Spartakusgruppe übermittelt wurden. Vor allem stand mit der ab Ende April 1918 eingerichteten russisch-bolschewistischen Botschaft in Berlin ein anderer großzügiger Geldgeber zur Verfügung. Doch selbst diese Geldquelle konnte wegen des desolaten Zustandes der Spartakusorganisation und des dadurch bedingten Fehlens von Vertriebsmöglichkeiten für Flugschriften nur wenig genutzt werden, wie der russische Botschafter Joffe mehrfach nach Moskau berichten musste.54

Als dem im November 1914 gegründeten Bund »Neues Vaterland« Anfang 1916 von den Militärbehörden jede weitere Tätigkeit untersagt worden war, fanden weiterhin – überwiegend im Rahmen privater Zusammenkünfte in den »Salons« der wohlhabenden Pazifisten – Besprechungen statt. Im linken Pazifistenkreis traten nun jedoch zeitweise Unentschlossenheit und Zaghaftigkeit zu Tage, z. B. als die von Hugo Simon vorgeschlagenen Solidaritätsadressen für Karl Liebknecht und den ersten Verbreiter der Lichnowsky-Broschüre, den inhaftierten Hauptmann von Beerfelde, von der Gruppierung abgelehnt wurden.55 Unter dem Einfluss Wittings wurde die Haltung spätestens Ende 1917 aktionsbereiter.56 Doch eine Reihe von staatlichen Repressionsmaßnahmen in den ersten Monaten des Jahres 1918 übten auf die linksbürgerlichen Pazifisten eine stark einschüchternde Wirkung aus: das Kriegsgerichtsverfahren am 11. Februar 1918 gegen Julius Gerson (auch wenn es mit einem Freispruch endete), die monatelange Inhaftierung von Jogiches und seinen Helfern, die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens gegen Fürst von Lichnowsky und seine Vernehmung Ende März 1918, auch Vorhaltungen aus dem Vorstand der Nationalbank gegenüber Witting mit nachfolgenden Angriffen der Konservativen im Hauptausschuss des Reichstages gegen ihn.57 Witting, der bis zum Januarstreik 1918 eine dominierende, vorwärtstreibende Rolle im internen BNV-Kreis eingenommen hatte, zog sich nunmehr weitgehend aus der pazifistischen Arbeit zurück.58

Nichtsdestoweniger wurden die Kontakte zwischen den führenden Personen der beiden politischen Gruppierungen nach der Jogiches-Verhaftung fortgesetzt. Mit Susanne Leonhard wurde im Sommer 1918 eine aus dem linkspazifistischen Lager stammende Person in die Arbeit der Spartakuszentrale einbezogen, ihr wurden sogar die Kontaktadressen der Anhänger anvertraut.59 Die junge Mathematikstudentin, geboren 1895, hatte an der Universität Göttingen eine »Freistudentengruppe« gegründet und dort die Spartakusflugschriften bekannt gemacht. Im Juli 1918 stand ihr Name auf der Liste der Referentinnen und Referenten der Deutschen Friedensgesellschaft. Nach dem Wechsel an die Berliner Universität im Frühjahr oder Sommer 1918 war sie – wahrscheinlich über Mitglieder des Berliner BNV-Kreises – mit der Spartakusgruppe in Kontakt gekommen.60

In den vorrevolutionären Monaten trübten sich die Beziehungen zwischen den Angehörigen der Spartakusgruppe und einem Teil der BNV-Gruppierung. Bei privaten Zusammenkünften, auf denen u. a. Hermann Duncker, Fuchs, die Gersons sowie auch russische Sozialisten vertreten waren, kam es zu äußerst kontroversen Diskussionen über die Politik der Bolschewiki.61 Fuchs verteidigte mehrfach die russischen Genossen bei Begegnungen mit Hugo Simon und prophezeite dabei den bevorstehenden Umsturz in Deutschland unter Führung Karl Liebknechts.62 Nach Simon lehnte ein beträchtlicher Teil des engeren BNV-Kreises die bolschewistische Politik ab, vor allem eine Umsetzung der sozialistischen Ziele in Deutschland.63 Auch Holitscher beobachtete Ähnliches: »Die Radikalität des russischen Beispiels stand drohend am östlichen Horizont, Sozialisierung und Preisgabe des bürgerlichen Wohlstandes erweckten Furcht und Widerstand.«64

Für die Monate vor der Novemberrevolution 1918 kam eine ähnlich intensive Zusammenarbeit zwischen der Spartakusgruppe und dem BNV-Kreis wie bei der Vorbereitung und Durchführung des Munitionsarbeiterstreiks trotz der weiterhin bestehenden Kontakte nicht mehr zustande. In die Vorbereitungen für einen Aufstand, den die revolutionären Obleute zusammen mit einzelnen Vertretern der linken USPD und – ab Ende Oktober 1918 – unter Einbeziehung von Angehörigen der Spartakusführung betrieben, waren die linksbürgerlichen Pazifisten überhaupt nicht involviert. Zwar kam es in den 1920er-Jahren mehrfach zur Kooperation von Kommunisten, Sozialisten und linken Bürgerlichen bei einzelnen politischen und humanitären Unternehmungen bzw. Vereinigungen. Aber die zwischen linksradikalen Sozialdemokraten und linksbürgerlichen Pazifisten praktizierte quasi revolutionäre Koalition für einen Massenstreik zur Herbeiführung von Frieden und Demokratie im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges blieb eine einmalige Episode.


1 Bieber, Hans-Joachim: Gewerkschaften in Krieg und Revolution. Arbeiterbewegung, Industrie, Staat und Militär in Deutschland, 1914 –1918, Teil I, Hamburg 1981, S. 442.

2 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde [BArch Berlin-Lichtf.], R 3003, C 20/18, Nr. 1, Bl. 5.

3 Der interne Streikbericht der Spartakusgruppe, höchstwahrscheinlich vom Spartakusführer Leo Jogiches für Rosa Luxemburg bestimmt (da ihr ansonsten unbekannter Deckname Maciej R. darin vorkommt), ist u. a. abgedruckt in: Bartel, Walter: Die Linken in der deutschen Sozialdemokratie im Kampf gegen Militarismus und Krieg, Berlin [Ost] 1958, S. 593 –598, Zitat: S. 597.

4 Landesarchiv Berlin (LArch Berlin), A Pr. Br., Rep. 030, Nr. 15 967, Bl. 208 (Entwurf eines Schreibens der [Politischen] Polizei Berlin, o. D., als Reaktion auf einen Rundbrief des Stellv. Generalstabs der Armee, Abt. III b vom 4. 2. 1918).

5 Aus politischen Gründen hatten später weder die beteiligten oder informierten Kommunisten noch die linken Bürgerlichen ein Interesse daran, diesen gemeinsamen illegal-revolutionären Kampf einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Erleichtert wurde dieses weitgehende Stillschweigen noch dadurch, dass nur ein ganz kleiner Kreis von Eingeweihten von der Finanzierung der Spartakusflugschriften durch linkspazifistische Bürgerliche wusste.

6 Richard Witting (1856 –1923), 1891–1902 Oberbürgermeister von Posen, ab 1902 Direktor, ab 1911 Aufsichtsratsvorsitzender der Darmstädter und Nationalbank, 1908–1913 Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im preußischen Landtag, unter dem Einfluss seines Freundes Fürst Lichnowsky im Weltkrieg Wendung zum entschiedenen Pazifismus, nach dem Krieg weitgehend passives Mitglied der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP); siehe: [Kurzbiographie] Richard Witting, in: Donat, Helmut / Holl, Karl (Hrsg.): Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz (Hermes Handlexikon), Düsseldorf 1983, S. 420 – 422.

7 Hanssen, Hans Peter: Diary of a Dying Empire, hrsg. von Ralph H. Lutz, Bloomington [USA] 1955 [nach der dänischen Erstausgabe: Hanssen, Hans Peter: Fra Krigstiden, 2 Bde., Kopenhagen 1924], S. 256 f., Tagebucheintragung vom 10. Januar 1918 (Übersetzung aus dem Englischen durch den Verf.).

8 Holitscher, Arthur: Mein Leben in dieser Zeit. Der »Lebensgeschichte eines Rebellen« zweiter Band 
(1907–1925), Potsdam 1928, S. 130.

9 Ebenda, S. 131. Dem BNV gehörten – im Gegensatz zu dem von Holitscher vermittelten Eindruck – überwiegend progressive bürgerliche Parteilose, aber auch Mitglieder der sozialdemokratischen und liberalen Parteien an. Holitscher (ebenda, S. 130 f.) berichtete zur Einschätzung der politischen Lage ab 1917 durch den Witting-Kreis etwas übertrieben (vor allem im Widerspruch zu entgegengesetzten Äußerungen an anderer Stelle seiner Memoiren): »Daß der Krieg mit einer Revolution enden würde, war uns allen klar bewusst […]. Schon im Spätherbst 1917 galt daher in diesem Kreise […] das bevorstehende Ende des Kaiserreiches als ausgemachte Sache.«

10 Gerlach, Hellmut von: Die große Zeit der Lüge, [Berlin-]Charlottenburg 1926, S. 102; Die Schuld der deutschen Regierung am Kriege. Meine Londoner Mission, 1912 –1914, von Fürst von Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in England. Mit einem Nachwort der Herausgeber, Görlitz o. J. [1918 illegal erschienen]; auch als Flugschrift des BNV Nr. 7/8 in überarbeiteter Fassung: Fürst Lichnowsky: Meine Londoner Mission, 1912 –1914, und Eingabe an das Preußische Herrenhaus, Berlin 1919.

11 Thimme, Hans: Weltkrieg ohne Waffen. Die Propaganda der Westmächte gegen Deutschland, ihre Wirkung und ihre Abwehr, Stuttgart / Berlin 1932, S. 85.

12 Gülzow, Erwin: Der Bund »Neues Vaterland«. Probleme der bürgerlich-pazifistischen Demokratie im ersten [sic!] Weltkrieg (1914 –1918), [phil.] Diss., Sektion Geschichte der Humboldt-Universität Berlin [Ost] 1969, Bd. II, S. 377– 380, insbes. S. 380 (Gülzow legt einige neue Untersuchungsergebnisse für die Zeit von 1915 bis 1916 vor); Fricke, Dieter: Bund Neues Vaterland (BNV), 1914 –1922, in: ders. (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789 –1945), Leipzig 1983 – 1986, 4 Bde.; hier Bd. 1, Alldeutscher Verband − Deutsche Liga für Menschenrechte, Leipzig 1983, S. 351– 360. Zur Einordnung des BNV in die Friedensbewegung: Holl, Karl: Pazifismus in Deutschland, Frankfurt am Main 1988, S. 113 –127 u. S. 135 – 137.

13 Kurzbiographie in: Weber, Herrmann / Herbst, Andreas: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch, Berlin 2004, S. 346 – 348; Ottokar Luban: Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gegen Mathilde Jacob und Leo Jogiches (1915 – 1918). Ergänzungen zu ihren politischen Biographien, in: IWK 31 (1995), H. 3, S. 307– 331.

14 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 15, Bl. 16 – 22 (in Hülle mit Kennzeichnung als Bl. 8). Ein Schriftsachverständiger hielt Jogiches für den Verfasser der Notizen (Ebenda, Bl. 31 und 42). Auch aus inhaltlichen Gründen ist diese Zuordnung zwingend.

15 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 18, Bl. 110; LArch Berlin, Rep. 200, Acc. 1180, Nr. 211, unp. (Einladung zu einer BNV-Besprechung am 30. 07. 1916 bei Julius Gerson in Berlin-Dahlem, Im Dol 23); Elsbeth Bruck: Ein Leben für den Frieden [Maschinenschriftliches Manuskript], S. 57 u. S. 62, in: Nachlass Claire Jung, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Sammlung historischer Dokumente.

16 Als Rosa Luxemburg bei einem Besuch in Gersons Haus ein von Clara Zetkins Ehemann Friedrich 
Zundel gemaltes Bild bewunderte, überließ ihr Gerson das Gemälde. Nach der Ermordung Luxemburgs riet Zetkin der Nachlassverwalterin Mathilde Jacob, das Gemälde an Julius Gerson zurückzugeben (Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde [SAPMO-BArch Berlin-Lichtf.], NY 4005, Nr. 79, Bl. 45: Brief Zetkins an M. Jacob, 21. 2. 1919).

17 Jogiches gab gegenüber dem Untersuchungsrichter an, im Krieg zunächst »ein Jahr kaufmännisch auf einem Fabrikbüro gearbeitet« zu haben (BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 1, Bl. 12 Rücks.). Im Sommer 1918 war Gerson auf Bitten des BNV-Mitgliedes Hugo Simon sogar bereit, einen Deserteur in seinem Betrieb zu beschäftigen (Simon, Hugo: Seidenraupen [Maschinenschriftliches Manuskript], S. 1284, in: Archiv der Hamburger Arbeitsstelle für Exilliteratur, Universität Hamburg).

18 SAPMO-BArch Berlin-Lichtf., NY 4445, Nr.136, Bl. 4, Käte an Hermann Duncker, 1. 10. 16.

19 Ebenda.

20 Ebenda, Nr. 136 –141, z. B: Briefe K. Dunckers an H. Duncker, 22. 4., 27. 4., 15. 5. 17, in: ebenda, Nr. 138, Bl. 53, 72, 138 (K. Duncker hatte jeweils bei den Gersons ihren Sohn Wolfgang besucht und war jedes Mal zu längeren Gesprächen dort geblieben).

21 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 15, Bl. 16 Rücks., Bl. 17, Bl. 22 [alles in Hülle mit Kennzeichnung Bl. 8].

22 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 24 /18, Nr. 10, Hülle 48 (darin Bl. 2: Brief vom 30. 1. 1918). Als Kurt Eisner Anfang 1918 einen Einschreibbrief an »Pittius« in Berlin abschickte, identifizierte die Politische Polizei in Berlin den Adressaten sofort als Julius Gerson (Korrespondenz zwischen Untersuchungsrichter Schraub, München, und Polizeipräsident Berlin, Abt. V, 17. bzw. 25. 5. 1918, in: Russisches Staatsarchiv für soziale und politische Geschichte, Moskau (RGASPI), f. 528, op. 2, d. 366, Bl. 214 – 216).

23 LArch Berlin, A Pr. Br., Rep. 030, Nr. 16354, Bl. 240 (Polizeibericht Berlin, 8. 2. 1918).

24 Ebenda, Bl. 243.

25 Ebenda, Bl. 71/ 72 (Abschrift des Kriegsgerichtsurteils vom 11. 2. 1918).

26 SAPMO-BArch Berlin-Lichtf., NY 4445, Nr. 141, Bl. 47 (K. an H. Duncker, Juli 1918) bzw. Bl. 62 (H. an K. Duncker, 3. 8. 18).

27 SAPMO-BArch Berlin-Lichtf., NY 4445, Nr. 142, Bl. 57 (H. an K. Duncker, 24. 4. 1919).

28 Holitscher: Mein Leben (Anm. 8), S. 133 (»die ausgezeichneten, menschlich zuverlässigen Brüder G.«), S. 157 (sein »Dahlemer Freund G.«); siehe auch Gülzow: Der Bund »Neues Vaterland« (Anm. 13), Bd. II, S. 497 (Mitgliederliste).

29 Bruck: Ein Leben für den Frieden (Anm. 15), S. 64.

30 Kolb, Annette / Schickele, René: Briefe im Exil, 1933 –1944, in Zusammenarbeit mit Heidemarie Gruppe hrsg. von Hans Bender, Mainz 1987, S. 138 u. S. 409 f.

31 Weitz, Ulrich: Eduard Fuchs. Sammler, Sittengeschichtler, Sozialist, Stuttgart 1991, S. 13.

32 Ebenda, S. 296–301, S. 303 –306 u. S. 342; [Kurzbiographie] Eduard Fuchs, in: Weber / Herbst: Deutsche Kommunisten (Anm. 13), S. 225 f.

33 Simon: Seidenraupen (Anm. 17), S. 926–929, S. 955–958 u. S. 1132; Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 382.

34 Siehe Korrespondenz Eduard Fuchs – Rjassanov, Ende der 1920er-Jahre, zur Herausgabe der Werke 
Mehrings, einschließlich weiterer Materialien, wissenschaftliche Bearbeitung: August Thalheimer, in: RGASPI, f. 71, op. 50, d. 138; Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 496 (alle Titel der von Fuchs herausgegebenen Mehring-Werke).

35 SAPMO, BArch Berlin-Lichtf., NY 4445, Nr. 133, Bl. 349: K. an H. Duncker, Mitte Juni 1916; ebenda, Nr. 134, Bl. 30/31: K. an H. Duncker, 16. 7. 1916; Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 382 u. S. 392.

36 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 1, Bl. 12 Rücks. (Aussage Jogiches’ vor dem Untersuchungsrichter Holthöfer, 4. 5. 1918).

37 In einem Bericht des österreichischen Botschafters in Stockholm vom 7. Oktober 1917 wird Fuchs neben den USPD-Reichstagsabgeordneten Haase, Ledebour, Stadthagen und Hofer sowie [Käte] Duncker auf der »Liste der namhafteren Delegierten, welche an der III. Zimmerwalder Konferenz teilgenommen haben« als USPD-Vertreter aus Deutschland aufgeführt (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, PA I, Karton 960, Faszikel 9867, Beilage), wobei Fuchs offensichtlich nur als passiver Zuhörer beteiligt war.

38 Es gibt für die Kriegszeit weder in den Polizei- noch in den Reichsgerichtsakten Vorgänge über Eduard Fuchs. In den Listen der [Politischen] Polizei Berlin über die in der Stadt und Umgebung wohnenden Pazifisten bzw. »namhaften Vertreter des Radikalismus« ist sein Name nicht enthalten (Dokumente aus geheimen Archiven. Berichte des Berliner Polizeipräsidenten zur Stimmung und Lage der Bevölkerung in Berlin, bearbeitet von Ingo Materna und Hans-Joachim Schreckenbach unter Mitarbeit von Bärbel Holtz, Weimar 1987, S. 243 f. u. S. 266 – 269).

39 Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 386 – 388 u. S. 406 f.

40 LArch Berlin, Rep. 200, Acc. 2326, Nr. 19, Protokoll einer vertraulichen Versammlung im »Russischen Hof« (Berlin) am 28. August 1915, Bericht Fuchs’ – als Diskussionsbeitrag – über seine Eindrücke beim Schweizbesuch.

41 Simon: Seidenraupen (Anm. 17), S. 1190–1192, S. 1243 a, S. 1367 f.

42 Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 386; LArch Berlin, Rep. 200, Acc. 2326, Nr. 26, Ernst Reuter [für den BNV] an Romain Rolland, 26. 5. 1915 (Abschrift) mit der Ankündigung von Fuchs’ Kommen.

43 Ebenda, Nr. 24, unp., Otto Lehmann-Rußbüldt (Interview durch Harold Hurwitz, Juli 1954).

44 Simon: Seidenraupen (Anm. 17), S. 1207.

45 BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 15, Bl. 16–22 (in Hülle mit Kennzeichnung als Bl. 8).

46 Mathilde Jacob an Clara Zetkin, September 1917, in: RGASPI, f. 528, op. 1, d. 1052, Bl. 3. Der Brief ist undatiert, muss aber vom September 1917 stammen, da M. Jacob in einem Schreiben vom 7. 10. 1917 an C. Zetkin von einem vorangegangenen »ganz langen und ausführlichen Brief« spricht (SAPMO-BArch Berlin-Lichtf., NY 4005, Nr. 78, Bl. 80). Durieux, Tilla: Eine Tür steht offen. Erinnerungen, Berlin [Ost] 1965, S. 204 f.

47 Hanssen: Diary (Anm. 7), S. 257 (Tagebucheintragung vom 10. Januar 1918).

48 Ulrich Weitz schildert ausführlich Fuchs’ politische Aktivitäten im Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit, erwähnt aber nicht seine Rolle als Spendensammler (Weitz: Eduard Fuchs [Anm. 31], S. 386 – 389, S. 392 f., S. 398 – 401 u. S. 406 – 408).

49 Luban, Ottokar: Die »innere Notwendigkeit mithelfen zu dürfen«. Zur Rolle Mathilde Jacobs als Assistentin der Spartakusführung bzw. der KPD-Zentrale, in: IWK – Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 29 (1993), H. 4, S. 445 f.

50 Weitz: Eduard Fuchs (Anm. 31), S. 393 u. S. 400.

51 Ebenda, S. 409– 425.

52 Bei der Verhaftung der Jogiches-Helfer-Truppe wurden Tausende von Flugblättern, der Druckstock der illegalen Zeitschrift Spartacus Nr. 8 und bei Jogiches 1931 M beschlagnahmt (Polizeibericht vom 3. 4. 1918, in: BArch Berlin-Lichtf., R 3003, C 83 /18, Nr. 18, Bl. 5 –7).

53 Luban: Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden (Anm. 13), S. 328 f.

54 Joffe an das russische Außenministerium, o. D. [vermutlich 7. oder 8. Mai 1918], Joffe an Lenin, 1. – 6. 6. 1918, Joffe an Lenin, 24. 6. 1918, in: A. A. Joffe und die russische Außenpolitik 1918, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Dietmar Wulff, in: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte, 1995/1, S. 232 f. bzw. ebenda, 1995/ 2, S. 236 f. u. S. 259.

55 Simon: Seidenraupen (Anm. 17), S. 1276 –1279.

56 Hanssen: Diary of a Dying Empire (Anm. 7), S. 254 (Tagebuch, 6. 1. 1918).

57 LArch Berlin, A Pr. Br., Rep. 030, Nr. 16354, Bl. 269 – 272 Rücks., Bl. 463; BArch Berlin-Lichtf., R 3003, 106/18, Nr. 5, Bl. 29 (Abschrift des Vernehmungsprotokolls), Bl. 34 f. (Abschrift eines Berichtes von 
Witting für das Auswärtige Amt).

58 Holitscher: Mein Leben (Anm. 8), S. 131 f.

59 Luban: Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden (Anm. 13) , S. 328 f.

60 Susanne Leonhard: Einleitung zu: dies. (Hrsg.): Unterirdische Literatur im revolutionären Deutschland während des Weltkrieges, Frankfurt a. M. 1968, S. II–VIII; Liste der Referentinnen und Referenten der Deutschen Friedensgesellschaft, in: BArch Berlin-Lichtf., R 1501, Nr. 12 296, Bl. 30.

61 SAPMO, BArch Berlin-Lichtf., NY 4445, Nr. 141, Bl. 12 f., Bl. 21 f. (Briefe H. Dunckers an K. Duncker, 11. 7. und 13. 7. 1918).

62 Simon: Seidenraupen (Anm. 17), S. 1367 f.

63 Ebenda, S. 1274–1276.

64 Holitscher: Mein Leben (Anm. 8), S. 133.

Inhalt – JHK 2008

Copyright:

Eventuell enthaltenes Bildmaterial kann aus urheberrechtlichen Gründen in der Online-Ausgabe des JHK nicht angezeigt werden. Ob dieser Beitrag Bilder enthält, entnehmen Sie bitte dem PDF-Dokument.