DDR-Geschichte – ein neues »Aufgabenfeld« für Historiker nach 1990?1
Die »Bonanza historiographischer Zeitgeschichtsforschung« – so nannte der Bonner Historiker Hans-Peter Schwarz 2003 in einem Aufsatz die Geschichte der DDR.2 Er spielte damit auf den »Forschungsboom« an, der in den 1990er-Jahren innerhalb der bundesdeutschen DDR-Forschung zu beobachten war: Erst nach ihrem Untergang sah eine rasch wachsende Zahl von Forscherinnen und Forschern die SED-Diktatur als ein attraktives Thema an – seitdem wurden circa 1500 Projekte durchgeführt.3 Allein die beiden Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags legten 1995 und 1999 unter den Titeln »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur« und »Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der Deutschen Einheit« in ihren Abschlussberichten 27 000 Druckseiten und zahlreiche neue Erkenntnisse vor.4
Auf diese Weise konnten Forschungsfelder neu vermessen werden – insbesondere das vor 1989 lange vernachlässigte Themengebiet Repression, Opposition und Widerstand –, aber auch alltags-, sozial- und wirtschaftshistorische Fragestellungen gerieten seit 1990 verstärkt in das Blickfeld der Wissenschaftler. Voraussetzung für all dies war die fast uneingeschränkte Öffnung der ostdeutschen Archive.5
Parallel zur Aktenöffnung wurden im Osten wie im Westen Deutschlands zahlreiche Institutionen der ›alten‹ DDR-Forschung abgewickelt. Gleichzeitig entstand eine Vielzahl von neuen Einrichtungen. Eine Besonderheit des Feldes ist seit 1990 zudem die außerordentliche Produktivität der gesellschaftlichen Aufarbeitung. Zahlreiche zeitgeschichtliche Vereine, Initiativen und Institutionen haben die DDR-Forschung seit 1990 um ihren jeweils spezifischen Blick auf die Diktaturgeschichte bereichert. Schließlich betrat eine neue Generation von Wissenschaftlern die Bühne. So wurde die Geschichte der DDR in den 90er-Jahren zu einem begehrten Promotionsthema, circa 500 Dissertationen wurden seit 1990 geschrieben.
All dies erweckte mancherorts den Eindruck, in der Bundesrepublik sei Anfang der 90er eine ganze Forschungslandschaft quasi neu erfunden worden. Von einem »neuen Aufgabenfeld«6 lässt sich aber nicht sprechen, da sich bereits seit Ende der 40er-Jahre eine Community von etwa 300 Wissenschaftlern in der ›alten‹ Bundesrepublik etabliert hatte, die die DDR zu ihrem Thema gemacht hatte. Das von ihnen erarbeitete Wissen wurde nach 1990 nicht selten ignoriert, obwohl die Ergebnisse breit dokumentiert sind. Die »De-De-Errologen«, wie der FAZ-Redakteur Ernst-Otto Maetzke sie 1967 anlässlich der ersten offiziellen DDR-Forschertagung in Tutzing nannte,7 arbeiteten ab 1945 vor allem in West-Berlin, aber auch in Bielefeld, Bonn, Erlangen, Köln, Mannheim, Marburg, München und Tübingen – und an vielen anderen Orten. Seit den 70er-Jahren existierten zudem DDR-Forschungszentren außerhalb der Bundesrepublik, etwa in Großbritannien, Frankreich und den USA.8 1986 dokumentierte eine Bibliographie die beeindruckende Quantität an Ergebnissen.9 Längst war auch der explizit zeithistorische Zweig der DDR-Forschung etabliert. 1981 hatte der Mannheimer »Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR« offiziell seine Arbeit aufgenommen, der bereits seit Anfang der 70er-Jahre unter der Leitung des Mannheimer Politikwissenschaftlers und Zeithistorikers Hermann Weber dafür gesorgt hatte, dass die ›alte‹ DDR-Forschung historische Fragen nicht ausklammerte.
Weber zählt zu den wenigen aktiven Forschern, die das Feld gleichermaßen vor und seit 1989 maßgeblich bestimmten bzw. bestimmen. Mit Blick auf den Generationswechsel seit 1990 ist seine akademische Karriere in zweierlei Hinsicht aufschlussreich: Erstens zeigt sie die enge Verflechtung von lebensgeschichtlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Laufbahn. Das, was für Webers Generation so charakteristisch war, das persönliche Betroffensein durch den Gegenstand, der verobjektiviert werden sollte, fehlt den seit 1990 nachfolgenden Forscherkohorten. Zweitens waren alle Akteure seit den 50er-Jahren mit der Anforderung konfrontiert, sich etablieren und professionalisieren – also »verwissenschaftlichen« – zu müssen. Anhand der Biografie Webers kann dieser Prozess mustergültig nachvollzogen werden.
Auf welche Weise ging Weber mit dem scheinbaren Gegensatz zwischen seiner eigenen Standortgebundenheit und wissenschaftsinternen Anforderungen um? Wie gelang es ihm, seine akademische Ausnahmekarriere zu begründen? Um diese Fragen beantworten zu können, sollen im Folgenden zunächst die spezifischen Bedingungsfaktoren der ›alten‹ bundesdeutschen DDR-Forschung skizziert werden, in deren Rahmen Weber sein für das Feld gleichermaßen typisches wie auch in entscheidenden Punkten vom Mainstream abweichendes Handeln als Wissenschaftler entfaltete.
Bedingungsfaktoren einer »Sonderdisziplin«: Das wissenschaftliche Feld der bundesdeutschen DDR-Forschung vor 1989
Ernst Richert, der 1976 gestorbene Mitbegründer der sozialwissenschaftlichen DDR-Forschung in der Bundesrepublik, verwies 1967 auf ein grundlegendes Dilemma, das diese bis 1989 entscheidend bestimmte: »Die westdeutsche DDR-Forschung […] ist in ungleich höherem Maß als die Erforschung anderer Staatsgebilde – auch in Europa – von der Problematik der Wertunterworfenheit bzw. Wertfreiheit betroffen. Denn ihr Objekt ist aus dem deutschen Traditionsraum hervorgewachsen, das Maß an Unbefangenheit und – selbst wohlwollender – Distanziertheit, mit dem wir anderen nahen wie fernen Ländern gegenüberzutreten in der Lage sind, ist hier jedenfalls nur schwer herzustellen.«10 Seither wurde darüber gestritten, wie weit die eigene Standortgebundenheit der Wissenschaftler ihre Herangehensweise und ihre Ergebnisse beeinflussen durfte – eine Frage, die bis heute ein konstitutives Element der DDR-Forschung darstellt.11
Tatsächlich war der Einfluss lebensgeschichtlicher Erfahrungen von Anfang an charakteristisch für das wissenschaftliche Feld. Die Protagonisten der DDR-Forschung vor 1989 waren im besonderen Maße durch biografische Nähe zu ihren Gegenständen geprägt – man denke nur an die vielen Journalisten, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Soziologen und Politikwissenschaftler in der alten Bundesrepublik, die die DDR in den 50er-Jahren verlassen und zuvor zum Teil anfänglich der SED angehangen hatten. Die biografische Bandbreite reichte von so unterschiedlichen Akteuren wie Max Gustav Lange, Ernst Richert, Otto Stammer und Carola Stern, die alle 1949 / 50 aus der »Zone« geflüchtet waren, über Arcadius R. L. Gurland, der in Moskau geboren und in Berlin aufgewachsen war, mit seiner Familie 1933 vor den Nazis fliehen musste und seit 1952 am Institut für politische Wissenschaft der FU Berlin wirkte, bis zu Wissenschaftlern wie Karl Christian Thalheim, der seit 1931 als Privatdozent an der Handelshochschule Leipzig gelehrt und sich im Verlauf der 30er-Jahre als NSDAP-Mitglied immer stärker der nationalsozialistischen Weltanschauung angepasst hatte. Thalheim wurde 1951 Professor am Osteuropa-Institut der FU.12
Als »zusätzliches Handicap« machte Richert aus, dass »ein Arbeiten im Land zwischen Elbe und Oder selbst, also an Ort und Stelle, kaum und ganz und gar nicht in hinreichendem Umfang möglich ist«.13 Westdeutsche Wissenschaftler konnten nicht in der DDR selbst forschen – und waren generell mit immensen Materialproblemen konfrontiert, die alle Forschenden gleichermaßen betrafen: Zu bedenken war stets, dass die SED-Informationspolitik systematisch verzerrt war und in offiziellen genauso wie in wissenschaftlichen Publikationen vor sinnentstellenden Auslassungen bis hin zu Fälschungen nicht zurückschreckte.14 Bis zum Mauerbau boten immerhin zumeist auf illegalem Wege durchgeführte Meinungsumfragen, Interviews mit DDR-Bürgern, Beobachtungen und Erfahrungen eine Vielzahl von inoffiziellen Informationen. Ab 1961 mussten sich die »De-De-Errologen« jedoch damit begnügen, Presseerzeugnisse, DDR-Literatur, offizielle Parteiprogramme der SED und ihrer Blockparteien, Zeitungen, wissenschaftliche Zeitschriften wie etwa die Einheit, DDR-Statistiken, Gesetzestexte und weitere Materialien auszuwerten. Da das Archivgut der ostdeutschen Nachkriegsentwicklung den bundesdeutschen Forschern bis 1989 völlig verschlossen war und auch osteuropäische Wissenschaftler die Archive kaum nutzen konnten, fehlte eine zumal für Historiker unersetzliche Quelle. Insgesamt waren die Bedingungen, um DDR-Forschung in der Bundesrepublik durchzuführen, schlecht.15
Einen dritten charakteristischen Punkt benannte Ernst Richert ebenfalls 1967 in der Wochenzeitung Die Zeit, als er darauf hinwies, dass die DDR-Forschung vor 1989 im Wissenschaftssystem der Bundesrepublik insgesamt wie auch innerhalb der bundesdeutschen Sozial- und Geschichtswissenschaften eine Außenseiterrolle einnahm: Die »De-De-Errologie« war eine »Sonderdisziplin«16 innerhalb der westdeutschen scientific community. Dies hatte einerseits einen wissenschaftsexternen Grund: Die DDR-Forschung seit dem Mauerbau besaß mentalitätsgeschichtlich betrachtet eine geringere Bedeutung für das Selbstverständnis der Bundesrepublik als die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus.17 Andererseits war der besondere Status auf wissenschaftsinterner Ebene begründet: In Relation zu ihren »Mutterwissenschaften« wie Soziologie, Politologie und Geschichtswissenschaft standen die »De-De-Errologen« eher am Rande, ihr Prestige war – ähnlich dem der »Sowjetologen«18 – gering. An den westdeutschen Hochschulen war die Disziplin mit einigen Ausnahmen nur wenig institutionalisiert. Dieser besondere Status prägt sie bis heute.19
Um eine eigenständige und anerkannte sozialwissenschaftliche Disziplin werden zu können, musste sich die DDR-Forschung verwissenschaftlichen. Eine damit verbundene Forderung lautete seit den 60er-Jahren: Abkehr von der Betroffenheit und den normativen Anfängen der Disziplin, die etwa durch den Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung beim Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen repräsentiert waren.20 Vielmehr sollten nach Ansicht von jüngeren, im Feld zunehmend reüssierenden Wissenschaftlern wie Peter Christian Ludz und Hartmut Zimmermann Distanz, Sachlichkeit, Nüchternheit und Wertfreiheit die Leitlinien der neuen Forschung sein. Es sollte sich ein Stil durchsetzen, der durch sprachliche Askese, Abstraktion und die strikte Trennung von Beschreibungs- und Quellenebene seine Distanz zur Wertgebundenheit unter Beweis stellt.
Das Feld der DDR-Forschung entwickelte fortan eine eigentümliche Distanz zu seinen »erfahrungsgesättigten« Anfängen. Seit den 60er-Jahren war die Trennlinie zwischen »wissenschaftlicher« und »nicht-wissenschaftlicher« Auseinandersetzung mit der DDR in den Köpfen vieler Forscher gleichbedeutend mit der Grenze zwischen Objektivität und Subjektivität. Damit war eine Entwertung von Erfahrungen und qualitativen Daten generell sowie von subjektiv geprägten Arbeiten verbunden, die als »Erlebnisberichte« abqualifiziert wurden. Als frühe explizite Kritik an »zu viel« Erfahrung in der DDR-Forschung konstatierte etwa Zimmermann in einem ansonsten bis heute für aktuelle Fragestellungen anregenden Aufsatz über die »Analyse bolschewistischer Gesellschaftssysteme« von 1961: »Die verwandten Kategorien werden nicht aus dem sozialen Phänomen ›Bolschewistische Gesellschaft‹ abgeleitet, sondern einem anderen, Erfahrungszusammenhang entnommen. So nimmt es nicht wunder, daß die Forschung leicht in die Gefahr einer verzerrenden Überbewertung von Einzelphänomenen, einer eigenartigen Personifizierung von Entwicklungstendenzen und innergesellschaftlichen Widersprüchen kommt.«21
Dass sich persönliche Betroffenheit und wissenschaftliche Objektivität produktiv verbinden lassen, zeigt hingegen die Forscherkarriere Hermann Webers.22 Weber ist bis heute als Wissenschaftler und als Zeitzeuge gleichermaßen glaubwürdig. Im Folgenden wird argumentiert, dass die Überzeugungskraft, die ihm quer durch die politischen Lager zugesprochen wurde und wird,23 mit der ihm eigenen und konsequent verfolgten »erfahrungsgesättigten Rationalität« zusammenhängt.24 Sein Werdegang zeigt das »Potenzial« von Zeitzeugenschaft für gute wissenschaftliche Forschung – seine eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen schützten ihn mehr als alle methodischen und theoretischen Bezugspunkte vor Fehldeutungen und Irrtümern, die charakteristisch für Teile der ›alten‹ DDR-Forschung sind. Hierin liegt ein wichtiger Grund dafür, dass eine Vielzahl von Veröffentlichungen Webers vor 1989 auch nach der friedlichen Revolution weiterhin Bestand haben und er zu den wenigen Akteuren gehört, die in den 90er-Jahren nicht zur Zielscheibe der Kritik an der ›alten‹ bundesdeutschen DDR-Forschung wurden.25
Die Begründung einer Forscherkarriere: Hermann Webers »lupenreine Herkunft« und sein Bruch mit dem Stalinismus
Willi Hoss, westdeutscher ehemaliger Kommunist und Mitgründer der Grünen, beschrieb in seiner Autobiografie seine Begegnung mit Hermann Weber an der SED-Parteihochschule in Kleinmachnow so: »An Kursteilnehmer von westdeutscher Seite erinnere ich mich an Leute wie Hermann Weber und Herbert Mies […] Weber gehörte zum Zweijahreslehrgang 1948 / 49, der sich mit meinem Lehrgang überlappte. […] Herbert Mies ist später ein sehr dogmatischer Typ geworden, der keine Fragen mehr an sich herangelassen hat, falls er überhaupt welche hatte. […] Hermann Weber hingegen ist ein sehr guter Historiker geworden. Er ist früh schon abgesprungen.«26
Hermann Weber besitzt, wie er selbst es ausdrückt, eine »lupenreine Herkunft« aus der kommunistischen Arbeiterbewegung. Sein Vater widmete seinen Alltag der kommunistischen Parteiarbeit und war zeitweise unter den Nazis als Widerstandskämpfer inhaftiert. Er war es, der kritisches Denken und eine oppositionelle Haltung vermittelte, die seinen Sohn Hermann bis heute prägen.27 Nach Kriegsende trat der 17-Jährige der wieder zuge-lassenen KPD bei. 1946 besuchte er den ersten Lehrgang der FDJ-Hochschule am Bogensee bei Berlin und nahm am I. FDJ-Parlament im Juni 1946 in Brandenburg teil. Danach war er Mitglied des hauptamtlichen Parteiapparats der KPD und wurde zur von Willi Hoss erwähnten SED-Parteihochschule »Karl Marx« delegiert, wo er die Stalinisierung der Partei miterlebte. Hier lernte Weber 1949 auf einem zweijährigen Lehrgang auch Wolfgang Leonhard, den Autor des 1955 veröffentlichten Bestsellers Die Revolution entlässt ihre Kinder, kennen.28 Weber, der in Kleinmachnow von seinen Lehrern den Decknamen »Wunderlich« verordnet bekommen hatte, blieb während des Lehrgangs ein nicht unkritischer, aber gläubiger Kommunist.29 Starke Zweifel an der offiziellen Lesart kommunistischer Parteigeschichte, die Weber später – erstmals 1964 in Ulbricht fälscht Geschichte, später besonders in seinen berühmten Weißen Flecken – zum großen Ärger der SED immer wieder offen benannte,30 kamen ihm allerdings bereits in der Bibliothek der SED-Parteihochschule, als er sich mit den Protokollen der Moskauer Schauprozesse der 30er-Jahre vertraut machte und auf diese Weise erstmals auf die stalinistischen Verbrechen aufmerksam wurde.
Auf der Parteihochschule hatte Weber seine Frau Gerda kennengelernt. Nach dem Schulbesuch wurden sie beide in Westdeutschland eingesetzt: Gerda als 1. Sekretärin des westdeutschen Demokratischen Frauenbundes (DFD), einem West-Ableger der SED-Frauenorganisation, Hermann als Chefredakteur der westdeutschen FDJ-Zeitung Das Junge Deutschland. Als er 1952 ein Grußtelegramm Stalins nicht als Aufmacher abdruckte, wurde er von Honecker seiner Funktion enthoben und in die zweite Reihe degradiert.31 Die Situation verschärfte sich: Gerade in dem Moment, als Hermann und Gerda Weber gemeinsam den Bruch mit dem Stalinismus vollzogen hatten und die KP-Zeitung Badisches Echo am 22. September 1954 mit Weber als »Agenten« und »Parteifeind« abrechnete, standen beide gleichzeitig im Verdacht illegaler kommunistischer Tätigkeit in der Bundesrepublik und kamen dafür – ohne Verurteilung – ins Gefängnis: »Unsere Situation erschien mir verrückt. Mit dem Stalinismus hatte ich längst gebrochen, saß dennoch bereits über ein halbes Jahr als kommunistischer Rädelsführer im Gefängnis.«32 Die Verfahren wurden erst 1958 eingestellt.
Weil es zunächst darum ging, zu überleben, erhielt die Freundschaft zu Wolfgang
Leonhard große Bedeutung für das Ehepaar Weber, die beide nach ihrer fast zweijährigen Haft wegen »illegaler Tätigkeit« für die FDJ »finanziell auf dem Hund« waren.33 Leonhard vermittelte Hermann Weber an das SBZ-Archiv, das spätere Deutschland Archiv, zu dessen regelmäßigen Autoren er bald zählte. Weber publizierte dort als Vorsichtsmaßnahme unter dem – ziemlich leicht durchschaubaren – Pseudonym »W. Hermann«, da das Verfahren wegen seiner FDJ-Tätigkeit noch nicht abgeschlossen war. Er verfasste zudem seit Ende der 50er-Jahre mehrere Schriften für die Landeszentralen für politische Bildung. Bereits 1955 hatte er bei einem Wettbewerb der Evangelischen Akademie für eine Arbeit über »Die Stellung von Friedrich Engels in der Frühgeschichte des Marxismus« einen Preis erhalten, der ihn darin bestärkte, seine Kenntnisse auszubauen und weiterzuvermitteln. Nur aufgrund dieser publizistischen Betätigungsfelder waren die Existenzsicherung und das berufliche Weiterkommen überhaupt möglich. Dennoch war die Situation weiterhin schwierig, weil Hermann und Gerda Weber im Kalten Krieg zwischen den Stühlen saßen. Einerseits gerieten beide durch ihre mit der Zeit immer öffentlichkeitswirksamere Kritik am Stalinismus und dem Sozialismus der SED immer wieder ins Visier Ost-Berlins. Im zweiten Band der Weber’schen Erinnerungen wird unter der Überschrift »SED-Feindbild Hermann Weber« beschrieben, auf welch perfide Weise die SED und das MfS ihn als »Verräter« und »Renegat«, später als »Rechtsaußen« der »liberalen Richtung« bekämpften.34
Andererseits waren Konzeptionen eines »Dritten Wegs« und Parolen wie »Weder Ost noch West« – denen beide anhingen – unvereinbar mit dem politischen Konsens der jungen Bundesrepublik. Viele jener »entzauberten Revolutionäre«35 hatten nicht einen »sich links drapierenden stalinistischen« Kommunismus im Sinn, sondern strebten einen demokratischen Sozialismus an: »In der breit gefächerten – wenn auch zahlenmäßig nur kleinen – Linken gab es keine einheitliche Programmatik, nur ansatzweise politische Strategien und kaum feste organisatorische Bindungen. […] Wir redeten uns die Köpfe heiß über die Aufgaben der Linken, suchten einen ›dritten Weg‹ jenseits von Kommunismus und restaurativem Kapitalismus.«36
Weber engagierte sich in unterschiedlichen gewerkschaftlichen Gruppierungen und später vor allem in der SPD. Aufgrund alter und neuer Kontakte und Freundschaften zu anderen ehemaligen Kommunisten und linken Sozialdemokraten, die mit dem Stalinismus gebrochen hatten, bewegte sich Weber in einem Netzwerk von Menschen, die ähnliche Erfahrungen wie er gemacht hatten. Ein wichtiger Publikationsort war die von 1959 bis 1964 erschienene Zeitschrift Der Dritte Weg. Diskussionsforum für modernen Sozialismus, die von Heinz Lippmann, bis 1953 Honeckers Stellvertreter in der FDJ, redaktionell geleitet und – wie heute bekannt ist – vom Verfassungsschutz finanziert wurde.37 Wiederum Leonhard hatte Weber mit Lippmann bekannt gemacht. Unter der Mitarbeit von Jürgen Rühle und Jo Schölmerich schrieben Weber und Lippmann ein kritisches Buch über die SED, das Weber offiziell mit einem gewissen »Lothar Pertinax« veröffentlichte – dem Pseudonym für alle drei Mitautoren. In den 65 Fragen an die SED wurde herausgearbeitet, dass die SED-Politik und -Ideologie die Grundlagen des wissenschaftlichen Marxismus längst verlassen hatte. Der Band erschien 1958 in der Deutschen Verlagsanstalt unter dem Titel Schein und Wirklichkeit in der DDR.38
Der Beitrag des Mannheimer Arbeitsbereichs zur »Verwissenschaftlichung« der bundesdeutschen DDR-Forschung
Noch 1967 hatte Ernst Richert in seiner Zustandsbeschreibung der DDR-Forschung in der Zeit geschrieben: »Politologie und Soziologie haben sich indes (obwohl es hier am nächsten gelegen hätte und am fruchtbarsten gewesen wäre) fast nirgendwo außerhalb Westberlins mit der DDR befasst. Von der Germanistik, insbesondere der Literaturwissenschaft, und dem Komplex Zeitgeschichte gilt im wesentlichen das Gleiche, rundum Negative.«39 Als Richert die Defizite der zeitgeschichtlichen Forschung in Bezug auf die DDR beklagte, hatte Weber neben Schein und Wirklichkeit 1961 bereits Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht (vierte Auflage 1970) und 1964 sein Buch über Konflikte im Weltkommunismus publiziert.40 Er hatte zu dieser Zeit seinen Einstieg in die junge Disziplin auch ohne akademische Weihen bereits gefunden. Um seine Ausnahmekarriere aber tatsächlich weiterverfolgen zu können, bedurfte es des Anstoßes eines Universitätsprofessors: Es war der Mannheimer Zeithistoriker Erich Matthias, der Hermann Weber ermutigte, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, und ihn dabei unterstützte.41 1966 begann Hermann Weber im Alter von 38 Jahren sein Studium in Mannheim, das er bereits 1968 mit einer Promotion abschloss, auf die zwei Jahre später die Habilitation folgte. 1975 wurde Weber Inhaber des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim. In knapp zehn Jahren wurde so aus dem »älteren Erstsemester« ein »ordentlicher Professor«.42
Neben seiner eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung hatte Weber für eine dauerhafte Finanzierung seiner Forschungen durch das Volkswagenwerk gesorgt und eine erstaunliche Produktivität entfaltet. 1976 begann das DFG-Projekt »Entstehung, Entwicklung und Funktion des Parteiensystems der DDR«, das sowohl die Geschichte der SED und ihrer Blockparteien und Massenorganisationen als auch die Transformation der SBZ / DDR zur Diktatur in den Blick nahm. Schließlich wurde am 1. April 1981 offiziell der »Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim« gegründet. Weber beschreibt in seinen Erinnerungen die Motivlage für seine Anstrengungen so: »Es war wie verrückt. Legenden und Lügen der offiziellen DDR-Darstellungen fanden damals in billigen Lizenzausgaben zunehmend im Westen Verbreitung. Doch bis in die 80er-Jahre ignorierten die westdeutschen Zeithistoriker in ihrer übergroßen Mehrheit die Geschichte der DDR. Deshalb suchte ich nach Wegen, das zu ändern, und setzte alles daran, in Mannheim die seriöse, kritische Analyse der DDR-Geschichte voranzutreiben.«43
Da Weber diesen Vorsatz auf bemerkenswerte Weise auch umsetzte, ist es unzureichend, die DDR-Forschung vor der friedlichen Revolution als bloßen Gegensatz zweier Gruppierungen zu beschreiben, die entweder mit dem Totalitarismus-Modell arbeiteten oder aber dieses kritisierten. Auf diese Weise – »hier die konservativen, wertgebundenen Forscher, da die wertneutralen, objektivitätsorientierten Forscher«44 – wird die Vielfalt der Forschungslandschaft, die zum Beispiel durch den Mannheimer Arbeitsbereich repräsentiert wird, verdeckt. Denn die dort entstandenen Konzepte und Ergebnisse besitzen eine originäre Stellung,45 die sich parallel zur heftig umstrittenen Entfaltung »kritisch-immanenter Ansätze«, die etwa mit den Arbeiten von Peter Christian Ludz in den 60er- und 70er-Jahren verbunden ist, entwickelte.46
Weber beschrieb 1973, ein Jahr nach dem »Grundvertrag«, in einem Artikel für das Deutschland Archiv sein Selbstverständnis so: Auch er wolle den Ruf der DDR-Forschung, ein Produkt des Kalten Krieges zu sein, zu überwinden helfen, indem er versuche, in seiner Arbeit »jede Einseitigkeit, alle Spekulationen und jeden Propagandaverdacht [zu] vermeiden«.47 Diese »Wissenschaftlichkeit« schloss aber aus Sicht von Weber und anderen Akteuren, zum Beispiel Karl-Wilhelm Fricke, nicht aus, auch eigene normative Standpunkte in die Darstellung mit einfließen zu lassen. Die Position ist also nicht zu verwechseln mit apolitischer Sachlichkeit. Dabei wurde methodologischen Fragen nicht so viel Raum gegeben, wie es etwa am Arbeitsbereich »DDR-Forschung« am ZI 6 der FU Berlin unter Leitung von Hartmut Zimmermann damals Tradition war. Mit einfachen, aber wesentlichen Fragestellungen wurden Grundtatsachen der politischen und historischen Entwicklung in einer klaren Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie dargestellt. Daraus ergab sich eine Unabhängigkeit von den Konjunkturen methodisch-theoretischer Kontroversen. Am Beispiel der Untersuchungen zur politischen Institutionengeschichte, zum SED-Geschichtsbild und der Einbettung dieser Analysen in die Geschichte der kommunistischen Bewegung und ihrer Akteure lassen sich drei getrennte und dennoch deutlich miteinander in Beziehung stehende Fragestellungen nachzeichnen. Sie zeigen die Tragfähigkeit der von Weber und seinen Mitarbeitern erzielten Ergebnisse in Bezug auf den gegenwärtigen Wissensstand zur DDR, die damit verbundene besondere Mischung von Sachlichkeit und politischem Engagement und die Innovationskraft der in Mannheim geprägten Perspektiven:
(1) Aus heutiger Sicht zeigt etwa das vielfach aufgelegte und auch häufig für Zwecke der politischen Bildung genutzte Von der SBZ zur DDR (erstmals 1968) genauso wie der 1976 erstmals erschienene Grundriss der Geschichte, dass wesentliche Elemente und Einsichten einer politischen Herrschaftsgeschichte der DDR in den 90er-Jahren längst vorhanden waren: »Nach dem Willen von Staatspartei und Verfassung soll die DDR den Sozialismus verwirklichen, doch wird darunter tatsächlich verstanden, das Modell der Sowjetunion zu realisieren. Unter dieser Zielsetzung ist im Herrschaftssystem der DDR die verfassungsrechtlich abgesicherte ›führende Rolle‹ der SED von zentraler Bedeutung. Der Führungsanspruch der Partei erstreckt sich auf alle Lebensbereiche.«48 Die Geltungskraft solcher Einsichten veranschaulicht der Grundriss genauso wie die in diversen Auflagen erschienene Geschichte der DDR. Während der Grundriss 1976 noch mit 211 Seiten auskam, lag 1985 erstmals die Geschichte der DDR vor, die wesentlich erweitert auf 540 Seiten kam (dritte Auflage 1988).49 2000 erschien, um die Funde aus den nunmehr geöffneten Archiven ergänzt, in der Reihe Oldenbourgs Grundriss der Geschichte der Band Die DDR 1945–1990.50
Letzteres illustriert gleichzeitig die erfolgreichen Bemühungen um Beziehungen zur universitären Geschichtswissenschaft und zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen an anderen Orten. So fand bereits 1980 am Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München das Kolloquium mit dem Titel Der Weg nach Pankow statt, an dem neben Weber Wolfgang Leonhard, Alexander Fischer, Hermann Rudolph und Horst Möller teilnahmen.51 Mitte der 80er-Jahre begann die Arbeit am gemeinsam mit Martin Broszat und dem IfZ herausgegebenen SBZ-Handbuch, das bis heute als das Standardwerk gilt – obwohl es vor Öffnung der Archive erarbeitet wurde.52 Der Historiker Rudolf Morsey rezensierte es seinerzeit mit der Bemerkung, es müsse nach der Wiedervereinigung keine Zeile verändert werden.53 Zudem wurde Weber in dieser Zeit Mitglied des wissenschaftlichen Beirats am IfZ.
(2) Mit Webers Büchern und Aufsätzen wurde ein dezidiertes Gegengewicht zur DDR-eigenen Verbreitung eines Geschichtsbildes geschaffen, in dem alle konstruktiven und progressiven Elemente der deutschen Geschichte dem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat DDR zugeschrieben wurden. Als Grundlage der immanenten Analyse dienten vor allem Texte, die von der DDR-Geschichtsschreibung selbst produziert worden waren. Die geschichtspolitischen Konsequenzen dieser Anstrengungen zeigen sich etwa darin, dass Webers Buch Ulbricht fälscht Geschichte dem Namensgeber in Ost-Berlin höchst selbst zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde.54 Auch die 1989 erschienenen Weißen Flecken hatten eine politische Stoßrichtung: Auf den ersten Blick handelte es sich nicht um mehr als die Sammlung von 250 Biografien kommunistischer Funktionäre aus der Weimarer Republik, die im sowjetischen Exil während der stalinistischen Säuberungen umgebracht wurden.55 Obwohl es in der DDR nicht verfügbar war, sorgte das Buch jedoch bereits vor der friedlichen Revolution und besonders unter den SED-Parteihistorikern für Furore und konnte bald nicht mehr unterdrückt werden.56 Während man in der Sowjetunion unter Gorbatschow damit begann, die stalinistischen Verbrechen erstmals aufzuarbeiten, verharmloste und verleugnete die SED ihre verschwiegenen Traditionen. Webers in zwei rasch aufeinanderfolgenden Auflagen erschienene Dokumentation der deutschen Opfer des Stalinterrors hatte wesentlichen Anteil daran, die DDR-Geschichtswissenschaft zu delegitimieren. Gleichzeitig war es nach 1990 Hermann Weber, der jüngere ostdeutsche Wissenschaftler in vielfältiger Hinsicht dabei unterstützte, auf der Grundlage der nun geöffneten Archive DDR-Geschichte auf neue Weise zu erforschen.
(3) Ihre besondere Reichweite besitzt Webers Perspektive, weil es ihm stets darum geht, die Geschichte der SED-Diktatur in die Geschichte des deutschen Kommunismus zu integrieren. Thema waren stets die Wechselbeziehungen zwischen Ideologie und Organisationsstruktur. So lautete der Titel von Webers Habilitation Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Am Beispiel der Stellung der KPD im Weimarer Parteiengefüge, insbesondere ihres Verhältnisses zur SPD, wird geschildert, wie aus der revolutionären Partei ein bürokratischer Apparat wurde, dem terroristische Methoden nicht fremd waren. Analysiert werden die internationale Einwirkung und die Finanzierung der KPD durch Moskau und die Komintern sowie die innerparteilichen Auseinandersetzungen und »Säuberungen« der Partei, von denen auch die intellektuellen Linken, die Rechtsabweichler und die Trotzkisten betroffen waren.57 Ihre besondere Innovationskraft gewann die Studie nicht zuletzt dadurch, dass sie zusätzlich eine gruppenbiografische Dokumentation und Analyse von 504 Funktionären des KPD-Führungskorps enthielt.58
Diese Beispiele verdeutlichen, dass Hermann Weber neben der Geschichte der Institutionen und dem SED-Geschichtsbild stets die historischen Akteure interessieren – er unternimmt den Versuch, die Wechselbeziehungen zwischen objektiven Lebenslagen und subjektivem Wahrnehmen und Handeln als Kernfrage der politologisch-historischen Arbeit ernst zu nehmen. Die Perspektiven insbesondere der kommunistischen Täter und Opfer – besonders, wenn es sich dabei um dieselben Personen handelte – fanden gleichermaßen sein Interesse. Erst so wird das Geschehen als Ganzes deutlich. Die Opfer sind dabei keine bloßen »Objekte«, sondern sind zum Teil selbst tief verstrickt in die historischen Ereignisse, besitzen Namen und eine eigene individuelle Lebensgeschichte. Dabei geht es um Persönliches wie Unpersönliches, immer aber auch um das Leid und die Schicksale konkreter Einzelmenschen, ihre Lebensläufe und Erfahrungen. Hermann Weber ist in seinen kritischen Analysen immer sehr deutlich, aber er hat nie das Verständnis dafür verloren, unter welchen komplizierten historischen Umständen sich Menschen der Bewegung anschlossen. Insofern geht es bei Weber immer auch darum, am Forschungsgegenstand »Anteil zu nehmen«.59
Fazit
»Die vergangene Zukunft als solche in den Blick zu nehmen, sie nicht immer schon ex post mit dem zu verrechnen, was dann tatsächlich geschah, fällt den Nachgeborenen in der Regel schwer.«60 Mit den Worten des Geschichtstheoretikers Lucian Hölscher lässt sich ermessen, weshalb Weber als Begründer der ›alten‹ DDR-Forschung auch nach dem Mauerfall und dem Generationswechsel nicht nur innerhalb der Disziplin ein enormes Prestige zugemessen wird: Gerade während und nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989/1990 war er einer der gefragtesten Experten nicht nur der bundesdeutschen, sondern auch der internationalen Medienlandschaft.61
Weber wurde 1993 emeritiert, seine Überzeugskraft als ein in allen politischen Lagern anerkannter Wissenschaftler blieb ungebrochen. Dies zeigte sich nicht zuletzt während der Enquetekommissionen und ihrer zum Teil heftigen Konfrontationen, die er als »Brückenbauer« nicht selten zum Ausgleich führen konnte. Dies gilt auch für seine Arbeit in der von der Bundesregierung berufenen »Gemeinsamen Kommission zur Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen«, in der Historischen Kommission beim Parteivorstand der SPD und im Stiftungsrat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Bis 2007 war er Herausgeber des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung. Schließlich wird Webers Bedeutung in den 90er-Jahren auch durch die Tatsache unterstrichen, dass es in Mannheim beschäftigte Politikwissenschaftler und Historiker, etwa Günter Braun, Horst Dähn, Jan Foitzik, Ulrich Mählert, Werner Müller, Siegfried Suckut sowie Dietrich Staritz waren, die nach 1990 die ›neue‹ DDR-Forschung maßgeblich mittragen sollten.
Voraussetzung für all dies ist Webers »erfahrungsgesättigte Rationalität«. Sie umfasst entscheidende historische Ereignisse wie »die erneute Stalinisierung der kommunistischen Bewegung, den sich verschärfenden Kalten Krieg, die Spaltung Deutschlands und den schrittweisen Aufbau der SED-Herrschaft«.62 Die Doppelperspektive von Erfahrung und wissenschaftlichem Erkenntnisdrang war der wesentliche Antrieb seines Engagements seit Ende der 50er-Jahre. An der akademischen Biographie Hermann Webers wird deshalb deutlich, dass es nicht plausibel ist, einen diametralen Gegensatz zwischen Zeitzeuge und Historiker, zwischen »Erfahrung« – und damit verbundenen Emotionen – und »Rationalität« zu ziehen. Zu häufig noch gelten Emotionen als zu überwindende Störfaktoren im Analyseprozess.63 Wissen und Erinnerungen an selbst erlebte historische Abläufe sind bei ihm fest miteinander verwoben, ohne identisch zu sein. Seinen eigenen Blickwinkel hat Weber dabei stets reflektiert. Sein Lebensweg spiegelt auch die Desintegration eines Teils des ›alten‹ kommunistischen Milieus und dessen Entradikalisierung seit Mitte der 50er-Jahre wider.64 Der Bruch mit der Partei war für Weber nie ein Bruch mit dem »Prinzip Links«, seinem früh geprägten Leitbild, in dessen Zentrum Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit stehen. Daraus ist sein Lebensthema entstanden, das er in einem Interview so beschrieb: »Ich habe erlebt, wie aus dem Traum ein Albtraum wurde. Mich hat interessiert, warum.«65
1 Der Text ist ein eigenständiger Beitrag, der auf den Ergebnissen meiner Arbeit über die Geschichte der DDR-Forschung in der Bundesrepublik aufbaut. Siehe Hüttmann, Jens: DDR-Geschichte und ihre Forscher. Akteure und Konjunkturen der bundesdeutschen DDR-Forschung vor und seit 1989, Berlin 2008.
2 Schwarz, Hans-Peter: Die neueste Zeitgeschichte, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (2003), H. 1, S. 5–28, hier S. 18.
3 Mählert, Ulrich: Vademekum DDR-Forschung. Ein Leitfaden zu Archiven, Forschungsinstituten, Bibliotheken, Einrichtungen der politischen Bildung, Vereinen, Museen und Gedenkstätten, Berlin 2002, S. 9. Mählert gibt 2002 bereits 1200 Forschungsprojekte an, sodass fünf Jahre später mit Blick auf den von ihm herausgegebenen »Newsletter DDR-Forschung«, der seit 1994 im Deutschland Archiv erscheint, die genannte Zahl von 1500 Forschungsprojekten nicht übertrieben sein dürfte. Siehe auch Hüttmann, Jens: Die »Gelehrte DDR« und ihre Akteure. Strategien, Inhalte, Motivationen: Die DDR als Gegenstand von Lehre und Forschung an deutschen Universitäten, Wittenberg 2004.
4 Siehe Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«. 9 Bde. in 18 Teilbdn., Baden-Baden 1995; sowie Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission »Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit«, Baden-Baden 1999.
5 Siehe dazu und zum Folgenden die Expertise für die Enquete von Ulrich Mählert: Analyse der zur Zeit in Arbeit befindlichen und der bereits abgeschlossenen Forschungsarbeiten zur DDR-Geschichte, in: Deutscher Bundestag: Materialien der Enquete-Kommission »Überwindung der Folgen der SED-Diktatur« (Anm. 4), Bd. VII, S. 857–887.
6 So Ulrich Herbert: Nach den Katastrophen. Entwicklungsstand und Perspektiven der deutschen Zeitgeschichtsforschung. Vortrag zur Feier des 75. Gründungstags des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte in Münster am 18. März 2004, in: <http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WIR/aktuelles/1096532755/index2_html> am 2. März 2005, S. 4 f.
7 Maetzke, Ernst-Otto: Die »De-De-Errologen« sind unfreundlich zueinander. Vorwürfe und Rechtfertigungen auf einer Zonen-Forschungstagung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. September 1967, S. 2.
8 Für Großbritannien siehe: Wallace, Ian: DDR-Forschung in Großbritannien, in: Glaeßner, Gert-Joachim (Hrsg.): Die DDR in der Ära Honecker, Opladen 1988, S. 140–150. Siehe auch Golz, Hans-Georg: Von East Germany zur GDR. DDR-Forschung in Großbritannien vor 1990, in: Deutschland Archiv (2003), H. 1, S. 12–25; für Frankreich siehe: Pfeil, Ulrich: Die ›anderen‹ deutsch-französischen Beziehungen, Köln / Weimar / Wien 2004, S. 414–428; einen Überblick für die USA gibt: Krisch, Henry: DDR-Forschung in Nordamerika 1983–2002, in: Berliner Debatte Initial (2003), H. 2, S. 23–27; siehe auch den älteren Text von Thomas A. Baylis: Amerikanische Studien über die DDR. Eine kritische Einschätzung, in: Deutschland Archiv (1986), H. 8, S. 823–831.
9 Völkel, Walter: Systematische Bibliographie von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern zur politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der SBZ / DDR seit 1945, Opladen 1986.
10 Richert, Ernst: Möglichkeiten und Grenzen der DDR-Forschung, in: Deutschland Archiv (1968), H. 2, S. 144–148, hier S. 144.
11 Siehe etwa die Beiträge und Diskussionen zum Bericht der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes »Aufarbeitung der SED-Diktatur«, in: Sabrow, Martin / Eckert, Rainer / Flacke,
Monika / Henke, Klaus-Dietmar / Jahn, Roland / Klier, Freya / Krone, Tina / Maser, Peter / Poppe, Ulrike / Rudolph, Hermann (Hrsg.): Wohin treibt die DDR-Erinnerung? Dokumentation einer Debatte, Bonn 2007.
12 Siehe Buchstein, Hubertus: Politikwissenschaft und Demokratie. Wissenschaftskonzeption und Demokratietheorie sozialdemokratischer Nachkriegspolitologen in Berlin, Baden-Baden 1992; ders.: Totalitarismus und empirische Politikforschung – Die Wandlung der Totalitarismuskonzeption in der frühen Berliner Politikwissenschaft, in: Söllner, Alfons / Walkenhaus, Ralf / Wieland, Karin (Hrsg.): Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 1997, S. 239–266. Zu Thalheim siehe Haffner, Friedrich: Prof. Karl C. Thalheim zum 90. Geburtstag, in: Deutschland Archiv (1990), H. 5, S. 663 ff; ders.: Zum Tod von Karl C. Thalheim, in: Deutschland Archiv (1993), H. 6, S. 640 ff.
13 Richert: Möglichkeiten und Grenzen der DDR-Forschung (Anm. 10), S. 144.
14 Dies war sogleich auch das Thema des frühen Bandes von Hermann Weber: Ulbricht fälscht Geschichte. Ein Kommentar mit Dokumenten zum »Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung«, Köln 1964.
15 Der Begründer der wirtschaftswissenschaftlichen DDR-Forschung, Karl C. Thalheim, formulierte deshalb 1983 für die Frühphase der Auseinandersetzung mit der Wirtschaft der SBZ: »Jüngere Wissenschaftler von heute können sich wahrscheinlich kaum vorstellen, unter wie primitiven Voraussetzungen damals ›geforscht‹ wurde.« Thalheim, Karl C.: Zur Entwicklung und Gegenwartslage der wirtschaftswissenschaftlichen DDR-Forschung, in: Zieger, Gottfried (Hrsg.): Recht, Wirtschaft, Politik im geteilten Deutschland. Festschrift für Siegfried Mampel zum 70. Geburtstag am 13. September 1983, Köln / Berlin / Bonn / München 1983, S. 251–270, hier S. 252. Siehe hierzu auch die ständigen Mahnungen Ernst Richerts an die Deutschlandpolitiker in der Bundesrepublik und der DDR, die Bedingungen für wissenschaftliche Forschung zu verbessern: Richert, Ernst: Das zweite Deutschland. Ein Staat, der nicht sein darf, Frankfurt a. M. 1966; ders.: Möglichkeiten und Grenzen der DDR-Forschung, in: Deutschland Archiv (1968), H. 2, S. 144–148. Siehe auch Pollack, Detlef: Zum Stand der DDR-Forschung, in: Politische Vierteljahresschrift 34 (1993), S. 119–139, hier S. 120 ff.
16 Faulenbach, Bernd: Die DDR als Gegenstand der Geschichtswissenschaft, in: Hüttmann, Jens / Pasternack, Peer / Mählert, Ulrich (Hrsg.): DDR-Geschichte vermitteln, Berlin 2004, S. 65–81, hier S. 66; Richert, Ernst: Wissen, was »drüben« ist. Wer kümmert sich bei uns noch um die DDR-Forschung? Solange der Kalte Krieg dauerte, wurde der SED-Staat gründlich analysiert – heute fehlt das Geld dafür, in: Die Zeit vom 28. April 1967, S. 31.
17 Siehe zum Beispiel die Analysen der historischen Kontroversen und ihrer Implikationen für das Selbstverständnis der Bundesrepublik bei Klaus Große-Kracht: Die zankende Zunft. Historische Kontroversen in Deutschland nach 1945, Göttingen 2005; vgl. auch Sabrow, Martin / Jessen, Ralph / Kracht, Klaus (Hrsg.): Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen seit 1945, München 2003.
18 Friedrichs, Jürgen / Lepsius, M. Rainer / Mayer, Karl-Ulrich: Diagnose und Prognose in der Soziologie, in: dies., Die Diagnosefähigkeit der Soziologie, Opladen 1998, S. 9–33, hier S. 13.
19 Wie Jürgen Kocka 2004 im Festvortrag zum 75. Geburtstag Hermann Webers anmerkte, fehlt der DDR-Forschung auch heute noch der »Blick über den Tellerand«: Im Vergleich zu ihren Mutterdisziplinen sei sie »weitgehend isoliert und um sich selbst kreisend«. Kocka, Jürgen: Der Blick über den Tellerrand fehlt. DDR-Forschung – weitgehend isoliert und zumeist um sich selbst kreisend, in: Deutschland Archiv (2003), H. 5, S. 764–769.
20 Der Forschungsbeirat besaß eine klare antikommunistische Ausrichtung und den politischen Auftrag, im Rahmen der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR wirtschaftspolitische Empfehlungen für den Fall der Wiedervereinigung auszuarbeiten. Siehe Wöller, Roland: Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands 1952–1975, Düsseldorf 2004; Gloe, Markus: Planung für die deutsche Einheit: der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands 1952–1975, Wiesbaden 2005.
21 Zimmermann, Hartmut: Probleme der Analyse bolschewistischer Gesellschaftssysteme. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der Anwendbarkeit des Totalitarismusbegriffs, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 12 (April 1961), S. 193–206, Zitat S. 198.
22 Zur Produktivität von Zeitzeugen in der Kommunismusforschung – auch am Beispiel seiner eigenen Erfahrungen – vgl. seinen jüngst erschienenen Aufsatz: Weber, Hermann: Zwischen Autobiographie und archivalischem Zeugnis – Quellenproblematik in der Kommunismusforschung. Zeitzeuge und Erforscher des internationalen Kommunismus, in: Buckmiller, Michael / Meschkat, Klaus (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte der Kommunistischen Internationale. Ein deutsch-russisches Forschungsprojekt, Berlin 2007, S. 74 – 90, S. 84 ff.
23 Siehe Teufel, Erwin: Zum Geleit, in: Eppelmann, Rainer / Faulenbach, Bernd / Mählert, Ulrich (Hrsg.): Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, Paderborn 2003, S. XVII. Siehe auch den Text seines Freundes, des Sozialdemokraten Markus Meckel, den er in den 90er-Jahren während der gemeinsamen Arbeit in den Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags kennenlernte: Meckel, Markus: Hilfe beim Verständnis der eigenen Vergangenheit – Hermann Weber zum Fünfundsiebzigsten, in: ebenda, S. 429–434.
24 Ich habe mir diesen Begriff bei einem Klassiker der Alltagsgeschichte entliehen: Lüdtke, Alf: Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a. M. / New York 1989, S. 28. Dort mit Verweis auf E. P. Thompsons Studien zur englischen Arbeiterbewegung im 18. Jahrhundert.
25 Hüttmann, Jens: »De-De-Errologie« im Kreuzfeuer der Kritik. Die Kontroversen um die ›alte‹ bundesdeutsche DDR-Forschung vor und nach 1989, in: Deutschland Archiv (2007), H. 4, S. 671–681.
26 Hoss, Willi: Komm ins Offene, Freund. Autobiographie, hrsg. von Peter Kammerer, Münster 2004, S. 39.
27 Weber, Hermann: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule »Karl Marx« bis 1949, Berlin 2002, S. 19 ff., Zitat S. 19. Vgl. auch Mählert, Ulrich: Hermann Weber zum 70. Geburtstag, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung IWK (1998), H. 3 / 4, S. 497–502; Möller, Horst: Hermann Weber und die Kommunismus-Forschung in Deutschland, in: Verleihung der Ehrendoktorwürde an Herrn Prof. Dr. Hermann Weber. Universität Rostock, Philosophische Fakultät, Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer deutscher Diktaturen, Rostock 2003, S. 14–24.
28 Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entlässt ihre Kinder, Köln 1990.
29 »Mir wurde der Name Wunderlich verpasst, was mir überhaupt nicht gefiel. […] Niemand dürfe die richtige Identität erfahren, und in Westdeutschland solle nicht bekannt werden, dass ich auf der SED-Parteihochschule sei, sondern nur, dass ich in Berlin studiere.« Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß (Anm. 27), S. 15.
30 Weber: Ulbricht fälscht Geschichte (Anm. 14); Weber, Hermann: »Weiße Flecken« in der Geschichte: Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung, Frankfurt a. M. 1989.
31 Weber, Hermann / Weber, Gerda: Leben nach dem »Prinzip Links«. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten, Berlin 2006, S. 59 ff. Dort der Abschnitt »Degradiert wegen ›Beleidigung‹ des ›genialen‹ Stalin«.
32 Ebenda, S. 52.
33 Ebenda, S. 132.
34 Ebenda, S. 358 ff., 372 ff.
35 Krüger, Horst: Das Ende einer Utopie. Hingabe und Selbstbefreiung früherer Kommunisten, Olten / Freiburg 1963, hier S. 8. Darin Hermann Weber als »Fall 5«, S. 111 ff.
36 Weber / Weber: Leben nach dem »Prinzip Links« (Anm. 31), S. 179, 182, siehe auch S. 201 ff. Siehe zum »Dritten Weg« auch Richert, Ernst: Die radikale Linke von 1945 bis zur Gegenwart, Berlin 1969, S. 74 ff.
37 Siehe zu Lippmanns Leben und zum »Dritten Weg« und seinen Netzwerken: Herms, Michael: Heinz Lippmann. Porträt eines Stellvertreters, Berlin 1996, S. 207 ff. Das Buch enthält auch ein persönliches, ausführliches Vorwort Hermann Webers über seine Freundschaft zu Lippmann. Siehe ebenda, S. 9–17. Weber hat später festgestellt, dass die Arbeit des im Geheimen operierenden Verfassungsschutzes mit seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis unvereinbar ist – trotz der Finanzierung betont Weber die autonome redaktionelle Arbeit, die dennoch möglich war. Siehe ebenda, S. 12 ff.
38 Weber, Hermann / Pertinax, Lothar: Schein und Wirklichkeit in der DDR: 65 Fragen an die SED, Stuttgart 1958.
39 Richert: Wissen, was »drüben« ist (Anm. 16), S. 31.
40 Weber, Hermann: Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht, Frankfurt a. M. 1961; ders.: Konflikte im Weltkommunismus: eine Dokumentation zur Krise Moskau–Peking, München 1964.
41 Weber / Weber: Leben nach dem »Prinzip Links« (Anm. 31), S. 235 ff.
42 Ebenda, S. 238 ff.
43 Ebenda, S. 321.
44 Hamacher, Heinz-Peter: DDR-Forschung und Politikberatung 1949–1990. Ein Wissenschaftszweig zwischen Selbstbehauptung und Anpassungszwang, Köln 1991, S. 8. Siehe ähnlich wie Hamacher argumentierend auch Gransow, Volker: Konzeptionelle Wandlungen der Kommunismusforschung. Vom Totalitarismus zur Immanenz, Frankfurt a. M. 1980; Glaeßner, Gert-Joachim: Sozialistische Systeme. Einführung in die Kommunismus- und DDR-Forschung, Opladen 1982.
45 Nicht in Mannheim angesiedelt war die breit angelegte Untersuchung von Fischer und Heydemann: Fischer, Alexander / Heydemann, Günther (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in der DDR, Bd. I: Historische Entwicklung, Theoriediskussion und Geschichtsdidaktik, Berlin 1988; dies. (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in der DDR, Bd. II: Vor- und Frühgeschichte bis Neueste Geschichte, Berlin 1990. Siehe auch Heydemann, Günther: Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organisationsstruktur, Funktionen, Theorie- und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR, Frankfurt a. M. 1980. Dieses Werk wurde mit dem Ernst-Richert-Preis des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen ausgezeichnet.
46 Zu Ludz siehe Kuppe, Johannes L.: Peter Christian Ludz: Zur Funktion von Ideologien in Geschichte und Gegenwart, in: Rupp, Hans Karl / Noetzel, Thomas (Hrsg.): Macht, Freiheit, Demokratie, Bd. 2: Die zweite Generation der westdeutschen Politikwissenschaft, Marburg 1994, S. 111–128.
47 Weber, Hermann: Die DDR-Forschung nach dem Grundvertrag, in: Deutschland Archiv (1973), H. 6, S. 587–594. Siehe für eine Einschätzung nach knapp zehn Jahren: Staritz, Dietrich / Koch, Manfred: Anmerkungen zur jüngsten DDR-Kritik an der bundesdeutschen DDR-Forschung, in: Deutschland Archiv (1982), H. 4, S. 370 ff.
48 Weber, Hermann: DDR. Grundriß der Geschichte 1945–1976, Hannover 1976, S. 9 f.
49 Siehe Weber, Hermann: Geschichte der DDR, München 1985. Siehe auch seit 1990: ders.: Die DDR 1945–1990, München 1993 – wie die anderen genannten Titel in mehreren Auflagen.
50 Weber, Hermann: Geschichte der DDR, München 2000.
51 Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Der Weg nach Pankow: zur Gründungsgeschichte der DDR, München 1980.
52 Broszat, Martin / Weber, Hermann (Hrsg.): SBZ-Handbuch: Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949, München 1990.
53 Nach Möller, Horst: Hermann Weber und die Kommunismus-Forschung in Deutschland (Anm. 27), S. 21.
54 Weber: Ulbricht fälscht Geschichte (Anm. 14). Siehe dazu Lokatis, Siegfried: Parteigeschichte als Chefsache. Hermann Weber als Antipode des ›Historikers‹ Ulbricht, in: Danyel, Jürgen / Kirsch, Jan-Holger / Sabrow, Martin (Hrsg.): 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen 2007, S. 80–83.
55 Bereits in »Ulbricht fälscht Geschichte« (Anm. 14) hatte Weber nach dem Schicksal der von Stalin ermordeten KPD-Führer gefragt, siehe ebenda, S. 68 ff.
56 Siehe das Vorwort zur DDR-Ausgabe vom April 1990: Weber: »Weiße Flecken« in der Geschichte (Anm. 30), S. 7–11.
57 Siehe dazu auch Weber, Hermann / Mählert, Ulrich (Hrsg.): Terror. Stalinistische Parteisäuberungen 1936–1953«, Paderborn 1998.
58 Siehe dazu das an Webers Habilitation anknüpfende und wesentlich erweiterte biographische Handbuch von Hermann Weber und Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004. Eine zweite, überarbeitete und deutlich erweiterte Auflage erscheint im Jahr 2008.
59 Obwohl bei Weber stets die politische Geschichte der DDR im Vordergrund steht, zeigen sich hier Parallelen zum Selbstverständnis alltagshistorischer Perspektiven: »Wer Anteil nimmt, will den oder die anderen nicht ändern, sondern versucht vielmehr, ihn oder sie – aber auch sich selbst zu verstehen.« Siehe Lüdtke: Alltagsgeschichte (Anm. 24), S. 31.
60 Hölscher, Lucian: Neue Annalistik. Umrisse einer Theorie der Geschichte, Göttingen 2003, S. 46.
61 Ein enger Mitarbeiter, Ulrich Mählert, berichtete zu Webers 70. Geburtstag: So »brach am ›Lehrstuhl Weber‹, wie der kleine Wissenschaftsbetrieb im (West-)Plattenbau auf einer Mannheimer Verkehrsinsel im internen Sprachgebrauch hieß, hektische Betriebsamkeit aus. Fernsehkameras und Rundfunkjournalisten drückten sich die Klinke in die Hand, um Kommentare zu den Entwicklungen im Osten zu erhalten.« Mählert, Ulrich: Hermann Weber zum 70. Geburtstag (Anm. 27), S. 500.
62 Weber: Damals, als ich Wunderlich hieß (Anm. 27), S. 9.
63 Siehe für den konzeptuellen Umgang mit Emotionen Lüdtke, Alf: Emotionen und Politik – zur Politik der Emotionen, in: Sozialwissenschaftliche Informationen 30 (2001), H. 3, S. 4–13.
64 Kössler, Till: Abschied von der Revolution: Kommunisten und Gesellschaft in Westdeutschland 1945 – 1968, Düsseldorf 2004.
65 Zit. nach dem Ausstellungskatalog »Ein Mannheimer Leben nach dem ›Prinzip Links‹. Hermann Weber, Kommunismusforscher«, in: Mein Mannheim. Außen- und Innenansichten einer Stadt in Gesprächen und Bildern, Katalog zur gleichnamigen Outdoor-Ausstellung, Mannheim 2007.